Die Städte Ostmitteleuropas sind in den vergangenen 25 Jahren, begleitet von großem Interesse, in die westeuropäische Öffentlichkeit getreten. Diese ‚Wiederentdeckung‘ reflektiert bereits die erheblichen Asymmetrien in der Wahrnehmung urbaner Räume in Europa, indem eine vermeintliche westliche Normalität – und sei es die ‚Normalität‘ dessen, was bekannt ist und was ‚entdeckt‘ werden kann – als Maßstab fungiert. Die publizistische, journalistische und, damit eng verbunden, auch touristische Erschließung Budapests, Prags und Krakaus unterscheidet den Forschungsgegenstand Stadt von anderen Forschungsthemen zu Ostmitteleuropa, die aus evidenten Gründen nach 1989 Auftrieb erhielten. Mit ihrem Gespür für die im Vergleich insbesondere mit den bundesdeutschen Wiederaufbaustädten ‚verschobene‘ bzw. stärker ausgeprägte und fassbare Geschichtlichkeit vieler osteuropäischer Städte haben die zahlreichen einschlägigen Veröffentlichungen von Karl Schlögel die materielle Faszination ostmitteleuropäischer Städte beschrieben, aber auch durch neue Kategorien und Fragen oft überhaupt erst zugänglich gemacht.1
Für die historische Forschung allgemein und die Stadtgeschichtsforschung stellt sich die Herausforderung, nach Ostmitteleuropa zu schauen, ohne die – von Schlögel nicht betriebene – häufig zu findende Nostalgie für habsburgische Hinterlassenschaften in der heutigen Ukraine oder einer idealisierten, von Konflikten bereinigten, Multiethnizität Raum greifen zu lassen. Andererseits sollte die Geschichte der Städte Ostmitteleuropas nicht als Nachholbewegung von Entwicklungen in London, Paris oder Frankfurt geschrieben werden oder als ein bloßes Ausfüllen noch weißer Flecken auf einer Karte, deren Grundkoordinaten bereits feststehen und deren westlicher Teil fein ziseliert ausgestaltet ist. Ersteres würde der tatsächlichen Entwicklung – selbst wenn man sich auf ein relatives simples Modernisierungsparadigma einließe – kaum gerecht werden. Letzteres würde von vornherein wichtige Erkenntnisperspektiven gerade auch für die generelle europäische Stadtgeschichte bzw. die Geschichte der europäischen Stadt als Typus eigenen Rechts verschließen.2
Der folgende Überblick widmet sich jüngeren Tendenzen der Forschung zu Städten in Ostmitteleuropa. Dabei wird immer die Frage im Hintergrund stehen, inwieweit es erstens überhaupt sinnvoll ist, von ostmitteleuropäischen Städten als eigener, geographisch definierter Kategorie zu sprechen und zweitens, inwieweit eine solche Kategorie die allgemeine stadtgeschichtliche und historische Forschung voranbringen kann.
Während die bereits lange in der historischen Forschung diskutierte – und nuancierte – Multiethnizität ostmitteleuropäischer Städte in diesem Bericht einen geringeren Raum einnimmt, geht es vor allem um Städte als Kommunikationsräume der Nationalisierung in Imperien bzw. nach dem Fall von Imperien. Zum zweiten geht es um Städte als Modernisierungstreiber, aber auch als Orte symbolischer Modernität. Dies wiederum wirft die Frage nach den Akteuren der Modernisierung auf. Dabei liegt der Fokus auf der Herausbildung von Urbanität als Verdichtung spezifisch städtischer Entwicklungen. Das Interesse gilt insbesondere der urbanen Öffentlichkeit, der urbanen Infrastruktur und der Urbanistik als zeitbedingtes Phänomen, das eng verknüpft war mit dem Aufkommen einer sich neu konstituierenden Gruppe von professionellen Planern und informierten Beobachtern.3
Zunächst wird in einem ersten Abschnitt die Sinnhaftigkeit der Kategorie „ostmitteleuropäische Metropole“ diskutiert. Darauf folgen zwei weitere Abschnitte zu Querschnittsthemen, die als besonders ertragreich erscheinen – erstens zur urbanen Kommunikation und Expertenmobilität und zweitens zu der Frage, inwieweit sich die Geschichte ostmitteleuropäischer Städte in der Moderne als eine Geschichte eigenständiger Modernisierung schreiben lässt. Der Überblick wird sich vor allem dem Zeitraum von circa 1850 bis zum Zweiten Weltkrieg widmen, das heißt, den Weg der Städte Ostmitteleuropas in die Moderne nachverfolgen. Dabei stehen Arbeiten im Vordergrund, deren Deutungsanspruch über die Region Ostmitteleuropa hinausreicht.4 Diesem Überblick geht es ausdrücklich nicht darum, Vollständigkeit oder zumindest Repräsentativität für ein ganzes Forschungsfeld zu beanspruchen. Das ist, neben vielen anderen guten Gründen, allein schon aufgrund der – auch sprachlichen – Diversität der behandelten Region kaum zu leisten.
In diesem Beitrag wird, im Einklang vor allem mit der deutschsprachigen Literatur zum Thema, vornehmlich von ostmitteleuropäischen Städten gesprochen, ohne auf die komplexe Diskussion einer Unterscheidung zwischen Osteuropäisch und Ostmittelosteuropäisch einzugehen.5 Die behandelte Region umfasst die ehemals zum russischen, osmanischen und habsburgischen Reich gehörenden Städte in einem groben Rechteck mit den Koordinaten Berlin, Wien, Athen und St. Petersburg. Russische Städte östlich dieser Markierung werden hier behandelt, wenn sie, wie etwa im Fall der Expertenmobilität, im Bezug zu hier behandelten Problemen stehen.
Ostmitteleuropäische Metropolen?
Ein solcher Ansatz impliziert allerdings auch die Frage, ob ein wie auch immer genau abgegrenztes Ostmitteleuropa überhaupt eine Kategorie ist, die für die Stadtforschung einen Mehrwert bietet. Haben Sofia und Brünn mehr gemein als etwa Posen und Lyon?6 Es gibt zudem gute Gründe, eine Stadt wie Warschau als Ausprägung des Typus „europäische Stadt“ und nicht vornehmlich als „osteuropäische“ oder „ostmitteleuropäische“ Stadt zu untersuchen. Selbst wenn man strikt auf städtische Modernisierungsleistungen – etwa Transport, sanitäre Maßnahmen, Planung von Stadterweiterungen – abstellt, wird sich für die ostmitteleuropäischen Städte die Annahme einer generellen nachholenden Modernisierung kaum halten lassen. Als keineswegs singuläres und weithin bekanntes Beispiel sei lediglich die Budapester Metro, die erste auf dem europäischen Kontinent, genannt. Jede Annahme eines eindimensionalen Aufhol- bzw. Nachholschemas wird noch problematischer mit Blick auf Südeuropa, wo sich viele der für Ostmitteleuropa postulierten Charakteristika in ähnlicher Form finden lassen; und letztlich gilt dies bei regional differenziertem Blick auch für die Länder, die gemeinhin – aber regelmäßig vor allem mit Blick auf die Hauptstädte – als Speerspitzen urbanistischer Modernisierung gelten.7 Bezeichnete man die fraglichen Städte zusammen mit südeuropäischen Städten als „Peripheriestädte“, bekäme man zwar bestimmte Aspekte der Urbanisierung, Migration, wirtschaftlichen Entwicklung bzw. die lange Prägekraft des agrarischen Sektors schärfer in den Blick. Andererseits würde man sich bei einem noch immer relativ groben Schema neue Probleme einhandeln, die vor allem mit der vorgestellten Normalität bzw. Vorbildhaftigkeit des gesetzten „Zentrums“ zu tun hätten.8
Gleichwohl sollte bei aller Differenzierung und vor allem der Vermeidung des Denkens in Begriffen der „Rückständigkeit“ die Kategorie Modernisierung nicht leichtfertig aufgegeben werden.9 Dies nicht zuletzt deshalb, weil diese Kategorie in den zeitgenössischen Debatten ungemein wirkungsmächtig war: in den Vergleichen ostmitteleuropäischer städtischer Eliten bzw. urbanistischer Experten mit – vor allem in Westeuropa – gewählten Referenzpunkten, in der Formulierung von Zukunftserwartungen und -programmen und in der in Ostmitteleuropa besonders häufig anzutreffenden begrifflichen Verknüpfung von städtischer Moderne und Europa. Die zeitgenössische Annahme, sich in einer Aufholdynamik zu befinden, kann als konstitutives Merkmal der die ostmitteleuropäischen Städte (mit)gestaltenden Eliten gelten und ist insofern historisch relevant.10 Modernisierungserwartungen und -ziele wurden in einem imperialen, bzw. in Südosteuropa bereits im 19. Jahrhundert vielerorts postimperialen Rahmen entwickelt und formuliert. Gleichzeitig diente das Imperium als Referenzrahmen der eigenen Verortung – innerimperial mit Blick auf ein imperiales Zentrum bzw. Zentren und zeitlich mit Blick auf eine imaginierte postimperiale Zukunft.
Vor diesem Hintergrund machen zwei Zugänge die Kategorie „ostmitteleuropäische Stadt“ besonders ertragreich: Erstens, die Annahme einer städtischen Entwicklung eigenen Typs als Folge spezifischer wirtschaftlicher und demographischer Entwicklungen, die eine eigene Modernisierungserfahrung bedingten und eng verbunden waren mit einem Diskurs aufholender Modernisierung. Und zweitens, die Bedeutung der Imperien, die als Struktur lange über das Ende der Imperien hinaus prägend blieben. Dies gilt im Sinne administrativ-technischer Pfadabhängigkeiten. Hier ist insbesondere an den Aufbau kommunaler Administrationen unter fast immer sehr strikter Kontrolle des Zentralstaates zu denken. Es gilt indirekt aber auch für die Nationalisierung des städtischen Raumes (und deren urbanistische Konsequenzen), die vor allem in den alt-neuen Hauptstädten in Abgrenzung zu den Imperien erfolgte.
Das Potential des letzteren Ansatzes zeigt eindrücklich der Band „Capital Cities in the Afthermath of Empires“.11 Der Band nimmt die östlichen Territorien des Habsburgerreiches und die europäischen Gebiete des osmanischen Imperiums bzw. dessen Nachfolgestaaten in den Blick. Die in dem Band untersuchten 14 Hauptstädte zwischen Prag und Athen waren allesamt bereits vor ihrer Hauptstadtwerdung Bezugspunkte politischer Imagination.
Vor allem zweierlei fällt auf: Erstens, dass die Nationalisierung der zukünftigen Hauptstädte keinesfalls als striktes Nacheinander von „imperial“ und „national“ zu verstehen ist, sondern vielmehr als Überlagerung von Prozessen der Imperialisierung12 – im Sinne einer Bezugnahme auf die (vorrangig administrative) Funktion dieser Städte im Imperium – aber auch Nationalisierung – im Sinne von Verweisen auf die Geschichte, Kultur und politischen Aspirationen des in die Stadt projizierten zukünftigen Nationalstaates. So wichtig die Bruchstellen der imperialen Geschichte (vor allem das Jahr 1918) waren, handelt es sich dabei um einen fließenden Prozess.
Zweites, das in allen analysierten Städten anzutreffende Spannungsverhältnis zwischen nationaler Projektion und imperialer Logik. Lange bevor zahlreiche Nationalbewegungen in Ostmitteleuropa Nationalstaaten formen konnten, dienten Städte als urbane nationale Projektionsräume – meistens die späteren Hauptstädte, mit wichtigen Ausnahmen wie etwa der Rolle Krakaus für Polen vor 1918. Diese Städte nahmen eine Rolle als „capital of the conceptionalized nation“ ein.13 Daher hatten auch die in Ostmitteleuropa sich so oft verändernden Staatsgrenzen einen viel größeren Einfluss auf die (werdenden) Hauptstädte, als das in Westeuropa der Fall war.
In diesem Sinne kann man mit den Herausgebern des Bandes von südosteuropäischen und ostmitteleuropäischen Städten – mit all ihren fallspezifischen, aber auch gruppenspezifischen Unterschieden – als gleichförmige Gruppe sprechen, da die Eliten dieser Städte gleichartige Ziele teilten und auch auf gleichartige Referenzpunkte zurückgriffen. Die nationale Rolle dieser Städte erschöpfte sich nicht, wie der Band anhand zahlreicher Beispiele exemplifiziert, in literarischen Imaginationen. Sie erschöpfte sich auch nicht in nationalen Bildprogrammen mit Statuen der kulturellen Heroen, Opern, Museen und Theatern, die mit einer liberalen Bürgerschaft (im Sinne Miroslav Hrochs) aufkamen.14 Vielmehr, und dies systematisch zu zeigen ist eine Stärke des Bandes, erstreckte sich die nationale Transformation von Krakau, Budapest oder Prag auch auf die städtische Modernisierung – oftmals als Europäisierung adressiert. Während auch in Westeuropa diese Modernisierung der Stolz lokaler Eliten war, der Binnenlegitimation zugutekam und Züge nationaler Selbstvergewisserung tragen konnte, war dieser Nexus in Ostmitteleuropa generell weitaus stärker ausgeprägt und verlieh der städtischen Modernisierung im Nationswerdungsprozess eine besondere Bedeutung.15 Die fast durchgängig höhere ethnische Heterogenität der Städte der Region und die damit einher gehende Konkurrenz nationaler Aspirationen verschärften diesen Zusammenhang noch. Im Umkehrschluss, und angesichts der bis ins 20. Jahrhundert fortdauernden dominierenden Stellung von Imperien als politischer Ordnungsform in Ostmitteleuropa, bedeutete dies, dass politische Legitimität in der Region in zunehmendem Maß auch von der Modernisierung des Stadtraumes abhing.
Hier kommt nun eine Entwicklung ins Spiel, die für die gesamte Region Ostmitteleuropa kaum einmal vergleichend beschrieben wurde:16 Die heutigen Kapitalen in der Region waren selten, wie etwa Prag oder Krakau, bereits im Mittelalter bzw. der Frühen Neuzeit wichtige urbane Zentren, sondern wurden dies in den meisten Fällen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Allerdings war die dann einsetzende Wachstumsdynamik besonders ausgeprägt. Dies zeigt die Gegenüberstellung der Einwohnerzahlen der fraglichen Städte. Die (relative) Dynamik wird allerdings besonders deutlich, wenn man die Platzierungen ostmitteleuropäischer Städte unter den 20 größten europäischen Städten um 1850 und um 1900 vergleicht. In der Rangliste der größten Städte für diesen Zeitraum gehörten Warschau und Budapest zu den „eindrucksvollsten Gewinnern“.17 Aber Ostmitteleuropa rückte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch mit Blick auf die Städtedichte nach vorn.
Diese Dynamik bedeutete einerseits, dass der Problemlösungsdruck, und damit auch der Zusammenhang mit politischer Legitimation, besonders ausgeprägt war. Andererseits boten die enormen Wachstumsziffern auch erhebliche urbanistische Gestaltungsmöglichkeiten. Gut deutlich wird dies für das im Band behandelte Beispiel der Provinzstadt Zagreb, die mit einer Eigendynamik als regionales Zentrum, als administratives Zentrum der Habsburgermonarchie, aber auch als potentieller Zentralort eines zukünftigen kroatischen Nationalstaats gewissermaßen eine Existenz als Metropole auf Vorschuss führte. Der Artikel zu Zagreb von Sarah Kent verdeutlicht, dass es zwar durchaus politische Spannungen zwischen den Repräsentanten der Habsburgermonarchie und der lokalen Verwaltung gab, letztlich aber Einigkeit über die Notwendigkeit großzügiger und repräsentativer Stadtraumentwicklung bestand. Dabei war für die Einpassung der Zagreber Architektur in die Trends des Habsburgerreiches weniger Druck aus Wien bzw. Budapest entscheidend, als dass sich die lokalen Architekten früh in einer professionellen Vereinigung zusammenschlossen, entsprechend Einfluss nehmen konnten, gleichzeitig aber mangels Ausbildungsmöglichkeiten in Kroatien lange durch Wiener Vorbilder geprägt blieben.
Für die Planung Zagrebs war das sogenannte „grüne Hufeisen“ die wesentliche Vorgabe, eine an die Wiener Ringstraße angelehnte, aber eigenständige Raumgestaltung, die bewusst erhebliche Freiflächen offen ließ. Die reservierten Flächen sollten zukünftige repräsentative Bauten aufnehmen, die zum Zeitpunkt der Planung noch nicht realisierbar bzw. finanzierbar waren. Das „Hufeisen“ ist, wie ein wichtiges Forschungsprojekt in langer zeitlicher Perspektive unter Leitung von Eve Blau und Ivan Rupnik gezeigt hat, insofern ein Beleg für die Vorwegnahme des Metropolenstatus bzw. die Antizipation nationaler, in der Hauptstadt gespiegelter, Größe.18
Dieser Zusammenhang ist in den südosteuropäischen Städten, die im „Aftermath“-Band einen Schwerpunkt bilden, besonders sichtbar. In Athen und später in Bukarest, Sofia und Belgrad setzte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht nur ein schnelles Wachstum ein, sondern alle diese Städte waren auch Orte sehr weitreichender Umgestaltungen des Stadtraumes. Diese Umgestaltungen wurden zusätzlich entscheidend motiviert und ästhetisch geprägt durch die ostentative Absetzung vom osmanischen Erbe. Dies geschah, obwohl in den allermeisten Fällen, mit den Ausnahmen Griechenlands und später der Türkei selbst, die jeweiligen osmanischen Verwaltungszentren auch Hauptstädte der neuen Nationalstaaten wurden.
In der vorzüglichen Einleitung stellen die Herausgeber von „Aftermath of Empires“ heraus, dass gerade in urbanistischer Hinsicht die Wahrnehmung der jeweiligen imperialen Zentren kaum unterschiedlicher sein konnte. Während Istanbul als rückständig galt19, war Wien auch für die Nationalbewegungen, die das Habsburgerreich als „Völkergefängnis“ betrachteten, urbanistische Bezugsgröße. Zudem erschien den Tschechen, Kroaten und Ungarn, die über eine urbanistische Transformation ihrer (imaginierten) Hauptstädte nachdachten, Wandel auch im Habsburgerreich möglich und vielfach sogar ohne eine radikale Lösung der nationalen Frage wünschenswert.
Neben und eigentlich noch vor Wien und auch London war Paris der alles überlagernde Bezugs- und Referenzpunkt. Allerdings gewannen mit der Zeit auch Metropolen in der Region selbst Referenzcharakter. Grund hierfür war, dass diese regionalen Metropolen den angestrebten Transformationsprozess als realistische Möglichkeit beglaubigten bzw. die dort gefundenen urbanistischen Lösungen aufgrund vergleichbarer Probleme, bzw. vergleichbar beschränkter Mittel, besondere Überzeugungskraft besaßen. Budapest ist hierfür das beste Beispiel.20 Praktisch zeigen lässt sich letzteres in den Aktivitäten von Architekten und Stadtplanern, die oft, aber eben nicht nur, aus den imperialen Zentren kamen.
Ein illustratives Beispiel für den Austausch von urbanistischem Know-How im imperialen Rahmen bieten die „Stadtparks in der österreichischen Monarchie“, beschrieben in einem von Géza Hajós unter diesem Titel herausgegebenen Band. Diese Parks waren Orte jener Überlagerung von imperialen bzw. dynastischen, nationalen (die Parks wurden von den jeweiligen Nationalbewegungen als Schauplätze eines nationalen Bildprogramms genutzt) und lokalen Zielen (in diesem Band über die sich lokal konstituierenden einschlägigen Bürgerkomitees analysiert).21 In diesem Sinne waren die Stadtparks weit mehr als nur eine ästhetische Angelegenheit, sondern Ausdruck der zunehmenden Aspirationen der städtischen Öffentlichkeit. Die Parks gehören aber auch in den Kontext der Infrastrukturverbesserung als Legitimitätsgewinnungsmaßnahme, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in eine neue Phase trat. Gerade dies hätte allerdings in dem etwas antiquarisch auf seinen Gegenstand blickenden Band noch viel stärker herausgearbeitet werden können.
Die Beiträge des Bandes „Capital Cities in the Aftermath of Empires“ zeigen, dass auch nach der Nationalstaatsgründung die großzügige Umsetzung national-urbanistischer Pläne auf erhebliche Hindernisse stieß. Das Hauptproblem war nun nicht mehr ein imperialer Widersacher, sondern waren lokale Umsetzungshürden, insbesondere des Privateigentums am benötigten Boden. Allerdings zeigte sich in den meisten Fällen auch, dass es der erhebliche Einfluss der neuen Zentralstaaten auf den urbanen Raum regelmäßig ermöglichte, diese Widerstände zu überwinden bzw. zu marginalisieren. Die ausgeprägte Rolle des Zentralstaates in der Stadt aufgrund der oftmals fehlenden Tradition städtischer Selbstverwaltung betrachten die Herausgeber als wichtiges Spezifikum der ostmitteleuropäischen Stadt. Zurecht streichen sie heraus, dass die Bedeutung des Staates noch verstärkt wurde durch die „neuen“ Dynastien, denen die neuen Hauptstädte auch als Bühne für eine Fusion nationaler und dynastischer Programmatik dienten. Ein weitgehend unbekanntes Beispiel wie Cetinje (Beitrag von Maja Dragicevic und Rachel Rossner), die 3.000-Einwohner Hauptstadt Montenegros um 1900, ist ein Extrembeispiel der Prägekraft dynastischen Einflusses.
Die Präsenz gesamtstaatlicher Institutionen und Einrichtungen grenzte die Hauptstädte scharf von anderen urbanen Zentren in der Region ab. Dies gilt für kulturelle Institutionen, für repräsentative Kathedralen mit nationaler Mission, aber vor allem für Bildungseinrichtungen als Vorläufer einer Bildungsexpansion mit nationalem Auftrag, die vielerorts erst noch erfolgen musste.22 Die wesentlichen Annahmen und Einsichten des Bandes ließen sich zudem auch auf die postimperiale Situation ehemals zum russischen Imperium gehörender „neuer“ Hauptstädte übertragen. Andreas Fülberth beschreibt in seiner Studie zum Ausbau von Tallinn – Riga – Kaunas zu modernen Hauptstädten der nach dem Ersten Weltkrieg unabhängig gewordenen baltischen Staaten eindringlich die Nationalisierung des Stadtraumes, die Bedeutungsaufladung bestimmter städtischer Projekte – keineswegs nur von Denkmälern – und den engen Zusammenhang von Modernisierung und Nationalisierung, der sich so in Westeuropa nicht finden lässt.23 Weniger zugespitzt, aber mit einer Fülle aufschlussreicher Einzelbeispiele, die weit über Architektur und urbanistische Maßnahmen im engeren Sinne hinausgehen, hat dies bereits der Band „Urbane Kulturen in Zentraleuropa um 1900“, herausgegeben von Peter Stachel und Cornelia Szabo-Knotik gezeigt.24
Die von den Herausgebern des „Aftermath“-Bandes angeführten Studien ebenso wie die Arbeit von Fülberth bestätigten mit ihrem Blick auf teils bisher wenig beachtete städtische Charakteristika, wie sinnvoll die Kategorie „ostmitteleuropäische Stadt“ für die historische Forschung ist. Insofern leistet der Band im Übrigen viel für eine geschärfte Definition des fraglichen Gegenstandes. In der Einleitung hätte allerdings noch deutlicher reflektiert werden können, inwieweit die vorrangig untersuchten südosteuropäischen Kapitalen, also Städte in zuvor vornehmlich osmanischen Territorien, einen eigenen Typus formten.25 Zudem hätte der fließende und von den 1830er-Jahren bis weit ins 20. Jahrhundert reichende Prozess der Herausbildung von nationalen Hauptstädten noch stärker hinterfragt werden können. Inwieweit fand eine gegenseitige Rezeption, bzw. eine besondere Rezeption der früh unabhängig gewordenen Staaten statt? Beispiele hierfür werden genannt, könnten aber in der zukünftige Forschung sicher noch stärker ausgebaut werden.26 Schließlich darf über die notwendigerweise beim ausschließlichen Blick auf Beispiele aus der Region hervortretenden Eigenarten nicht vergessen werden, dass viele der angesprochenen Trends, wenn auch oftmals nicht so ausgeprägt, allgemeine europäische Trends waren.
Der gelungene Band steht für eine ganze Reihe von Sammelwerken zu Städten in Osteuropa bzw. Ostmitteleuropa, die in den vergangenen Jahren erschienen sind und dem Gegenstand zunehmend Kontur geben. Durch den strikten Bezug auf die Prägekraft der Imperien gewinnt der Band aber eine Konsistenz, die frühere Bände, teils notgedrungen, nicht haben konnten. Zu nennen ist hier der eher generelle Ansatz in „Städte im östlichen Europa. Zur Problematik von Modernisierung und Raum vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert“, herausgegeben von Karsten Göhrke und Bianka Pietrow-Ennker.27 Mit Blick auf Entwicklungen langer Dauer erkennen die Herausgeber im „Überschneidungsbereich“ von Ost und West keine eigene europäische Stadtlandschaft, aber doch unverwechselbare Merkmale, für die insbesondere ukrainische Städte stehen. Hierzu zählen sie eine ursprünglich westliche, insbesondere rechtliche Prägung, aber auch eine abgebrochene Modernisierung und die Einverleibung in den russischen Machtbereich. Insbesondere die jeweils in der Frühen Neuzeit einsetzenden Beiträge von Arié Malz zu Städten in Dalmatien und von Stefan Rohdewald zum heute weißrussischen Polozk zeigen die Chancen langfristiger Perspektiven auf. Andererseits erschwert die geographische Spannweite des Bandes – mit Beiträgen zu Ekaterinoslav und Perm – die Typenbildung eher.
Der Band „Stadtleben und Nationalität. Ausgewählte Beiträge zur Stadtgeschichtsforschung in Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert“, herausgegeben von Markus Krzoska und Isabel Röskau-Rydel, nimmt mit der polnischen Geschichte verbundene Städte in den Blick und fragt vor allem nach den ethnisch-nationalen Spannungsverhältnissen, aber auch Überlappungen und Koexistenzen in diesen Städten.28 Aufgrund des geographisch sehr beschränkten Spektrums des Bandes ist dessen interpretatorische Reichweite allerdings begrenzt.
Während die erwähnten Sammelbände vor allem auf ein Set von gemeinsamen Kennzeichen der ostmitteleuropäischen Stadt abstellen und im Falle des „Aftermath“-Bandes einem deutlich abgegrenzten Profil sehr nahe kommen, bleiben die jeweiligen Fallstudien stark einzelnen Beispielen verhaften. Damit gerät die innere Dynamik des behandelten Raumes weniger deutlich in den Blick, insbesondere das, was sich als Prozesse intensivierter Kommunikation und erhöhter Mobilität fassen ließe, die wiederum in erheblichen Teilen städtische Phänomene waren und auf die Ausprägungen des Stadtraums in der Region zurückwirkten.
Urbane Kommunikation und Expertenmobilität
Die Frage, inwieweit für Ostmitteleuropa von einem abgrenzbaren und hinreichend einheitliche Charakteristika aufweisenden Kommunikationsraum ausgegangen werden kann, ist mit ähnlichen Problemen wie den eingangs für die Frage nach dem Typus der osteuropäischen Stadt genannte konfrontiert. Diese Probleme werden, auch theoretisch und unter Bezug auf Konzepte der Postcolonial Studies, in dem Band „Zentraleuropa. Ein hybrider Kommunikationsraum“, herausgegeben von András F. Balogh und Helga Mitterbauer, diskutiert. Hieran anschließend ist auch für die Frage nach einem abgrenzbaren ostmitteleuropäischen Kommunikationsraum die imperiale Dimension zentral.29
Der Blick auf die Kommunikation über Städte in West- und Osteuropa, die über das Genre der Reiseberichte teilweise rekonstruiert werden kann, lässt die Asymmetrien in den reziproken Ost-Westwahrnehmungsprozessen besonders hervortreten.30 Mehr als nur eine der osteuropäischen Städte und Metropolen pries sich als Paris des Ostens. Von einem Warschau des Westens ist hingegen nichts bekannt. Dabei lässt diese triviale Beobachtung weniger auf tatsächliche Analogien schließen oder auf bloßes Nachholen im Erbauen von Achsen, Boulevards oder dem Kreieren des Flairs der Großstadt. Vielmehr zeigt sich hier eine Entwicklung, die in der Aufklärung einsetzte, nämlich „to equate the concepts of modernity, progress and cultivation with Europe, their absence as barbaric, backward and Oriental“, wie es in einem der drei einleitenden Essays des instruktiven Bandes „Under Eastern Eyes. A Comparative Introduction to East European Travel Writing on Europe”, herausgegeben von Wendy Bracewell und Alex Drace-Francis, heißt (S. 67).
Der Band ist Teil einer dreiteiligen Serie, die neben den Essays in Band 2 auch eine Anthologie osteuropäischer Reiseliteratur (Band 1) und eine Bibliographie zum Thema (Band 3) umfasst.31 Der abgedeckte Zeitraum ist weiter gefasst als in dieser Besprechung und die osteuropäische Stadt ist nicht der zentrale Angelpunkt. Allerdings behandeln die analysierten Texte vorrangig urbane Erfahrungen. Dies wird etwa deutlich in den Brechungen einer eigenen – neuen – Identität der Rumänen im Muster und Spiegel Paris, dessen Museen und große Ausstellungen durch den rumänischen Autor Mihail Sebastian rezipiert wurden (Beitrag von Diana Georgescu). Immer wieder wird an Fallbeispielen deutlich, wie wichtig Paris und London als Referenzpunkte waren und wie intensiv deren Rezeption verlief – zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg und dann dem Kalten Krieg. Das Beispiel der London-Beschreibungen des Polen Jan Lenica kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und bulgarischer Reiseberichte in der sozialistischen Periode verdeutlichen, dass die zuvor beschriebenen Mechanismen nun nicht vollständig endeten, aber nur mehr innerhalb sehr enger Grenzen fortdauerten. Aufschlussreich ist die Beobachtung am bulgarischen Beispiel, dass nun die Erfahrung komplexer westlicher Städte die vorgegebenen Sehweisen konterkarierte, insbesondere was die materielle Prosperität betraf, und somit auch die Stadtrezeption nicht mehr vorrangig im Schema des Stadtvergleichs, sondern vielmehr über den Systemvergleich erfolgte. Die behandelten zeitgenössischen Berichte sind freilich extrem heterogen und wurden auch nur teilweise bereits zur Zeit ihrer Abfassung veröffentlicht – und damit Teil eines ostmitteleuropäischen Kommunikationsraumes im engeren Sinne.
Wie wesentlich der Begriff der Öffentlichkeit, auf den sich auch Fülberth für seine Studie zur Stadtraumgestaltung und symbolischen Stadtraumbesetzung der baltischen Hauptstädte stützt, für das Verständnis ostmitteleuropäischer Städte ist, zeigt ein von Andreas Hofmann und Anna Veronika Wendland herausgegebener Sammelband zum Thema „Stadt und Öffentlichkeit in Ostmitteleuropa 1900–1939“, der erstmals in dieser Konsequenz das Konzept Öffentlichkeit mit dem Gegenstand Stadt für die geographische Region Ostmitteleuropa zusammenführt.32
Der Band kreist um die drei Begriffe Stadt, Öffentlichkeit bzw. Öffentlichkeiten und Ostmitteleuropa. Die sehr lesenswerte Einleitung problematisiert alle drei Begriffe und klärt überzeugend, welche Relevanz der Blick nach Ostmitteleuropa für eine Geschichte der städtischen Öffentlichkeit hat. Der Zugang über die Untersuchung von Öffentlichkeiten ermöglicht Einblicke in die gesellschaftliche Selbstverständigung in ostmitteleuropäischen Metropolen in der eingangs beschriebenen Phase beschleunigter Modernisierung. Während generell unbestritten ist, dass die städtische Öffentlichkeit im Verein mit politischer Mitbestimmung bzw. Selbstverwaltung der Schlüssel zu erfolgreicher städtischer Entwicklung war, stellt sich die Frage, was die für viele ostmitteleuropäische Städte typischen Teilöffentlichkeiten bzw. entlang verschiedener sprachlicher Gemeinschaften separierten Öffentlichkeiten für die Entwicklung dieser Städte bedeuteten.
Zwar lassen sich in jedem städtischen Kontext marginalisierte Öffentlichkeiten finden, aber die Herausgeber argumentieren überzeugend, dass die nationale Dimension dieser marginalisierten Öffentlichkeiten ein typisches Kennzeichen der Städte Ostmitteleuropa war. Während zudem ethnische Spaltungen in westeuropäischen Städten in der Moderne vor allem auf Zuwanderung zurückgingen, präsentierten sich diese in Ostmitteleuropa als „konkurrierende Autochtonieansprüche“. Dies ist ein Thema, das Ulrike von Hirschhausens Studie über „Die Grenzen der Gemeinsamkeit. Deutsche, Letten, Russen und Juden in Riga 1860-1914“ in weit über das Problem Öffentlichkeit hinausgehender Reichweite und für kaum eine andere Stadt in Ostmitteleuropa erreichter Genauigkeit untersucht hat.33
Hofmann und Wendland stellen die nachvollziehbare Hypothese einer im Vergleich mit Westeuropa stärkeren Politisierung der städtischen Öffentlichkeit in Ostmitteleuropa auf. Fragen um Denkmäler oder das städtische Musikleben wurden viel eher als in Westeuropa zu nationalen Fragen. Damit dienten städtische Öffentlichkeiten als „Durchlauferhitzer“ für das, was dann nationale Debatten wurden. Zudem ersetzten Akteure dessen, was die Herausgeber als „mittlere Öffentlichkeiten“ bezeichnen – karitative oder gesellige Vereinigungen etwa – teilweise die in vielen Fällen noch nicht vorhandenen nationalen Institutionen wie etwa Parlamente.34
Ein Beispiel für diese „kommunikative Nationalisierung“ sind die Debatten über Stadtplanung, die im Band von Alena Janatková, Andreas Fülberth und – mit Bezug zur Architektur – Dorota Glazek behandelt werden. Glazeks Beitrag zu Oberschlesien zeigt, dass derartige Nationalisierungsprozesse insbesondere für Grenzregionen beobachtet werden können, die sich in ostentativer Hinwendung zu vermeintlich für Deutschland bzw. nach 1918 für Polen stehende historische Bautraditionen und entsprechenden Diskussionen in der Presse äußerten. Gleichwohl zeigen die Arbeiten von Beate Störtkuhl, dass hierzu nicht im Widerspruch stehen muss, auf aufsehenerregende moderne Bauten in ebendiesen Grenzregionen zu setzen. Dies geschah vor allem mit dem Ziel, der historischen Legitimität eine Legitimität der nationalen Bewährung an den Anforderungen der Moderne gegenüberzustellen.35 Zu fragen ist sicherlich noch stärker, ob die nationale Spannung in diesen Regionen, wie Hirschhausen dies für die innerethnischen Spannungen in Riga gezeigt hat, auch in einer erhöhten städtischen Reformaktivität allgemein resultierte.
In ähnlicher Form findet sich das Zusammenspiel von Tradition und Moderne im Dienst der Nation in Landes- und Nationalausstellungen, die viel mehr darstellten als lediglich Börsen des Ideen- und Kenntnisaustausches.36 Anhand des ungemein facettenreichen Beispiels der Landesausstellungen analysiert Alina Janatková die Überlagerung von imperialen und nationalen Ansprüchen über das Herausstellen und Reklamieren technologischer Leistungen bzw. die Nationalisierung technischer Ausbildungen im Rahmen des Imperiums.37 Gleichzeitig spielte die Dynastie auf der entsprechenden Prager Ausstellung 1891 eine wesentliche Rolle und blieb für die konkurrierenden nationalen Gruppen Bezugspunkt. In diesen Überlagerungen waren die Landesausstellungen in Prag und dann nach dem Ersten Weltkrieg Brünn – letztere als Leistungsschau des neuentstandenen Staates Tschechoslowakei konzipiert – deutlich komplexer als entsprechende Ausstellungen in Westeuropa, die eher einer eindimensionalen nationalen Logik folgten.
Die Ausstellungen waren nicht nur städtische Ereignisse, weil sie im räumlichen Kontext der Stadt organisiert wurden, sondern auch, weil sie durch die Themen technische Modernisierung und technische Ausbildung vielfach auf Städte bezogen waren. Weiterführend erscheint insbesondere der Begriff „Expertenöffentlichkeit“, der von Janatková im Band „Stadt und Öffentlichkeit in Ostmitteleuropa“ über die um 1900 zunehmend komplexeren und größeren Stadtplanungsvorhaben an den städtischen Raum rückgebunden wird. Der Begriff verweist auf die öffentliche Legitimation von Experten, indirekt aber auch auf die um 1900 nicht mehr zu übersehende Omnipräsenz technisch-wissenschaftlicher Experten im städtischen Raum und schließlich auf die Verbindung lokaler, nationaler und internationaler Expertenöffentlichkeiten und -netzwerke. Zu denken ist hier auch an die bereits erwähnte Gruppe der Stadtparkgestalter oder Architekten, die eine erhebliche Mobilität innerhalb des Habsburgerreiches und darüber hinaus aufwiesen.38
Die Diskussion um die bessere Stadt als internationales Ereignis, die ungeheure Faszinationskraft der Reform und die damit einhergehende Mobilität von Experten lässt sich besonders gut an einem Extrembeispiel nachvollziehen – der Diskussion um die sozialistische Stadt und der Beteiligung westlicher Experten am Städtebau in der Sowjetunion Anfang der 1930er-Jahre.39 Die mittlerweile zahlreicheren Publikationen zum Thema begannen mit der Pionierstudie zum „Städtebau im Schatten Stalins. Die internationale Suche nach der sozialistischen Stadt in der Sowjetunion 1929-35“, herausgegeben von Harald Bodenschatz und Christiane Post.40
Der Band nahm als Ausgangspunkt, dass Anfang der 1930er-Jahre in Europa nahezu zeitgleich „an zwei großen, konkurrierenden städtebaulichen Leitbildern gearbeitet“ wurde: der funktionellen Stadt und der sozialistischen Stadt. Herausragende Beispiele für die beiden Leitbilder sind der Plan für Amsterdam, 1933, und der Plan für Moskau, 1935, die in einer Wettbewerbskonstellation standen, die den Beteiligten allerdings, wie Bodenschatz und Post schreiben, nicht bewusst gewesen sei. Zwischen 1929 und 1935 vollzog sich demnach „einer der radikalsten, umstrittensten und folgenreichsten städtebaulichen Paradigmenwechsel im 20. Jahrhundert, dessen internationale Dimension einzigartig war“.41 Dieser Paradigmenwechsel findet sich in den Medien einer sich rasant entwickelnden internationalen Expertenöffentlichkeit – wie etwa der eigens für diesen Zweck geschaffenen Fachzeitschrift „Das Neue Rußland“ bzw. ihrem Gegenstück in der Sowjetunion, einer Zeitschrift die sich explizit mit internationaler Architektur befasste. Aber sie erfolgte auch an konkreten Orten mit Magnitogorsk und Moskau als zentralen Polen der Auseinandersetzung.
Wie konnte sich die dahinter stehende Faszinationskraft entfalten? Die Autoren des Bandes verweisen nachvollziehbar auf ein doppeltes Moment: zum einen die ungeheure Dimension des Fünfjahresplanes, der in seiner Gigantomanie und Langfristigkeit gerade für den Städtebau ideale Umsetzungsbedingungen versprach, zum anderen der eigene Erfahrungshintergrund westlicher Architekten, nämlich die einschneidende Wirtschafts- und Baukrise seit Ende der 1920er-Jahre. Angesichts dieser Krise bewarb sich eine enorme Anzahl westlicher Architekten um eine Übersiedlung nach Moskau. Nur so aber ist auch die extreme Desillusionierung zu verstehen, als nicht nur die erträumten funktionellen Städte nicht entstanden, sondern stattdessen vermeintlich gerade das propagiert wurde, was man überwinden wollte: die Stadt des 19. Jahrhunderts.
Die sowjetische Dynamik resultierte vor allem aus der massiven Industrialisierung als ermöglichender Faktor großflächiger Wohnungsbaumaßnahmen, aber auch als Ursache massiver Wohnungsprobleme. Bemerkenswert ist dabei nicht nur die Spannweite von Lösungsvorschlägen neuer urbanistischer und „desurbanistischer“ Konzepte mit in der Regel radikalen, aber oft gegensätzlichen Intentionen. Es fällt vielmehr auf, dass ab 1930 gerade die Politik bremsend gegenüber den sich selbst ermächtigenden übereifrigen Architekten auftrat und auf einen langfristigeren Umsetzungshorizont drängte. Aber das Beispiel des sowjetischen Städtebaus um 1930 ist auch eines der extremen Expertenmobilität, die eine kaum vorstellbare räumliche Ausdehnung über Systemgrenzen hinweg erreichte, große Zahlen von Experten umfasste und in hoher Geschwindigkeit von der Anwerbung zur beginnenden Umsetzung fortschritt. Am Ende des ersten Fünfjahresplanes waren circa 35.000 Experten involviert.
Dynamik, Reichweite und letztlich auch – partielles – Scheitern der forcierten Planung mit westlicher Expertise werden wohl am besten im Beispiel Ernst Mays deutlich, ehemals mächtiger Leiter des Hochbau- und Siedlungsamtes in Frankfurt am Main. May war dort verantwortlich für wegweisende Projekte des „sozialen Wohnungsbaus“. Mays kurzes, aber folgenreiches Wirken in der Sowjetunion ist in den letzten Jahren durch mehrere Publikationen ausgeleuchtet worden.42 Dabei treten deutlich die Möglichkeiten einer Fokussierung auf die Figur des Experten hervor. Wie wenige andere verkörpert May die enormen Chancen, die sich gerade in den für Osteuropa und Ostmitteleuropa im 20. Jahrhundert kennzeichnenden Umbruchsituationen boten. Die politische Legitimität der jeweils neuen Regime hing nicht zuletzt an der Lösung der im Stadtraum verdichteten sozialen Fragen und führte insofern zu einer auch politischen Aufwertung von Experten.43 May, ein begnadeter Promoter seiner selbst und seiner Sache, hatte dies wie wenig andere begriffen.44 Gegenüber der „Frankfurter Zeitung“ begründete May seine Entscheidung in die Sowjetunion überzusiedeln folgendermaßen: „Eine der bedeutungsvollsten Aufgaben, die wohl je einem Städtebauer gestellt wurden, wurde mir anvertraut.“45 May erging es im selbstgewählten Exil in Kenia im Anschluss an seine sowjetische Erfahrung weitaus besser als vielen seiner weniger bekannten Kollegen, die mit ihm in die Sowjetunion aufgebrochen waren. Allerdings steht auch May für die Zwänge, in die sich die Experten begaben, indem sie sich auf ein ungekanntes Planungsexperiment einließen. Auch dies zeigt der Band von Bodenschatz und Post anschaulich.
Während May zumindest bis zum Jahr 1933 in der Sowjetunion arbeiten konnte und im Aufbau Magnitogorsks heute kaum mehr fassbare Beispiele für Planungen ganzer Stadtviertel aus dem Nichts im Wochenrhythmus lieferte, blieb mit Le Corbusier eine noch größere Koryphäe der Stadtplanungs- und Architekturszene letztlich außen vor. Dabei war Le Corbusier um 1930 mehrere Male in Moskau, das er als „Embryo einer neuen Welt“ sah und hatte sich dort auch planerisch engagiert.46 Le Corbusiers Abkehr von der Sowjetunion wurde lange an seiner Nichtberücksichtigung im Wettbewerb für den Palast der Sowjets bzw. an der Nominierung dreier konventioneller – d.h. nicht modernistischer – Entwürfe im Februar 1932 festgemacht. Wie die Autoren zeigen, hatte die Entfremdung zwischen der größten Planwirtschaft der Welt und dem sich selbst als größten Planer Sehenden aber bereits wesentlich früher eingesetzt. Letztlich verweisen die Gründe, vor allem die mangelnde Autonomie von Experten im Rahmen der Sowjetunion, bereits auf das spätere Scheitern Mays und vieler anderer Experten.
Das Scheitern der weit gediehenen Pläne, 1933 in Moskau einen Kongress der Congrès Internationaux d’Architecture Moderne (CIAM) zu organisieren, der Organisation moderner Architekten in der Le Corbusier eine herausragende Rolle spielte, illustriert allerdings auch, dass die Sowjetunion – anders als etwa Polen oder die Tschechoslowakei – nur mit großen Einschränkungen als Teil der internationalen Expertenkommunikation der Zwischenkriegszeit angesehen werden kann. Dies gilt trotz der starken Faszination, die sowjetische Planungen im Westen auslösten. Während es Stalin, so urteilen Bodenschatz und Post, „um die Durchsetzung eines politisch fixierten Musterbeispiels für die großen neuen städtebaulichen Aufgaben im ganzen Land“ gegangen sei, habe für die CIAM vor allem die Erschließung neuer Arbeitsfelder und damit des Traums der Technokratie als internationaler Sprache im Vordergrund gestanden.47
Der Band von Bodenschatz und Post ist auch heute noch wichtig, weil er einen wesentlichen Schritt in der Entideologisierung seines Gegenstandes darstellte, der, wiewohl technisch im Kern, auch über den Kalten Krieg hinaus stark politisiert blieb. Erst langsam entwickelte sich ein Bewusstsein dafür, dass der sogenannte Funktionalismus und der sozialistische Realismus viel mehr gemein haben, als es lange schien und dass die Grenzen weitaus weniger strikt und vor allem weitaus weniger eindeutig entlang politischer Ideologien und Überzeugungen verlaufen.48
Eine offene Frage bleibt sicherlich noch, inwieweit die urbanistische Entwicklung in der Sowjetunion als Sonderfall zu sehen ist, als Extremfall der ostmitteleuropäischen Entwicklung der Zwischenkriegszeit, oder ob gegenüber langfristigen Trends derartige Unterscheidungen wenig Erklärungskraft besitzen. Die in ihrer Radikalität niemals die Wirklichkeit treffende, aber dennoch ungemein einflussreiche und oftmals bewusst reklamierte Denkfigur der tabula rasa weist jedenfalls im Kontext nach- und aufholender Planungen eines great leap into the future eine besondere Relevanz auch für die Länder Ostmitteleuropas auf. Um diesen Zusammenhang besser begreifen zu können, ist es wünschenswert, mehr über die Expertenmobilität und Expertenkommunikation innerhalb Ostmitteleuropas und zwischen Ostmitteleuropa und Russland bzw. der Sowjetunion zu erfahren. Diese Verbindungen liegen quer zu einer implizit immer noch oft unterstellten generell westlichen Blickrichtung der Experten in der Region. Neben der zeitweisen Anziehungskraft der Sowjetunion spricht der auch innerhalb des russischen Imperiums intensiv praktizierte und nach 1918 nicht abrupt endende Austausch dafür, dass diese Beziehungen intensiver waren, als auf Grundlage der bestehenden Literatur nachvollzogen werden kann.49
Eine genuin ostmitteleuropäische städtische Modernisierung?
Das Extrembeispiel der Radikalplanungen in der Sowjetunion wirft in besonderer Dringlichkeit die Frage auf, inwieweit sich diese Entwicklung – aber auch die sehr weitgehenden Planungen zum Beispiel eines „Warszawa Funkcjonalna“ oder die in Europa einmalige Konzentration modernistischer Bauten in Brünn/Brno – in Kategorien der Moderne und Modernisierung fassen und in ein breiteres europäisches bzw. globales Narrativ integrieren lassen. Dies gilt umso mehr, wenn man an die Ziele der Magnitogorsker Pläne und vergleichbarer Projekte denkt, die (teils auch aus ökonomischen Zwängen) mit umfassenden Ideen des social engineering (kollektive Wohnformen, Emanzipation der Frauen durch sehr weitreichende Rationalisierung und teilweise Zentralisierung des Haushalts etc.) verbunden waren. Mit Blick von der Sowjetunion nach Westen, nach Ostmitteleuropa, ist noch intensiver und genauer als bisher geschehen zu fragen, inwieweit eine staatlich betriebene Modernisierung von oben in Ostmitteleuropa nach 1918 tendenziell stärker ausgeprägt war, und welche urbanistischen Konsequenzen dies hatte. Hierbei ist auch an die Rolle des Staates als entscheidendem Akteur in der Durchsetzung modernistischer urbaner Lösungen in Südamerika im Rahmen eines „modernism without modernity“ zu denken.50
Aufgrund der notorischen Schwierigkeiten, einen Endpunkt eines wie auch immer konzipierten Modernisierungsprozesses festzulegen und von diesem Punkt aus zu denken, scheint es sinnvoll, die verschiedenen Akteure in ihrer Selbstverortung, in dem, was sie selbst als Modernisierung begriffen, zu analysieren. Aus mehreren Blickrichtungen, für unterschiedliche Länder der Region und vor allem aus kunst- bzw. architekturgeschichtlicher Perspektive haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten verschiedene Ausstellungskataloge und Sammelbände diese Frage aufgegriffen und die so breite wie oftmals radikale und eigenständige Entwicklung einer architektonischen Moderne in Ostmitteleuropa herausgearbeitet.51 Relevant für historische Fragestellungen ist dabei, inwieweit ostentativ modernistische Lösungen mit dem politischen Programm der nach Legitimität strebenden zumeist neuen Staaten verbunden waren.52 Diese Frage muss vor allem für und über die Hauptstädte der fraglichen Staaten (als besonders symbolträchtige Orte) beantwortet werden. Städte wie Warschau, aber auch die Hauptstädte der baltischen Staaten, erscheinen in dieser Perspektive dann nicht mehr nur als Orte konzentrierter städtischer Probleme, sondern auch als Orte, die sehr bewusst auf moderne städtebauliche Lösungen setzen. Für Warschau ist dies in den letzten Jahren sehr deutlich gezeigt worden, sowohl für nichtrealisierte als auch für umgesetzte Projekte. Wie andernorts auch nimmt der Modernismus in dem Maße ab, in dem es um repräsentative Gebäude geht, und findet sich vor allem im dynamischen und staatlich dominierten Feld der Gesundheits- und Sportinfrastrukturen.53 Warschau war nicht zufällig die einzige Hauptstadt in Europa, für die bereits in den 1930er-Jahren eine konkrete Planung als „funktionelle Stadt“ vorgelegt wurde.54
Die entsprechende modernistische Orientierung war bei Architekten nicht vorrangig politisch motiviert.55 Vielmehr spielten die erheblichen, in der Region besonders ausgeprägten Probleme, ausreichenden Wohnraum zu schaffen, die Bedeutung des „Umbrella“-Themas Hygiene für die neu entstehenden Staaten in Ostmitteleuropa, aber – für die relative Bedeutung moderner Architekten – auch der schnelle Aufstieg junger Architekten in der Umbruchsituation von 1918 eine Rolle. Letzteres hatte viel mit der Schwäche bzw. Abwesenheit einer etablierten professionellen Elite zu tun. Es ist jedenfalls bemerkenswert, wie viele Architekten aus Ostmitteleuropa sich in der CIAM engagierten und vor allem in den für die Region relevanten Themenwie etwa der Regionalplanung auch deren Agenda mitbestimmten.56 Auffallend ist auch, dass das Bauhaus in Ostmitteleuropa eine erhebliche Anziehungskraft ausübte.57
Eine wichtige Einsicht der jüngeren Literatur ist allerdings gerade, dass sich eine „repräsentative“ – im Sinne von zeichenhaft gebaute – Moderne nicht von der eigentlichen städtischen Infrastruktur im engeren Sinne trennen lässt. Dies veranschaulicht ein Band mit dem sprechenden Titel „Urban Machinery“ (herausgegeben von Mikael Hard und Thomas Misa), der die städtische Infrastruktur in einem breit verstandenen Sinne in den Blick nimmt.58 Jede größere Modernisierungsmaßnahme war immer auch Teil eines europäischen Kommunikationsprozesses, eines Austausches von Experten, aber auch einer Positionierung von Städten – und insbesondere im Fall von Hauptstädten damit auch Staaten. Mit Blick auf Ostmitteleuropa sticht in dem Band der Beitrag von Misa über die CIAM und Ostmitteleuropa hervor, der die besondere Relevanz der Organisation für Osteuropa, hier insbesondere die Tschechoslowakei, bestätigt.
Die imaginierte Skala der Modernisierung, auf der die jeweiligen Fortschritte selbst bzw. von außen beglaubigt aufgetragen wurden, konnte nicht nur im großen Maßstab zwischen Ost- und Westeuropa angelegt werden, sondern auch in den jeweiligen ostmitteleuropäischen Regionen bzw. Staaten. Dies demonstrieren anschaulich und aufgrund der Tiefenschärfe in den Ergebnissen weit über die jeweiligen Beispiele hinausreichend zwei Bände zu Lublin (Jörg Gebhard, Lublin. Eine polnische Stadt im Hinterhof der Moderne (1815–1914) bzw. zu Krakau (Hanna Kozinska-Witt, Krakau in Warschaus langem Schatten).59 Nimmt man die neuere Studie von Nathaniel Wood zu Krakau hinzu, bietet sich ein Bild, das faktisch kaum mit der überkommenden Wertung einer nachholenden Modernisierung fassbar ist, in dem aber wiederum die Selbstverortung auf der Modernisierungsskala – mit einem idealisierten „Europa“ als Topwert auf der Skala – eine herausragende Rolle spielte.60
Ein wichtiger Vergleichsrahmen urbaner Modernisierung, der in beiden Bänden zentral ist, war das Wohnen – das herausragende urbanistische Thema der 1920er- und 1930er-Jahre. Die Relevanz der Wohnungsfrage resultierte aus einem erhöhten Problemdruck nach dem Ersten Weltkrieg und aus der nun viel stärker verbreiteten Idee, dass der Staat bzw. die Gesellschaft sich dieses Problems anzunehmen hätten. Die Qualität von Wohnungen bzw. des Wohnens wurden zum Querschnittsthema für den Beweis der Leistungsfähigkeit des Staates.61 Der Band „Wohnen in der Großstadt. 1900–1939. Wohnsituation und Modernisierung im europäischen Vergleich“, herausgegeben von Alena Janatková und Hanna Kozinska-Witt, widmet sich diesem Problem für einen Zeitraum einschneidender Veränderungen und unter Berücksichtigung zahlreicher ostmitteleuropäischer Beispiele.62 Der Schwerpunkt liegt dabei auf transnational rezipierten Modellen und länderübergreifender Kommunikation. Die Herausgeberinnen stellen eine generelle Kommunikationsverdichtung mit Blick auf das Thema Wohnen um 1900 fest. Immer zahlreichere Wettbewerbe und Modellversuche, neue Zeitschriften und immer größere, thematisch zugespitzte und in kürzeren Rhythmen organisierte Fachkongresse boten Anlass und Forum für den einschlägigen transnationalen Austausch.
Die Aufbruchsstimmung im Wohnungsbau nach Erstem Weltkrieg ging einher mit einer zuvor so nicht gekannten Ideologisierung des Themas. Hier kann, im weiteren Sinne, die oben erwähnte – und in diesem Band in einem Beitrag von Beate Störtkuhl analysierte – ethnisch-nationale Aufladung von Modernität und urbanistischer Leistung als Beispiel dienen. Die Subventionierung des Wohnungsbaus war zudem mit weiter reichenden sozialen, hygienischen und bevölkerungspolitischen Zielen verbunden als der vorrangig privat finanzierte Wohnungsbau vor dem Ersten Weltkrieg.
Für Ostmitteleuropa postuliert der Band von Janatková und Kozinska-Witt die Segregierung des Wohnraums entlang ethnisch konnotierter Machtstrukturen als wichtiges Charakteristikum. Zudem spielte die imperiale bzw. postimperiale Situation eine bedeutende Rolle etwa in der Abwesenheit von Selbstverwaltung in den Städten des russischen Imperiums und den dadurch eingeschränkten Möglichkeiten städtischer Einflussnahme auf den Wohnungsmarkt. Auch die – nur eingeschränkt geglückte – Zentralisierung des Wohnungsbaus nach 1918, die Kozinska-Witt für Polen beschreibt, kann indirekt auf die postimperiale Situation zurückgeführt werden und als Kennzeichen der Region gelten. Mitte der 1920er-Jahre versuchte der neuentstandene polnische Staat zunehmend über die Förderung von Wohnungsbaugenossenschaften des Wohnproblems Herr zu werden. Angesichts der begrenzten Mittel und vor allem mit Bezug auf die teilweise innovativen Wohnkomplexe waren die gefundenen Lösungen bemerkenswert erfolgreich, angesichts des Problemdrucks blieben sie allerdings ein Tropfen auf den heißen Stein, der lediglich die Lage einer kleinen Gruppe besserte.
Der Beitrag von Ute Caumanns über die Warschauer Genossenschaftsbauten in den 1920er-Jahren zeigt, dass die Bedeutung derartiger Maßnahmen und Experimente weiter reichte als sich in der Quadratmeterzahl neu geschaffenen Wohnraums ausdrücken lässt. Die „Gläsernen Häuser“ der Warschauer Wohnungsgenossenschaft WSM bezogen sich auf eine literarische Vision, in der technisch revolutioniertes Bauen die Transformation der polnischen Nation bewirkte.63 Dies gilt für die gesellschaftliche und nationale Aufladung des Wohnungsbaus, aber auch für die als enorm drückend empfundene – und statistisch gesehen tatsächlich auch im internationalen Vergleich besonders schwierige – Wohnsituation in Warschau. Trotz aller nationalen bzw. regionalen Spezifika ist hervorzuheben, dass die einschlägigen Beiträge veranschaulichen, dass auch der Wohnungsbau Teil eines sehr eng gewobenen Netzes transnationalen Austausches war.
Die auch in Frankfurt, Zürich oder Amsterdam intensiv diskutierte Frage, wie eine „Wohnung für das Existenzminimum“ auszusehen habe und wie derartige Wohnungen kosteneffizient hergestellt werden könnten, besaß in Warschau und vielen anderen ostmitteleuropäischen Städten eine höhere Dringlichkeit. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf die Legitimität der sich in den Hauptstädten direkt engagierenden Zentralstaaten.64 Zukünftig genauer zu fragen ist, inwieweit die zweifelsfrei existierenden Pläne, durch kollektivistische Wohnformen wie den Verzicht auf individuelle Küchen oder Bäder Effizienzgewinne zu erzielen, in der Region Ostmitteleuropa besonders ausgeprägt waren und wie genau Kontinuitäten in die sozialistische Periode beschaffen waren.65
Angesichts der hier besonders starken Aufladung des Themas Wohnen und der engen Verbindungen mit dem sozialistischen Experiment ist es vielleicht nicht überraschend, dass der Sammelband „Urban Planning and the Pursuit of Happiness“, herausgegeben von Arnold Bartetzky und Marc Schalenberg, sich in knapp der Hälfte der Beiträge osteuropäischen Städten zuwendet.66 Die Herausgeber gehen davon aus, dass das Glücksversprechen im modernen Sinne eine Erfindung der Aufklärung war. Je stärker das diesseitige Glück als möglich und sogar als natürliche Bestimmung gedacht wurde, desto stärker rückten die Hindernisse für dessen Durchsetzung in den Blick – und damit auch das Wohnen als zentrale Funktion des Alltags. Die „Pflicht zum Glück“ übersetzte sich für die Politik in die Verpflichtung, die städtischen Bedingungen für ein glückliches Leben zu schaffen. Die Stadt wurde zum Ort und bot den Raum für das Schaffen von „public happiness“. Urbanistische Lösungen reflektierten insofern immer auch verschiedene Ideen von „public happiness“, wobei dem Ersten Weltkrieg hierbei als Katalysator eine entscheidende Rolle zukam. Eine Idee wie die in den 1920er- und 1930er-Jahren entwickelte funktionelle Stadt war schließlich nie nur ein Planungsexperiment und Instrument, sondern enthielt als solches auch ein immanentes Glücksversprechen. Die effizientere Stadt würde für ihre Bewohner die bessere Stadt sein.67 Dieses Versprechen potenzierte sich in den frühen sozialistischen urbanistischen Planungen mit Moskau als „quasi religious sanctuary“ der bolschewistischen Revolution mit potentiell universeller Reichweite.
Mit der zunehmenden Verpflichtung des Staates auf die Ermöglichung von Glück und mit den entsprechenden Folgen für den Städtebau bietet dieser ein Extrembeispiel für eine „Politik des Vergleichs“, in der nicht nur vermeintlichen besseren Beispielen im Ausland nachgeeifert wurde, sondern der Verweis auf Leistungen andernorts die Umsetzung weitreichender Visionen in der Heimat überhaupt erst möglich machen sollte.68 In ihrem Beitrag zu Moskau als Verheißung auch für westliche Planung zeigt Marina Dmitrieva, dass dies kein einseitiger Prozess des Blickens nach Westen war.
Der Band erhellt die urbanistische Planungsutopie als osteuropäisches bzw. ostmitteleuropäisches Thema und regt dazu an, noch stärker über das Moment der Kontinuität zwischen den radikalen Entwürfen der Zwischenkriegszeit und der sozialistischen Stadt nachzudenken. An das diskutierte Problem besonders ausgeprägter staatlich induzierter Modernisierung in der hier behandelten Region anknüpfend ist die Frage zu stellen, inwieweit die Planungseuphorie, die mit den Aufholprozessen verbunden war, in einer besonders starken Rolle des Visionären bzw. einer spezifisch osteuropäischen Spielart urbanistischer Visionen resultierte. Sichtbar wurde sie etwa im großangelegten Planungen folgenden Zentralen Industriebezirk (Centralny Okreg Przemyslowy, COP) in Polen.69
Ein äußerst relevantes Beispiel in diesem Kontext kann mittlerweile als relativ gut erforscht gelten. Die tschechische Stadt Zlín ist zwar keine aus dem Nichts geplante Stadt, veränderte aber nach dem Ersten Weltkrieg durch das extreme Wachstum der Einwohnerschaft, durch die Internationalisierung der örtlichen Schuhproduktion und durch die von der Firma Bata initiierte und umgesetzte funktionalistische Stadtplanung vollkommen ihr Gesicht.70 Zlín ist ein Beispiel für die in der Region Ostmitteleuropa typische Bereitschaft, auf radikal neue Lösungen zu setzen. Dies geschah durch die Industriellenfamilie Bata auch mit der Vision, den neuen tschechoslowakischen Staat als modernen Staat auf die Landkarte zu setzen und damit zu legitimieren. Neben einer Unzahl faszinierender Details ist das Beispiel Zlín auch deshalb relevant, weil hier – ohne die politischen Untertöne, die vergleichbare Reisen in die Sowjetunion motivierten – die oftmals als Determinante angenommene Ost-West-Richtung reisender Experten umgekehrt wurde. Zlín war in den 1930er-Jahren Pilgerziel zahlreicher westlicher Experten – unter ihnen Le Corbusier –, die hier keineswegs „nur“ ein Beispiel aufholender Modernisierung bestaunten, sondern einen gänzlich neuen Entwurf städtischer Organisation und Zukunftsgestaltung.
Während die radikalen Visionen der Nazis, Städte rassisch umzuformen, zu massiven Vertreibungen und letztlich zum Genozid führten, bedingte der Zweite Weltkrieg auch eine bisher letzte Hochphase euphorischer städtischer Glücksversprechen im Wiederaufbau. Die entsprechend hohen Erwartungen setzten jedoch nicht erst mit dem Wiederaufbau ein und waren in Ostmitteleuropa noch weitaus enger als im Westen mit politischer Legitimität verbunden.71 Dabei zeigen die einschlägigen Beispiele des „Pursuit of Happiness“-Bandes (Ana Kladnik, Mart Kalm) auch, dass die sozialistische Variante der funktionellen Stadt zwar keine reine Geschichte des Scheiterns ist, sie die ursprünglichen Erwartungen aber nie erfüllen konnte und letztlich auch nicht ganz zufällig gerade Ostmitteleuropa den ansonsten in Europa seltenen Typus der „gated Communities“ hervorbrachte.72
Anschließend an die eingangs genannten zwei Dimensionen, die eine Kategorie „ostmitteleuropäische Stadt“ als weiterführend erscheinen lassen, nämlich die für die Region spezifische Modernisierungserfahrung und die Rolle imperialer Geschichte als strukturprägender Faktor, ist es immer auch entscheidend, sich die Selbstverortung der Akteure zu vergegenwärtigen. Dies ist das Anliegen des von Arnold Bartetzky, Marina Dmitrieva und Alfrun Kliems herausgegebenen Bandes zu „Imaginationen des Urbanen. Konzeption, Reflexion und Fiktion von Stadt in Mittel- und Osteuropa“.73 Dem Band geht es um die Metaebene dessen, was hier besprochen wurde. Behandelt wird das Thema Modernisierung als Projektion und Erfahrung in verschiedenen, vor allem künstlerischen Ausdrucksformen. Der Band zeigt, wie wesentlich für die Stadtgeschichte die Perspektive der Literatur, Kunst und Architekturgeschichte ist.74 Der Band setzt die Beobachtung, dass politische Initiativen wie etwa die in Ostmitteleuropa kontinuierlicher zu beobachtenden „staatlichen Kampagnen der Raumunterwerfung“ in eine Beziehung zur Kunst; darin liegt seine Stärke. Durch die Verbindung politischer mit künstlerischen Aspekten wird auch der Untersuchungsraum hinreichend konsistent.
Die vor allem den Zeitraum nach 1945 betreffenden Beiträge des Bandes behandeln die Städte Ostmitteleuropas, wie es in einem einleitenden Beitrag Rudolf Jaworski heißt, als „Speicher des kollektiven Gedächtnisses“. Während dies in gewissem Maße für jede Stadt gilt, spielt diese Stadtfunktion für Ostmitteleuropa eine wichtigere Rolle. Begründet ist dies vor allem in den einschneidenden Bruch- und Gewalterfahrungen des 20. Jahrhunderts, die u.a. eine stärkere Segregierung der Erinnerung zur Folge hatten. Die Bandherausgeber begreifen daher die untersuchten Städte als ein „Palimpsest“ von Geschichten und Deutungen verschiedenster Ethnien, Kulturen und Konfessionen. Wie ertragreich dieser Ansatz ist, hat Felix Ackermann in seiner auch mit dem Begriff des Palimpsests und den dahinter stehenden Vorstellungen um- und überschriebener Geschichte arbeitenden Studie über das extreme Beispiel Grodno gezeigt. Grodno, im 20. Jahrhundert zunächst russisch, dann polnisch, sowjetisch und nun weißrussisch steht bei Ackermann exemplarisch für die Gewalterfahrungen deutscher und sowjetischer Besatzung, Bevölkerungsverschiebungen und allgemein Brucherfahrungen der Region Ostmitteleuropa.75
Perspektiven der Forschung
So divers und vielschichtig die hier behandelten einzelnen Studien und übergreifenden Forschungstrends sind, zeigen sie, dass die Untersuchungskategorie ostmitteleuropäische Stadt ihre Berechtigung als Zwischenkategorie zwischen Lokalstudien und der Kategorie der „europäischen Stadt“ hat.
Um die Reichweite der Eigenständigkeit der ostmitteleuropäischen Entwicklung zu vermessen, sollte die zukünftige Forschung stärker als bisher Städte jenseits der Metropolen in den Blick nehmen, auch um Veränderungen im Gefüge Stadt-Land und deren Veränderung im Zeitraum der Moderne besser zu verstehen. Chancenreich erscheint die Verschränkung der Stadtgeschichte Ostmitteleuropas mit der Industriegeschichte der Region. Letztere spielt in den besprochenen Werken größtenteils keine oder keine wesentliche Rolle. Dabei war die enorme industrielle Dynamik einer Stadt wie Warschau bereits im 19. Jahrhundert die Grundlage nicht nur für den städtischen Problemdruck, sondern auch für die ungeheuren Erwartungen an die zukünftige Stadt und letztlich auch – gemessen an den Parametern Bevölkerungsentwicklung und Ausbau der städtischen Infrastruktur – Grundlage einer Erfolgsgeschichte, die sich in der Bewältigung einschneidender Brüche bestätigte.
Für die zukünftige Schärfung der Kategorie „ostmitteleuropäische Stadt“ ist, ausgehend von den hier behandelten Punkten – imperiale Vergangenheit, oftmals asymmetrische Einbindung in europäische Kommunikationsnetzwerke, spezifische Modernisierungserfahrung – noch stärker nach der Bedeutung der großen Zäsuren des 20. Jahrhunderts für die untersuchten Städte zu fragen. Dass der Zweite Weltkrieg, verallgemeinernd gesprochen, in Ostmitteleuropa zu wesentlich einschneidenderen Veränderungen geführt hat als in Westeuropa (lässt man Deutschland außen vor), ist offensichtlich; daher erscheint es vielversprechend, die Verarbeitung des Krieges systematisch zu untersuchen.76 Während dies für den Zweiten Weltkrieg unstrittig ist, verdient die an den Ersten Weltkrieg anschließende Brucherfahrung ebenso Aufmerksamkeit. Abgesehen von den erheblichen Zerstörungen etwa in Belgrad und der für viele Städte in der Region kennzeichnenden Besatzungserfahrung gilt dies insbesondere mit Blick auf die politische Zäsur 1918 und die (haupt)städtische Dimension des nation building.
Die Betonung der Brucherfahrung führt zur Frage nach Kontinuitäten und auch nach der Kontinuitätsverortung der sozialistischen Moderne. Während das Problem sozialistische Stadt über den zeitlichen Rahmen dieser Besprechung hinausgeht77, zeigen die einschlägigen Veröffentlichungen von Thomas Bohn zu Minsk und zur sozialistischen Stadt generell an, dass das Thema sehr eng mit den spezifischen Problemen der Stadtentwicklung in Ostmitteleuropa und Osteuropa verbunden war. Dies zeigt sich in der bereits vor 1945 bzw. vor der Durchsetzung des Sozialismus in Russland vorherrschenden vergleichsweise starken Rolle des Zentralstaates und der Rolle weitreichender Planungsmaßnahmen im Sinne einer aufholenden Modernisierung. Allerdings demonstriert insbesondere die empirisch reich unterfütterte Monographie Bohns auch, dass die ohnehin vage Idee der sozialistischen Stadt in ihrer tatsächlichen Durchschlagskraft vor Ort nicht überschätzt werden darf und oftmals gegenüber der lokalen Eigenlogik zurücktrat.78
Die in den letzten Jahren zahlreichen, teilweise einsichtsreichen Fotobände zu den städtebaulichen Hinterlassenschaften der „Ostmoderne“ haben das Problem einer eigenständigen Stadtentwicklung in Ostmitteleuropa nach 1945 – und indirekt auch deren Vorgeschichte und Kontinuitäten – vor allem ästhetisch formuliert.79 Ohne dies immer explizit zu thematisieren, fragen diese Bände auch nach dem Platz des urbanen sozialistischen Experiments im europäischen Rahmen und im 20. Jahrhundert. Letztlich verweisen die oft abgründigen, zum Teil unfreiwillig komischen, zum Teil immer noch imposanten Artefakte auf weit mehr als nur einen naiven Glauben, die Zukunft gestalten zu können. Blickt man auf den Zweck der sozialistischen Gemeinschaftsbauten und Monumente, treten viele der hier behandelten Fragen – und deren Langlebigkeit – nach vorn. Insofern dokumentieren auch die fotografischen Entdeckungsreisen aus einer untergegangenen Welt die Sinnhaftigkeit der Kategorie ostmitteleuropäische Stadt – und weiterer Forschungen in diesem Rahmen.
Zukünftige Auseinandersetzungen mit der ostmitteleuropäischen Stadt werden die Begriffe Moderne und Modernisierung noch stärker reflektieren müssen. Im Band „Imaginationen des Urbanen“ findet sich ein aufschlussreicher Beitrag von Jacek Friedrich zum „Modernitätsbegriff und [zur] Modernitätspropaganda im polnischen Architekturdiskurs der Jahre 1945–1949“.80 In diesem kurzen Zeitfenster schien einerseits Ostmitteleuropa, und Polen insbesondere, als Möglichkeitsraum auf, in dem sich eine gemäßigte verbundene Moderne durchsetzen ließ.81 Die entsprechenden Vorstellungen zeugen aber auch von einer Kontinuität weitreichender Gestaltungshoffnungen. Die in vielen Städten nun gegebene Verfügbarkeit des Bodens war dabei neben dem kaum fassbaren Ausmaß der Zerstörung der größte und von den Architekten nahezu einhellig begrüßte Unterschied zu den allermeisten Städten in Westeuropa. Unter anderem dieser Unterschied erklärt, warum es so wichtig ist, zu realisieren, dass die Begriffe Moderne und modernistisch in Ostmitteleuropa in einem anderen Kontext als im Westen verwendet und aus diesem Grund auch mit anderer Bedeutung aufgeladen wurden. Zu denken ist hier auch an die mit der Architektur und dem Wiederaufbau verbundenen weiterreichenden Vorstellungen zur Gesellschaftsgestaltung, aber auch die erhebliche – und im Vergleich mit dem Westen wesentlich höhere – Aktivität des Staates im Wiederaufbau.
Dies sind Themen, die auch in der tieferen historischen Perspektive dieses Beitrages als Charakteristika der ostmitteleuropäischen Stadt etabliert werden konnten. So evident es ist, dass das Narrativ einer nachholenden Modernisierung der Entwicklung kaum gerecht wird, so schwierig bleibt es dennoch, auf Grundlage der bisherigen Forschung klare Konturen einer eigenen ostmitteleuropäischen städtischen Moderne festzulegen. Dies hat auch mit der erheblichen Binnendifferenzierung des besprochenen Raumes zu tun. Es erscheint vielversprechend, die genannten Charakteristika stärker zusammenzudenken und deren Wechselwirkung zu untersuchen. Die im Vergleich stärkere zentralstaatliche Aktivität und Präsenz in den Städten Ostmitteleuropas – vor und nach dem Ende der Imperien – bot einen spezifischen und chancenreichen Rahmen für die Umsetzung der in transnationalen Expertennetzwerken zirkulierenden Planungsideen. In diesem Kontext ist auch die frühe Konjunktur weitreichender Planungen in Ostmitteleuropa zu verstehen. Der Aufbau von Planungsstäben und entsprechenden Verwaltungen war teils Resultat transnationaler Trends, etwa der in Ostmitteleuropa intensiv rezipierten technokratischen Ideen. Teils waren diese Stäbe wiederum Voraussetzung für die Umsetzung neuer Trends der urbanistischen Planung. Zur erheblichen Legitimität neuer Ansätze trug auch bei, dass Ideen wie etwa die funktionelle Stadt besonders geeignet schienen, den teilweise dramatischen Problemen der städtischen Infrastruktur in Ostmitteleuropa abzuhelfen. Zukünftig sollte daher das Wechselspiel zwischen politischer Legitimität und öffentlicher Unterstützung bzw. Einforderung urbanistischer Veränderung noch systematischer untersucht werden.
Während der Ausbau der westeuropäischen Metropolen im Wesentlichen vor dem Aufkommen der Urbanistik als Wissenschaft nach 1900 stattfand, war dies für viele Metropolen in Ostmitteleuropa genau andersherum. Dabei wurde gerade in Ostmitteleuropa der Verweis auf „internationale“ Lösungen durch nationale Interessen gerechtfertigt. Nicht umsonst verschränkten sich bereits in den Regional- und Nationalplanungen der 1930er-Jahre z.B. in Polen industriepolitische und urbanistische Ziele und gleichzeitig der Verweis auf internationale Vorbilder mit weitreichenden Visionen nationalen Aufstiegs und neuer politischer Geltung.
Die besondere Relevanz der ostmitteleuropäischen Stadt scheint dann auch weniger in der Tatsache eines eigenen Weges in die Moderne, bzw. einer Spielart der spezifisch europäischen Modernisierung im Sinne von Shmuel Eisenstadts „Multiple Modernities“ zu liegen, so überzeugend dieser Befund in vielerlei Hinsicht ist.82 Sicherlich muss, im Sinne von Eisenstadts Überlegungen, die Vorstellung einer notwendigen Entwicklung hin zu Konvergenzen durch die Betonung regionalspezifischer Faktoren und deren Einfluss auf Modernisierungsprozesse aufgebrochen werden. Aber was in Ostmitteleuropa so sehr ins Auge sticht, ist eben die gleichzeitig enorm intensive und reflektierte Auseinandersetzung mit Vorbildern von „außen“. Das Suchen nach eigenen Lösungen, bzw. der Versuch, das neueste „westliche“ Planungswissen einzusetzen, um Defizite in Chancen zu verwandeln, bedeutete gerade keine kritische Abkehr von dem, was als westliches Modell wahrgenommen wurde. So sehr in der Architektur „typisch“ litauische oder rumänische Lösungen betont wurden, so selten lassen sich Stadtplanungen finden, die sich bewusst gegen „den Westen“ abgrenzten. Diese Spannung zwischen Eigenartigkeit der Entwicklung und Ähnlichkeit in den eingesetzten Mitteln und Zielen macht das Beispiel ostmitteleuropäische Stadt auch als zukünftigen Forschungsgegenstand so relevant.
Anmerkungen:
1 Programmatisch bereits im Titel: Karl Schlögel, Go East oder die zweite Entdeckung des Ostens, Berlin 1995, gefolgt u.a. durch: ders., Promenade in Jalta und andere Städtebilder, München 2001; ders., Die Mitte liegt ostwärts: Europa im Übergang, München 2002; ders., Marjampole oder Europas Wiederkehr aus dem Geist der Städte, München 2005.
2 Friedrich Lenger / Klaus Tenfelde (Hrsg.), Die europäische Stadt im 20. Jahrhundert. Wahrnehmung, Entwicklung, Erosion, Köln 2006.
3 Vgl. David Gordon, Planning twentieth century capital cities, London 2006; Wolfgang Sonne, Representing the state. Capital city planning in the early twentieth century, München 2003; Stephen V. Ward, Planning the twentieth-century city. The advanced capitalist world, Chichester 2002; Koos Bosma / Helma Hellings (Hrsg.), Mastering the City. North European City Planning. 1900–2000. Nederlands Architectuurinstituut, Rotterdam 1998.
4 Als selbstverständlichen Teil einer europäischen Stadtgeschichte bei gleichzeitiger Berücksichtigung ihrer strukturellen Spezifika behandelt erstmals Friedrich Lenger, Metropolen der Moderne. Eine europäische Stadtgeschichte seit 1850, München 2013 die Städte Ostmitteleuropas. Vgl. hierzu die Überlegungen Lengers ebd., S. 12, 16. Ein deutlich traditionelleres, d.h. westeuropäisches, Narrativ hingegen bei: Vittorio Magnago Lampugnani, Die Stadt im 20. Jahrhundert, Berlin 2011.
5 Zum dahinter stehenden Problem Larry Wolff, Inventing Eastern Europe. The map of civilization on the mind of the Enlightenment, Stanford 1994; Stefan Troebst, Redaktionsnotiz Forum: ”Zur Europäizität des östlichen Europa”, in: H-Soz-Kult, 29.05.2006, <http://www.hsozkult.de/text/id/texte-745> (25.08.2015)..
6 Stellvertretend für die sehr umfassende Forschungsdiskussion seit Ende des Kalten Krieges zur Neuorientierung der Osteuropaforschung: Philipp Ther, Vom Gegenstand zum Forschungsansatz. Zentraleuropa als kultureller Raum, in: Johannes Feichtinger / Elisabeth Großegger / Gertraud Marinelli-König (Hrsg.), Schauplatz Kultur – Zentraleuropa. Transdisziplinäre Annäherungen, Innsbruck 2006, S. 55–63.
7 Lenger, Metropolen der Moderne, S. 14, 16. Zu Südeuropa: Martin Baumeister, Die „südeuropäische Stadt“, in: Thomas M. Bohn / Marie-Janine Calic (Hrsg.), Urbanisierung und Stadtentwicklung in Südosteuropa vom 19. bis zum 21. Jahrhundert (=Südosteuropa-Jahrbuch 37), München 2010, S. 13–28.
8 Diskussionen der Sinnhaftkeit der Kategorie osteuropäische bzw. ostmitteleuropäische Stadt sind bisher rar. In langer Perspektive: Markian Prokopovych, Introduction, in: Urban History 40 (2010) (Themenheft ‘East European cities’), S. 28–31; Markian Prokopovych / Maciej Janowski / Constantin Iordachi / Balázs Trencsenyi, Introduction, in: East Central Europe 33,1-2 (2006) (Themenheft ‘Urban History in East Central Europe’), S. 1–6.
9 Jacek Kochanowicz, Backwardness and modernization. Poland and Eastern Europe in the 16th-20th centuries, Aldershot 2006; Ivan T. Berend, Decades of Crisis. Central and Eastern Europe before World War II, Berkeley 2001; David Turnock, The economy of East Central Europe, 1815–1989. Stages of transformation in a peripheral region, London 2006.
10 Dies ist eine der wesentlichen Annahmen hinter dem Band: Jan C. Behrends / Martin Kohlrausch (Hrsg.), Races to modernity. Metropolitan aspirations in Eastern Europe, 1890–1940, Budapest 2014. Vgl. für Polen: Igor Stanislawski, Drogi do Nowoczesnosci. Idea modernizacji w polskiej mysli politycznej, Kraków 2006.
11 Emily Gunzburger Makaš / Tanja Damljanovic Conley (Hrsg.), Capital Cities in the Aftermath of Empires: Planning in Central and Southeastern Europe, London 2009.
12 Vgl. für das Fallbeispiel Warschau jetzt: Malte Rolf, Imperiale Herrschaft im Weichselland. Das Königreich Polen im Russischen Imperium (1864–1915), Berlin 2015.
13 Makaš / Damljanovic Conley, Capital Cities in the Aftermath of Empires, S. 12. Vgl. Auch: Peter Martyn, Emerging Metropolises and Fluctuating State Borders: Architectural Identity and the Obliteration of Warsaw in the First Half of the Twentieth Century, in: Katarzyna Murawska-Muthesius (Hrsg.), Borders in art. Revisiting Kunstgeographie, Warschau 2000, S. 139–149.
14 Vgl. Michaela Marek, Kunst und Identitätspolitik. Architektur und Bildkünste im Prozess der tschechischen Nationsbildung, Köln 2004; Carmen Popescu, Le Style National Roumain. Construiere une Nation a Travers L’Architecture, Rennes 2004; Agnieszka Chmielewska, National style in the Second Polish Republik: Artists and the image of the newly created state, in: Jacek Purchla / Wolf Tegethoff (Hrsg.), Nation, style, modernism, Krakau 2006, S. 185–220; Arnold Bartetzky / Thomas Fichtner (Hrsg.), Neue Staaten – neue Bilder? Visuelle Kultur im Dienst staatlicher Selbstdarstellung in Zentral- und Osteuropa seit 1918, Köln 2005 und die Fallstudie: Markian Prokopovych, In the Public Eye. The Budapest Opera House, the Audience and the Press, 1884–1918, Wien 2014.
15 Vgl. für diesen Zusammenhang jenseits der hier behandelten Region: Thomas Biskup / Marc Schalenberg (Hrsg.), Selling Berlin. Imagebildung und Stadtmarketing von der preußischen Residenz bis zur Bundeshauptstadt, Stuttgart 2008.
16 Vgl. hierzu auch den generellen Ansatz in: Behrends / Kohlrausch (Hrsg.), Races.
17 Die entsprechen Zahlen bei: Makaš / Damljanovic Conley (Hrsg.), Capital Cities in the Aftermath of Empires, S. 27 und Lenger, Metropolen der Moderne, S. 54 f. (dort auch das Zitat).
18 Eve Blau / Ivan Rupnik (Hrsg.), Project Zagreb: Transition as Condition, Strategy, Practice, Barcelona 2007.
19 Zur regelmäßig scheiternden Geschichte städtischer Modernisierung des imperialen Istanbuls: Noyan Dinçkal, Istanbul und das Wasser. Zur Geschichte der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1966, München 2004.
20 Zur generellen Vorbildrolle von Paris: Lenger, Metropolen der Moderne, S. 48f. Zur innerhabsburgischen Dynamik: Markian Prokopowytsch, Habsburg Lemberg: Architecture, Public Space and Politics in the Galician Capital, 1772–1914, West Lafayette 2008; Anthony Alofsin, When buildings speak. Architecture as language in the Habsburg Empire and its aftermath, 1867–1933, Chicago 2006; Ákos Moravánszky, Competing visions. Aesthetic invention and social imagination in Central European architecture, 1867–1918, Cambridge, Mass. 1998; Eve Blau / Monika Platzer (Hrsg.), Mythos Großstadt. Architektur und Stadtbaukunst in Zentraleuropa. 1890–1937, München 1999.
21 Géza Hajós (Hrsg.), Stadtparks in der österreichischen Monarchie: 1765–1918. Studien zur bürgerlichen Entwicklung des urbanen Grüns in Österreich, Ungarn, Kroatien, Slowenien und Krakau aus europäischer Perspektive, Wien 2007. Die professionelle Gruppe der Stadtgärtner wird vor allem im Beitrag von Cordula Loidl-Reisch vorgestellt.
22 Für die Oper: Philipp Ther, In der Mitte der Gesellschaft. Operntheater in Zentraleuropa 1815–1914, Wien 2006.
23 Andreas Fülberth, Tallinn – Riga – Kaunas. Ihr Ausbau zu modernen Hauptstädten. 1920–1940, Köln 2005.
24 Peter Stachel / Cornelia Szabo-Knotik (Hrsg.), Urbane Kulturen in Zentraleuropa um 1900, Wien 2004.
25 Klaus Roth / Ulf Brunnbauer (Hrsg.), Urban life and culture in southeastern Europe, Berlin 2007.
26 Für die Avantgardekünstler: Timothy O. Benson (Hrsg.), Central European Avant-gardes. Exchange and transformation. 1910–1930, Cambridge, Mass. 2002.
27 Carsten Göhrke / Bianka Pietrow-Ennker (Hrsg.), Städte im östlichen Europa. Zur Problematik von Modernisierung und Raum vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert, Zürich 2006.
28 Markus Krzoska / Isabel Röskau-Rydel (Hrsg.), Stadtleben und Nationalität. Ausgewählte Beiträge zur Stadtgeschichtsforschung in Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert, München 2006.
29 András F. Balogh / Helga Mitterbauer (Hrsg.), Zentraleuropa. Ein hybrider Kommunikationsraum, Wien 2006.
30 Generell: Walter Fähnders / Niels Plath / Hendrik Weber (Hrsg.), Berlin, Paris, Moskau – Reiseliteratur und die Metropolen, Bielefeld 2005.
31 Wendy Bracewell (Hrsg.), Orientations. An Anthology of East European Travel Writing, ca. 1550–2000, Budapest 2009; Wendy Bracewell / Alex Drace-Francis (Hrsg.), Under Eastern Eyes. A Comparative Introduction to East European Travel Writing on Europe, Budapest 2008; Dies. (Hrsg.), A Bibliography of East European Travel Writing on Europe, Budapest 2008.
32 Andreas R. Hofmann / Anna Veronika Wendland (Hrsg.), Stadt und Öffentlichkeit in Ostmitteleuropa 1900–1939. Beiträge zur Entstehung moderner Urbanität zwischen Berlin, Charkiv, Tallinn und Triest, Stuttgart 2002.
33 Andreas R. Hofmann / Anna Veronika Wendland, Stadt und Öffentlichkeit: Auf der Suche nach einem neuen Konzept in der Geschichte Ostmitteleuropas. Eine Einführung, in: Dies. (Hrsg.), Stadt und Öffentlichkeit in Ostmitteleuropa 1900–1939. Beiträge zur Entstehung moderner Urbanität zwischen Berlin, Charkiv, Tallinn und Triest, Stuttgart 2002, S. 9–23, hier S. 21. Ulrike von Hirschhausen, Die Grenzen der Gemeinsamkeit. Deutsche, Letten, Russen und Juden in Riga 1860–1914, Göttingen 2006.
34 Hofmann / Wendland, Stadt und Öffentlichkeit, S. 14.
35 Vgl. zu diesem Zusammenhang jetzt vor allem: Beate Störtkuhl, Moderne Architektur in Schlesien 1900 bis 1939. Baukultur und Politik, München 2013.
36 Andreas R. Hofmann, Utopien der Nationen: Landes- und Nationalausstellungen in Ostmitteleuropa vor und nach dem Ersten Weltkrieg, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 58,1-2 (2009), S. 5–32; Beate Störtkuhl, Ausstellungen als Medium nationaler und regionaler Selbstdarstellung: Posen 1911 und 1929 – Breslau 1913 und 1948, in: Malgorzata Omilanowska / Tomasz Torbus (Hrsg.), Tür an Tür. Polen – Deutschland. 1000 Jahre Kunst und Geschichte, Köln 2011, S. 636–641; Andrzej Szczerski, Ein Festival der Leistungen – Die Allgemeine Landesausstellung 'PWK' in Posen 1929, in: Romana Schuler / Goschka Gawlik (Hrsg.), Der neue Staat. Zwischen Experiment und Repräsentation. Polnische Kunst 1918–1939, Wien 2003, S. 129–131.
37 Alena Janatková, Modernisierung und Metropole. Architektur und Repräsentation auf den Landesausstellungen in Prag 1891 und Brünn 1928, Stuttgart 2008.
38 Das Wirken von Ingenieuren der städtischen Infrastruktur – mit einem Schwerpunkt in Ostmitteleuropa – verdeutlicht der Ausstellungskatalog: Ortwin Pelc / Susanne Grötz (Hrsg.), William Lindley. Konstrukteur der modernen Stadt. William Lindley in Hamburg und Europa 1808–1900, Hamburg 2008. Zur Modernisierung durch Übernahme ‚fremder‘ Pläne generell: Joe : / Mercedes Volait (Hrsg.), Urbanism imported or exported? Native aspirations and foreign plans, Chichester 2003.
39 Vgl. hierzu jetzt: Koos Bosma, New socialist cities: foreign architects in the USSR 1920–1940, in: Planning Perspectives 29,3 (2014), S. 301–328.
40 Harald Bodenschatz / Christiane Post (Hrsg.), Städtebau im Schatten Stalins. Die internationale Suche nach der sozialistischen Stadt in der Sowjetunion 1929–35, Berlin 2003. Für die Experten selbst bereits 1990: Anatole Kopp, Foreign Architects in the Soviet Union During the First Two Five-Year Plans, in: William Craft Brumfield (Hrsg.), Reshaping Russian architecture. Western technology, utopian dreams, Cambridge 1990, S. 176–214; Milka Bliznakov, The Realization of Utopia. Western Technology and Soviet Avant-Garde Architecture, in: William Craft Brumfield (Hrsg.), Reshaping Russian architecture. Western technology, utopian dreams, Cambridge 1990, S. 145–175.
41 Bodenschatz / Post, Städtebau im Schatten Stalins, S. 7.
42 Evgenija Konyševa / Mark Meerovic, Linkes Ufer, rechtes Ufer. Ernst May und die Planungsgeschichte von Magnitogorsk (1930–1933), Berlin 2012; Thomas Flierl (Hrsg.), Standardstädte. Ernst May in der Sowjetunion 1930–1933. Texte und Dokumente, Berlin 2012.
43 Martin Kohlrausch / Katrin Steffen / Stefan Wiederkehr (Hrsg.), Expert cultures in Central Eastern Europe. The internationalization of knowledge and the transformation of nation states since World War I, Osnabrück 2010; Benjamin B. Page, The Rockefeller Foundation and Central Europe: a Reconsideration, in: Minerva 40,3 (2002), S. 265–287.
44 Claudia Quiring / Wolfgang Voigt / Peter Cachola Schmal / Eckhard Herrel (Hrsg.), Ernst May 1886–1970, München 2011. Vgl. auch: Susan R. Henderson, Building culture. Ernst May and the new Frankfurt initiative, 1926–1931, New York 2013.
45 Bodenschatz / Post, Städtebau im Schatten Stalins, S. 34.
46 Vgl. hierzu auch: Jean-Louis Cohen, Le Corbusier and the mystique of the USSR. Theories and projects for Moscow, 1928–1936, Princeton 1992.
47 Bodenschatz / Post, Städtebau im Schatten Stalins, S. 116.
48 Dies ist eines der Ergebnisse der durch ihren lokalen Fokus auf Nischni Nowgorod/Gorki sehr ergiebigen Studie: Heather D. Dehaan, Stalinist city planning. Professionals, performance, and power, Toronto 2013.
49 Vgl. Tim Buchen / Malte Rolf (Hrsg.), Eliten im Vielvölkerreich. Imperiale Biographien in Russland und Österreich-Ungarn (1850–1918), Berlin 2015.
50 Das Argument eines “Modernism without Modernity” für Südamerika findet sich bei Mauro F. Guillén, The Taylorized beauty of the mechanical. Scientific management and the rise of modernist architecture, Princeton 2006.
51 Vgl. Wojciech Lesnikowski (Hrsg.), East European Modernism. Architecture in Czechoslovakia, Hungary & Poland between the Wars. 1919–1939, New York 1996; Adam Milobedzki (Hrsg.), Architecture and Avant-Garde in Poland 1918–1939 (= Rassegna 65), Mailand 1996; Silvia Parlagreco (Hrsg.), Costruttivismo in Polonia, Turin 2005. Zur Tschechoslowakei: Jeanette Fabian / Ulrich Winko (Hrsg.), Architektur zwischen Kunst und Wissenschaft. Texte der tschechischen Architektur-Avantgarde 1918–1938, Berlin 2010.
52 Diese Verbindung am deutlichsten in: Romana Schuler / Goschka Gawlik (Hrsg.), Der neue Staat. Zwischen Experiment und Repräsentation. Polnische Kunst 1918–1939, Wien 2003. Für die gesamte Region: Andrzej Szczerski, Modernizacje. Sztuka i architektura w nowych panstwach Europy Srodkowo-Wschodniej 1918–1939, Lódz 2010.
53 Czeslaw Olszewski / Lukasz Gorczyca, Warszawa nowoczesna. Fotografie z lat trzydziestych XX wieku. Warszawa 2012; Jaroslaw Trybus, Warszawa niezaistniala. Niezrealizowane projekty urbanistyczne i architektoniczne Warszawy dwudziestolecia miedzywojennego, Warschau 2012; Beata Pomykalska / Pawel Pomykalski, Mniej znaczy wiecej. Perly polskiej architektury modernistycznej, Lódz 2012; Michal Pszczólkowski, Architektura uzytecznosci publicznej II Rzeczypospolitej 1918–1939. Forma i styl, Lódz 2014.
54 Zur radikalen Stadtplanung nach der Idee der funktionellen Stadt in Warschau – einem der ganz wenigen konkretisierten Beispiele in Europa – jetzt die sehr gut aufgearbeitete Neuausgabe: Jan Chmielewski / Szymon Syrkus, Warszawa funkcjonalna. Przyczynek do urbanizacji regionu warszawskiego, Fundacja Centrum Architektury, Warschau 2013 (Originalausgabe 1934). Vgl. auch: Martin Kohlrausch, Warszawa Funkcjonalna: Radical Urbanism and the International Discourse on Planning in the Interwar Period, in: Jan C. Behrends / Martin Kohlrausch (Hrsg.), Races to Modernity. Metropolitan Aspirations in Eastern Europe, 1890–1940, Budapest 2014, S. 205–231.
55 Vgl. Ljiljana Blagojevic / Dejan Vlaskalic, Modernism in Serbia. The elusive margins of Belgrade architecture, 1919–1941, Cambridge, Mass. 2003; Darja Radovic Mahecic, Moderna arhitektura u hrvatskoj 1930-IH. Modern Architecture in Croatia 1930's, Zagreb 2003; Luminita Machedon, Romanian modernism. The architecture of Bucharest, 1920–1940, Cambridge, Mass. 1999; Rostislav Svácha, The architecture of New Prague. 1895–1945, Cambridge, Mass. 1996; Jaroslav Andel (Hrsg.), The new vision for the new architecture. Czechoslovakia 1918–1938, Prag 2005; Irina Makaryk / Virlana Tkacz (Hrsg.), Modernism in Kyiv: jubilant experimentation, Toronto 2010.
56 Monika Platzer, Die CIAM und ihre Verbindungen nach Zentraleuropa, in: Eve Blau / Monika Platzer (Hrsg.), Mythos Großstadt, S. 227–231. Generell: Eric Mumford, The CIAM discourse on urbanism, 1928–1960, Cambridge Mass. 2000.
57 Anna, Susanne, Das Bauhaus im Osten. Slowakische und tschechische Avantgarde 1928–1939, Ostfildern 1997; Éva Bajkay (Hrsg.), „Von Kunst zu Leben“. Die Ungarn am Bauhaus, Pécs 2010.
58 Mikael Hård / Thomas J. Misa (Hrsg.), Urban machinery. Inside modern European cities, Cambridge, Mass. 2008.
59 Jörg Gebhard, Lublin. Eine polnische Stadt im Hinterhof der Moderne (1815–1914), Köln 2006; Hanna Kozinska-Witt, Krakau in Warschaus langem Schatten, Stuttgart 2008.
60 Nathaniel D. Wood, Becoming metropolitan. Urban selfhood and the making of modern Cracow, DeKalb 2010.
61 Generell: Clemens Zimmermann, Von der Wohnungsfrage zur Wohnungspolitik. Die Reformbewegung in Deutschland 1845–1914, Göttingen 1991; Gert Kähler, Geschichte des Wohnens. 1918–1945. Reform, Reaktion, Zerstörung, Stuttgart 2000.
62 Alena Janatková / Hanna Kozinska-Witt (Hrsg.), Wohnen in der Großstadt. 1900–1939. Wohnsituation und Modernisierung im europäischen Vergleich, Stuttgart 2006.
63 Ute Caumanns, Mietskasernen und „Gläserne Häuser“: Soziales Wohnen in Warschau zwischen Philanthropie und Genossenschaft. 1900–1939, in: Alena Janatková / Hanna Kozinska-Witt (Hrsg.), Wohnen in der Großstadt, S. 205–224.
64 Der tschechische Architekturtheoretiker Karel Teige war ein Vordenker dieser Richtung: Karel Teige / Eric Dluhosch, The minimum dwelling. The housing crisis – housing reform – the dwelling for the subsistence minimum – single family, rental and collective houses – regulatory plans for residential quarters – new forms of houses and apartments – the popular housing movement = L' habitation minimum = Die Kleinstwohnung, Chicago 2002.
65 Zu kollektivistischen Wohnformen in der Sowjetunion und deren Grenzen: Julia Obertreis, Tränen des Sozialismus. Wohnen in Leningrad zwischen Alltag und Utopie 1917–1937, Köln 2004.
66 Arnold Bartetzky / Marc Schalenberg (Hrsg.), Urban Planning and the Pursuit of Happiness. European Variations on a Universal Theme (18th–21st centuries), Berlin 2009. Siehe dazu auch mit zahlreichen osteuropäischen Beispielen: Cor Wagenaar (Hrsg.), Happy: Cities and Public Happiness in Post-War Europe, Rotterdam 2004.
67 Hubert-Jan Henket / Hilde Heynen (Hrsg.), Back from Utopia: the challenge of the modern movement, Rotterdam 2002. Zur funktionellen Stadt, mit vielen Beispielen ostmitteleuropäischer Städte, jetzt vor allem: Evelien van Es / Enrico Chapel, Atlas of the functional city. CIAM 4 and comparative urban analysis, Bussum 2014.
68 Zum Begriff und der Idee der „politics of comparison“: Martin Kohlrausch / Helmuth Trischler, Building Europe on expertise. Innovators, organizers, networkers, New York 2014, S. 1, 4.
69 Zum COP jetzt: Marcin Furtak, COP. Centralny Okreg Przemyslowy, 1936–1939: architektura i urbanistyka. Kraj, region, miasto, fabryka, osiedle, budynek, Lódz 2014. Allgemein, mit wenigen Beispielen zur hier behandelten Region, zu Technocities: Robert H. Kargon / Arthur P. Molella, Invented Edens: Techno-Cities of the Twentieth Century. Techno-Cities of the Twentieth Century, Cambridge, Mass. 2008.
70 Winfried Nerdinger (Hrsg.), Zlín. Modellstadt der Moderne, Berlin 2009; Katrin Klingan (Hrsg.), A utopia of modernity. Zlín. Revisiting Bata’s functional city, Berlin 2009.
71 Allgemein: Jörn Düwel / Niels Gutschow (Hrsg.), A Blessing in Disguise. War and Town Planing in Europe 1940–1945, Berlin 2013. Im ostmitteleuropäischen Kontext ist das Warschauer Beispiel besonders aufschlussreich. Siehe hierzu die zahlreichen Arbeiten von Niels Gutschow, insbesondere: Niels Gutschow / Barbara Klain, Vernichtung und Utopie: Stadtplanung Warschau 1939–1945, Hamburg 1994. Mit zahlreichen ostmitteleuropäischen Beispielen: Georg Wagner-Kyora (Hrsg.), Wiederaufbau europäischer Städte. Rekonstruktionen, die Moderne und die lokale Identitätspolitik seit 1945 (Rebuilding European cities: reconstructions, modernity and the local politics of identity construction since 1945), Stuttgart 2014. Zum Zusammenhang von Wiederaufbau und politischer Legitimität: Arnold Bartetzky, Stadtplanung als Glücksverheißung. Die Propaganda für den Wiederaufbau Warschaus und Ost-Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Ders. / Marina Dmitrieva / Alfrun Kliems (Hrsg.), Imaginationen des Urbanen. Konzeption, Reflexion und Fiktion von Stadt in Mittel- und Osteuropa, Berlin 2009, S. 51–80.
72 Jacek Gadecki / Christian Smigiel, A Paradise Behind Gates and Walls. Gated Communities in Eastern Europe and the Promise of Happiness, in: Arnold Bartetzky / Marc Schalenberg (Hrsg.), Urban Planning and the Pursuit of Happiness. European Variations on a Universal Theme (18th–21st centuries), Berlin 2009, S. 198–217. Zum Problem des Übergangs von der sozialistischen in die postsozialistische Stadt: Carola Hein, Spaces of Identity in East European Cities, in: Journal of Urban History 38 (2012), S. 372–378. Für Warschau: Monika Grubbauer / Johanna Kusiak, Chasing Warsaw. Socio-material dynamics of urban change since 1990, Frankfurt am Main 2012.
73 Arnold Bartetzky / Marina Dmitrieva / Alfrun Kliems, Imaginationen des Urbanen. Konzeption, Reflexion und Fiktion von Stadt in Mittel- und Osteuropa, Berlin 2009.
74 Für die Stadtgeschichte Ostmitteleuropas wichtige kunst- bzw. architekturgeschichtliche Zugänge bieten auch: Elizabeth Clegg, Art, Design, and Architecture in Central Europe, 1890–1920, New Haven, Conn. 2006; Steven A. Mansbach, Modern art in Eastern Europe. From the Baltic to the Balkans, ca. 1890–1939, Cambridge 1999 und Susan Emily Reid / David Crowley (Hrsg.), Style and socialism. Modernity and material culture in post-war Eastern Europe, Oxford 2000.
75 Felix Ackermann, Palimpsest Grodno. Nationalisierung, Nivellierung und Sowjetisierung einer mitteleuropäischen Stadt 1919–1991, Wiesbaden 2010. Vgl. auch: Christoph Mick, Kriegserfahrungen in einer multiethnischen Stadt. Lemberg 1914–1947, Wiesbaden 2010. Zur Auswirkung von Bevölkerungsverschiebungen vgl. vor allem die viele nachfolgende Untersuchungen inspirierende Studie von Gregor Thum zu Breslau: Gregor Thum, Die fremde Stadt. Breslau nach 1945, München 2003.
76 Für den Zweiten Weltkrieg mit einigen vorwiegend osteuropäischen Beispielen: Stefan-Ludwig Hoffmann / Martin Kohlrausch, Introduction Post-Catastrophic Cities, in: Journal of Modern European History 9,3 (2011), S. 308–313.
77 Christoph Bernhardt / Heinz Reif (Hrsg.), Sozialistische Städte zwischen Herrschaft und Selbstbehauptung. Kommunalpolitik, Stadtplanung und Alltag in der DDR, Stuttgart 2009.
78 Thomas M. Bohn, Minsk – Musterstadt des Sozialismus. Stadtplanung und Urbanisierung in der Sowjetunion nach 1945, Köln 2008; Ders. (Hrsg.), Von der „europäischen Stadt“ zur „sozialistischen Stadt“ und zurück? Urbane Transformationen im östlichen Europa des 20. Jahrhunderts, München 2009.
79 Mit überzeugenden Analysen insbesondere: Hertha Hurnaus / Benjamin Konrad / Maik Nowotny (Hrsg.), Eastmodern. Architecture and design of the 1960s and 1970s in Slovakia, New York 2007; vgl. auch: Katharina Ritter (Hrsg.), Soviet modernism 1955–1991: Unknown History, Zürich 2012; Cor Wagenaar, Idealen in Beton. Verkenningen in Midden- en Oost-Europa, Rotterdam 2004; Jan Kempenaers, Spomenik, Amsterdam 2010; Roman Bezjak, Socialist modernism, Ostfildern 2011; Ewa Bérard / Corinne Jacquand, Architectures au-delà du Mur. Berlin, Varsovie, Moscou: 1989–2009, Paris 2009; Frédéric Chaubin, Cosmic Communist Constructions Photographed, Köln 2011.
80 Jacek Friedrich, Modernitätsbegriff und Modernitätspropaganda im polnischen Architekturdiskurs der Jahre 1945–1949, in: Arnold Bartetzky / Marina Dmitrieva / Alfrun Kliems (Hrsg.), Imaginationen des Urbanen. Konzeption, Reflexion und Fiktion von Stadt in Mittel- und Osteuropa, Berlin 2009, S. 304–328.
81 Beispielhaft hierfür steht der Architekt Romuald Gutt: Vgl. Anna Dybczynska-Bulyszko, Ksztalt dla Chaosu. Twórczosc Romualda Gutta a Problemy Polskiego Modernizmu, Warschau 2008.
82 Vgl. Shmuel N. Eisenstadt, Die Vielfalt der Moderne: Ein Blick zurück auf die ersten Überlegungen zu den „multiple modernities“, in: Themenportal Europäische Geschichte (2006), <http://www.europa.clio-online.de/site/lang__de/ItemID__113/mid__11428/40208214/default.aspx> (25.08.2015).