Das neue Heft der Militärgeschichtlichen Zeitschrift ist vor Kurzem erschienen. Wir wünschen anregende Lektüre!
AUFSÄTZE
Bernhard SickenZur Lage der Zivilbewohner in Festungsstädten beim Kriegsausbruch 1914: Kommunale Vorsorge für den Unterhalt und behördliche Zwangsmaßnahmen
Die ökonomischen Vorbereitungen des Reichs auf einen Krieg waren unzulänglich, weil die politisch Verantwortlichen mehrheitlich von einer kurzen Auseinandersetzung ausgingen und wirtschaftliche Vorkehrungen für unnötig erachteten. Diese Vorstellungen stießen zwar gelegentlich auf Widerspruch, jedoch blieben die nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Bedenken skeptischer Militärs und selbst die dringenden Mahnungen von Regierungsmitgliedern weitgehend folgenlos, zumal die Zuständigkeit für etwaige Bevorratungen sowie deren Finanzierung ungeklärt waren. Die Notwendigkeit zur Vorsorge für den Fall einer Einschließung wurde auch in vielen Festungsstädten bezweifelt, die nach 1912 nur zögernd den Aufforderungen des Staatssekretärs im Reichsamt des Innern zur Sicherung des Lebensbedarfs der Einwohner nachkamen. Das wirtschaftliche Dilemma auf staatlicher Ebene fand demnach seine kommunale Entsprechung, wie die mangelnde Bereitschaft städtischer Repräsentanten zur Kostenübernahme der Bevorratung zeigt, die prinzipiell vom Fiskus erwartet wurde, galten doch kriegsbedingte Lasten als Staatslasten. Zudem erwies sich der tradierte militärische Anspruch auf Ausweisung jener Einwohner als problematisch, die als illoyal angesehen wurden und bei einer Belagerung die Verteidiger gefährden konnten, zu denen neben fremdsprachigen Minderheiten auch diejenigen gerechnet wurden, denen eine vorsorgliche Verproviantierung schwerfiel. Der Beitrag verdeutlicht die Unzulänglichkeit der internen Kriegsvorbereitung und untersucht das zivil-militärische Nebeneinander in den Festungsstädten, in denen die bewaffnete Macht über Autonomie verfügte und im Krieg den Vorrang innehatte, sich jedoch an der Daseinsfürsorge für die Einwohner »ihrer« Stadt nicht beteiligte, sondern die vorkonstitutionelle Distanz der modernisierenden, politisch und funktional gebotenen Kooperation vorzog.
Believing in a short war the German Empire's economic preparations were insufficient because extensive precautions were deemed unnecessary. The warnings brought by occasional opposition usually stayed without consequence, particularly due to unclear financing for provisioning. Even fortified border cities doubted the necessity to take precautions in case of siege. Only in 1913/14 these cities reluctantly began complying with the ministerial request to ensure living necessities for the population to prevent impending catastrophes. The government dilemma found its manifestation in the lack of preparedness of municipal representatives to cover the costs expected by the treasury. Moreover, traditionally there was a right to expulsion of inhabitants from fortified cities who were not socially and culturally integrated and thus deemed disloyal, as they endangered the defence of the city. Nevertheless, enforcing this rule was difficult as it included those who could not provision beforehand due to the material hardship. The examination illustrates the insufficiencies of the internal preparations for war and points to a civil-military juxtaposition with priority given to the armed forces. This priority was not understood as either an obligation to participate to the provision of daily requirements for the civil population nor to be part of partial modernization of society.
Oswald ÜbereggerLebenswelten und Deutungszusammenhänge im modernen Massenkrieg. Soldatische Kriegserfahrungen im Osten und auf dem Balkan (1914 – 1918)
Der Charakter der militärischen Kriegführung und die damit verbundenen soldatischen Kriegserfahrungen differierten in zeitlicher und räumlicher Hinsicht. Soldatische Aufgabenbereiche, Aktionsradien und Funktionszusammenhänge im Stellungskrieg unterschieden sich in entscheidender Weise von jenen im Bewegungskrieg. Durch die im Laufe des Krieges erfahrungsimmanent variierten, adaptierten oder neu formulierten Ansprüche der operativen und taktischen Kriegführung veränderten sich schließlich auch das Anforderungsprofil und die Einsatzkontexte des modernen Soldaten eines industrialisierten Massenkrieges. So schuf der Weltkrieg eine Vielzahl von räumlich und zeitlich bedingten Wirklichkeiten mit spezifischen soldatischen Erfahrungszusammenhängen, die im Rahmen dieses Beitrages mit Blick auf die Situation deutscher und österreichischer Soldaten an der Ost und Südfront im Überblick analysiert werden. Besonderer Wert wird dabei zum einen auf die raum und operationsspezifischen Determinanten der Kriegslebenswelt gelegt. Zum anderen stehen die sich unter den Soldaten herausbildenden Raum und Menschenbilder im Mittelpunkt.
The character of military warfare and the related military war experience varied in terms of time and space. Soldiers’ areas of responsibility, action radii, and functional contexts in trench warfare differed decisively from those in maneuver warfare. The demands of operative and tactical warfare, which were varied, adapted or reformulated in the course of the war, also changed the profile of requirements and the operational contexts of the modern soldier in an industrialized mass war. Thus, World War II created a multitude of spatially and temporally varying realities with specific soldierly experiences, which are analysed in the context of this article in an overview of the situation of German and Austrian soldiers on the Eastern and Southern fronts. On the one hand, particular importance is given to the space- and operation-specific determinants of everyday warfare. On the other hand, the focus will be on the conceptions of space and peoples emerging among the soldiers.
Oliver SteinPropagandisten des k.u.k. Vielvölkerreiches – österreichisch-ungarische Soldaten im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkrieges
Thema des vorliegenden Beitrages ist der Einsatz österreichisch-ungarischer Soldaten im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkrieges. Im Mittelpunkt steht die Untersuchung dieser Waffenhilfe als eine Maßnahme der Sympathiewerbung, um bei den osmanischen Eliten und der Bevölkerung wirtschaftlich und kulturell Einfluss gewinnen zu können. Begleitet waren diese Bemühungen von einer scharfen Distanzierung gegenüber dem Deutschen Reich, das mitten im Bündniskrieg wie ein gegnerischer Konkurrent behandelt wurde. Auf Grundlage von Militärakten und Selbstzeugnissen arbeitet der Beitrag heraus, wie die Habsburgermonarchie zum Erreichen dieses Zieles ihren Charakter als ethnisch, kulturell, religiös und sprachlich heterogenes Vielvölkerreich bewusst nutzte und sich als Modell für das Osmanische Reich präsentierte. Im Ergebnis sucht der Aufsatz zu zeigen, dass die Soldaten der österreichisch-ungarischen Armee, darunter auch Levantiner, im Vorderen Orient vorrangig als Propagandisten ihres Staates dienten. Österreich-Ungarn suchte seine Heterogenität dort als Vorteil zu nutzen – ein Konzept, das trotz aller gravierenden Probleme unter den besonderen Bedingungen des Osmanischen Reiches während des Krieges zeitweise erfolgreich war.
Topic of the article is the deployment of Austro-Hungarian soldiers in the Ottoman Empire during the First World War. The focus is on the investigation of this military mission as a measure of touting for sympathy in order to gain economic and cultural influence among the Ottoman elites and the population. These efforts were accompanied by a sharp distancing towards the German Empire, which was treated like an antagonistic competitor in the middle of the alliance war. On the basis of military records and self-reports, the paper outlines how the Habsburg monarchy intentionally used its character as an ethnically, culturally, religiously, and linguistically heterogeneous empire to present itself as a model for the Ottoman Empire. As a result, the essay seeks to show that the soldiers of the Austro-Hungarian army, including Levantines, served in the Near East primarily as propagandists of their state. Austria-Hungary sought to use its heterogeneity as an advantage – a concept that was, despite all serious problems, at times successful.
NACHRICHTEN AUS DER FORSCHUNG
Sebastian Kindler und Katrin Wolf»Sowjetische Kriegsgefangene. Widerstand. Kollaboration. Erinnerung« Konferenz der Staatlichen Pädagogischen Universität Nowosibirsk mit dem Deutschen Historischen Institut Moskau und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Nowosibirsk, 22./23. Oktober 2018
Martin Fröhlich»Blicke auf die Revolution 1918/19« Workshop des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam in Kooperation mit dem Institut für schleswig-holsteinische Zeit und Regionalgeschichte (IZRG) in Schleswig sowie dem Seminar für Geschichte und Geschichtsdidaktik der Europa-Universität Flensburg, Potsdam und Berlin, 1./2. November 2018
Kerrin Langer, Johannes Nagel und Niko Rohé»Comparing Militaries in the Long 19th Century« Internationaler Workshop des Sonderforschungsbereichs »Praktiken des Vergleichens« (SFB 1288) der Universität Bielefeld und der Bielefeld Graduate School of History and Sociology (BGHS), Bielefeld, 29./30.11.2018
Benjamin Glöckler und Kelly Minelli»Gewalt und Heldentum« Wissenschaftliche Tagung des Sonderforschungsbereichs 948 »Helden – Heroisierungen – Heroismen« an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 29. November bis 1. Dezember 2018
BUCHBESPRECHUNGEN
Allgemeines
Gewaltgemeinschaften in der Geschichte. Entstehung, Kohäsionskraft und Zerfall. Hrsg. von Winfried Speitkamp Christian Koller
Jeremy Black, Combined Operations. A Global History of Amphibious and Airborne Warfare Alexander Querengässer
Manfried Rauchensteiner, Unter Beobachtung. Österreich seit 1918 Peter Andreas Popp
Friederike Neumann, Schreiben im Geschichtsstudium Bertram Wojaczek
Frühe Neuzeit
Herfried Münkler, Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618–1648 Max Plassmann
Menschen im Krieg. Die Oberpfalz 1618 bis 1648. Eine Ausstellung des Staatsarchivs Amberg. Hrsg. von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns Max Plassmann
Zeichen und Medien des Militärischen am Fürstenhof in Europa. Hrsg. von Matthias Müller und Peter-Michael Hahn Martin Meier
Marcus Warnke, Logistik und friderizianische Kriegsführung. Eine Studie zur Verteilung, Mobilisierung und Wirkmächtigkeit militärisch relevanter Ressourcen im Siebenjährigen Krieg am Beispiel des Jahres 1757 Bernhard R. Kroener
Brian L. Davies, The Russo-Turkish War, 1768–1774. Catherine II and the Ottoman Empire Andreas R. Hofmann
1789–1870
Günter Müchler, Napoleon. Revolutionär auf dem Kaiserthron Wolfgang Burgdorf
Hideaki Suzuki, Slave Trade Profiteers in the Western Indian Ocean. Suppression and Resistance in the Nineteenth Century Carmen Winkel
1871–1918
Matthias Häussler, Der Genozid an den Herero. Krieg, Emotion und extreme Gewalt in »Deutsch-Südwestafrika« Jakob Zollmann
Handbuch einer transnationalen Geschichte Ostmitteleuropas, Bd 1: Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. Hrsg. von Frank Hadler und Matthias Middell Günther Kronenbitter
Vor dem Sprung ins Dunkle. Die militärische Debatte über den Krieg der Zukunft 1880–1914. Hrsg. von Stig Förster Günther Kronenbitter
Geheimdienst und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Die Aufzeichnungen von Oberst Walter Nicolai 1914 bis 1918. Im Auftrag des ZMSBw hrsg. von Michael Epkenhans [u.a.] Martin Moll
Christian Th. Müller, Jenseits der Materialschlacht. Der Erste Weltkrieg als Bewegungskrieg Martin Moll
Holger Afflerbach, Auf Messers Schneide. Wie das Deutsche Reich den Ersten Weltkrieg verlor Markus Pöhlmann
Monika Gibas und Ulrike Krauße, Jüdische Soldaten Magdeburgs. Regionalgeschichtliche Aspekte des Ersten Weltkrieges Anna Ullrich
Das Kriegsgefangenenlager Amberg-Kümmersbruck im Ersten Weltkrieg. Begleitband zur Ausstellung in Zusammenarbeit von Staatsarchiv Amberg, Stadtarchiv Amberg, Gemeinde Kümmersbruck und Bergbau- und Industriemuseum Ostbayern. Hrsg. vom Kultur-Schloss Theuern, Red.: Maria Rita Sagstetter [u.a.] Rüdiger Overmans
Philosophers at the Front. Phenomenology and the First World War. Ed. by Nicolas de Warren and Thomas Vongehr Peter Hoeres
Sebastian Steiner, Unter Kriegsrecht. Die schweizerische Militärjustiz 1914–1921 Christian Koller
Ignaz Miller, 1918 – der Weg zum Frieden. Europa und das Ende des Ersten Weltkriegs Benjamin Ziemann
1919–1945
Stephen A. Smith, Revolution in Russland. Das Zarenreich in der Krise 1890–1928 Hans Hecker
Wolfgang Templin, Der Kampf um Polen. Die abenteuerliche Geschichte der Zweiten Polnischen Republik 1918–1939 Stefan Sauer
Volker Koop, Hitlers Griff nach Afrika. Kolonialpolitik im Dritten Reich Christian Koller
Dennis Egginger-Gonzalez, Der Rote Stoßtrupp. Eine frühe linkssozialistische Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus Winfried Heinemann
Nicholas John Williams, An »Evil Year in Exile«? The Evacuation of the Franco-German Border Areas in 1939 under Democratic and Totalitarian Conditions Reiner Pommerin
Kristian Gancer [= Christian Ganzer] [u.a.], Brest, leto 1941 g. Dokumenty, Materialy, Fotografii Helene Heldt
Alexander Querengässer, El Alamein 1942. Materialschlacht in Nordafrika Bastian Matteo Scianna
Nach Stalingrad. Walther von Seydlitz' Feldpostbriefe und Kriegsgefangenenpost 1939–1955. Hrsg. von Torsten Diedrich und Jens Ebert im Auftrag des ZMSBw Roman Töppel
Thomas Karlauf, Stauffenberg. Porträt eines Attentäters Jost Dülffer
Linda von Keyserlingk-Rehbein, Nur eine »ganz kleine Clicque«? Die NS-Ermittlungen über das Netzwerk vom 20. Juli 1944 Martin Moll
Jakob Knab, Ich schweige nicht. Hans Scholl und die Weiße Rose Winfried Heinemann
Sven Deppisch, Täter auf der Schulbank. Die Offiziersausbildung der Ordnungspolizei und der Holocaust Hans-Christian Harten, Die weltanschauliche Schulung der Polizei im Nationalsozialismus Martin Moll
Klaus-Jürgen Bremm, Die Waffen-SS. Hitlers überschätzte Prätorianer Roman Töppel
Falk Breuer und Walter Waiss, Heinrich Sannemann. Ein Jagdfliegerleben in Berichten, Dokumenten, Fotos Harald Potempa
Christian König und Axel Kleckers, Das große Bordflugzeug. Arado AR 95 und Heinkel He 114 Harald Potempa
The 10 Cent War. Comic Books, Propaganda, and World War II. Ed. by Trischa Goodnow and James J. Kimble Michael F. Scholz
Nach 1945
Victor Mauer, Brückenbauer. Großbritannien, die deutsche Frage und die Blockade Berlins 1948–1949 Winfried Heinemann
Philipp Gassert, Bewegte Gesellschaft. Deutsche Protestgeschichte seit 1945 Christian Koller
Jost Dülffer, Geheimdienst in der Krise. Der BND in den 1960er-Jahren Christian Koller
Florian Reichenberger, Der gedachte Krieg. Vom Wandel der Kriegsbilder in der militärischen Führung der Bundeswehr im Zeitalter des Ost-West-Konflikts Martin Moll
Rüdiger Wenzke, Wo stehen unsere Truppen? NVA und Bundeswehr in der ČSSR-Krise 1968 Helmut Müller-Enbergs
DDR-Spionage. Von Albanien bis Grossbritannien. Hrsg. von Helmut Müller-Enbergs und Thomas Wegener Friis Thomas Riegler
Siegfried Lautsch, Grundzüge des operativen Denkens in der NATO. Ein zeitgeschichtlicher Rückblick auf die 1980er-Jahre und Ausblick Dieter Krüger
Tobias Wunschik, Knastware für den Klassenfeind. Häftlingsarbeit in der DDR, der Ost-West-Handel und die Staatssicherheit (1970 1989) Denis Strohmeier
Tradition in der Bundeswehr. Zum Erbe des deutschen Soldaten und zur Umsetzung des neuen Traditionserlasses. Hrsg. von Donald Abenheim und Uwe Hartmann Martin Moll
Paweł Machcewicz, Der umkämpfte Krieg. Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig. Entstehung und Streit Hans Hecker
Expeditionary Police Advising and Militarization. Building Security in a Fractured World. Ed. by Donald Stoker and Edward B. Westermann Martin Rink
Andreas Herberg-Rothe and Key-young Son, Order Wars and Floating Balance. How the Rising Powers Are Reshaping Our Worldview in the Twenty-First Century Martin Rink
Special Operations Forces in the 21st Century. Perspectives from the Social Sciences. Ed. by Jessica Glicken Turnley, Kobi Michael and Eyal Ben-Ari Martin Rink