Trennlinie zwischen öffentlichem Gedenken und Fachwissenschaft

Von
Hans-Hermann Hertle

Presse-Information, 15. Juni 2007

Stellungnahme von Prof. Dr. Martin Sabrow zum "Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion zur Verantwortung des Bundes für die Erinnerung und Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in der DDR"

Das Positionspapier stellt einen in seiner Absicht begrüßenswerten Versuch dar, den gegenwärtigen gedenkpolitischen Stillstand in Bezug auf die kommunistische Diktatur zu überwinden. Es ist geeignet, die von den Empfehlungen der von mir geleiteten "Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichtsverbundes 'Aufarbeitung der SED-Diktatur'" ausgelöste Diskussion in politisches Handeln zu überführen und die überfällige Umsetzung der - gegebenenfalls zu modifizierenden - Kommissionsempfehlungen voranzutreiben.

Zugleich aber trennt es die unterschiedlichen Herangehensweisen von Fachhistorie und Geschichtskultur nicht scharf genug. Die Arbeit wissenschaftlicher Einrichtungen auf dem Gebiet der Zeitgeschichte kann nicht Gegenstand gedenkpolitischer Parteiempfehlungen sein. Das von mir geleitete Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam hat die ihm im SPD-Papier vorgeschlagene Entwicklung hin zur Erforschung der europäischen Zeitgeschichte unter besonderer Berücksichtung kommunistischer Diktaturen längst vollzogen. Es betreibt seine zeitgeschichtlichen Forschungen überparteilich und in einem Netzwerk gleichgerichteter Fachinstitute wie dem Institut für Zeitgeschichte München/Berlin, der Hamburger Forschungsstelle Zeitgeschichte und dem Hannah-Arendt-Institut in Dresden. Die wissenschaftliche Leistungsstärke dieser Institute beruht maßgeblich auf ihrer Unabhängigkeit von öffentlichen Aufarbeitungskonjunkturen und staatlicher Gedenkpolitik. Die Entwicklung und Durchführung der Forschungsprojekte auch des ZZF geht aus der fachwissenschaftlichen Diskussion hervor und unterliegt der kontinuierlichen Prüfung von Drittmittelgebern und fachinternen Evaluierungsinstanzen wie dem Wissenschaftsrat.

Eine Verwischung dieser Trennlinie zwischen öffentlichem Gedenken und Fachwissenschaft hilft weder der zeithistorischen Forschung noch der gesellschaftlichen Gedenkkultur.

Zitation
Trennlinie zwischen öffentlichem Gedenken und Fachwissenschaft , In: H-Soz-Kult, 13.07.2007, <www.hsozkult.de/text/id/texte-893>.
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