Der Wunschlose – Prinz Max von Baden und seine Welt

Der Wunschlose – Prinz Max von Baden und seine Welt

Veranstalter
Generallandesarchiv Karlsruhe
Ort
Karlsruhe
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.06.2016 - 06.11.2016

Publikation(en)

Cover
Krimm, Konrad (Hrsg.): Der Wunschlose. Prinz Max von Baden und seine Welt. Stuttgart 2016 : Kohlhammer Verlag, ISBN 978–3–17–031764–2 232 S. € 24,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Braun, Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte

Die kaiserlichen Reichskanzler im kollektiven Bewusstsein der Deutschen: Ein Einziger nimmt hier mehr Raum ein, als die anderen sieben zusammen. Von diesen sieben Kanzlern steht seit Juni (und noch bis 6. November) der letzte, Prinz Max von Baden, im Mittelpunkt einer vielbeachteten Ausstellung in Karlsruhe. Weitere Stationen sind für Salem am Bodensee und Berlin geplant.

Neben institutionellen Leihgebern, wie dem Generallandesarchiv selbst, dem Bundesarchiv, dem Jüdischen Museum Berlin oder dem Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth, haben mehr als ein Dutzend private Leihgeber – allen voran das Haus Baden – sehenswerte Exponate zur Verfügung gestellt. Sie bilden den Schwerpunkt der 43 Themen behandelnden Ausstellung und lassen die Texte in den Hintergrund treten. Vom Schreibtisch Bernhards, Prinz von Baden, stammt zum Beispiel eine vom badischen Bildhauer Fridolin Dietsche gefertigte Statuette des Reichskanzlers. „Prinz Max präsentiert sich“, so beschreibt sein Urenkel im lesenswerten Begleitband zur Ausstellung die kleine Statue, „nicht militärisch-repräsentativ, wie so viele andere Fürstendarstellungen im Kaiserreich, sondern lesend mit aufgeschlagenem Buch in der Hand.“ (S. 6)

Es scheint, als würde Max von Baden aus seiner militärisch geprägten Zeit fallen. An diesem Eindruck ändert auch der Paradehelm des Prinzen Max als Offizier des Garde-Kürassier-Regiments im Themenkomplex „Die Welt vor 1914“ wenig. Man erfährt dort viel über die Verwandtschaftsverhältnisse des Prinzen und – damit zusammenhängend – einen frühen diplomatischen Erfolg: die Heirat zwischen Viktoria Luise, der einzigen Tochter Kaiserin Auguste Viktorias und Kaiser Wilhelms II., und Ernst August von Cumberland, dem Schwager des Prinzen Max. Damit gelang ihm die Aussöhnung der Häuser Hohenzollern und Hannover und damit das „wirkliche Ende des ‚Bruderkriegs‘ von 1866“, wie der Ausstellungsmacher Konrad Krimm, zugleich Herausgeber des Begleitbands, schreibt (S. 19).

Auch wenn der 1867 geborene Prinz nicht den militärischen Idealen seiner Zeit nacheiferte: Der Prinz war ein Kind seiner Zeit, dominiert von seinen Eltern – Prinz und „Prinzessin Wilhelm“ (Prinzessin Maria Maximilianowna von Leuchtenberg) –, wie die Ausstellung mit zwei großformatigen Porträts derselben verdeutlicht. Prinz Max sieht man als zarte Bleistiftzeichnung – davor Auszüge aus seinem Tagebuch; die drastische Änderung seiner Handschrift dokumentiert wahrscheinlich einen Anpassungsprozess.

Die Ausstellung zeigt auch, was es bedeutete, in der zweiten Reihe des höfischen Lebens zu stehen. Die Familie des Prinzen – der Vater war ein jüngerer Sohn von Großherzog Leopold und von Prinzessin Sophie von Schweden – bewohnte einen der Zirkelbauten um das Karlsruher Schloss; nur der Giebel unterschied das Haus von anderen. Es war die Kinderlosigkeit von Großherzog Friedrich II., die Prinz Max nach dem Tod seines Vaters 1897 zum Thronfolger machte – ein Aufstieg, der Ausdruck auch im repräsentativeren Wohnen („Prinz Max Palais“) – wenngleich in der Karlsruher Innenstadt – fand.

Dass der Prinz Versuche unternahm, beim Skifahren und bei alpinen Gebirgstouren der höfischen Etikette und den Repräsentationspflichten zu entgehen – seine Schneeschuhe und Steigeisen sind hier entsprechende Exponate – scheint verständlich. Ein weiterer Ausweg war die Musik: Der Prinz war ein „eifriger Besucher der Bayreuther Festspiele“ (S. 75). Ein Modell des Festspielhauses Bayreuth an exponierter Stelle der Ausstellung visualisiert diese Passion. Schon seit den frühen 1890er-Jahren war er mit Cosima Wagner bekannt, später auch mit deren Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain. Dessen „Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ las er mehrfach, verwendete antisemitische Formulierungen aus dessen Feder, machte sich aber nicht dessen radikalen Antisemitismus zu Eigen. Hier empfiehlt sich der Blick in den Begleitband besonders; dort erfährt man auch einiges über Prinz Max‘ Sekretär Kurt Hahn, Max Warburg oder Ludwig Haas, mit denen der Prinz trotz deren jüdischen Glaubens langjährig eng und freundschaftlich verbunden war.

Wie erlebte Prinz Max den Weltkrieg? Das unmittelbare militärische Geschehen hat er, gesundheitlich angeschlagen, bald verlassen. Die Ausstellung zeigt sein darauffolgendes intensives und kontinuierliches Engagement für die Kriegsgefangenen auf beiden Seiten. Wie sehr jeglichem karitativen Engagement drohte, zum Objekt der Propaganda zu werden, zeigt eindringlich ein großformatiges Ölgemälde, das die Großherzogin Luise beim Besuch eines verwundeten Soldaten zeigt. Auch die Hilfe Max von Badens für die nordafrikanischen Kriegsgefangenen in Zossen sollte neben menschlichen militärischen Zwecken dienen: Man wollte sie für die osmanischen Streitkräfte gewinnen. Wie konnte man da noch die humanitäre Herausforderung sehen, die hinter der Summe der Gefangenenschicksale steckte? Der Prinz tat es, verwies auf die Notwendigkeit, „daß noch während des Krieges eine Abkehr von dieser Kriegsverrohung stattfindet“ (S. 35). Neu dürfte für viele Besucher auch die gute Zusammenarbeit mit Carl und Mary Bohny beim Austausch von Kriegsgefangenen sein (S. 110–119). Beides – die Fürsorge für Kriegsgefangene wie auch deren Austausch – band Ressourcen und wurde von militärischen Stellen beargwöhnt. Erst unmittelbar vor der deutschen Kriegsniederlage wurde in den so entstandenen internationalen Kontakten des Prinzen ein Vorteil gesehen. Dankenswert ist, dass in der Ausstellung das Thema Kriegsgefangene auch an einer Medienstation – sie zeigt und kommentiert vier Stummfilme/Wochenschauen von 1915–1918 hierzu – illustriert wird.

Gelangt man zum Kriegsende, verschwinden in der Ausstellung die Porträtskizzen Kaiser Wilhelms II. aus dem Blick, gleichermaßen das Lichtdruck-Porträt Erich Ludendorffs, an dessen Allmacht viele Zeitgenossen noch bis zu seiner Entlassung glaubten. Stattdessen sieht man Vertreter des Wandels wie Johannes Lepsius, Friedrich von Payer oder Friedrich Ebert und an zentraler Stelle Prinz Max von Baden.1 „Ich glaubte, fünf Minuten vor zwölf zu kommen, und bin fünf Minuten nach zwölf gerufen worden.“2 Nicht erst seit Lothar Machtans viel beachteter Biographie wissen wir, dass Max von Baden nicht (nur) darauf wartete, gerufen zu werden.3 Schon Erich Matthias und Rudolf Morsey gaben Hinweise auf das um die Kanzlerschaft bemühte Netzwerk des Prinzen – allen voran Kurt Hahn („Nihil est in Max quod non antea fuerit in Kurt“ – so die Einschätzung Friedrich Rosens).4

Auch weniger bekannte Mitglieder des Netzwerks Max von Badens einem breiteren Publikum näher zu bringen, ist ein weiterer Verdienst dieser Ausstellung und ihres Begleitbands, zu dem 24 Autorinnen und Autoren beigetragen haben. Die zum Bild des Prinzen hinzugefügten Mosaiksteine bedürfen der Fundierung in der bisherigen Forschung und lassen ihn so nicht nur als den erfolglosen letzten Kanzler des Kaiserreichs erscheinen – auch nicht als den „Wunschlose[n]“, wie er in der seiner Kanzlerschaft vorausgehenden Korrespondenz bezeichnet wurde. Die Ausstellung ist eine verdienstvolle und attraktive Anregung, sich mit zentralen Fragen am Ende des Kaiserreichs und zu Beginn der Weimarer Republik zu beschäftigen.

Anmerkungen:
1 Zu ihm wie auch zu seiner Dokumentation des Völkermords an den Armeniern (sie wurde am 7. August 1916 von der deutschen Zensur verboten) findet sich im Katalog ein Beitrag von Rolf Hosfeld (S. 134–137), zu Payer und Haußmann siehe der Beitrag von Peter Bohl (S. 186–193) und zu Friedrich Ebert der Beitrag von Bernd Braun (S. 194–203).
2 So äußerte sich Prinz Max am 15. Oktober 1918 laut seinen Erinnerungen gegenüber seinem Onkel, dem regierenden Großherzog Friedrich II. von Baden, vgl. Max von Baden, Erinnerungen und Dokumente, Stuttgart 1968, S. 386. Vgl. zur Kanzlerschaft Max von Badens den Beitrag von Frank Engehausen im Begleitband: „Max von Badens Kanzlerschaft“.
3 Lothar Machtan, Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler des Kaisers. Eine Biographie, Berlin 2013.
4 Erich Matthias / Rudolf Morsey (Bearb.), Die Regierung des Prinzen Max von Baden, Düsseldorf 1962, S. XVI–XXIX.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprache(n) Ausstellung
Deutsch
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension