Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert

Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert

Veranstalter
Deutsches Historisches Museum
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.05.2020 - 18.10.2020

Publikation(en)

Cover
Blume, Dorlis; Boll, Monika; Gross, Raphael (Hrsg.): Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert. . München 2020 : Piper Verlag, ISBN 978-3-492-07035-5 288 S., zahlr. Abb. € 22,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anna Corsten, Leipzig

Seit dem 11. Mai ist die Sonderausstellung „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“ im Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin für Besucher/innen geöffnet.1 Dabei drängen sich drei Fragen auf: Warum hat sich das Museum anlässlich des 75. Jahrestages des Kriegsendes von 1945 für eine Ausstellung über die politische Theoretikerin entschieden? Wieso genießt Hannah Arendt 45 Jahre nach ihrem Tod weiterhin, ja sogar in wachsendem Maße ein enormes öffentliches und wissenschaftliches Interesse? Welche zusätzlichen Erkenntnisse können speziell anhand einer Ausstellung gewonnen und vermittelt werden? Der Holocaust-Forscher Raul Hilberg erklärte Arendts Popularität in einem Brief an den Philosophen Emil L. Fackenheim 1997 wie folgt: „Arendt was Jewish and an intellectual woman. On those two grounds she qualifies, perhaps uniquely, for beatification in Germany.“2 Damit versuchte Hilberg die Kritik zu erklären, die er nach einem Vortrag zu Arendts Eichmann-Buch in Potsdam erfahren hatte.3 Die von Monika Boll kuratierte Ausstellung verdeutlicht jedoch, dass es deutlich mehr und tiefergehende Gründe für die Aufmerksamkeit gegenüber Arendt gab und gibt, die nun im DHM anhand von Dokumenten, Briefen, Fotos und anderen Objekten greifbar werden. Diese sind angesichts des 75. Jahrestages des Kriegsendes durchaus von Relevanz und verraten einiges über den jeweiligen Zeitgeist.

Die Ausstellung zeigt Arendts Deutungen des 20. Jahrhunderts auf gut 1.000 Quadratmetern anhand von Kontroversen um ihre wissenschaftlichen Schriften. Ein weiteres Augenmerk gilt Arendts zahlreichen Weggefährt/innen und deren ebenfalls markanten Biographien. Durch Raumteiler sind die einzelnen Themenbereiche weitestgehend voneinander abgegrenzt, aber auch durch Blickachsen miteinander verbunden. Die chronologische Abfolge beginnt mit dem Werk zu Rahel Varnhagen, an dem Arendt seit 1929 arbeitete. Anhand der Figur Varnhagens (1771–1833) wies Arendt darauf hin, dass der Wunsch nach Assimilation stets von Antisemitismus begleitet war und nie zu einer vollständigen Integration führte. Viele Juden seien daher zu „Parvenüs“ geworden. Varnhagen bezeichnete sie dagegen als „bewussten Paria“. Sie war zwar zum Christentum konvertiert, hatte sich aber „der Assimilation verweigert“, argumentierte Arendt (zit. bei Liliane Weissberg im Begleitband, S. 30). Es war diese negative Darstellung der Assimilation sowie die Erkenntnis, dass Varnhagen ihre jüdische Herkunft bewusst unsichtbar gemacht hatte, die nach der Publikation auf Kritik stießen.


Abb. 1: Brief Arendts an ihren Lektor sowie deutsche und englische Ausgabe des Buches über Rahel Varnhagen (1959 bzw. 1957). An anderer Stelle der Ausstellung wird noch darauf hingewiesen, dass die Arbeit über Varnhagen nach einem mehrjährigen Verfahren 1971 vom Bundesverfassungsgericht als Habilitation anerkannt wurde. Hätte Arendt 1933 nicht aus Deutschland flüchten müssen, so die Argumentation, hätte sie ihre akademische Qualifikation kurz darauf abschließen und eine Professur erhalten können. Von der „Lex Arendt“ profitierten auch andere zur Flucht gezwungene Wissenschaftler.
(Foto: Anna Corsten)

Doch die Ausstellung rekonstruiert nicht nur die bereits bekannte Debatte der 1950er-Jahre. Sie verweist darüber hinaus auf den Publikationsprozess des Werkes, der Aufschluss über den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in der Nachkriegszeit gibt. Wie Weissberg im Ausstellungsband erläutert, stand die Wissenschaftlerin durch den Einsatz ihres Doktorvaters Karl Jaspers nach Kriegsende in Kontakt mit dem Piper Verlag, der ihr Manuskript zunächst ablehnte. Es ist Arendts Verhandlungsgeschick zuzuschreiben, dass Klaus Piper sein ursprüngliches Urteil, nach dem das Manuskript nicht zu dem Verlag passe, revidierte. Doch der Überarbeitungsprozess mit dem Cheflektor und ehemaligen SS-Obersturmbannführer Hans Rößner blieb nicht frei von Konflikten, wie ein ausgestellter Brief Arendts zeigt. Rößner riet ihr, die Verweise auf Varnhagens Judentum und den Untertitel zu streichen. Arendt beharrte auf beidem; die englische Erstausgabe von 1957 hatte den Untertitel „The Life of a Jewess“ getragen. In ihrer Antwort an Rößner schrieb Arendt: „[…] aber das Wort ‚Jude‘ muss doch irgendwie in ihm [dem Untertitel] erscheinen.“ (S. 34) Rößner unterstrich diesen Teilsatz und merkte ein „nein!?“ an. Es sind solche im Original vorliegenden Dokumente, durch die die Ausstellung Konflikte um Arendts Werk veranschaulicht. Auf diese Weise bringt sie Arendt als Briefeschreiberin nahe und versetzt den Besucher zugleich in den Zeitgeist der 1950er-Jahre. Obwohl Arendt und Rößner sich schließlich auf den Untertitel „Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik“ geeinigt hatten, verkürzte der Verlag diesen auf dem Umschlag (1959) zu „Eine Lebensgeschichte“. Die Änderung und Auslassung von Titeln bei der Übersetzung von Büchern über den Nationalsozialismus ins Deutsche waren keineswegs unüblich.4 Dieses Vorgehen verdeutlicht eine Tabuisierung bestimmter Themenbereiche, besonders der Shoa und vor diesem Hintergrund auch der Geschichte von Antisemitismus.

Ebenfalls aufschlussreich für die Verhandlung des Nationalsozialismus in den ersten Nachkriegsjahrzehnten ist der Abschnitt zu Arendts „Eichmann in Jerusalem“, der ihren Auseinandersetzungen mit dem Zionismus, dem Problem der Staatenlosigkeit und dem Totalitarismus folgt. Anhand einer Fülle von ausgestellten Briefwechseln und Zeitungsartikeln gibt dieser Teil einen Überblick der Reaktionen auf Arendts umstrittene Thesen in Israel, den USA, Ost- und Westdeutschland und macht diese förmlich greifbar. Der Besucher kann sich selbst einen Eindruck über die sich entwickelnde Kontroverse verschaffen, ohne dabei auf die Interpretationen aus der Forschungsliteratur angewiesen zu sein. Auch hier veranschaulichen die Quellen die Nachkriegsdiskurse um den Nationalsozialismus.


Abb. 2: Arendts Artikel zum Eichmann-Prozess, die 1963 zunächst im „New Yorker“ erschienen. Die insgesamt fünf Beiträge, die auf Arendts eigene Initiative zurückgingen, waren außergewöhnlich lang (jeweils 50-80 Druckseiten), allerdings von zahllosen Anzeigen unterbrochen, die mehr Platz einnahmen als der Text und manchen Kritiker/innen im Verhältnis zu dessen Inhalt völlig unangemessen erschienen. An einer Medienstation (rechts von der hier abgebildeten Vitrine) kann man in einer kompletten Ausgabe des Magazins vom Februar 1963 virtuell blättern und diesen Eindruck ausgezeichnet nachvollziehen.
(Foto: Anna Corsten)

Besonders der Remigrant und Historiker Golo Mann ging in seinem „ZEIT“-Artikel 1964 über die gängige Kritik an der „Kollaborations-“ und der Banalitätsthese hinaus. Mann verwendete einen wesentlichen Teil seiner Besprechung darauf, sich über Arendts Analyse des deutschen Widerstandes auszulassen. „Ihre Charakteristik des deutschen Widerstandes enthält die empörendsten Verleumdungen, die je über diese Bewegung verbreitet wurden“, schrieb er. Es sei eine „Unwahrheit“, dass Goerdeler, Moltke, Leber und andere nur angesichts der drohenden Niederlage zur Rettung des deutschen Staates geeilt seien und nicht aus moralischen Gründen gehandelt hätten. Dass Arendt über Bonhoeffer schwieg, deutete er als „Verhöhnung [aus] amerikanischer Unwissenheit“.5 Manns Fixierung auf die wenigen Urteile, die Arendt in ihrem Eichmann-Buch über den deutschen Widerstand traf, verweist auf einen wesentlichen Trend in der westdeutschen Geschichtswissenschaft der 1950er- und 1960er-Jahre. Verschiedene Historiker wie Gerhard Ritter und Hans Rothfels hatten sich mit diesem Phänomen intensiv beschäftigt und den kleinen Teil der Gesellschaft, der Widerstand geleistet hatte, als das „wahre“ Deutschland dargestellt.6 Auf diese Weise gelang es, die Frage nach der Verantwortung der deutschen Bevölkerung beiseitezuschieben. Arendts Buch erschien zu einer Zeit, in der Nationalsozialismus und Shoa nur einseitig, mit Blick auf die Abwehr der Kollektivschuldthese, behandelt wurden. Die nachgedruckten Besprechungen rufen insgesamt auf eindrückliche Weise den Diskurs um die NS-Vergangenheit aus den 1960er-Jahren in Erinnerung.

Auch anhand der weiteren dargestellten Kontroversen wird deutlich, dass Arendt sich nicht scheute, in gesellschaftlich relevanten Fragen gegen den Strom zu schwimmen, etwa, wenn sie sich 1949–1952 als Geschäftsführerin der Jewish Cultural Reconstruction (JCR) für die Rückgabe von erbenlosem jüdischem Kulturgut einsetzte oder 1963 Rolf Hochhuth und dessen umstrittene Kritik an der Rolle der katholischen Kirche in der Shoa unterstützte. Zentrale Positionen Arendts oder ihrer Diskussionspartner sind dabei stets in einzelnen Zitaten an den Wänden der Ausstellung abgebildet.


Abb. 3: Kontroverse um das Schauspiel „Der Stellvertreter“ (1963) des kürzlich verstorbenen Schriftstellers Rolf Hochhuth (1931–2020). Links ein Theaterplakat nach einem Entwurf von John Heartfield, gedruckt 1966 in Ost-Berlin; rechts das Theaterkostüm eines Papstgewandes von 1963 aus der Freien Volksbühne in West-Berlin, wo Erwin Piscator Hochhuths Stück inszenierte.
(Foto: Anna Corsten)

Trotz vehementer Kritik an ihren Positionen ließ Arendt sich nicht abschrecken, für ihre Überzeugungen einzustehen. Andererseits war sie durchaus bereit, ihre Urteile zu erläutern oder zu revidieren, wenn ihre Kritiker sie überzeugten. Das geschah etwa, als sie sich mit dem Aufsatz „Reflections on Little Rock“ im Herbst 1957 zur Aufhebung der Segregation an amerikanischen High Schools positionierte. Mit der Zeitschrift „Commentary“ kam es darüber zu einem Streit, und der Text erschien dann erst 1959 in „Dissent“. Arendt argumentierte, Schwarze Eltern sollten den Kampf um Gleichberechtigung nicht auf den Rücken ihrer Kinder austragen. Der Schriftsteller Ralph Ellison antwortete Arendt, dass es für Schwarze Kinder notwendig sei, sich in einer feindseligen Umgebung zurechtzufinden. Arendt gestand ein, dass ihr dies zuvor nicht bewusst gewesen war. Zu einer Zeit, in der innerhalb wie außerhalb der Wissenschaft häufig auf den eigenen Argumenten beharrt wird, kann die Intellektuelle mit ihrer Diskussionsbereitschaft als Vorbild dienen. Besonders der Begleitband thematisiert in verschiedenen Aufsätzen die Bedeutung des „Urteilens“ für Arendt und grenzt es vom „Meinen“ und „Wissen“ ab. In der Ausstellung wird die Rolle von Urteilen im letzten Raum mit kurzen Filmprojektionen thematisiert, in denen unter anderem Lehrer/innen und Schüler/innen des Potsdamer Hannah-Arendt-Gymnasiums zu Urteilen und Diskussionen in der Demokratie befragt werden. Der Begriff bleibt jedoch vage. Auch die Frage, wie Arendt zu einem Urteil kam, bleibt unberührt.

Dass Arendt gesellschaftliche Debatten sowohl in Deutschland als auch in den USA mit unbequemen Urteilen vorangebracht hat, ruft die Ausstellung ins Gedächtnis. Mehr noch, sie verdeutlicht anhand von Zeitungsartikeln, Radio- und Fernsehinterviews (besonders dem berühmten Gespräch mit Günter Gaus von 1964, das sich in mehreren Teilen durch die Ausstellung zieht) die mediale Präsenz der Protagonistin. Arendt kann so ihre Positionen selbst vortragen. Das macht sich die Ausstellung mit ca. 30 Hörstationen und über den Audioguide weiter zunutze, indem einzelne nachgesprochene Briefwechsel angeboten werden. Stellenweise geht der Versuch, Arendt greifbar zu machen, jedoch zu weit, beispielsweise wenn das Klicken eines Feuerzeuges oder das Inhalieren von Rauch eingespielt wird. Trotzdem gelingt es, die verschiedenen Formate, in denen Arendt sich äußerte, im DHM zu vereinen. Bücher, Audio-CDs oder Videos können dagegen immer nur eine Quellenform darstellen, und Websites erreichen keine vergleichbare Anschaulichkeit materieller Objekte. Inhaltlich zeigt die Ausstellung, dass Arendt besonders die Themen Nationalsozialismus, Totalitarismus, Antisemitismus, Rassismus und die Shoa ab den 1950er-Jahren in ein öffentliches Bewusstsein rückte. Während sie dafür mittlerweile in Wissenschaft und Gesellschaft als mutige Pionierin geehrt wird, nahm sie unter Zeitgenossen häufig die Rolle einer Außenseiterin ein. Was Hilberg über seine Tätigkeit als Holocaust-Forscher zusammenfasste, kann auch für Arendt gelten: „Alles hängt von der Arbeit Einzelner ab, die gegen den Strom schwimmen.“7

Dass Arendt die in den 1970er-Jahre umkämpften Forderungen der zweiten Frauenbewegung nicht teilte, mag vor diesem Hintergrund verwundern. Die Medienwissenschaftlerin Astrid Deuber-Mankowsky geht Arendts Haltung zur Frauenbewegung, mit der sie sich nach eigener Aussage nicht auseinandersetzte, im Begleitband auf den Grund. Sie zeigt, dass Arendt anders als diese Bewegung zwar eine Trennung des Privaten und Öffentlichen forderte. Allerdings verdeutliche Arendt in ihrem Totalitarismus-Buch, dass das Politische frei von illegitimen Herrschaftsverhältnissen sein müsse. Deuber-Mankowsky argumentiert, dass diese Ansicht den Zielen der Frauenbewegung ähnelt, die die im Privaten erfahrene Ungleichheit zu einem politischen Thema erhob.


Abb. 4: Arendts Minox-Kamera, mit der sie Verwandte, Freundinnen und Freunde in Israel, New York und Europa fotografierte. Die Kamera, die hier gezeigten Fotos und etliche andere Objekte der Ausstellung hat Arendts Großnichte Edna Brocke dem DHM geschenkt.
(Foto: DHM / Thomas Bruns)

Zum Konzept der Ausstellung gehört es, Arendt nicht nur als Intellektuelle, sondern auch als Privatperson darzustellen. Das ist vielfach erhellend, weil dieser Ansatz Arendt zugleich als Wissenschaftlerin näherbringt. Wenn etwa private Fotos von Arendt gezeigt werden bzw. Fotos, die sie mit ihrer 1961 erworbenen Minox-Kleinstbildkamera selbst von Freunden machte, wird deutlich, wie eng ihre sozialen Beziehungen mit ihrem Leben als Intellektuelle verschränkt waren. Zu diesen Freunden zählte nicht zuletzt der Fotograf Fred Stein (1909–1967), ein anderer jüdischer Emigrant in New York, dem die bis heute bekanntesten Porträtbilder Arendts zu verdanken sind.


Abb. 5: Objekte aus Arendts Besitz, gruppiert um eines ihrer „Denktagebücher“. Das Großbild in der Mitte basiert auf einem der Fotos von Fred Stein aus dem Jahr 1944. Die zugehörigen Kontaktbögen sind auf der Wand im Hintergrund zu erkennen.
(Foto: DHM / Thomas Bruns)

Objekte wie Arendts Zigarettenetui oder ihre Aktentasche stehen in direkter Verbindung zur Forscherin. Doch nicht alle Gegenstände und Informationen sind so gewählt, dass sie Aussagen über die Intellektuelle Arendt treffen. Vielmehr wirken sie mitunter sensationsorientiert, wenn sie beispielsweise in den Fokus rücken, zu welchem Anlass Arendt Perlenkette oder Pelz getragen hat. Dadurch mag es zwar gelingen, den Besucher zu fesseln. Es führt aber auch dazu, dass etwa Arendts Pelzcape aus den 1950er-Jahren am Ende als Zeugnis für ihr „ausgeprägtes Stilbewusstsein“ in Erinnerung bleibt.8 Nicht nur anhand von Objekten, sondern auch durch inhaltliche Aussagen geraten die Intellektuelle Arendt sowie die von ihr geforderte schwierige Trennung des Privaten und Öffentlichen in den Hintergrund. Sicher ist es in der Arendt-Forschung gängig, ihre Affäre mit Martin Heidegger übermäßig hervorzuheben, aber warum die Ausstellung samt Band dies fortschreiben muss, bleibt unklar. Die Frage, inwiefern die Beziehung zu Heidegger Arendts Denken und Schaffen beeinflusst hat, wird offengelassen. Wenn Arendt „wegen ihrer ausnehmenden Schönheit und ihres extravaganten […] Kleidungsstils“ und dann erst als „auffällig brillante Studentin“ in Marburger Studentenkreisen Aufmerksamkeit erhielt (Wolfram Eilenberger, S. 229), die Affäre ihres zweiten Mannes, Heinrich Blücher, hervorgehoben oder betont wird, dass der Schriftsteller Wystan H. Auden kein „intimer“ Freund war (so Arendt selbst; zit. bei Ursula Ludz, S. 252), verschwimmt die Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem. Letztlich kann gerade Arendts Plädoyer für eine Trennung beider Sphären verhindern, dass das Wirken weiblicher (oder auch männlicher) Intellektueller anhand von privaten Aspekten wie Liebesbeziehungen, Schönheitsidealen, Kleidungsstücken und anderen Äußerlichkeiten beurteilt wird.

Anmerkungen:
1 Eigentlich sollte die Ausstellung Ende März eröffnen und musste dann verschoben werden. Das begleitende Online-Angebot fand deshalb bereits vorab breite Aufmerksamkeit: https://www.dhm.de/ausstellungen/hannah-arendt-und-das-20-jahrhundert/follow-online.html (08.06.2020). Anm. der Red.: Vom 9.3. bis zum 16.5.2021 wird die Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn gezeigt.
2 Brief von Raul Hilberg an Emil L. Fackenheim vom 27.08.1997, University of Vermont Archives, Special Collections, Raul Hilberg Papers, Burlington, Box 8, Folder 12, unfol.
3 Vgl. Anna Corsten, „Immer wieder, wie ein Gespenst kommt sie zurück.“ Überlegungen zur Konfliktgeschichte von Hannah Arendt und Raul Hilberg, in: René Schlott (Hrsg.), Raul Hilberg und die Holocaust-Historiographie, Göttingen 2019, S. 115–129, bes. S. 120.
4 Vgl. Nicolas Berg, Lesarten des Judenmords, in: Ulrich Herbert (Hrsg.), Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945-1980, Göttingen 2002, S. 91–139, bes. S. 97.
5 Golo Mann, Der verdrehte Eichmann. Hannah Arendts Buch: Überklugheit verstellte die Erkenntnis, in: ZEIT, 24.01.1964, https://www.zeit.de/1964/04/der-verdrehte-eichmann (08.06.2020).
6 Vgl. Jan Eckel, Hans Rothfels. Eine intellektuelle Biographie im 20. Jahrhundert, Göttingen 2005, S. 30.
7 Raul Hilberg, Die Beschäftigung mit dem Holocaust (1986), in: ders., Die Anatomie des Holocaust. Essays und Erinnerungen. Herausgegeben von Walter H. Pehle und René Schlott. Aus dem Englischen von Petra Post und Andrea von Struve, Frankfurt am Main 2016, S. 265–306, bes. S. 282.
8 Monika Boll, „Das gute teure Stück“. Highlights aus der Schenkung von Dr. Edna Brocke, 06.04.2020, http://www.dhm.de/blog/2020/04/06/das-gute-teure-stueck/ (08.06.2020).