Unter dem Titel Deutschland: (post)kolonial? Visuelle Erinnerungskulturen und verwobene Geschichte(n) konturiert die vorliegende 59. Ausgabe der FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur ein desiderates Forschungsfeld, dessen Bearbeitung nicht zuletzt auch angesichts aktuell wieder verstärkt wahrnehmbarer alltäglicher und institutioneller Rassismen dringlich erscheint und dessen Produktivität hier plausibel gemacht werden soll. Wir lenken den kritischen analytischen Blick auf die gegenwärtig geführten Debatten um den Umgang mit der deutschen Kolonialgeschichte und insbesondere darauf, in welches Verhältnis diese dabei zur Vergangenheit des Nationalsozialismus gesetzt wird. Von heute aus betrachtet, so unsere Ausgangsthese, lässt sich innerhalb des deutschen Kontextes die Kolonialgeschichte nicht ohne die Geschichte des Nationalsozialismus erinnern; letztere ist in die Erinnerung an erstere unweigerlich eingelassen. Wir plädieren dafür, für den Bereich oder besser: aus dem Bereich der visuellen Kultur und Geschlechterforschung heraus zu fragen, wie die Kolonialgeschichte mit der Geschichte des Nationalsozialismus in der visuellen Erinnerungskultur seit 1945 in beiden deutschen Staaten, BRD und DDR, sowie im wiedervereinigten Deutschland nach 1990 verwoben ist. Und das heißt, auch der bisher kaum gestellten Frage nachzugehen, mit welchen geschlechtlich kodierten Bildern nach dem Zweiten Weltkrieg die eigene, deutsche Kolonialgeschichte bewusst, aber vor allem unbewusst erinnert oder auch unsichtbar gemacht wurde.
Deutschland (post)kolonial? Visuelle Erinnerungskultur und verwobene Geschichte(n)Hg. v. Kerstin Brandes und Kea Wienand
Inhalt:
Editorial
Kea Wienand und Kerstin Brandes: Deutschland (post)kolonial? Visuelle Erinnerungskulturen und verwobene Geschichte(n) – Eine Einleitung
Astrid Messerschmidt: Postkoloniale Selbstbilder in der postnationalsozialistischen Gesellschaft
Maja Figge: Afrikanismen als Deckerinnerungen. Zur Verwobenheit der postnationalsozialistischen und postkolonialen Erinnerung in bundesdeutschen Filmen der 1950er Jahre
Kea Wienand: I like America and America likes me: Joseph Beuys’ Selbstinszenierung als Schamane und Indianer im Kontext deutscher Erinnerungskultur
Kathleen Rahn: Die AG Postkolonial in Leipzig – Ein Bericht
Edition
Jana König, Elisabeth Steffen und Inga Turczyn: Mauern 2.0 – Migrantische und Anti-rassistische Perspektiven auf den Mauerfall
Nanna Heidenreich: WIDERREDE / WIEDERREDE. Eine Einführung zum Projekt Mauern 2.0 von Jana König, Elisabeth Steffen und Inga Turczyn.
RezensionenDaniela Hammer-Tugendhat: Kathrin Hoffmann-Curtius (2014): Bilder zum Judenmord. Eine kommentierte Sichtung der Malerei und Zeichenkunst in Deutschland von 1945 bis zum Auschwitz-Prozess. Marburg a.L., Jonas Verlag
Lisa Handel und Stephan Trinkaus: Marie-Luise Angerer, Bernd Bösel, Michaela Ott (Hg.) (2014): Timing of Affect – Epistemologies, Aesthetics, Politics. Berlin/Zürich, diaphanes