Mykene. Die sagenhafte Welt des Agamemnon

Mykene. Die sagenhafte Welt des Agamemnon

Veranstalter
Badisches Landesmuseum Karlsruhe
Ort
Karlsruhe
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.12.2018 - 02.06.2019

Publikation(en)

Cover
Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Mykene. Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Darmstadt 2018 : Philipp von Zabern Verlag, ISBN 978-3-8053-5179-9 392 S. € 39,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniel Syrbe, Research Project "Constraints and Tradition", Faculty of Arts, Radboud University Nijmegen

Die vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kultur und Sport der Republik Griechenland organisierte Ausstellung „Mykene. Die sagenhafte Welt des Agamemnon“ brachte dem Publikum eine der faszinierendsten Kulturen des antiken Mittelraumes nahe.1 Mit mehr als 400 Objekten aus griechischen Museen, unter denen beispielsweise die Funde aus dem 2015 bei Pylos entdeckten, reich ausgestatteten und nach einer aufwändig verzierten Elfenbeinplakette benannten „Grab des Greifenkriegers“ zum ersten Mal öffentlich zu sehen waren, zeichnete die Ausstellung die Entwicklung der mykenischen Kultur von ihren Anfängen um 1680 v. Chr. bis zum Untergang der Paläste um 1200 v. Chr. nach. Die Ausstellung war nicht nur für ein interessiertes Museumspublikum, sondern auch aus Sicht der althistorischen Forschung interessant, weil infolge der zunehmenden fachlichen Spezialisierung die Anschlussfähigkeit von Mykenologie und Geschichtswissenschaften schwieriger wird.

Die in sechs Bereiche gegliederte Ausstellung verknüpfte einen chronologischen mit einem thematischen Ansatz. So konnten einerseits ein zeitlicher Längsschnitt durch die mykenische Kultur und andererseits spezifische Facetten der mykenischen Gesellschaft vertieft dargestellt werden. Dass die einzelnen Ausstellungsbereiche mit unterschiedlichen Hintergrundfarben unterlegt waren, wirkte nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern bot auch dem Besucher Orientierung. Die Ausstellungsmacher setzten ein breites Spektrum an Präsentationsformen sinnvoll ein. Klassische Präsentationen archäologischer Funde wurden durch Multimedia-Anwendungen, virtuelle Rekonstruktionen und plastische Nachbildungen von Bauten ergänzt. Im Wortsinn „bespielbare“ Stationen richteten sich zudem gezielt an Kinder als Ausstellungsbesucher. Dass einige Erläuterungstafeln neben deutschen und englischen auch griechischsprachige Texte bereithielten, versinnbildlichte die enge Kooperation mit den griechischen Partnern.

Mykene selbst ist im kulturellen Gedächtnis als Machtzentrum des Agamemnon sowie als Schauplatz der durch die homerischen Epen inspirierten Grabungen Heinrich Schliemanns verankert. An diesem erinnerungskulturellen Schnittpunkt holte die Ausstellung ihre Besucher ab. Den Eingangsbereich rahmten Wandfahnen mit Fotografien der aus großformatigen Steinblöcken erbauten Zyklopenmauer von Mykene sowie der unterhalb des Burgberges gelegenen, als „Schatzhaus des Atreus“ bezeichneten monumentalen Grabanlage. Schon den frühen Reisenden des 18. und 19. Jahrhunderts stachen beide Monumente ins Auge. Für die Benennung standen damals jeweils Erwähnungen beim antiken Reiseschriftsteller Pausanias Pate. Den eigentlichen Blickfang bildete aber ein Gipsabguss des Löwentors, das mit seiner Freilegung im 19. Jahrhundert zu einer Ikone der Archäologie geworden ist. Während das Mykene der Ilias durch eine Homerbüste symbolisiert wurde, stand in diesem Ausstellungsbereich die durch die Grabungen des 19. Jahrhunderts ausgelöste Archäologiebegeisterung im Vordergrund. Neben den von Schliemann veranlassten aufwändigen Publikationen seiner Grabungen in Mykene und Tiryns vermittelten vor allem die seit Ende des 19. Jahrhunderts von der WMF hergestellten galvanoplastischen Nachbildungen mykenischer Fundstücke samt der dazugehörigen Produktkataloge und Preislisten einen besonderen Eindruck von der Faszination für das noch junge Fach Archäologie. Audiostationen spielten zudem geschickt mit der Fiktion zum Besucher sprechender archäologischer Pioniere, wie Schliemann, Panagiotis Stamatakis oder Christos Tsountas, die ein buntes, durchaus unterhaltsames Bild von den Anfängen der griechischen Frühgeschichtsforschung entstehen ließen.

Die Ausstellung war zunächst chronologisch aufgebaut, beginnend mit den Vorläufern der mykenischen Kultur in der mittelhelladischen Bronzezeit. Übersichtliche Informationstafeln führten in die chronologische Gliederung der bronzezeitlichen Kulturgruppen ein und erläuterten die Bezeichnungen für die Mykener in hethitischen und ägyptischen Texten. Im ersten, anthrazitfarben gestalteten Raum veranschaulichten Waffen und Goldfunde aus Gräbern in Mykene und Pylos Macht und Reichtum frühmykenischer Eliten. Gezeigt wurde beispielsweise eine Grabmaske aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts v. Chr. aus dem Schachtgrab N von Mykene. In einem begehbaren Modell eines Tholosgrabes, einer für die mykenische Zeit charakteristischen monumentalen Grabform, war unter anderem die erstmals außerhalb Griechenlands ausgestellte, als Zeichen priesterlicher Würde interpretierte „Krone von Routsi“ zu sehen.

Ausgehend von den Gräbern bildete die Ausstellung frühe, auf die Palastzeit vorausweisende Zentralisierungsprozesse ab. Als frühmykenisches Zentrum wurde Kakovatos mit seinen von Wilhelm Dörpfeld im Jahr 1907 ausgegrabenen Kuppelgräbern und der 2009 bis 2010 erforschten Siedlung vorgestellt. Die Tholosgräber von Peristeria dienten dagegen als Beispiel für ein anfangs eigenständiges Zentrum, das jedoch im Ringen um die regionale Vormacht von Pylos unterworfen worden war. Beleuchtet wurden auch Bezüge zwischen mykenischer und minoischer Kultur, illustriert anhand von Kleinfunden und Keramik, sowie die minoische Palastkultur auf Kreta.

Den Übergang in die Palastzeit als Blütezeit der mykenischen Kultur signalisierte ein in grellem Weiß gehaltener Raum. Die Ausstellung ging hier von einer chronologischen zu einer thematischen Präsentation über und zeigte verschiedene Bereiche mykenischer Lebenswelten. Im Fokus stand zunächst die Organisation der Paläste. Ausgehend von den schon im Rahmen der frühen archäologischen Ausgrabungen gefundenen Tontäfelchen, die in der für die mykenische Zeit typischen Linear-B-Schrift Verwaltungsvorgänge dokumentieren, und unterlegt durch archäologische Fundstücke wurden Sozialstrukturen, Handwerk und die Organisation von Werkstätten, die Rolle von Frauen in der Palastwirtschaft sowie die Bedeutung von Festen zur Sicherung machtpolitischer Akzeptanz entfaltet. Die gezeigten Objekte korrespondierten anschaulich mit den aus den Schrifttäfelchen gewonnenen Informationen. Multimediapräsentationen gaben zudem Einblicke in die derzeit laufende Erforschung mykenischer Siegel.

Den Mittelpunkt der Ausstellung stellte die Nachbildung eines Megarons, des charakteristischen zentralen Raumes eines mykenischen Palastes, dar. Dessen Wirkung resultierte nicht nur aus dem effektvollen räumlichen Eindruck, sondern vor allem aus der geradezu überbordenden Farbigkeit. Als Vorlage für die Rekonstruktion von Wandmalereien und Fußbodendekorationen dienten auch ausgestellte Funde aus Mykene, Pylos und Tiryns, die dem Ausstellungsbesucher einen Eindruck von der Schwierigkeit solcher Rekonstruktionsarbeiten gaben. Die dargestellten Kampfszenen der Wandmalereien dienten als Aufhänger für das Thema Kriegswesen. Als gelungen darf gelten, dass die diesbezüglichen Ausstellungsstücke – Waffenbeigaben, ein Eberzahnhelm, Streitwagendarstellungen – in dezent integrierten Wandvitrinen präsentiert wurden, sodass der räumliche Eindruck des Megarons erhalten blieb.

Im anschließenden, wieder dunkelgrau gehaltenen Raum stand die Alltagskultur im Mittelpunkt. Wiederum begleitet von archäologischen Funden – vor allem Keramik und Metallbarren – illustrierte eine großformatige Wandkarte die weitgespannten Handelsbeziehungen der Mykener. Unter dem Schlagwort „Schmuck und Schönheit im Palast“ wurden Trachtbestandteile, Hygienegeräte, Schmuckstücke und Siegelringe gezeigt, zwangsläufig mit einem Fokus auf den sozialen Eliten. Mit Blick auf die mykenische Götterwelt wurde die Kontinuität zum späteren Griechenland betont. Dies kann man sicher kritisch sehen und fragen, inwiefern diese Deutung von der Rückschau aus der griechischen Antike beeinflusst ist. Ähnliches gilt für manche zugespitzte Aussage über Vorstellungen von Tod und Jenseits, die die Frage aufwarfen, wie man zu solchen Detailinformationen gelangt, wenn eine Kultur Schriftlichkeit nur zu Verwaltungszwecken nutzt.

Eingeleitet durch ein sich über Wände und Decke ziehendes rotes Band und den erneuten Wechsel zur Hintergrundfarbe Weiß blickte der letzte Abschnitt der Ausstellung auf den Untergang der mykenischen Welt. Das Ende der Palastkultur wurde als komplexes, nicht vollständig erklärbares Szenario vermittelt. Die Ausstellung thematisierte Veränderungen im Kriegswesen anhand von Waffenbeigaben in Gräbern. Hingewiesen wurde auf neue Einflüsse aus dem Adriaraum, sichtbar im Metallhandwerk, aber auch auf Kontinuitäten, beispielsweise im Töpferhandwerk oder der Schmuckproduktion. Eine Videoanimation zeigt den Palast von Tiryns, den einzigen mykenischen Palast, der nach der Zerstörung zunächst weiter genutzt, letztendlich aber doch aufgegeben worden war. Perati in Attika, das im 12. Jahrhundert v. Chr. zu einem Importzentrum für Keramik aus der Ägäis wurde, diente als Beispiel für die Neuorientierung der griechischen Welt nach dem Ende der mykenischen Paläste.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Badische Landesmuseum eine inhaltlich sehenswerte und ästhetisch ansprechende Ausstellung präsentiert hat. Im Zusammenspiel mit der umfangreichen Begleitpublikation führte diese den Besucher/innen ein breites Panorama der mykenischen Kultur anschaulich vor Augen. Die Kombination bekannter und neuer Forschungsergebnisse fügte sich dabei zu einem nuancierteren Bild des mykenischen Griechenland zusammen. Über inhaltliche Details kann man sicher diskutieren. Dies gilt beispielsweise für die immer wieder zur Untermalung einzelner Themenbereiche verwendeten Zitate aus der Ilias, ohne dass jedoch die Frage nach dem Verhältnis zwischen mykenischer Kultur und homerischen Epen überzeugend thematisiert worden wäre. Auch hätte man sich mitunter gewünscht, dass der Blick der Ausstellung länger in den ländlichen Siedlungen jenseits der Paläste verweilt. Alles in allem ist es den Karlsruher Ausstellungsmachern aber sehr gut gelungen, das Thema Mykene einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen.

Anmerkung:
1 Aufgrund rechtlicher Vereinbarungen des Badischen Landesmuseums mit den Leihgebern war es leider nicht möglich, Fotos aus der Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Diese Besprechung muss daher ohne Abbildungen auskommen. Einen Einblick in die Ausstellung gibt aber dieses Video <https://www.youtube.com/watch?v=zS1ubf9wyy4> (zuletzt abgerufen am 14.10.2019)

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