Die Auseinandersetzung um die südafrikanische Apartheid gehörte zu jenen Konflikten mit globaler Reichweite, die im Streit um eine erstrebenswerte gesellschaftliche Ordnung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle spielten. Der Protest gegen die systematische Ausgrenzung der nicht-weißen Bevölkerungsmehrheit wurde zu einem Katalysator der Menschenrechtspolitik der Vereinten Nationen, sie hat viele Länder der „Dritten Welt“ mobilisiert und manifestierte sich in der „westlichen Welt“ durch massive Konflikte über die Legitimität von Kompromissen beim Postulat der „Rassen“-Gleichheit zugunsten strategischer Vorteile im Kalten Krieg. Die Apartheid in Südafrika stellte neben dem Spanischen Bürgerkrieg und dem Vietnamkrieg einen jener drei Konfliktherde dar, die im 20. Jahrhundert die größten transnationalen Solidaritätsbewegungen auslösten.1 Grund genug, der Wahrnehmung der Apartheid in anderen Teilen der Welt genauer nachzugehen und danach zu fragen, wie die systematische Rassentrennung zum Vorteil der weißen Minorität außerhalb Südafrikas aufgefasst wurde, warum sich Menschen ausgerechnet auf diesem politischen Schauplatz engagierten, mit welchen Argumenten die Kritik operierte, wie Regierungen und nichtstaatliche Akteure reagierten und welche Mobilisierungsstrategien an welchen Subthemen welche Reaktionen auslösten.
Dieser Literaturbericht umfasst Reaktionen aus aller Welt, wobei ein besonderes Augenmerk auf Westeuropa liegt – nicht aufgrund eines verlängerten Eurozentrismus, sondern aus dem Erkenntnisinteresse einer europäischen Geschichte im globalen Kontext heraus. Es geht mir um die Frage, wie der „Shock of the Global“, genauer: die Auseinandersetzung mit der Apartheid als einem globalen Konflikt um die Legitimität rassistischer Ausgrenzung Selbstbilder und politische Kulturen in Europa beeinflusst hat.2 Osteuropa wird hier nur am Rande berücksichtigt, da durch einen verordneten Antirassismus die Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher Aushandlungsprozesse dort sehr viel geringer waren.3 Die Gemengelage ist kompliziert, weil in diese Fragestellung viele Faktoren hineinspielen: die Verhältnisse in Südafrika selbst, die Debatte auf höchster diplomatischer Ebene, darunter supranationale Organisationen wie die Vereinten Nationen und die Europäische Union, die nationalen Regierungen, Anti-Apartheid-Bewegungen in ihren jeweiligen nationalen Ausformungen und ihren internationalen Verknüpfungen, grenzüberschreitend agierende Personen wie etwa ins Exil getriebene Aktivisten des African National Congress (ANC).4 Hinzu kommen nationale oder regionale Unterschiede wie politische Kulturen, traditionelle Beziehungen zu Südafrika, zivilgesellschaftliche Strukturen, aber auch Einflüsse aus anderen Ländern – nicht zuletzt aus den USA. Obwohl also nicht in erster Linie die inneren Verhältnisse Südafrikas, Menschenrechtsgeschichte, der Kalte Krieg oder die US-amerikanische Debatte behandelt werden, gehen derartige Aspekte substanziell in die Fragestellung ein. Ein Literaturbericht zu den internationalen Wahrnehmungen der Apartheid muss in einem solchen weiten Horizont operieren, um relevante Bedingungsfaktoren auszuloten und eine vielschichtige Betrachtung zu ermöglichen.
In der großen Menge von Literatur über die Apartheid5 finden sich auch einige zumeist ältere Darstellungen zur Politik der europäischen Länder gegenüber dem Apartheidstaat, die ein diplomatie- oder politikgeschichtliches Faktengerüst bieten, aber nur begrenzt in die Tiefe der Gesellschaft loten.6 Literatur zum Widerstand gegen die Apartheid erstreckt sich in der Regel auf Länderstudien, nationale Anti-Apartheidbewegungen und die Kirchen7; andere gesellschaftliche Institutionen wie Parteien oder Stiftungen wurden nur sporadisch und nicht unbedingt aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive untersucht.8 Dies gilt ebenso für Unternehmen, die als zentrale internationale Akteure auch im Mittelpunkt zeitgenössischer Kritik standen.9 Hier ist seit der Jahrtausendwende allerdings sehr viel mehr geleistet worden. Im Folgenden sollen einige Neuerscheinungen der vergangenen zehn Jahre vorgestellt werden, die in diesem Zusammenhang relevant erscheinen. Zum Teil ist auf den hier einbezogenen Feldern sehr viel mehr Literatur erschienen als hier vorgestellt werden kann – wie etwa zur boomenden Menschenrechtsgeschichte –, so dass exemplarische Werke genügen müssen, um den Bezug des Feldes zu der hier im Zentrum stehenden Fragestellung anzudeuten.
Rassistische Segregation als eine Methode des social engineering hat eine lange Geschichte in vielen Teilen der Welt. Sie gehört zur „dunklen Seite der Moderne“ (Zygmunt Bauman) und hat als institutionalisiertes Machtverhältnis am längsten in Südafrika bestanden. Obwohl vor dem Hintergrund des Holocaust und der Dekolonialisierung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gesellschaftliche Ausschließungspraktiken nach ethnischen Kriterien immer weniger akzeptabel erschienen, verhinderte der eskalierende Kalte Krieg eine konsistente Anti-Apartheid-Politik. Denn das Apartheidregime galt als Bollwerk gegen den Kommunismus in Afrika, während der ANC als wichtigste Befreiungsbewegung ein enger Verbündeter der South African Communist Party (SACP) war und von der Sowjetunion und ihren Alliierten unterstützt wurde.
Die internationale Debatte über die Apartheid war eine „Anti-Apartheid-Debatte“ (Håkan Thörn) insofern, als sie sich auf die Frage konzentrierte, inwieweit und mit welchen Mitteln „westliche” Gesellschaften sich für die Abschaffung der Apartheid einsetzen sollten – insbesondere, ob Südafrika auf allen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Ebenen boykottiert werden sollte. Gleichzeitig gab es bis in die politischen Führungsebenen hinein zum Teil erhebliche Unterstützung für die Apartheid etwa in den USA, in Großbritannien und der Schweiz, während manche Staaten der "Dritten Welt" und die skandinavischen Länder das Regime frühzeitig boykottierten und sich auf internationaler Ebene für harte Sanktionen einsetzten; für die Bundesrepublik sind neben engen Wirtschaftskontakten auch personelle Kontinuitäten von früheren NS-Aktivisten nachgewiesen worden, die die Apartheid unterstützten und um Verständnis für sie warben.10 Die Antworten der nationalen Gesellschaften auf diese Debatte waren sehr unterschiedlich – entsprechend ihrer historischen Verbindungen zu Südafrika, kultureller und wirtschaftlicher Beziehungen, ihrer Selbstwahrnehmungen und ihrer Empfindlichkeit gegenüber innerem und äußerem Druck. Gleichzeitig hatten sie in hohem Maße symbolischen Charakter und sollten, selbst wenn ihre Wirkungen – wie bei den EU-Verhaltensregeln für Unternehmen – umstritten waren, moralische Integrität nach außen und innen hin demonstrieren, was wiederum als Münze im politischen Kampf verwendet wurde.11 Insbesondere im Kontext des Kalten Krieges spielte der „Symbolismus der Selbstreinhaltung“ eine bedeutende Rolle.12
1. Geschichte Südafrikas, Geschichte der Apartheid
2014 hat Saul Dubow eine Geschichte der Apartheid vorgelegt, die die Summe seiner langjährigen Forschungen auf diesem Gebiet präsentiert und zugleich umfassend und differenziert über Theorie und Praxis dieser spezifischen Form der rassistisch begründeten Herrschaft informiert.13 Dubow tut dies aus der Perspektive eines Historikers, und das heißt, er versteht Apartheid nicht als modellartiges Konzept (das auch auf andere Formen ethnischer Homogenisierung zu übertragen wäre), sondern untersucht seine Entstehung und seinen Wandel historisch konkret in den immerhin über 40 Jahren, in denen dieser bis dahin unbekannte Terminus Synonym für Südafrika war. Die lange Dauer lässt Dubow – anders als die vielen teleologischen „rise and fall“-Geschichten – nicht nur danach fragen, wie es zum Fall des Apartheidregimes kam, sondern vor allem danach, warum es so lange bestehen konnte. Seine überzeugende Antwort: Es handelte sich um ein außerordentlich flexibles Konzept, das immer wieder neu an die veränderten Gegebenheiten angepasst wurde und auf der Seite der Ausgegrenzten nicht nur Widerstand erzeugte, sondern auch in unterschiedlichem Ausmaß Partizipation, ja sogar Besserstellung ermöglichte – wie der Verfasser etwa an der Reform des rassistischen Bildungssystems zeigt, das immerhin bedeutend mehr „Africans“ eine basale Schulbildung zukommen ließ als es die zuvor zumeist von Missionsschulen geleistete Erziehung weniger Einzelner jemals vermocht hatte. Nachdem das Regime zu Zeiten der „high Apartheid“ – nicht zuletzt wegen der Ausschaltung der Opposition und des enormen wirtschaftlichen Booms – zwischen den späten 1950er- und den frühen 1970er-Jahren auf dem Höhepunkt seiner Legitimität gestanden hatte, verfehlten die seit dem Soweto-Aufstand von 1976 angegangenen Reformen – Förderung einer schwarzen Mittelschicht, Einrichtung eines ethnisch bestimmten Drei-Kammern-Parlamentes (allerdings unter Ausschluss der schwarzen Bevölkerungsmehrheit), Abschaffung der „Pass Laws“ – ihr Ziel, die Akzeptanz der Apartheid zu erhöhen. Im Gegenteil, seit den frühen 1980er-Jahren eskalierten die Konflikte so sehr, dass das System nach der Erosion des Ostblocks, durch die einer seiner wichtigsten ideologischen Stützpfeiler zusammenbrach – die Imagination einer sowjetisch gelenkten Machtübernahme –, nicht mehr aufrechtzuerhalten war.
Es ist bewundernswert, wie es Dubow gelingt, auf nur gut 300 Seiten eine derartige Masse an Informationen in enormer Komplexität darzustellen und zu diskutieren. Er bezieht sozial-, wirtschafts- und kulturgeschichtliche, aber auch politik- und institutionengeschichtliche Argumente ein und befindet sich damit ganz auf der Höhe des Selbstverständnisses einer Zunft, die traditionellen Disziplingrenzen zunehmend skeptisch gegenübersteht. Besonders zu begrüßen ist dabei sein spezielles Interesse an ideengeschichtlichen Aspekten, denn das Konzept Apartheid beruhte von seiner Inauguration bis zu seinem Ende auf der Vorstellung von der Überlegenheit der weißen Minderheit und ihrem Selbstbild als weiße „Afrikaner“ europäischer Provenienz mit einer Kulturmission gegenüber der nicht-weißen Bevölkerungsmehrheit. Sie ließ sich 1948 praktisch gebrauchen, als die National Party mit diesem Catchword die Parlamentswahl gewann, indem sie pauperisierte weiße Arbeiter durch das Versprechen einer Zurückdrängung der immer stärker urbanisierten schwarzen Arbeiterschaft für sich gewann. Der Autor lässt keinen Zweifel daran, dass Apartheid keine Neuerfindung war, sondern die schon bestehenden Segregationsmaßnahmen ideologisch überformte, in ein geschlossenes politisches Konzept überführte und herrschaftspraktisch systematisierte. Besonders überzeugend gelingt Dubow die Beschreibung des theologischen Hintergrunds der Apartheid, bei der gerade den Afrikaans sprechenden Weißen die Rolle von Fackelträgern der christlichen Zivilisation auf dem „dunklen Kontinent“ zukam, die eine von den europäischen Mächten unabhängige Republik aufbauen und damit die weiße Vorherrschaft sichern sollten.
Im weiteren Verlauf gewann der multiethnische Aspekt der Apartheid an Gewicht – das teils aus dem anthropologischen Kulturrelativismus stammende Ideal einer Entwicklung der unterschiedlichen Völkerschaften entsprechend ihrer jeweiligen Traditionen. Dies war, so sah es das Konzept der Apartheid vor, nur durch Rassentrennung zu ermöglichen. Der „Group Areas Act“ von 1950 und die Einrichtung der sogenannten „Bantustans“ („Homelands“) seit 1959, bei denen die schwarze Bevölkerung aus den urbanen Zentren vertrieben und in ethnisch homogene Siedlungsgebiete auf dem platten Land verbracht wurde (um ihre „Detribalisierung“ rückgängig zu machen), setzten diese Idee in die Praxis um. In diesem vermeintlichen „Harmonious Multi-Community Development“ (so der Apartheid-Ideologe Werner Eiselen, S. 106), das als Miniaturausgabe des britischen Commonwealth mit einem weißen Südafrika als Mutternation gedacht war, figurierten die zur Unabhängigkeit vorgesehenen „Homelands“ als Staaten, in denen sich die Bevölkerung entsprechend ihrer jeweiligen Tradition würde entwickeln können. Apartheid war also, so die Behauptung, nicht nur gut für die Weißen, sondern für alle Südafrikaner.
Natürlich begreift der Verfasser Genese und Entwicklung der Apartheid nicht als rein innere Angelegenheit, sondern bezieht in einem weiten Referenzrahmen nicht nur die Dekolonialisierung Afrikas, den globalen Kalten Krieg und die Anti-Apartheid-Bewegung vornehmlich in Europa und den USA mit ein. Dies macht es auch für diejenigen zu einem wichtigen und wertvollen Buch, die an der Kontextualisierung der internationalen Reaktionen auf die Apartheid interessiert sind – selbst wenn hier zumeist nur auf Großbritannien, sporadisch auf Schweden eingegangen wird. Dubow präsentiert all dies und vieles mehr in einer diskursiven Form, die immer wieder konventionelle Sichtweisen in Frage stellt und Forschungskontroversen aufnimmt. Wer an einer konzisen und kritischen, von stupender Kenntnis der Problematik geprägten Geschichte der Apartheid auf neuestem Forschungsstand interessiert ist, kommt an Dubows Standardwerk nicht vorbei.
In der deutschen Forschungslandschaft hat Christoph Marx als ausgewiesener Experte sein Wissen über Südafrika kürzlich in einer Gesamtdarstellung zusammengefasst, die hierzulande den State of the Art markiert.14 Der kompakte Überblick lässt die Geschichte des Landes Revue passieren – von den Anfängen, dem Ursprung der Menschheit im südlichen Afrika, bis zur Gegenwart. Der bei Weitem größte Teil widmet sich jedoch dem 19. und 20. Jahrhundert, wobei die Apartheid, ihre unmittelbare Vor- und Nachgeschichte etwa ein Drittel des Buches ausmachen. Diese gut 100 Seiten haben es in sich, denn sie bieten einen äußerst instruktiven Abriss der wichtigsten Stationen staatlicher Apartheid-Politik (samt Protagonisten und Gegnern in der weißen Minderheit) sowie ihrer Konsequenzen für die gesellschaftliche Entwicklung. Behandelt werden Formation, Kampagnen und Wirkungen der Widerstandsbewegungen, insbesondere des ANC. Dabei argumentiert die gut lesbare Darstellung stets forschungsbezogen und bedient damit hervorragend auch das akademische Interesse. Man mag konkretere Nachweise in Gestalt eines Fußnotenapparates vermissen, aber immerhin wird über die zu Einzelaspekten wichtigste Forschungsliteratur informiert.
Marx‘ Darstellung erklärt, warum der „überethnische Nationalismus“ des ANC (S. 213) gegenüber den ethnisch fokussierten Nationalismen nicht nur des Regimes, sondern auch etwa der Zulu-Herrscher oder des zeitweise besonders in der westlichen Welt für repräsentativ gehaltenen Pan-African Congress (PAC) obsiegte. Mit guten Gründen richtet der Autor sein besonderes Augenmerk auf die Rolle des Staates, schon vor 1948, aber besonders natürlich danach, als die radikale Rassentrennung vor dem Hintergrund einer scheinbar demokratisch legitimierten Regierungspolitik implementiert wurde. Tatsächlich konnten sich die südafrikanischen Staatsmänner keineswegs auf ihre demokratische Legitimation berufen, denn die schwarze Bevölkerungsmehrheit war bereits seit 1936 von Wahlen ausgeschlossen, sie durfte lediglich vier (weiße) Vertreter ins Parlament entsenden. Immer wieder arbeitet Marx pointiert Motive und Grundmuster der Apartheid-Politik heraus, wie etwa die Tatsache, dass die 1959 verkündete „Homeland“-Politik, verkauft als südafrikanischer Beitrag zur Entkolonialisierung Afrikas (nur dass Südafrika die verschiedenen Minderheiten freiwillig in die staatliche Unabhängigkeit entlasse, während Frankreich und Großbritannien dies nur unter Zwang getan hätten), Hand in Hand ging mit dem Austritt des Landes aus dem Commonwealth von 1961. „Homelands“ und die Umwandlung zur Republik hatten ein gemeinsames Ziel: die Herstellung eines „rassenreinen“ weißen Nationalstaats.
Bei allem Augenmerk auf die Sphäre des Staates beschreibt der Autor gelegentlich (man hätte sich mehr davon gewünscht) alltagsgeschichtliche Auswirkungen auf die Bevölkerung, darunter auch, dass und warum die Apartheid von der weißen Bevölkerung immer stärker unterstützt wurde. Man kann einwenden, dass die angebotene Periodisierung nach den jeweils herrschenden Premierministern bzw. Präsidenten rein politikgeschichtlich und etwas statisch geraten ist. Gleichwohl hat Marx’ Darstellung für eine kulturgeschichtliche Perspektive, auch wenn sie die Darstellung nicht leitet, manche Perle zu bieten – so etwa zur Black-Consciousness-Bewegung, zu dem ehemaligen Johannesburger Stadtteil Sophiatown als Geburtsstätte einer kosmopolitischen südafrikanischen Gegenkultur, zu Nelson Mandelas und Thabo Mbekis Symbolpolitik. Internationale Aspekte spielen eine relativ geringe Rolle. Im Einklang mit einem großen Teil der Forschung misst Marx etwa dem zunehmenden internationalen Druck auf Südafrika in den 1980er-Jahren keine besonders große Bedeutung für den Niedergang des Apartheid-Regimes zu. Eine sehr viel wichtigere Rolle spielte ihm zufolge der Verfall des Goldpreises, der die Aufrechterhaltung der aus dem ideologischen Gebot der Rassentrennung erzeugten gigantischen staatlichen Bürokratie samt des überdimensionierten Sicherheitsapparates unmöglich gemacht habe. Unterm Strich: Weniger als Dubow schenkt Marx den internationalen Aspekten seine Aufmerksamkeit, aber was die innere Entwicklung der Apartheid, ihre Dynamiken, Protagonisten und Opponenten angeht, wird man hier nicht nur luzide, sondern auch komplex und mit vielen treffenden Beispielen illustriert informiert.
In die lange Linie der südafrikanischen Geschichte eingebettet wird die Apartheid auch in weiteren Überblicksdarstellungen, die durch historische Kontextualisierung wichtiges Wissen zu ihrem Verständnis beitragen. In der Reihe „World History“ von Oxford University Press hat Iris Berger 2009 einen Band über Südafrika vorgelegt, der, dem Konzept der Reihe entsprechend, in konziser Form einen Überblick zur Geschichte des Landes im globalen Kontext bietet.15 Mit dem Blick auf die Entstehung hybrider Kulturen beschreibt Berger die Kolonialisierung der Südspitze Afrikas als wechselseitige Interaktion von Europäern und Afrikanern mit besonderer Betonung der Auswirkungen für die autochthone Bevölkerung – insbesondere die Sklaverei, die allerdings, im Gegensatz zu den USA und der Karibik, im späten 18. Jahrhundert noch nicht als agrarindustrielle Massenausbeutung vonstatten ging. Die Autorin arbeitet die Annäherung der ärmeren Schichten der Siedler an die Lebensformen der indigenen Bevölkerung heraus und durchbricht somit eine stereotype Sicht, die allein die ethnische Differenz in den Mittelpunkt stellt. Gleichzeitig richtet sich ihr Blick systematisch auf Geschlechterdifferenzen, so dass hier ein komplexes Bild kultureller Ungleichheit entsteht, in dem Race, Class und Gender zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dieses kurzweilige, häufig durch biografische Skizzen angereicherte Buch integriert Sozialstrukturen, Wirtschaft, Kultur und Politik und ermöglicht dem Leser so einen Einstieg in die Geschichte Südafrikas, der multiperspektivisch angelegt ist und der auf der Höhe des gegenwärtigen Reflexionsniveaus in der Geschichtswissenschaft argumentiert.
Konzentriert man sich auf den im Zusammenhang dieses Berichts im Mittelpunkt stehenden Zeitraum, so zeichnet Bergers Überblick nicht nur die Rahmendaten der Apartheid nach, sondern auch den Hintergrund einer sich modernisierenden Gesellschaft, in der die zunächst konfliktreich sich gegenüberstehenden Gruppen der weißen Bevölkerungsminderheit – Briten und Buren – einen Modernisierungsprozess durchlaufen, wobei die Letztgenannten trotz eines sozialen „Fahrstuhleffekts“ in den 1950er- und 1960er-Jahren und begrenzter kultureller Modernisierung das konservative Element darstellten. Die Radikalisierung des Anti-Apartheid-Protestes beschreibt die Verfasserin überzeugend als Ineinandergreifen innerer Faktoren und äußerer Entwicklungen. Innerhalb Südafrikas entstanden neue radikale Bewegungen, die Gewerkschaften erlebten einen Aufschwung, und es kam zu Streiks und Schülerprotesten. Der Sieg der Befreiungsbewegungen in Angola und Mosambik, später auch in Zimbabwe wirkten von außen; insbesondere die brutale Niederschlagung des Soweto-Aufstandes von 1976 sensibilisierte die internationale Öffentlichkeit, die immer vehementer auf die Abschaffung des Apartheidsystems drängte und die eigenen Regierungen zu Sanktionen anhielt. Auch die mit der Freilassung Nelson Mandelas 1990 durch Frederik Willem de Klerk eingeleitete Phase des Umbruchs, die mit dem Sieg des ANC bei den ersten demokratischen Wahlen von 1994 abgeschlossen wurde, sowie dem unter der Ägide des ANC vorangetriebenen gesellschaftlichen und politischen Wandel bis in die Gegenwart beschreibt Berger mit einem wachen Blick für komplexe Problemkonstellationen. Einerseits sicherte die von Mandela implementierte Politik der ethnische und soziale Grenzen übersteigenden nationalen Einheit den politischen Wandel ab und verbesserte bis zu einem gewissen Grad auch die Lebenschancen der schwarzen Bevölkerungsmehrheit, während die Wahrheits- und Versöhnungskommission zur Befriedung beigetragen hat. Andererseits verweisen die nach wie vor eklatante Ungleichheit etwa bei Bildung und Einkommen, die Persistenz hierarchischer Ideale in manchen Bevölkerungsgruppen, eine diffuse Anti-AIDS-Politik, die umstrittene wirtschaftliche Liberalisierung und xenophobe Gewalttaten gegen Arbeitsmigranten aus anderen afrikanischen Ländern auf das nach wie vor virulente Problempotenzial in der Post-Apartheid-Gesellschaft.
Erst posthum, ein Jahr nach seinem Tod, erschien die Gesamtdarstellung des britischen Wirtschaftshistorikers Charles H. Feinstein zur Wirtschaftsgeschichte Südafrikas, die erste zusammenhängende Gesamtschau seit vielen Jahrzehnten und damit ein Standardwerk, auf das man immer wieder zurückgreifen wird.16 Man merkt dem Buch an, dass es aus eigener Anschauung und einem persönlichen Bedürfnis heraus geschrieben wurde, aber es profitiert vor allem von dem überwältigenden Wissen eines Historikers, der den größten Teil seines beruflichen Wirkens in Cambridge und Oxford verbracht hat. Feinstein führt die gewaltige Menge an vorliegendem Material zu einer Synthese zusammen, die sowohl in der großen Linie als auch in den vielen Details überzeugt. Der zeitliche Rahmen umfasst die Formen der Subsistenzwirtschaft bei den indigenen Bewohnern des Landes vor der frühen Kolonialisierung durch niederländische Siedler ab 1652 bis zur Gegenwart mit einem Schwerpunkt auf der Zeit der Apartheid seit 1948, für die etwa die Hälfte des Buches aufgewendet wird.
Feinstein geht von einer Kontroverse aus, die in den 1970er- und 1980er-Jahren akut war, aber die Forschung auch schon zuvor beschäftigt hatte, ob nämlich die wirtschaftliche Ausbeutung der Schwarzen für die Aufrechterhaltung des Apartheidstaates notwendig gewesen sei oder nicht. Dieser Ansatz überwindet nicht automatisch ökonomisch-deterministische Perspektiven, aber er hat das Potenzial dazu, und Feinstein nutzt es extensiv, indem er politische, kulturelle und wirtschaftliche Aspekte zueinander in Beziehung setzt. Natürlich hebt er als Wirtschaftshistoriker die ökonomischen Entwicklungszüge hervor, die Südafrika aus einem wenig produktiven Zustand herausgerissen und seine Vorreiterrolle auf dem ganzen Kontinent begründet haben: die Ausbeutung der Diamantvorkommen seit den 1870er- und insbesondere der großen Goldfelder seit den 1890er-Jahren.
Dass dennoch die wirtschaftlichen Prozesse kulturell bestimmt waren, wird anhand der „Rassen“-Frage immer wieder klar herausgearbeitet. So wird deutlich, dass die unter dem Stichwort der „Apartheid“ seit 1948 vorgenommene institutionalisierte „Rassen“-Trennung auf tiefe Wurzeln nicht nur im Bewusstsein der Südafrikaner, sondern auch in der Gesetzgebung und im Verhältnis von Kapital und Arbeit zurückging. Doch als die National Party die Aufteilung der Gesellschaft in allen Sphären durchführte, geriet dieses System an seine Grenzen. Während der Aufschwung des Landes vor allem durch die Goldförderung nur durch die rassistische Ausbeutung der schwarzen Arbeiterschaft möglich war, erforderte der industrielle Aufschwung der goldenen Jahre nach 1945 qualifizierte Massenarbeit und Mobilität, die die Apartheid durch Definition von Siedlungsgebieten und Umsiedlung ebenso verhinderte wie durch den systematischen Ausschluss Schwarzer von weiterführender Bildung. Hinzu kam, dass „cheap labour“ zwar billige Produktion bedeutete, aber auch den Binnenmarkt erheblich begrenzte, weil die Kaufkraft der Mehrheitsbevölkerung über ein extrem niedriges Niveau nicht hinauskam. Zu diesen strukturellen Defiziten, die das wirtschaftliche Potenzial des Landes einschnürten und neben dem Rückgang der Goldförderung den Niedergang der 1970er-Jahre begründeten, kamen im Laufe insbesondere der 1980er-Jahre politische Legitimationsprobleme, die unter anderem zum Rückzug ausländischer Investoren führten. Eine wirtschaftliche Erholung, wie sie nach der Krise der 1970er-Jahre in anderen Ländern zu beobachten war, trat in Südafrika daher nicht ein. Apartheid, so Feinsteins Schlussfolgerung, war keineswegs notwendig für den wirtschaftlichen Fortschritt Südafrikas. Im Gegenteil, der programmatische Verzicht auf die Mobilisierung der Bildungsreserven des Landes, die Verdammung der Bevölkerungsmehrheit zum Immobilismus, ihre Ausgrenzung aus den urbanen Räumen und ihre gewollte Pauperisierung aus politisch-ideologischen Gründen begrenzten die ökonomischen Möglichkeiten des Landes, so dass eine Krise des politischen Systems unausweichlich wurde.
Aus einer langen historischen Perspektive setzt sich auch der Belfaster Politikwissenschaftler Adrian Guelke mit der Entstehung und dem Niedergang der Apartheid auseinander.17 Während die kurz nach dem Regierungswechsel von 1948 verabschiedeten Apartheidgesetze noch in den 1950er-Jahren wohl Kritik hervorriefen, aber keineswegs zur Isolierung des Landes führten, löste das Massaker von Sharpeville, ein trauriger Höhepunkt in der radikalsten Phase der Apartheid unter der Präsidentschaft Hendrik Verwoerds (1958-1966), eine Wende in der Haltung der internationalen Gemeinschaft aus. Im Konflikt mit anderen Deutungen misst Guelke der internationalen Reaktion – darunter insbesondere der weltweiten Anti-Apartheid-Bewegung – entscheidende Bedeutung für den Niedergang der Apartheid bei. Er befasst sich mit dem internationalen Umfeld nicht zuletzt deshalb, weil die Vorstellung einer weißen Überlegenheit nicht auf Südafrika beschränkt, sondern in der westlichen Welt, die dies heute kaum mehr wahrhaben will, weit verbreitet war. Indem Guelke mit dem größten Teil der Forschung darauf besteht, dass Apartheid nicht auf der Rassenideologie der Nationalsozialisten basierte (und sich von der Praxis des Vernichtungsantisemitismus markant unterschied), sondern auf westlichem Mainstreamrassismus, rückt die Frage des Verhältnisses westlicher Länder zur Apartheid in den Mittelpunkt. Insofern stellte Südafrika, das die rassistische Segregation zu einem Zeitpunkt systematisierte, als diese Idee durch den Nationalsozialismus und seine Niederschlagung durch eine weltweite Anti-Hitler-Koalition erheblich an Legitimität verloren hatte, auch eine Nagelprobe für den Westen dar: Inwieweit waren westliche Länder bereit, aus geopolitischen Erwägungen heraus – Südafrika galt als Bollwerk gegen den Bolschewismus in Afrika – in der Frage der Rassengleichheit Kompromisse einzugehen?
Für die Forschung ist Guelkes Buch vor allem deshalb hervorragend zu gebrauchen, weil es sich mit profilierten Thesen aus der bisherigen Literatur auseinandersetzt, sie diskutiert und zu abgewogenen Ergebnissen kommt. So etwa die zeitgenössisch verbreitete These, es habe im westlichen Interesse gelegen, den Wandel Südafrikas zur Demokratie voranzutreiben, wobei Guelke klarstellt, dass die Entwicklung derart linear keineswegs verlief. So verbesserte sich die Position der südafrikanischen Regierung seit Ende der 1970er-Jahre mit dem Machtantritt konservativer Regierungen in Großbritannien und den USA. Gerade weil Präsident Pieter Willem Botha massiv gegen marxistische Regimes in den Nachbarstaaten vorging, erhielt er ihre Unterstützung. Gleichzeitig riefen die brutale Niederschlagung von Unruhen in den Townships und die 1985 erlassenen Notstandsgesetze Proteste in bis dahin nicht gekanntem Ausmaß insbesondere in Europa und den USA hervor, so dass Botha am Ende Verwoerds Idee eines „Grand Design“ zurückzog. Gerade weil Guelke seine Diskussion zentraler Probleme an zeitgenössischer und Forschungsliteratur festmacht, kommt er nicht nur den Wandlungen der Apartheidpolitik auf die Spur, sondern auch den Wahrnehmungen und Interpretationen der nationalen und internationalen Öffentlichkeiten. Hier wird keine historiografische Grundlagenarbeit geboten, wohl aber eine blendend informierte, problemorientierte Diskussion zentraler Thesen der Forschung.
Alles in allem wird der internationalen Debatte über die Legitimität der Apartheid in den Überblicksdarstellungen unterschiedliches Gewicht beigemessen. In der Regel steht die innere Entwicklung Südafrikas im Mittelpunkt des Interesses, während der internationalen Reaktion tendenziell eine geringe Bedeutung für den Fall des Apartheidregimes attestiert wird. Aber auch hier deutet sich schon an, dass internationale Dependenzen zu Zeiten einer zunehmenden Globalisierung von Wirtschaft und Politik gerade im Falle Südafrikas erhebliche Bedeutung erlangten. Auch das Regime selbst war auf seine Reputation bedacht – nicht allein aus wirtschaftlichem Interesse. Eine Geschichte der Apartheid, die sich auf den internationalen Aspekt konzentriert, ist nach wie vor Desiderat.
2. Transnationale Verbindungen und die Globalisierung der Politik
Häufig wurde und wird der Konflikt in Südafrika vornehmlich als Subtext des Kalten Krieges betrachtet. Weil eine bewaffnete Auseinandersetzung an seinen tatsächlichen Brennpunkten in ihren Kernländern und in Europa nicht zu gewinnen war, führten die Supermächte im südlichen Afrika einen Stellvertreterkrieg, der durch das gewachsene Gewicht Afrikas im Zuge der Entkolonialisierung noch an Bedeutung gewann. Auf der Seite der USA standen neben den (früheren) Kolonialmächten die noch verbliebenen weißen Regimes – bis zur portugiesischen Nelkenrevolution neben Südafrika auch die umliegenden Pufferstaaten –, auf der Seite der Sowjetunion (China zog sich nach dem Misserfolg seiner Adepten zurück) die wichtigsten Befreiungsbewegungen Namibias, Angolas, Simbabwes und Mosambiks. Diese Konstellation leuchtet der von Sue Onslow herausgegebene Sammelband zum Kalten Krieg im südlichen Afrika im Detail aus.18
Tatsächlich spielten Feindprojektionen in den nationalen Auseinandersetzungen eine wichtige Rolle, wie man dem Aufsatz von Donal Lowry entnehmen kann, der am Beispiel Rhodesiens zeigt, welch bedeutende Rolle der Antikommunismus als Mobilisierungsideologie nicht nur in der heißen Phase der Entkolonialisierung spielte, um insbesondere weiße Liberale gegen die Befreiungsbewegungen einzunehmen. Demnach ging es nicht um Rassengleichheit, sondern um die Abwehr des Kommunismus in Afrika – was zudem den Schulterschluss mit dem westlichen Lager demonstrieren sollte. Auch war, wie der Beitrag von Vladimir Shubin zeigt, die Unterstützung der UdSSR für die Befreiungsbewegungen beträchtlich. Die Sowjetunion finanzierte einen erheblichen Teil der ANC-Arbeit, ANC-Mitglieder wurden an sowjetischen Hochschulen ausgebildet, seit der Gründung von Umkhonto we Sizwe (MK), dem bewaffneten Arm des ANC, Anfang der 1960er-Jahre, erhielten MK-Kader in der Sowjetunion und anderen Ostblock-Staaten eine militärische Ausbildung.
Doch lässt sich die Rolle der Befreiungsbewegungen nicht auf die eines verlängerten Arms der Supermächte reduzieren. Das gilt selbst für die Eigeninteressen des ANC – wo der Marxismus-Leninismus durch das institutionalisierte Bündnis mit der südafrikanischen KP als ideologische Basis tatsächlich eine wichtige Rolle spielte – und mehr noch für die Entkolonialisierungsbewegungen in den anderen Ländern. Selbst die Vorstellung, Kubas Soldaten hätten in Angola auf Begehren der Sowjetunion eingegriffen, hält einer genaueren Überprüfung nicht stand, wie der Aufsatz von Piero Gleijeses zeigt. Fidel Castro setzte seine Truppen, die letztlich die auf Druck der USA nach Angola eindringende südafrikanische Armee abwehrten und damit auch die Zerschlagung der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO verhinderten, in Marsch, ohne Moskau auch nur zu informieren. Immerhin war der Kreml nicht daran interessiert, die mühsam erreichte Entspannungspolitik wieder zu gefährden. So gab es bei den Akteuren im südlichen Afrika widersprüchliche Interessen, die in einer bipolaren Konstellation nicht aufgehen. Der wichtigste Faktor, der letztlich auch die Auseinandersetzung entscheiden sollte, war, dass hier der antikoloniale Befreiungskampf mit einer Demokratisierung entlang der Hautfarbe verbunden war. An der Politik des US-Präsidenten Jimmy Carter im Konflikt mit den Republikanern zeigt Nancy Mitchell in ihrem brillant recherchierten, wenn auch im Hinblick auf den Protagonisten vielleicht etwas blauäugigen Text, wie sich der Westen auch aufgrund eigener innerer Konflikte dem Postulat der Rassengleichheit letztlich nicht entziehen konnte.
In einem großen Überblick fasst Sue Onslow noch einmal alle diese parallelen und zum Teil gegensätzlichen Motivlagen zusammen und entwirft ein komplexes Bild, das die schlichten Freund-Feind-Vorstellungen aus der heißen Zeit des Kalten Krieges in das Reich des politischen Tageskampfes verweist. Deutlich wird in diesem wichtigen, zumeist auf umfangreicheren, quellengesättigten Studien beruhenden Sammelband: Der Kalte Krieg war nicht der einzige, nicht einmal der wichtigste Faktor in der Entkolonialisierungswelle im Süden Afrikas, die letztlich auch das Apartheidregime als letzte Bastion des Kolonialsystems fortspülte. Entscheidender war, dass die Zeit, in der „Rasse“ als institutionalisierte Trennungskategorie akzeptiert wurde, vorbei war, wie schon die Bürgerrechtsbewegung in den USA dokumentiert hatte. Die blockübergreifende Solidaritätsbewegung zugunsten der Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika ließ dies überdeutlich werden. Insofern war, wie Onslow betont, das Schicksal der Apartheid „associated with, but not defined by, the Cold War confrontation and its demise“ (S. 29).
Einen dezidiert transnationalen Ansatz mit einer gesellschaftsgeschichtlichen Perspektive verbindet Håkan Thörns Buch über die Rolle der internationalen Anti-Apartheid-Bewegungen im Entstehungsprozess einer globalen Zivilgesellschaft.19 Der Soziologe Thörn plädiert dafür, die Faktoren des Wandels in Südafrika nicht nach internen und externen Faktoren getrennt zu untersuchen, sondern deren Interdependenz in den Mittelpunkt zu stellen. Als verbindende Elemente rückt er Medien und neue soziale Bewegungen in den Fokus seiner Analyse. Er sieht sie als Teil einer „Globalization of Politics“, die im politischen Kontext der Dekolonialisierung und einer postkolonialen Migrationsbewegung stattfand und die durch die Aufwertung globaler Organisationen und Institutionen wie den Vereinten Nationen (UN) oder von Amnesty International bedeutende Referenzpunkte aufwies.
Für Thörn war die seit Ende der 1950er-Jahre über vier Dekaden in mehr als 100 Ländern agierende Anti-Apartheid-Bewegung „one of the most influential social movements during the post-war era“ (S. 5), die zwar nie zur Massenbewegung wurde, aber ihre Durchschlagkraft der im Menschenrechtsdiskurs zunehmend anerkannten globalen Norm der Rassengleichheit verdankte. Der Verfasser untersucht sie als Manifestation eben des Zusammenhangs von transnationalen Bewegungen und globaler Zivilgesellschaft. Am Beispiel der Interaktion von Vereinten Nationen (insbesondere ihres Special Committee Against Apartheid) und Anti-Apartheid-Bewegung lässt sich die wechselseitige Etablierung und Durchsetzung der Norm exemplifizieren. Mit diesem Ansatz und der vergleichenden Untersuchung zweier Beispiele – der auch über nationale Grenzen hinweg besonders einflussreichen britischen und der schwedischen Anti-Apartheid-Bewegungen – geht Thörn über die bislang vorliegenden Studien konzeptionell hinaus, die sich auf nationale Bewegungen beschränkt haben. Insofern wird hier wirklich Neuland betreten, nicht so sehr im empirischen Gehalt, der von den auf umfangreichen Archivrecherchen basierenden nationalen Studien speziell zu diesen beiden Ländern übertroffen wird, wohl aber in der konsequenten Einbettung in einen transnationalen Bezugsrahmen, der sowohl die Beziehungen zwischen Europa und Südafrika in den Blick nimmt als auch die Gemeinsamkeiten, Differenzen und Interdependenzen zwischen nationalen europäischen Bewegungen. Das Buch zielt darauf ab, „to find out how transnational communication in the context of the anti-apartheid movement was carried out, what made it possible, and how transnational strategies, experiences and identities were articulated in the discourses of the movement“ (S. 19) Als Soziologe widmet Thörn der Konzeptualisierung dieser spezifischen sozialen Bewegung einige Aufmerksamkeit und kritisiert insbesondere den impliziten Eurozentrismus der bisherigen Theoriebildung, die die neuen sozialen Bewegungen als Erscheinung „post-industrieller“ Gesellschaftsverhältnisse gedeutet und damit auf die nördliche Hemisphäre begrenzt hat. Bei der Analyse der Anti-Apartheid-Bewegung als einer neuen sozialen Bewegung, die auf der Nord-Süd-Achse und im Kontext der Dekolonialisierung agierte, fordert er daher konsequenterweise die Einbeziehung post-kolonialer Theorie.
Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden die globalen Bezüge der Anti-Apartheid-Bewegung herausgearbeitet, etwa anhand der an jeweils einer Biografie exemplifizierten „Key Activists“ auf der mittleren Hierarchieebene, zu deren Idealtypen etwa der „Activist Priest“ und der bzw. die „Movement Organizer“ gehören. Zudem beschreibt Thörn die Charakteristika der Anti-Apartheid-Bewegung als Triebkraft einer „Globalisierung von unten“ (die allerdings z.T. mit Regierungen und supranationalen Organisationen der „Globalisierung von oben“ – wie etwa den UN – korrespondierte), als Beispiel für das Aufkommen von Bewegungen, deren Themen und Netzwerke eine globale Dimension annehmen. In Anlehnung an Benedict Anderson wird die Anti-Apartheid-Bewegung treffend als „imagined community of solidarity activists“ definiert, deren Spezifik sich gerade aus ihrem multilokalen und transnationalen Charakter ergab.
Im zweiten Teil wird auf der Basis der Presseberichterstattung zu vier kritischen Ereignissen zwischen 1960 und 1990 eine Analyse der Medienreaktionen in Großbritannien und Schweden auf das Problem der Apartheid und die Aktivitäten der Anti-Apartheid-Bewegung vorgenommen. Dabei treten wesentliche Unterschiede zwischen beiden Ländern hervor, die nach ihren Positionen in der Weltpolitik ebenso differieren wie nach den jeweiligen politischen Kulturen und Bewegungsspezifika. Während die britische Anti-Apartheid-Bewegung gegen einen das Apartheidregime tolerierenden oder stützenden Staat kämpfte, sah sich die schwedische Bewegung mit Regierungen konfrontiert, die die Unterstützung antikolonialer Befreiungsbewegungen – insbesondere im südlichen Afrika – zu einem ihrer zentralen außenpolitischen Anliegen gemacht hatten. Wegen ihrer Doppelstrategie, teils innerhalb, teils außerhalb des Establishments zu agieren, ihrer schon früh ausgeprägten Bereitschaft, Methoden des zivilen Ungehorsams zu praktizieren, und ihrer engeren Verbindung zu den Befreiungsbewegungen des südlichen Afrika sieht Thörn die Kultur der neuen sozialen Bewegungen stärker in der britischen Anti-Apartheid-Bewegung repräsentiert als in ihrem schwedischen Pendant.
Alles in allem wird dem Leser und der Leserin eine überaus anregende Studie zum Gesamtphänomen der Anti-Apartheid-Bewegung in transnationaler Perspektive geboten, deren Stärke in der Ausarbeitung eines fruchtbaren konzeptionellen Zugangs liegt, der durch exemplarische Tiefenlotungen empirisch untersetzt wird. Damit bietet sie zahlreiche, auch thematische Ansatzpunkte für die am Nord-Süd-Verhältnis und dem Wandel westlicher Gesellschaften interessierten historiografische Forschung – so etwa die Rolle des Sports oder die Etablierung der Anti-Apartheid-Bewegung als „Bühne“ (S. 117), ihre Ästhetisierung und Visualisierung in den 1970er- und 1980er-Jahren, die in großen Medienereignissen wie den beiden „Concerts for Nelson Mandela“ 1988 und 1990 gipfelte.
Einen neben dem Kalten Krieg und den westlichen Anti-Apartheid-Bewegungen dritten Faktor in der globalen Auseinandersetzung über die Apartheid hat jüngst Ryan M. Irwin untersucht, der über den Doppelfokus einer US-amerikanischen und afrikanischen internationalen Geschichte die Rolle der jungen afrikanischen Nationalstaaten hervorhebt. Nur oberflächlich betrachtet, rückt hier Europa aus dem Bild, denn tatsächlich umreißt Irwin nicht nur einen entscheidenden globalen Kontext für die Apartheid-Debatte auch in Europa, er balanciert darüber hinaus alle internationalen Akteure, darunter auch die postkolonialen Staaten und Bewegungen in anderen Teilen der Welt und in Europa, speziell in Großbritannien.20
In den Mittelpunkt seiner Untersuchung rückt Irwin die 1960er-Jahre als Hochzeit des Postkolonialismus und der Etablierung afrikanischer Nationalstaaten. Erschienen die USA noch am Anfang der Dekade als Vertreter des Universalismus und Verbündeter postkolonialer Bewegungen, so habe sich die amerikanische Haltung mit der internationalen Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg gewandelt: Zwischen 1960 und 1965 zwangen die wachsende Zahl der afrikanischen Staaten in der UN, die amerikanische Bürgerrechtsbewegung und der zunehmende Einfluss von Sanktionsbefürwortern in der US-Administration die USA in eine Gegenposition zu Südafrika – in weniger ausgeprägtem Maße galt dies auch für Großbritannien. Am Ende der 1960er-Jahre jedoch gerieten die USA wegen des Vietnamkrieges immer mehr in Misskredit, während gleichzeitig einige wichtige Führer afrikanischer Staaten aus der Macht geputscht wurden. Dies schwächte die Position der Sanktionsbefürworter und führte zu einem Wandel der Außenpolitik von USA und Großbritannien, die von nun an die Legitimität des Apartheidregimes propagierten und die Eindämmung von Bewegungen der „Dritten Welt“ betrieben. Gleichzeitig bauten die Befreiungsbewegungen des Südens nichtstaatliche Unterstützernetzwerke im Norden auf und etablierten über Themen wie Menschenrechte, Hilfe für die „Dritte Welt“ und marxistischen Internationalismus globale Diskurse, die nicht zuletzt über das Apartheid-Problem die USA und Westeuropa unter Druck setzten. Südafrika hatte sich durch seine Apartheid-Gesetze in einen programmatischen Gegensatz zu den Dutzenden selbständiger Nationalstaaten gebracht, die seit 1945 aus der Dekolonialisierung hervorgingen und das gleiche Recht für alle, insbesondere in Fragen der „Rasse“, mit Macht zur Geltung brachten – nicht zuletzt in den UN als zentraler Arena auf internationaler Ebene.
Irwin argumentiert in zwei Richtungen. Erstens sieht er in der Unabhängigkeit Afrikas eine entscheidende Zäsur in der Geschichte des 20. Jahrhunderts, die nicht erst mit der Entkolonialisierung begann, sondern bereits mit dem europäischen Konzept der „Entwicklungspolitik“, das die Präsenz der Europäer in Afrika zu legitimieren half und nach 1945 „globalisiert“ (S. 9) wurde, sich von der Bindung an Kolonialmächte löste und den jungen Nationalstaaten eine wichtige Position in der internationalen Gemeinschaft sicherte. Die Anti-Apartheid-Debatte vereinte afrikanische mit asiatischen und lateinamerikanischen Befreiungsbewegungen, weil sie sich gegen Diskriminierung nach dem Kriterium der „Rasse“ wandte und einen neuen Diskurs über „Autonomie“ etablierte.
Zweitens sieht er die hegemoniale Rolle der USA attackiert durch die plötzliche Entstehung von nahezu 40 neuen, nicht-europäischen Nationalstaaten, die die Frage der „Rasse“ zu einem Zeitpunkt in den Mittelpunkt der Weltpolitik rückten, als die Legitimität der US-Rassenpolitik im Innern massiv in Frage gestellt wurde. Am Ende wurden die USA, einst als Unterstützerin der Dekolonialisierung gefeiert, als „New Empire“ verdammt. Die internationale Debatte um die Apartheid steht im Zentrum dieses Wandlungsprozesses, weil sich daran die Glaubwürdigkeit der USA in Sachen Freiheit und Gleichheit manifestierte. Gestützt auf umfangreiches Aktenstudium in US-amerikanischen, britischen und südafrikanischen Archiven, rekonstruiert Irwin kenntnisreich die Etappen dieses Wandlungsprozesses in den 1960er-Jahren in einem chronologischen Durchgang, der zugleich die jeweils wichtigsten Themen und Akteure herausarbeitet. Sein entscheidendes Verdienst besteht darin, das noch vielfach repetierte Erklärungsmuster des Kalten Krieges überwunden und die Rolle der afrikanischen Nationalstaaten herausgearbeitet zu haben, die den Zusammenhang von staatlicher Autonomie, Nation und Rasse auf eine neue Stufe gehoben haben und damit als wichtige Akteure der Weltpolitik hervorgetreten sind. Geriet der ANC im Aufstieg des Panafrikanismus der 1960er-Jahre mit seiner politischen Perspektive noch in die Isolation, so verhalf sie ihm in den 1970er-Jahren zur Vorherrschaft: Nicht die Ablösung einer weißen durch eine schwarze Herrschaft, sondern Multikulturalismus durch gleiches Recht für alle Staatsbürger einer „Rainbow Nation“.
Das Schlusskapitel des Buches, das als Ausblick auf die weiteren Entwicklungen gehalten ist, verweist auf die wichtige Rolle der Anti-Apartheid-Bewegungen insbesondere seit den frühen 1970er-Jahren. Mit ihnen kommt als weiterer Akteur eine Graswurzelbewegung nicht zuletzt in den USA und Europa ins Spiel, die beim Sturz des Apartheidregimes eine wichtige Rolle spielte, aber in Irwins Buch aufgrund der zeitlichen Begrenzung nicht genauer ausgeleuchtet wird. Daher erwähnt der Verfasser beiläufig als Tatsache, was erst einer genaueren Untersuchung bedürfte, dass nämlich der Anstieg der Anti-Apartheid-Bewegung in Großbritannien weniger Ergebnis gesteigerten Engagements gewesen sei als „a reflection of the distinct transformations that accelerated through Britain after the 1960s“ (S. 185). Das ist wohl richtig beobachtet, aber inwieweit Anti-Apartheid-Protest und gesellschaftliche Entwicklung tatsächlich zusammenhingen und sich gegenseitig bedingten, gehört nach wie vor zu den Desideraten der Forschung.
Insgesamt wird deutlich, dass der Konflikt der Supermächte derzeit markant geringer gewichtet wird als noch zu Zeiten des Kalten Krieges selbst. Dies hat einerseits mit der Verschiebung des Forschungsinteresses von der „Ersten“ zur „Dritten Welt“ zu tun, insbesondere mit der eigenständigen Rolle, die heute den postkolonialen Staaten und Bewegungen zugemessen wird; andererseits aber auch mit einer theoretischen Wende, die scheinbar subalternen Akteuren einen „Eigensinn“ zurechnet, der ihre Reduktion zu Marionetten der weltpolitischen Vormächte verabschiedet – als Ideologie einer mittlerweile überwundenen Machtkonfiguration. Aus dieser Perspektive treten auch die Akteure innerhalb westlicher Gesellschaften stärker hervor, wie nationale Anti-Apartheid-Bewegungen, die eine Globalisierung der Politik von unten vorantrieben.
3. Anti-Apartheid-Bewegungen und nichtstaatliche Akteure
Eine wichtige Kraft im Kampf gegen die Apartheid und zugleich eine zentrale Bezugsgröße für die europäische Debatte war die US-amerikanische Anti-Apartheid-Bewegung.21 Wie der Haupttitel des Buches von David L. Hostetter, „Movement Matters“ schon zeigt, misst der Autor der in verschiedene Organisationen zergliederten Anti-Apartheid-Bewegung einen bedeutenden Anteil am Wandel in Südafrika, gleichzeitig aber auch für den Wandel im Selbstverständnis der Vereinigten Staaten zu.22 Dass der US-Kongress 1986 mit dem „Comprehensive Anti-Apartheid Act“ gegen das Veto von Präsident Ronald Reagan einen Handels- und Investitionsboykott Südafrikas durchsetzte, war Ergebnis der Lobbyarbeit dieser Organisationen und zugleich ein Hinweis für das Botha-Regime, wie ernst die Lage selbst bei seinem wichtigsten Verbündeten inzwischen geworden war. Hostetter untersucht die drei bedeutendsten Anti-Apartheid-Organisationen der USA, erstens das American Committee on Africa als Verband mit der längsten Kontinuität, der aus einer antikommunistischen Prägung in den 1950er-Jahren heraus seit dem darauffolgenden Jahrzehnt eine politisch offenere Haltung an den Tag legte, zweitens das aus der Quäker-Tradition kommende und einem „Befreiungspazifismus“ verpflichtete American Friends Service Committee sowie drittens die 1976 aus dem Congressional Black Caucus – der Gruppe der afroamerikanischen Kongressabgeordneten – heraus gebildeten Organisation TransAfrica, die ihre Wurzeln im Panafrikanismus und Antikolonialismus des von W.E.B. Du Bois und Paul Robeson gegründeten Council on African Affairs hatte und durch einen, wie Hostetter mit Gayatri Chakravorty Spivak formuliert, „strategischen Essentialismus“ die spezifischen Verbindungen zwischen der Unterdrückung Schwarzer in Südafrika und der historischen Diskriminierung Schwarzer in den USA hervorhob.23
Insgesamt sieht der Verfasser die US-Bewegung geprägt von einer Spannung zwischen dem Universalismus eines integrationistischen Traums auf der einen und der transnationalen Solidarität des Panafrikanismus auf der anderen Seite. Tatsächlich, und das unterscheidet die USA fundamental von Europa, rührten die Erfolge der dortigen Anti-Apartheid-Bewegung ganz entscheidend aus der Tatsache, dass nicht nur die große Gruppe afroamerikanischer Wähler in den Praktiken der Apartheid Parallelen zur eben überwundenen Situation in den US-Südstaaten sah. Insofern gewann die US-Anti-Apartheid-Bewegung ihre Schubkraft aus der Bürgerrechtsbewegung der 1950er- und 1960er-Jahre, deren Forderung nach Rassengleichheit, untermauert durch UN-Beschlüsse, auch als Maßstab der Außenpolitik gelten sollte. Wie selbst die politische Rechte sich diesem Zusammenhang nicht entziehen konnte, zeigt exemplarisch ein demagogisches Manöver der Reagan-Administration. Sie lud 1988, nachdem der US-Präsident ein Treffen mit dem angolanischen Staatschef José Eduardo dos Santos abgelehnt hatte, den Führer der von den USA und Südafrika gepäppelten angolanischen Befreiungsbewegung UNITA, Jonas Savimbi, ein, dem in Jackson, Mississippi, der Medgar Evers Humanitarian Award überreicht wurde, benannt nach dem 1963 von einem weißen Rassisten erschossenen schwarzen Bürgerrechtsaktivisten. Anschließend reichten sich Savimbi und Evers’ Bruder, der ihm als Bürgermeister der Stadt den Preis überreicht hatte, die Hände und sangen gemeinsam „We Shall Overcome“ (S. 87). Doch derartige Tricks verfingen nur begrenzt, wie Proteste der Anti-Apartheid-Bewegung deutlich machten.
Auf ein wichtiges Kapitel in Hostetters verdienstvollem Buch sei noch hingewiesen, das die Rolle der Populärkultur beim Stimmungsumschwung in der amerikanischen Öffentlichkeit analysiert. Der Verfasser zeigt die lange Linie populärer Bühnenstücke und Filme bis hin zur Auseinandersetzung um Paul Simons Album „Graceland“ und den „Concerts for Nelson Mandela“, die die Verhältnisse im Südafrika der Apartheid kritisch thematisiert und die „multicultural politics“ der USA mit geprägt haben. Dies alles ist bei Hostetter nur aufgerissen und erst im Ansatz analytisch erschlossen. Hier liegt erhebliches Forschungspotenzial auch für die europäische Perspektive, insbesondere, wenn man das Thema einbettet in den Aufstieg des politischen Konsums als Alltagshandeln seit den 1970er-Jahren.24 Überhaupt stellt sich hier die Frage, welche Bedeutung Europäer dem Apartheidkonflikt zuschrieben, ohne den Hintergrund eines vergleichbaren Rassenkonflikts und einer Bürgerrechtsbewegung, wie sie in den USA so prägend waren. Was waren ihre historischen Bezugspunkte, Legitimierungsstrategien, Trägergruppen?
Dass es verfehlt wäre, allein die Anti-Apartheid-Bewegungen als transnationale Akteure zu betrachten, darauf verweist nachdrücklich ein Buch, das die internationalen Aktivitäten der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beleuchtet.25 Band 4 der Reihe „Geschichte der internationalen Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung“ ist den „wichtigen Schwellenländern“ Chile, Indien und Südafrika gewidmet, deren umfangreichster Beitrag dem hier im Mittelpunkt stehenden „Ankerland“ gewidmet ist – darunter versteht das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) jene Länder, denen eine besonders wichtige Position oder politisch-wirtschaftliche Ausstrahlung in ihrer jeweiligen Region zugemessen wird. Hier wird keine geschichtswissenschaftliche Analyse vorgelegt, sondern Volker Vinnai, langjähriger Mitarbeiter der Stiftung und nach 1993 für einige Jahre Leiter ihres Afrika-Referats, rekonstruiert auf der Basis von internen Quellen, Zeitzeugenbefragungen und der Fachliteratur die Aktivitäten der Stiftung in Bezug auf Südafrika. Gerade weil dieses Engagement nicht immer an die große Glocke gehängt wurde, erfährt man hier viel Neues über Perzeptionen und Interventionen wichtiger zivilgesellschaftlicher Akteure. Dabei bestätigt sich einerseits der Eindruck, dass die jeweiligen Regierungsparteien und die ihr nahestehenden Stiftungen sich bis in die 1970er-Jahre auf Unmutsäußerungen gegenüber der Apartheid beschränkten, aber von direkten Eingriffen Abstand nahmen – weil man gemäß der Schwarzweiß-Optik des Kalten Krieges in der dortigen Regierung eine Bastion gegen den Kommunismus sah und in ihren Widersachern „Terroristen“.
Das von Vinnai als „Erfolgsgeschichte“ resümierte Engagement der Friedrich-Ebert-Stiftung für den Wandel in Südafrika begann um 1980 und ruhte auf drei Säulen: der Zusammenarbeit mit dem ANC im Exil, der Kooperation mit Institutionen im Lande selbst sowie der Information und Diskussion in der Bundesrepublik. Während anfänglich noch Vorbehalte gegenüber dem ANC vorherrschten – insbesondere aufgrund seiner Allianz mit der SACP und der Nähe zu den Ostblockstaaten –, und andersherum der ANC die deutsche SPD für „revisionistisch“ hielt, strebten Anfang der 1980er-Jahre beide Seiten eine Zusammenarbeit an: seitens der FES, weil ein Wandel in Südafrika unausweichlich erschien, der ANC als ausschlaggebende Kraft erkannt wurde und das schwedische Beispiel vorexerzierte, dass Umarmung eine realistischere Strategie war als Bekämpfung; vom ANC, weil die internationale Unterstützung verstärkt werden sollte und die FES sich bei der Förderung der Befreiungsbewegungen in Zimbabwe und Namibia als verlässlich erwiesen hatte. Die neue Strategie der Stiftung erwies sich auf lange Sicht als erfolgreich, denn 1999 sorgte Thabo Mbeki dafür, dass der ANC der Sozialistischen Internationale beitrat, wobei deren Arme sich schon so weit streckten, dass dort viele Positionen unterkamen, die in den 1970er-Jahren noch als unvereinbar angesehen worden wären. Seit 1983 ermöglichte die FES den Unterhalt eines ANC-Büros in Bonn, woran auch symbolisch kein Zweifel gelassen wurde: Dessen Leiter, SACP-Mitglied Tony Seedat, musste sich sein Geld jeden Monat bei der Stiftung abholen. Auch sonst war die Verbindung nicht frei von Spannungen, die in derart paternalistischen Gesten zum Ausdruck kommen konnten, aber nach wie vor primär in den disparaten politischen Positionen lagen. Gleichzeitig waren einige SPD-Politiker, allen voran Willy Brandt und Günter Verheugen, mehrfach nach Südafrika gereist und hatten sich für die Abschaffung der Apartheid stark gemacht; 1986 forderte die SPD die politische und materielle Unterstützung des ANC und Wirtschaftssanktionen gegenüber dem Apartheid-Regime, so dass die Stiftung als SPD-nahe Institution an Vertrauen gewann.
Seit 1988 in Südafrika mit einem ständigen Vertreter präsent, begleitete die FES den Wandel der nachfolgenden Jahre durch Zusammenarbeit mit dem ANC und den Gewerkschaften im Lande selbst. Gleichzeitig wird immer wieder deutlich, wie stark seitens der Stiftung dieses Engagement auch als Entwicklungsaufgabe betrachtet wurde, insbesondere sollte dem ANC dazu verholfen werden, seine revolutionären Eierschalen abzulegen – wie etwa planwirtschaftliche Ideen oder zentralistische Staatsvorstellungen, was dann famoserweise auch gelang: „Als Ergebnis der Gespräche in Deutschland revidierte der ANC seine ablehnende Haltung gegenüber einer möglichen föderalen Staatsstruktur in Südafrika.“ (S. 199) So segensreich die Unterstützung aus dem Norden in vielen Fällen gewesen sein mag, eine paternalistische Haltung ist auch hier nicht zu übersehen. Dies alles scheint in diesem informativen Text nur indirekt durch und wäre gerade für die Übergangsphase zu einer neuen Ordnung zwischen 1990 und 1994 einer genaueren Untersuchung wert, zumal neben der FES auch die CDU-, FDP- und CSU-nahen Stiftungen – wenn auch zum Teil mit weniger zukunftsträchtigen Bündnispartnern – in Südafrika aktiv waren und das deutsche Modell priesen.
Während dieser Bericht über die FES im zivilgesellschaftlichen Rahmen eine Perspektive der großen Politik repräsentiert, entwickelt Niels Seiberts Buch einen Blick von unten und untersucht die antirassistischen Proteste in der Bundesrepublik der 1960er- bis frühen 1980er-Jahre.26 Zu Recht reklamiert der Verlag, hier werde eine „vergessene“ Geschichte rekonstruiert, denn in der Tat sind die globalen Dimensionen der neuen sozialen Bewegungen und insbesondere von „1968“ erst in jüngerer Zeit stärker ins Blickfeld der Forschung gerückt.27 Seibert konzentriert sich auf Ereignisse mit Afrika-Bezug – etwa die Proteste gegen den italienischen Film „Africa Addio“ oder die Kampagne gegen die deutsche Beteiligung am Bau des Cabora-Bassa-Staudamms in Mosambik –, die Solidarität mit Afroamerikanern in den USA und in der Bundesrepublik sowie auf Proteste gegen die restriktive Ausländerpolitik der Bundesrepublik, insbesondere gegen Abschiebungen politisch Aktiver und die Auslieferung von Asylbewerbern.
Erstaunlicherweise verzichtet Seibert auf eine Darstellung der Anti-Apartheid-Bewegung, obwohl immer wieder Hinweise auf die bedeutende Rolle des Apartheid-Konflikts auftauchen. Dass das Buch in diesem Literaturbericht dennoch besprochen wird, hat mit dem Kontext zu tun, den es umreißt. Denn ohne Zweifel bildete der Aufschwung in der Thematisierung globaler Ausbeutungsverhältnisse und Menschenrechtsverletzungen einen wesentlichen Hintergrund für die zunehmende Kritik an der Apartheid in Südafrika, die, auch wenn er sie ausklammert, ein Kernelement dessen war, was Seibert „Antirassismus“ nennt. In der Tat füllt sein Buch eine wichtige Lücke. Die Beschreibung des weiten Spektrums an Aktivitäten gegen die an ein Ende gekommene Kolonialherrschaft, der theoretischen Konzeptualisierung als „Antiimperialismus“, der praktischen Hilfe für Verfolgte – dies alles macht schlagartig sichtbar, wie relevant der Blick über den nationalen Tellerrand für einen gewichtigen Teil der Protestbewegungen der 1960er- bis 1980er-Jahre tatsächlich war.
Seiberts Stärken bestehen in der detaillierten Darstellung der Hintergründe der dargestellten Konflikte sowie der Protestformen und Aktionen, die mitunter weniger detailliert schon an anderer Stelle beschrieben, häufig aber noch gar nicht Gegenstand der Forschung gewesen sind. Dazu zählen etwa der Konflikt um den Bau des Cahora-Bassa-Staudamms, die Solidarität mit politisch Verfolgten aus Chile oder der Selbstmord des türkischen Asylbewerbers Cemal Kemal Altun vor der befürchteten Auslieferung an die Türkei von 1983. Das Buch hat aber auch Schwächen, die vor allem methodisch-konzeptioneller Art sind. Nachfolgende Forscher werden es schwer haben, mit Seiberts Erkenntnissen weiter zu arbeiten, denn der Anhang enthält zwar ein Quellen- und Literaturverzeichnis, doch einen Anmerkungsapparat mit konkreten Quellenhinweisen gibt es nicht. Hinzu kommt: Die Studie ist zu einem erheblichen Teil direkt aus den Quellen gearbeitet, aber das Gros der neueren Forschung, die sich mit wichtigen Aspekten dieses Themas beschäftigt hat – Texte von Moritz Ege, Maria Höhn oder Wilfried Mausbach etwa –, wurden nicht herangezogen. Dadurch fehlt dem Buch eine ausreichend reflektierte analytische Dimension. So umreißt Seibert einen wichtigen Horizont, aber die historiografische Forschung wird nur begrenzt auf sein Buch zurückgreifen können.
Das Desiderat im Hinblick auf den Apartheid-Konflikt wird allerdings durch andere Publikationen mehr als wettgemacht. Insbesondere liegen mittlerweile eine ganze Reihe instruktiver Studien zum nationalen Anti-Apartheid-Aktivismus vor. Von 1994 bis 2001 sind im Rahmen des Forschungsprojekts „National Liberation in Southern Africa: The Role of the Nordic Countries” am Nordic Africa Institute in Uppsala Länderstudien zu Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark angefertigt worden, die das Mit- und Gegeneinander zivilgesellschaftlicher und staatlicher Akteure untersuchen, so dass nun zu dem im (auch parlamentarisch unterstützten) Anti-Apartheid-Kampf besonders wichtigen skandinavischen Raum fundierte Erkenntnisse vorliegen.28 Besonders hervorzuheben ist dabei Tor Sellströms dreibändige Abhandlung über Schweden, wobei die in zwei Bände aufgeteilte ca. 1.500 Seiten dicht recherchierte Darstellung von einem weiteren Band mit Zeitzeugenberichten von Akteuren aus Schweden und verschiedenen afrikanischen Ländern auf vorbildliche Weise begleitet wird.29 Ähnlich gründlich hat Roger Fieldhouse jüngst die Geschichte der britischen Anti-Apartheid-Bewegung untersucht, die für den europäischen Aktivismus nicht nur deshalb besonders wichtig war, weil sie die bei weitem größte und einflussreichste (dabei, anders als in Skandinavien, ohne Regierungsunterstützung) darstellte, sondern auch, weil sie eng mit dem ANC verwoben war, dessen europäisches Headquarter in London residierte.30 Soeben ist auch eine Geschichte ihres niederländischen Pendants erschienen – auch im politischen Leben dieses Landes spielte die Auseinandersetzung mit der Apartheid eine bedeutende Rolle.31 Auf die bemerkenswerte erinnerungspolitische Bedeutung der Haltung zum Apartheid-Regime verweist die Tatsache, dass Parlament und Bundesrat der Schweiz im Jahr 2000 eine umfassende Untersuchung zur Zusammenarbeit des Landes mit Südafrika in Auftrag gegeben haben, die zwischen 2001 und 2003 in zehn Teilprojekten umgesetzt wurde, allerdings hauptsächlich politisch-ökonomische Beziehungen ausleuchtet, während die Breite der Gesellschaft weithin außen vor bleibt.32
Aufgrund der Ausnahmestellung, die die Publikationen des Nordiska Afrikainstituts (Uppsala) als umfassende Länderstudien einnehmen, soll hier der Charakter der Arbeiten exemplarisch anhand von Sellströms Darstellung zu Schweden skizziert werden, obwohl sie etwas außerhalb des Berichtszeitraums erschienen sind. Mit gutem Recht hat Sellström die mit Abstand ausführlichste Untersuchung vorgelegt, denn Schweden war das Land, das den größten Beitrag zur finanziellen Unterstützung der Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika geleistet hat – und zwar nicht nur durch die nationalen Solidaritätsbewegungen allein, sondern auch durch staatliche Mittel. Insbesondere aber wird hier das Ineinandergreifen von zivilgesellschaftlichen Bewegungen und staatlichem Handeln deutlich.
Sellström rekonstruiert die Entstehung der Solidaritätsbewegungen mit dem Befreiungskampf nicht nur in Südafrika, sondern auch in Angola, Namibia, Simbabwe und Mosambik. Der Autor kommt nicht aus der Wissenschaft. Er war auch kein Basisaktivist, sondern seit 1977 im südlichen Afrika aktiv als Mitarbeiter von SIDA, der Entwicklungshilfeorganisation Swedish International Development Cooperation Agency, die die staatliche Förderung vor Ort umsetzte. Sellström war als solcher Angehöriger schwedischer Botschaften in den entsprechenden Ländern, zeitweise arbeitete er in der SIDA-Zentrale in Stockholm. Ohne das enorme Wissen und die Kontakte, die er in all diesen Jahren aufgebaut hat, wäre diese Darstellung wohl nicht möglich gewesen. Sie beruht jedoch vom Material her in erster Linie auf einer riesigen Menge von Archivalien dies- und jenseits des Äquators, staatlichen, privaten und Organisationsarchiven. Das Werk ist weniger von analytischen Fragestellungen geleitet – etwa der Frage nach Ambivalenzen im Anti-Apartheid-Engagement schwedischer Aktivisten, nach den Erfahrungen von Schweden im südafrikanischen Alltag oder Ähnlichem –, sondern es handelt sich in erster Linie um eine empirisch ungewöhnlich reiche, dichte und auch politisch sensible Darstellung, die einen tiefen Einblick in das Nord-Süd-Verhältnis der auf diesem Gebiet am stärksten engagierten europäischen Gesellschaft ermöglicht.
Anders als die meisten europäischen Länder betrachtete das Gros der politischen Klasse Schwedens die Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika nicht in erster Linie als Agenten der Sowjetunion, sondern als antikolonial-nationale Formationen, die zugleich nach Überwindung der Rassentrennung strebten. Daraus resultierte, im Einklang mit den Positionen der UN, ihre andauernde Unterstützung, nicht nur in den Zeiten sozialdemokratischer, sondern auch liberaler Regierungsdominanz. Seit 1969 bezuschusste die schwedische Regierung die Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika – und zwar, im Unterschied zur Sowjetunion, die vor allem militärische Beihilfe leistete, ihre humanitären Bedürfnisse wie Ernährung, Erziehung, Information und den Aufbau von Infrastruktur. Bis 1994, dem Jahr der ersten freien Wahlen in Südafrika, summierte sich diese Unterstützung auf 4 Milliarden schwedische Kronen. Daher war Schweden für die Repräsentanten dieser Bewegungen die erste Adresse in der westlichen Welt, wenn es um Unterstützung für ihr Anliegen ging. ANC-Chef Oliver Tambo, der regelmäßig Schweden besuchte, bezeichnete das Verhältnis als „natural system of relations between Southern Africa and Sweden, from people to people“ (Bd. 1, S. 19). Dabei wurde das Engagement in Südafrika „the biggest, longest and most successful solidarity engagement Sweden ha[d] ever undertaken“, wie Entwicklungshilfeminister Pierre Schori 1997 resümierte (Bd. 2, S. 394).
Diese wie auch andere Arbeiten zum skandinavischen Engagement im südlichen Afrika durchweht ein gewisser Stolz auf die Vorreiterposition im Kampf um die Legitimität antikolonialer und antirassistischer Befreiung. Aber Sellström ist souverän genug, auf Brüche und Inkonsistenzen im schwedischen „Volksheim“ hinzuweisen, wenn er etwa auf die Skepsis der Partei der Moderaten verweist, die zeitweise die Apartheid rechtfertigte und als wirtschaftsnahe Formation die südafrikanischen Aktivitäten schwedischer Unternehmen nicht kritisierte; oder dort, wo er herausarbeitet, dass seit Ende der 1960er-Jahre die Aktivitäten der Solidaritätsbewegung sich auf Vietnam konzentrierten und im Hinblick auf das südliche Afrika die portugiesischen Kolonien mit ihren starken revolutionären Befreiungsbewegungen im Mittelpunkt standen, während ihre geschwächten südafrikanischen Genossen in der Aufmerksamkeitsökonomie schwedischer Aktivisten hintanstanden. So kam es, dass der ANC erst seit 1973 staatliche Unterstützung erhielt, in den Folgejahren jedoch zum wichtigsten Finanzierungsprojekt avancierte.
Wie in anderen Ländern auch, entstand die Anti-Apartheid-Bewegung der frühen 1960er-Jahre in gewerkschaftlichen Kreisen, bei linken Jugendorganisationen und unter Intellektuellen. Im Unterschied zu anderen Ländern konnten die Basisinitiativen, unterstützt von einem Großteil der Bevölkerung, so viel Druck aufbauen, dass mehr und mehr Parlamentarier sich für ihr Anliegen einsetzten. Während zuvor südafrikanische Schwarze als Opfer von Apartheid und rassistischer Unterdrückung betrachtet wurden, gewann Ende der 1960er-Jahre eine proaktive Haltung die Oberhand, die die Befreiungsorganisationen unterstützte. Einen Kompromiss zum Konflikt um die auch in der schwedischen Debatte viel diskutierte Frage des bewaffneten Kampfes, den der ANC führte, fand man durch die salomonische Formel, dass eine Unterstützung der Befreiungsbewegungen nicht von der Wahl ihrer Methoden abhängig gemacht werden sollte. Während Ministerpräsident Tage Erlander noch zögerte, einen unilateralen Boykott Südafrikas zu unterstützen, betrachtete der aufstrebende Olof Palme mit einer Riege weiterer sozialdemokratischer Nachwuchspolitiker auf dem Sprung an die Macht den in der Bevölkerung so starken Ruf nach Solidarität nicht als Problem, sondern als einen außenpolitischen Aktivposten. Ende 1968 verkündete Außenminister Torsten Nilsson die neue Linie der humanitären Unterstützung der Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika. Die Unterstützung durch Schweden, nach den Worten Tambos „absolutely decisive for the organisation’s existence“, verschaffte dem ANC, wie Thabo Mbeki später resümierte, mehr politischen Spielraum innerhalb der westlichen, aber auch gegenüber der östlichen Welt. (Bd. 2, S. 397)
Sellströms Buch profitiert von der politischen Sensibilität seines Autors, aber er belässt es nicht bei der Rekonstruktion der teilweise komplizierten Aushandlungsprozesse auf der politischen Ebene, sondern beleuchtet auch andere in diesem Zusammenhang wichtige Sphären: die Haltung von Kirchen und Unternehmen, das afrikanische Exil in Schweden, die Anti-Apartheid-Kampagne auf dem Gebiet der Kultur in den 1980er-Jahren. So definiert dieses monumentale Werk nicht nur den Standard zur schwedischen Afrikapolitik der 1960er- bis 1980er-Jahre, sondern vermittelt auch tiefe Einblicke in eine Kulturgeschichte des Politischen, an die andere Arbeiten anknüpfen können, die hier mit geschichtswissenschaftlichen Fragestellungen tiefer bohren möchten.
Inzwischen liegt auch eine Geschichte der westdeutschen Anti-Apartheid-Bewegung vor, die, dem Thema entsprechend, das Nationale mit dem Globalen verbindet, indem sie zeigt, auf welche Weise ein globaler Problemzusammenhang im Kontext der westdeutschen politischen Kultur diskutiert und neu verankert wurde. Dass hier im Gegensatz insbesondere zu den skandinavischen Ländern im Kern eine Bewegungsgeschichte erzählt wird, hat damit zu tun, dass die Bundesregierungen sich stets abwehrend verhielten und Anti-Apartheid-Politik weder von Parlament noch Regierung konsequent durchgeführt oder eingefordert wurde; einen staatlichen Boykott des Handels mit dem Apartheid-Regime wie in Skandinavien gab es hier nicht.
Auf der Basis des umfangreichen Archivs der Anti-Apartheid-Bewegung (AAB) erzählen Jürgen Bacia und Dorothée Leidig die Geschichte dieser neuen sozialen Bewegung. 1974 nach dem Beispiel der britischen und niederländischen Anti-Apartheid-Bewegungen gegründet, ging ihr westdeutsches Pendant aus kurz zuvor gebildeten christlichen Initiativen hervor.33 Sie wollte die Bevölkerung informieren und gegen die Apartheid mobilisieren, die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik mit dem Regime aufzeigen und die Bundesregierung zum Boykott zwingen. Ein über die Jahre hin zentrales Thema war die verdeckte militärisch-nukleare Zusammenarbeit beider Regierungen, die die AAB entgegen den Behauptungen der Bundesregierung nachweisen konnte und die auch international Aufsehen erregte. Im Kontext der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die Firma Rheinmetall wegen Verstoßes gegen das Rüstungsexportverbot wurden AAB-Vertreter sogar zu einem Hearing des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit eingeladen. Dies war ein Zeichen für jene Professionalisierungs- und Institutionalisierungstendenz, die auch bei anderen Ein-Punkt-Bewegungen, etwa im Umweltschutz, zu beobachten war. Allerdings ging die Perspektive der AAB weit über die nationale Agenda hinaus. Auch die Friedens- oder Anti-AKW-Bewegungen kooperierten über nationale Grenzen hinweg, aber die AAB thematisierte mit dem Rassismus ein im Kern globales Problem von langer Dauer.
Zuverlässig schildern die Autoren auch die anderen Kampagnen der AAB – etwa den Konsumboykott gegen Waren aus Südafrika und gegen Firmen, die mit dem Land zusammenarbeiteten –, die Demonstrationen und Spendenaktionen. Breiten Raum nehmen (nicht zuletzt wohl, weil die Quellen reich sprudeln) die internen Auseinandersetzungen ein, in denen sich die Fraktionskämpfe in der linken und linksradikalen Szene der mittleren 1970er-Jahre widerspiegeln. Mitunter scheinen derartige Dissonanzen noch in der Darstellung selbst auf – wer die „Revisionisten“ waren (diese zeitgenössische Kampfvokabel taucht als deskriptiver Begriff häufiger auf), weiß heute nur noch, wer sich seinerzeit in diesem Getümmel bewegte. Der lange Blick in die Enge der linksradikalen Szene kontrastiert auffällig zu einem Mangel, der wohl auf die Begrenzungen des Quellenmaterials zurückzuführen ist: Wenig erfährt man über die Resonanz der AAB-Aktivitäten in der westdeutschen Gesellschaft. Unübersehbar scheint, dass die Apartheid seit Mitte der 1980er-Jahre bei den Bundesbürgern nicht nur auf erheblich größere Aversionen traf, sondern auch die Bereitschaft wuchs, sich entsprechend zu verhalten. Gern hätte man mehr erfahren etwa über die sich wandelnde Resonanz des Konsumboykotts, also über die Bedeutung des Apartheid-Themas für die kritische Selbstbetrachtung der Gesellschaft.34 In diesem Zusammenhang interessant ist auch die Zusammensetzung der AAB: Welchen sozialen und politischen Hintergrund hatten die Mitglieder und Aktivisten? Woher kamen die Spenden? Dieser wichtige Aspekt wird zwar dankenswerterweise behandelt, aber nur knapp im „Anhang“. Man hätte ihm eine viel zentralere Stellung gewünscht, vielleicht sogar als Angelpunkt der Darstellung, um die Perspektive von der Beschreibung der Aktionen und Konferenzen auf die Trägergruppen und zur Gesellschaft hin zu erweitern. Dennoch: Wer sich mit der Geschichte des Anti-Apartheid-Kampfes in der Bundesrepublik beschäftigen will, kann hier auf eine solide Grundlage zurückgreifen.
Fasst man die derzeitige Forschungslage zusammen, so hat das Interesse für nationale Anti-Apartheid-Bewegungen, ihre politischen Strategien, Methoden und Mobilisierungserfolge deutlich zugenommen, so dass insbesondere zu den USA und einer Reihe nordwesteuropäischer Länder zuverlässige Studien vorliegen. Auch anderen nichtstaatlichen Akteuren wurde Aufmerksamkeit zuteil. Eine gewisse Begrenzung liegt in der Tatsache, dass diese Arbeiten zumeist von ehemaligen Aktiven der einen oder anderen Art verfasst wurden. Mitunter handelt es sich im eigentlichen Sinne um Organisationsstudien ohne über den eigentlichen Gegenstand hinausführende Fragestellungen mit gesamtgesellschaftlicher oder transnationaler Reichweite. Aber sie bieten eine gute Ausgangsbasis für weitergehende Forschungen. Als weiterführend erweist sich insbesondere Sellströms Ansatz, gesellschaftliches und staatliches Handeln in einen Zusammenhang zu stellen.
4. Menschenrechtspolitik
Im Gegensatz zu den Anti-Apartheid-Bewegungen hat der Boom der Menschenrechtsgeschichte in den vergangenen gut zehn Jahren eine Fülle historiografisch hoch reflektierter Fachliteratur hervorgebracht, in der die südafrikanische Apartheid nicht selten eine prominente Rolle spielt.35Human Rights History gehört also zu dem vielschichtigen Spektrum an Zugängen, die Untersuchungen zu den internationalen Reaktionen auf das Apartheidsystem zur Kenntnis nehmen sollten. Seit der frühen Neuzeit wurde Diskriminierung nach „rassischen“ Kriterien als substanzielle Verletzung des Naturrechts betrachtet und, wie etwa die abolitionistische Bewegung in Großbritannien illustriert, von europäischen Aufklärern bekämpft. Im weiteren Sinne gilt dies auch für die mit den Vereinten Nationen verbundene Menschenrechtspolitik nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, wenngleich Naturrecht und Menschenrechte nicht ohne Weiteres gleichzusetzen sind und der konkrete Kontext der Entkolonialisierung mehrdeutige Folgen für die Implementierung der Menschenrechte als international verbindliche Norm hatte.36 Antikolonialismus und Menschenrechte harmonierten keineswegs miteinander, sondern konstituierten ein in sich widersprüchliches Spannungsfeld. Jan Eckel hat die „Ambivalenz des Guten“ in seinem monumentalen und in vielfacher Hinsicht maßgeblichen Standardwerk umfassend diskutiert, wobei das Thema Apartheid eine Rolle spielt, aber nicht eigens untersucht wird.37
Weniger stark herausgestellt wird diese Mehrdeutigkeit in einem von Adekeye Adebajo, dem Leiter des Centre for Conflict Resolution (CCR) in Kapstadt, herausgegebenen Sammelband, der ganz die Afrikapolitik der Vereinten Nationen in den Mittelpunkt stellt und sie als Erfolgsgeschichte von unten – nämlich ausgehend von den jungen Nationalstaaten des Kontinents – schildert, auch wenn nach wie vor eine „global apartheid between the rich North and the global South persists“.38 Der Fokus des Buches ist in der Tat vielversprechend, aber er wird wiederum diffundiert durch die Tatsache, dass nicht wenige Beiträger aus der Sicht von Funktionären der UN oder anderer supranationaler Organisationen berichten. Hier atmet man den zumeist sterilen Duft der großen weiten Welt der internationalen Konferenzen und Reports eines diplomatischen Jetsets, während das wirkliche Leben weitgehend außen vor bleibt. Hinzu kommt, dass historiografische Perspektiven Ausnahmen sind. Zumeist spielen sie lediglich eine beschreibende Rolle als historische Hintergrundinformationen, bevor es um die Analyse von eher gegenwartsnahen Entwicklungen geht. Es gibt Ausnahmen, wozu die Einleitung des Herausgebers zählt, die überblicksartig und doch relativ differenziert die Rolle der UN in Afrika seit 1945 Revue passieren lässt und sich dabei vor allem auf die Beziehungen der Großmächte zum „Global South“, die Themen Entkolonialisierung und Apartheid sowie die Bemühungen zur Behebung sozioökonomischer Ungleichheit konzentriert.
Ebenfalls in historischer Perspektive betrachtet Tor Sellström die Rolle der UN als Treuhänderin für eine Reihe afrikanischer Territorien, denen sie über einen begrenzten Zeitraum und gegen mehr oder weniger starke Widerstände zur Unabhängigkeit verhalf – darunter etwa Kamerun, Libyen, Togo und Südwestafrika bzw. Namibia. Insbesondere stellt er in einem instruktiven Durchgang die UN-Politik gegenüber dem südlichen Afrika dar, wozu nicht nur die Entkolonialisierung Namibias von südafrikanischer Vorherrschaft gehört, sondern auch ihre Anti-Apartheid-Aktivitäten inner- und außerhalb Südafrikas. Besonders das Anti-Apartheid-Komitee der UN habe durch seine kontinuierliche Arbeit etwa zugunsten des Sport- und Kulturboykotts, so Sellström unter Berufung auf Håkan Thörn, zur Entstehung einer globalen Zivilgesellschaft beigetragen (S. 126). Die internationale Anti-Apartheid-Kampagne bezeichnet er als „einzigartig“ (S. 127) in der Geschichte der UN, deren Rolle für die Befreiung Südafrikas kaum überschätzt werden könne. Aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive lohnt auch ein Blick in die Aufsätze etwa von Chris Saunders zu den Peacekeeping-Missionen der UN im südlichen Afrika, von Herausgeber Adebajo zur UN Economic Commission und von Mary Chinery-Hesse zur Internationalen Arbeitsorganisation.
Bis zum Schluss ungelöst bleibt allerdings das Rätsel, was genau mit „globaler Apartheid“ gemeint ist und warum das spezifisch südafrikanische Konzept hier im Titel des Buches auf die globale Ebene gehoben wird. Der Begriff „global system of apartheid“ stammt aus einer Rede Thabo Mbekis aus dem Jahre 2002. Er wird in diesem Buch in keiner Weise reflektiert, sondern als Catchword zur Bezeichnung einer historisch gewachsenen und nach wie vor bestehenden Diskrepanz zwischen einer „Ersten“ und einer „Dritten Welt“ genommen. Offenbar soll die mit ihm verbundene Konnotation von Unrecht (samt Empörungspotenzial mit Aussicht auf Erfolg) für Themen genutzt werden, die sich auf ganz anderen Ebenen bewegen. Wirtschaftliche Ungleichheit etwa mit dem Begriff der „Apartheid“ zu belegen, wie es hier getan wird, wird der Sache nicht gerecht und verharmlost den konzeptionellen Kern des Begriffs, bei dem es um die rechtlich abgesicherte und verordnete Ausgrenzung in allen gesellschaftlichen Bereichen ging. Nach wie vor herrscht im Südafrika der Gegenwart enorme wirtschaftliche Ungleichheit, aber Apartheid gibt es dort nicht mehr.
Im Gegensatz zu einem Großteil der Forschung, die die Rolle der USA bei der Etablierung der Menschenrechtspolitik der Vereinten Nationen in den Mittelpunkt gestellt hat, konzentriert sich das Buch von Roland Burke auf ihren Zusammenhang mit der Entkolonialisierung.39 Auf breiter Quellenbasis untersucht er nicht nur die Diskussionen innerhalb der Gremien der UN, darunter ihres „Third Committee“, das für Human Rights zuständig war, sondern auch wichtige Ereignisse außerhalb dieses Gremiums, etwa der Afro-Asiatischen Konferenz von Bandung 1955, die erstmals ein Selbstverständnis der „Dritten Welt“ formulierte. Burkes These: Während in den 1940er- und 1950er-Jahren Menschenrechte universalistisch gedeutet und an das Projekt der Dekolonialisierung gekoppelt wurden, dominierten spätestens seit den 1970er-Jahren kulturrelativistische Vorstellungen, die die Frage der Menschenrechte aus dem jeweiligen ethnisch-nationalen Kontext heraus beurteilten – wodurch das universalistische Kernargument der Human-Rights Idee ausgehöhlt wurde. In der frühen Debatte gingen nicht-westliche Regierungen davon aus, dass das Recht auf freie Entfaltung des Individuums unter kolonialer Herrschaft strukturell unterlaufen würde – ganz abgesehen von der de-facto-Missachtung von Menschenrechten in der kolonialen Alltagspraxis. Daher, so das Argument, sei die Voraussetzung für die Durchsetzung der Menschenrechte in der „Dritten Welt“ die staatliche Selbstbestimmung.40 Schon Mitte der 1950er-Jahre wurde diese Sichtweise kritisiert: Nationale Souveränität an sich sagt noch nichts über Regierungssystem oder Methoden der Exekutive aus, daher dürfen individuelle und nationale Rechte nicht in eins gesetzt werden.
Burke zufolge wurde der „zenith of the universalist, democratic tendency in anticolonialism“ (S. 55) mit der „Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples“ der UN-Generalversammlung von 1960 erreicht, die Dekolonisierung und individuelle Menschenrechte miteinander verkoppelte und von der großen Mehrheit der Delegierten gegen nur neun Stimmen westlicher Länder verabschiedet wurde. Anschließend verlor die universalistische Definition von Selbstbestimmung an Rückhalt. Mehr und mehr ging es um die Befreiung von kolonialer Vorherrschaft, während individuelle Menschenrechte in den neuen selbständigen Staaten Afrikas und Asiens eine sehr viel geringere Rolle spielten. An ihre Stelle traten Nicht-Intervention und Gleichheit. Nach der Selbständigkeit waren die Rechte etwa indigener Minderheiten in vielen dieser Länder von geringem Interesse – wie 1968 an Biafra und Nigeria zu sehen war. Die Funktion der Menschrechte als „Angriffsrhetorik“ (Jan Eckel) wird in diesem Kontext besonders deutlich.
Hier kommt in den 1960er-Jahren das Apartheidsystem ins Spiel, das nach Sharpeville die Verurteilung und kampagnenartige Pönalisierung durch die Vereinten Nationen hervorgerufen hatte. Nun geriet die Wirklichkeit von Menschenrechten jenseits diplomatischer Erklärungen in den Blick. Zwei Jahrzehnte lang hatten sich die UN auf Druck der westlichen Länder und des Ostblocks geweigert, jene Berichte und Petitionen betroffener Individuen wahrzunehmen und ihnen nachzugehen, die massenhaft den Posteingang der Vereinten Nationen erreichten. Erst auf Druck der entkolonialisierten Staaten bei hinhaltenden Reaktionen des Westens wurde die Berücksichtigung derartiger Eingaben durchgesetzt. Dadurch wurde die Menschenrechtsfrage von der Ebene wohllautender Erklärungen auf die Alltagspraxis heruntergebrochen. Insbesondere das 1962 gegründete Special Committee Against Apartheid und das Committee on the Elimination of Racial Discrimination hatten derartige Berichte herangezogen und waren ihnen nachgegangen. Sie gehörten daher zu „the most vocal in the UN, and almost certainly the most militant“(S. 70). Daher standen die westlichen Länder ihnen besonders skeptisch gegenüber und beschwerten sich über eine vermeintliche kommunistische Dominanz.
Burke interpretiert die Arbeit dieser beiden Komitees einerseits als Ausweitung der Menschenrechtspolitik auf individuelle Akteure, andererseits als eine ähnliche Beschränkung wie diejenige der nationalen Souveränität – hier der Eingrenzung auf Diskriminierung nach dem Kriterium der „Rasse“. Das „right to petition“ spaltete die afro-asiatische Gruppe. Während einige mit der Sowjetunion für eine Begrenzung dieses Rechts auf die Kolonien eintraten, forderten andere Allgemeingültigkeit. Einige Staaten mit großen ethnischen Minderheiten (Indien, Irak) bestanden auf dem Primat staatlicher Souveränität vor individuellen Rechten. Im Kontext der Debatte um die Akzeptanz individueller Eingaben revidierten die meisten westlichen Länder ihre Haltung – insbesondere wegen des hohen Drucks aus der „Dritten Welt“ beim Apartheid-Thema – und waren zur Akzeptanz bereit. So etwa 1966 die britische Regierung, wobei das Petitionsrecht von Fragen der „Rasse“ gelöst werden sollte.
Überzeugend arbeitet Burke heraus, wie im Laufe der 1960er-Jahre das kulturrelativistische Argument an Rückhalt gewann, während gleichzeitig ein „Decline of Human Rights“ zu beobachten war. Dies steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der in der Forschung verbreiteten Sichtweise, dass die 1970er-Jahre den Durchbruch der Menschenrechte als Gegenstand politischen Aktivismus ebenso wie der Regierungspolitik darstellten.41 Darin wird auch die Komplexität der Thematik sichtbar, bei der zahlreiche Akteure auf den verschiedensten Ebenen von Politik und Kultur in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen bei ebenso sich wandelnden Interessen mitwirkten. Auch bei Aktivisten der Anti-Apartheid-Bewegung spielte anscheinend nicht unbedingt das Motiv der Empörung über Menschenrechtsverletzungen die wichtigste Rolle, sondern bisweilen eher politische Ideologien und übergeordnete strategische Überlegungen. Wobei, wie dann die enorme Resonanz ihrer Kampagnen in den 1980er-Jahren nahelegt, die Thematisierung der Menschenrechtsfrage während der Verschärfung der Verhältnisse im Lande selbst zu einem schlagkräftigen Mobilisierungsmedium wurde.
Eines der wichtigsten Mittel, das Apartheid-Regime von außen unter Druck zu setzen, waren politische und wirtschaftliche Sanktionen. Während die Europäischen Gemeinschaften 1977 einen „Code of Conduct“ verabschiedeten, der europäische Unternehmen zur Einhaltung einer nicht-rassistischen Unternehmenspolitik in Südafrika verpflichtete, übernahmen in den USA die „Sullivan Principles“, denen sich Unternehmen freiwillig unterwarfen, diese Aufgabe. Das heute verbreitete Schlagwort einer Corporate Social Responsibility (CSR) signalisiert ein gewachsenes Bewusstsein ethisch verantwortlichen Verhaltens von Unternehmen in Zeiten der „Globalisierung“. Die International Organization for Standardization (ISO) hat 2010 mit ISO 26000 sogar ein Regelset für sozial verantwortliche Unternehmenspolitik im Hinblick auf Arbeitsverhältnisse, Umweltschutz und das Verhältnis zum lokalen und regionalen Umfeld etabliert. Zu den Büchern, die auch historische Vorläufer dieses bemerkenswerten Konzepts der Selbstkontrolle rekonstruieren, gehört das 2007 erschienene Buch der US-amerikanischen Soziologin Gay Seidman.42 Sie nimmt das südafrikanische Fallbeispiel als wichtigste Blaupause dieser Strategie und vergleicht es mit aktuellen Fällen in Guatemala und Indien. Schon der Titel ihres Buches, „Beyond the Boycott”, verweist auf den konstruktiven Aspekt, der in dem Druck auf die Unternehmen liegt, sich von kurzfristig profitorientierten Sichtweisen zu lösen und ihre wirtschaftlichen Aktivitäten auch als politische Interventionen zu begreifen.
Die „Sullivan Principles” wurden 1977 im Kontext der Anti-Apartheid-Bewegung von dem Geistlichen Leon Sullivan entwickelt, um in Südafrika aktive US-Unternehmen dazu zu bewegen, durch eine antirassistische Praxis das Apartheid-Regime unter Druck zu setzen. Sullivan gehörte seit 1971 als erster Afroamerikaner dem Board von General Motors (GM) an, was seinen Einfluss mit begründete. Durch den außerparlamentarischen Aktivismus und die gewachsene öffentliche Aufmerksamkeit gedrängt, schlossen sich nahezu die Hälfte aller in Südafrika operierenden US-Unternehmen den „Sullivan Principles“ an. Es handelt sich also tatsächlich um ein bedeutendes Beispiel für die Tatsache, dass gewachsene Einbindung in globale Zusammenhänge in Ländern der „Ersten Welt” zu einem reflektierteren Umgang mit dem eigenen Tun führte. Aber wie so oft offenbarte sich die tatsächliche Problematik erst im Detail. Denn erstens wurden die „Sullivan Principles“ von der Anti-Apartheid-Bewegung kritisiert, die einen vollständigen Boykott, also den Rückzug der Unternehmen aus Südafrika, verlangte. Und zweitens offenbarte die konkrete Praxis der Unternehmen, wie eng begrenzt die Reichweite einer unternehmerischen Ethik tatsächlich war.
Hier liegt das Verdienst von Seidmans Studie. Sie arbeitet im Detail heraus, dass a) die Beratungsfirma, die die Umsetzung der Prinzipien überwachte, die Maßstäbe nach eigenem Gutdünken und ohne Rückkoppelung mit den Betroffenen im Lande selbst – Gewerkschaften oder Communities etwa – festlegte, dass b) die Angaben der Unternehmen über ihre Maßnahmen nicht kontrolliert wurden und dass c) eine Evaluierung der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen ebenso wenig stattfand. Konkret wurden etwa Missstände der „kleinen Apartheid” unternehmensintern beseitigt (wie etwa getrennte Toiletten), während eklatante Disproportionen bei der Beschäftigung Schwarzer in Führungspositionen kaum angegangen wurden. Kantinen und Toiletten der Manager, so Seidman bitter, „might have no longer been marked by ’whites only’ signs, but there were few black supervisors to use them” (S. 64). Da auf der Skala der guten Taten lokales Engagement besonders hoch rangierte, entzogen sich amerikanische Unternehmen häufig den schwierigeren Feldern wie der Anerkennung schwarzer Gewerkschaften und gaben stattdessen Geld für Schulen, Fußballclubs und Krankenhäuser im lokalen Umfeld.
So ist die Bilanz gemischt: Verhaltensregeln, die in erster Linie den moralischen Bedürfnissen westlicher Konsumenten entsprachen und einer unzureichenden Praxis, die die Strukturen der Apartheid nicht angreifen konnte, stand der Effekt der Mobilisierung der amerikanischen Öffentlichkeit gegenüber, die große Unternehmen zu Verhaltensänderungen zwang. Weit effektiver als individueller Boykott von Konsumenten, so arbeitet Seidman heraus, waren Entscheidungen großer Institutionen, die auf den Druck der Anti-Apartheid-Bewegung besonders empfindlich reagierten. So sorgte etwa der massive studentische Druck auf Universitätsleitungen dafür, dass das Verhalten von Unternehmen zu einem zentralen Kriterium für finanzielles Engagement der US-Hochschulen wurde. In den letzten Jahren des Apartheid-Regimes wurden die „Sullivan Principles“ sogar benutzt, um ein Verbleiben im Lande zu begründen. Unternehmen, die zuvor darauf bestanden hatten, dass die Wirtschaft sich nicht in die Politik einmischen dürfe, insistierten nun darauf, dass gerade sie, die sich den Verhaltensmaßregeln unterworfen hatten, moralisch verpflichtet seien, im Lande zu bleiben und zum Wandel beizutragen. Die Sprache der Moral hatte die Sprache des Profits ersetzt. Doch für manche Unternehmen war das Südafrika-Engagement zu einem Minus-Geschäft geworden, wie ein europäisches Beispiel zeigt. Die britische Barclays Bank, die als bedeutende finanzielle Ressource des Apartheid-Regimes jahrzehntelang der Agitation der Anti-Apartheid-Bewegung widerstanden hatte, beendete 1986 ihre Aktivitäten in Südafrika und verkaufte dies als politisch-moralische Entscheidung – eine wichtige Voraussetzung für ihr verstärktes und erfolgreiches Engagement auf dem US-Markt.43
Zu den Büchern, die Südafrika als Fallbeispiel für eine übergeordnete Fragestellung heranziehen, gehört auch die politologische Studie von C. William Walldorf, jr., die der Frage nachgeht, inwieweit Menschenrechte außenpolitische Entscheidungen der Großmächte beeinflusst haben.44 Bei der Rekonstruktion der Entscheidungsprozesse über Unterstützung oder Entzug der Förderung Südafrikas durch Regierung und Parlament der Vereinigten Staaten – weitere Themen sind die Haltung Großbritanniens zum Osmanischen Reich im 19. Jahrhundert und das Verhältnis der USA zu lateinamerikanischen Diktaturen im 20. Jahrhundert – untersucht der Autor die in der US-Debatte vornehmlich der 1980er-Jahre vorgebrachten Argumente und setzt sie ins Verhältnis zum Aktivitätsgrad des politischen Aktivismus von unten und zum Wandel der staatlichen Politik in Südafrika (am Rande auch in Mosambik). Hier geht es um die Frage, warum die Vereinigten Staaten Mitte der 1980er-Jahre ihre Unterstützung für Südafrika zurückzogen, obwohl die strategische Bedeutung des Landes als antikommunistisches Bollwerk auf dem afrikanischen Kontinent seit den mittleren 1970er-Jahren noch gewachsen war.
Sympathischerweise plädiert Walldorf dafür, die innenpolitischen Verhältnisse eines Landes genau zu studieren, um zu validen Ergebnissen zu kommen, und bis zu einem gewissen Grad trägt seine Untersuchung auch dazu bei. Allerdings wird das Buch von einem in der Politikwissenschaft verbreiteten Streben nach modellhafter Ordnung der Wirklichkeit überformt, so dass die Untersuchungen in erster Linie als Illustrationen des am Anfang des Buches vorgestellten Modells erscheinen. Hinzu kommt, dass dieses Modell keinen großen Erkenntnisfortschritt zu bieten hat. Kurz zusammengefasst besagt es: „humanitarian-inspired commitment termination by democratic states is most likely when activists apply pressure against knowingly inhumane governments that show no sign of reform“ (S. 5). Also: Der Wille zur Unterstützung hängt ab vom Verhalten der Zielländer und vom Aktivitätsgrad der Menschenrechtsbewegungen im eigenen Land. Wahrlich keine bahnbrechend neue Erkenntnis. Dass es hin und wieder kneift, wenn Empirie und Theorie luftdicht in Harmonie gezwungen werden (etwa dort, wo „activists“ für einen Boykott Südafrikas mit „activists“ zur Unterstützung der von Südafrika geförderten Resistência Nacional Moçambicana (RENAMO) in Mosambik kategorial gleichgesetzt werden (S. 132)), illustriert einmal mehr, dass Modelldenken nur sehr begrenzt weiterhilft – jedenfalls aus historiografischer Perspektive, die eher der Komplexität der Verhältnisse auf der Spur ist.
Zweifellos hat die Auseinandersetzung um die Apartheid in der Menschenrechtsdebatte eine bedeutende Rolle gespielt und die Aufmerksamkeit für konkrete Verletzungen individueller Menschenrechte erhöht. Allerdings wurde der Begriff der Human Rights auch zu einem wirkungsvollen Schlagwort, das Anti-Apartheid-Bewegungen für sich benutzen konnten, unabhängig davon, ob es den Aktivisten tatsächlich um universalistische Werte ging. Manches spricht dafür, dass hier ganz anders motivierte Konflikte etwa mit unliebsamen nationalen Regierungen eine bedeutende Rolle spielten. Der Menschenrechtsrhetorik bedienten sich auch Unternehmen, deren Maßnahmen in erster Linie Aktionismus vortäuschten, die aber wenig bewirkten. Sie diente sogar dazu, dem Druck der Anti-Apartheid-Bewegungen auszuweichen und einen Verbleib im Lande selbst zu legitimieren.
Fazit
Alles in allem liegt mittlerweile eine Vielzahl instruktiver Studien vor, die zentrale Voraussetzungen eines systematischen Blicks auf internationale Wahrnehmungen der Apartheid beleuchten. Insbesondere gilt dies für die Entwicklung der Apartheid selbst, für die Menschenrechtspolitik und den Anti-Apartheid-Aktivismus in den USA und Teilen Europas, teils auch für die postkoloniale Welt. Kaum behandelt wird die von Håkan Thörn aufgeworfene Frage, inwiefern die Auseinandersetzung mit der Apartheid den Wandel westlicher oder nicht-westlicher Gesellschaften beeinflusst hat. Hier müsste nach der Bereitschaft gefragt werden, globale Problemstellungen zur Kenntnis zu nehmen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und dadurch etwa einen traditionellen Eurozentrismus zu überwinden oder zu perpetuieren. Damit würde eine globale Perspektive zur Erforschung des Strukturwandels westlicher Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gestärkt, die bislang erst ansatzweise entwickelt worden ist.
Betrachtet man die Wandlungsprozesse im Einzelnen, so zeichnen etwa die auf die Bundesrepublik bezogenen Arbeiten zur politischen Kultur, insbesondere zu den neuen sozialen Bewegungen, zum alternativen Milieu45, aber auch zum Wiedererstarken des Konservatismus 46, ein ambivalentes Bild, das Ulrich Becks Theorem von einer „reflexiven Moderne” 47 nur teilweise bestätigt: Nur begrenzt waren die europäischen Gesellschaften bereit, die Grundlagen der Moderne selbstkritisch in Frage zu stellen und zu revidieren; teilweise brachten sich innerhalb dieser Kritik auch traditionalistische Haltungen neu zur Geltung, zum Teil wurden, wie in Großbritannien und in den USA, Individualisierungs- und Entstaatlichungstendenzen vorangetrieben.48 Dies deutet bereits darauf hin, dass auch die Sensibilisierung für Fragen der Ethnizität nicht als eindimensionaler Modernisierungsstrom zu denken ist, sondern als konflikthafter Prozess. Insbesondere gilt dies im Falle der Apartheid, deren Niedergang oftmals triumphalistisch als Erfolgsgeschichte (nicht zuletzt der Anti-Apartheid-Bewegung, aber auch vager „westlicher Werte“) erzählt wird. Während die Bedeutung von Bürgerinitiativen und neuen sozialen Bewegungen für die Ausweitung der repräsentativen Demokratie durch partizipatorische Elemente vielfach untersucht wurde, ist weniger klar, welche Rolle sie bei der beginnenden Globalisierung europäischer Gesellschaften spielten – inwieweit etwa ihre häufig nationale Grenzen überschreitende Programmatik auch praktisch eingelöst wurde. In den vorliegenden Arbeiten zur Entwicklungspolitik und zu „Dritte-Welt-Bewegungen”49 wurde bisher nur kursorisch die Frage gestellt, inwiefern diese, zumeist euphorisiert durch revolutionäre Bewegungen in Lateinamerika oder Afrika, eine eurozentrische Perspektive überwanden.50
Zu Recht hat kürzlich Simon Stevens darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Anti-Apartheid-Protest nicht gleichsam natürlich aus einer Abneigung gegen institutionalisierten Rassismus ergeben hat, sondern dass die Motivation der Aktivisten und die Gründe für den Wandel der öffentlichen Meinung in den Mittelpunkt der Forschung zu rücken wären.51 Dabei bietet es sich auch vor dem Hintergrund gegenwärtiger zeitgeschichtlicher Debatten zu den Wandlungsprozessen „nach dem Boom“ (Lutz Raphael/ Anselm Doering-Manteuffel) an, mit der Rezeptions- und Beziehungsgeschichte im Hinblick auf die Apartheid auch jeweils spezifische, für die Entwicklung „postindustrieller“ Gesellschaften zentrale Fragen zu thematisieren, die bislang in der Forschung, wenn überhaupt, dann zumeist nur aus nationalgeschichtlicher Perspektive untersucht wurden. So etwa die Entstehung einer „moral economy“, das Nationen-„Branding“, die Anwendung partizipativer Management-Konzepte im Zuge der internationalen Arbeitsteilung und die Herausbildung eines politischen Bewusstseins der „Konsumbürger“.52 So hat Benjamin Möckel mit Blick auf die Geschichte der Menschenrechte angeregt, „nach spezifischen Feldern zu fragen“, die für ihre Relevanz als „Deutungsmuster wichtig wurden – so etwa nach der konsumgesellschaftlichen Überformung des Menschenrechtsaktivismus oder dessen Aufnahme in der Populärkultur“.53 Gerade die Verschmelzung von Politik und Lebensstil – von Anthony Giddens als „Lifestyle Politics“ beschrieben – in der „Erlebnisgesellschaft“ (Gerhard Schulze) der 1980er-Jahre bietet sich als Hintergrund und Untersuchungsgegenstand im Hinblick auf den Anti-Apartheid-Aktivismus an. In unterschiedlich stark ausgeprägter Form, so könnte eine Ausgangsthese lauten, wurden Boykott, Teilnahme an Protestdemonstrationen oder Konzertbesuch zu Elementen des persönlichen Ausdrucks und damit Teil eines „reflexive project of the self“.54 In der Arbeit eines deutsch-dänischen Kooperationsprojekts mit sechs Teilprojekten wird zur Zeit ein derartiger Ansatz verfolgt.55 Untersucht werden hier Südafrika-Wahrnehmungen deutscher und schwedischer Unternehmensmanager sowie deutscher Pastoren, Konsumboykott als politisches Alltagsverhalten in Dänemark und Großbritannien, die PR-Aktivitäten der südafrikanischen Regierung in der Bundesrepublik, Entstehung und Resonanz popkultureller Medienkampagnen auf globaler Ebene sowie die transkulturellen Erfahrungen und Effekte während des Exils jüdischer Anti-Apartheid-Aktivisten in London.
Trotz des Kollapses des Apartheid-Systems in den frühen 1990er-Jahren handelt es sich auch hier keineswegs um eine bruchlose Erfolgsgeschichte. Insbesondere die Erfahrung der Persistenz sozialer Ungleichheit, von Korruption unter ehemaligen „Freedom Fighters“ an der Macht, hat in den Jahren danach auch frühere Anti-Apartheid-Aktivisten ernüchtert. Immerhin ist das Ziel erreicht worden, die staatlich organisierte systematische Diskriminierung nach ethnischen Kriterien abzuschaffen. Aber das Ideal der „Rassen“-Gleichheit wurde nicht verwirklicht, wie etwa der auf Deutsch erschienene Sammelband „Südafrika. Die Grenzen der Befreiung“ mit Beiträgen hauptsächlich südafrikanischer Autoren auf vielschichtige Weise illustriert.56 Insofern steht hier der von Hans Günter Hockerts entworfene Ansatz einer „Problemgeschichte der Gegenwart“ vor einer besonders interessanten Aufgabe, nämlich die aus dem Antirassismus gezogene enorme Mobilisierungskraft der Anti-Apartheid-Bewegungen und ihren triumphalen Sieg in Beziehung zu setzen zu der Enttäuschung, die die Praxis nach 1994 bei vielen ihrer vormaligen Anhänger auslöste.
Anmerkungen:
1 Saul Dubow, Apartheid 1948–1994, Oxford 2014, S. 281.
2 Niall Ferguson u.a. (Hrsg.), The Shock of the Global. The 1970s in Perspective, Cambridge / London 2010, S. 237–250; Für Europa vgl. Göran Therborn, European Modernity and Beyond. The Trajectory of European Societies, 1945–2000, London 1995; Andreas Wirsching (Hrsg.), The 1970s and 1980s as a Turning Point in European History?, in: Journal of Modern European History, 9,1 (2011), S. 7–26.
3 Zu staatlichen Aspekten der Zusammenarbeit mit dem ANC und anderen Befreiungsbewegungen vgl. Hans-Georg Schleicher, Südafrikas neue Elite. Die Prägung der ANC-Führung durch das Exil, Hamburg 2004. Als Überblick über die Aktivitäten der DDR vgl. die Beiträge teils ehemaliger Akteure in zwei Sammelbänden: Ulrich van der Heyden, Ilona Schleicher und Hans-Georg Schleicher (Hrsg.), Die DDR und Afrika. Zwischen Klassenkampf und neuem Denken, Hamburg / Münster 1993; dies. (Hrsg.), Engagiert für Afrika. Die DDR und Afrika II, Hamburg / Münster 1994.
4 Vgl. etwa die auf Deutsch erschienene und daher hier besonders stark rezipierte Biografie von Denis Goldberg, Der Auftrag. Ein Leben für die Freiheit in Südafrika, Berlin / Hamburg 2010.
5 Exemplarisch: Brian Lapping, Apartheid. A History, London 1986; Nancy L. Clark / William H. Worger, South Africa. The Rise and Fall of Apartheid, Harlow 2004.
6 James Barber, The Uneasy Relationship, Britain and South Africa, London 1983; Reinhard Rode, Die Südafrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland 1968–1972, München 1975; Werner Stiers, Perzeptionen der Entwicklung im südlichen Afrika in der Bundesrepublik Deutschland 1960–1979, Frankfurt am Main 1983; Boli Nicodème Youkpo, Les relations entre la Republique Fédérale d’Allemagne et l’Adrique du Sud (1949–1982), Frankfurt am Main 1986; Claudius Wenzel, Südafrika-Politik der Bundesrepublik Deutschland 1982–1992. Politik gegen Apartheid?, Wiesbaden 1994.
7 Vgl. etwa Kathrine Toftkjær Larney, Aktivister mod Apartheid. Dansk solidaritet med Sydafrika, Kopenhagen 2004; Gunther J. Hermann, Apartheid als ökumenische Herausforderung, Die Rolle der Kirche im Südafrikakonflikt, Frankfurt am Main 2006; Björn Ryman, Nordic Churches and the Struggle against Apartheid, in: Katharina Kunter / Jens Holger Schjørring (Hrsg.), Changing Relations between Churches in Europe and Africa. The Internationalization of Christianity and Politics in the 20th Century, Wiesbaden 2008, S. 153–162; jetzt: Sebastian Justke, Ausgewiesen aus Namibia und zurückberufen nach Westdeutschland. Auslandspfarrer, Linksprotestanten und Evangelikale im Spannungsfeld der Apartheid Anfang der 1970er Jahre, in: Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Hrsg.), Zeitgeschichte in Hamburg 2013, Hamburg 2013, S. 93–104. Hier sind auch die Selbstdarstellungen des Special Committee Against Apartheid der UN zu nennen: United Nations (Hrsg.), United Nations Special Committee against Apartheid. Twenty-Five Years of Commitment to the Elimination of Apartheid in South Africa, New York 1988; United Nations (Hrsg.), The United Nations and Apartheid, New York 1996. Vgl. auch Saul Dubow, Smuts, the United Nations and the Rhetoric of Race and Rights, in: Journal of Contemporary History, 43,1 (2008), S. 45–75.
8 Vgl. etwa Steen Christensen, Mod undertrykkelse – for frihed, Socialdemokratiet og befrielsesbevægelserne i Afrika, Latinamerika og Asien efter 1945, Kopenhagen 2001.
9 Hier liegen lediglich zum Teil instruktive Studien vor, die im Zuge der zeitgenössischen Auseinandersetzung entstanden sind. Exemplarisch: Anne Akeroyd u.a. (Hrsg.), European Business and South Africa. An Appraisal of the EC-Code of Conduct, München 1981; Wolff Geisler / Gottfried Wellmer, DM-Investitionen in Südafrika, Bonn 1983; Vgl. aus einer anderen Perspektive, die sich darum bemüht zu belegen, dass die Unternehmen einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Menschenrechte nahmen: Jan C. Cron, Deutsche Unternehmen im Entwicklungsprozeß Südafrikas, Wiesbaden 1997.
10 Vgl. paradigmatisch die Biografie des Botschafters der Bundesrepublik in Südafrika von 1968 bis 1971: Susanna Schrafstetter, Von der SS in den Apartheidstaat. Gustav Adolf Sonnenhol und die bundesdeutsche Südafrikapolitik, in: Theresia Bauer u.a. (Hrsg.), Gesichter der Zeitgeschichte. Deutsche Lebensläufe im 20. Jahrhundert, München 2009, S. 151–164.
11 Martin Holland, The European Community and South Africa. European Political Co-operation under Strain, London / New York 1988; Starnberger Institut zur Erforschung globaler Strukturen, Entwicklungen und Krisen e.V. (Hrsg.), Wirtschaftliche Auswirkungen von Sanktionen gegen Südafrika, Stuttgart 1987; Haider Khan, The Political Economy of Sanctions Against Apartheid, Boulder 1989.
12 Jan Eckel, Utopie der Moral, Kalkül der Macht. Menschenrechte in der globalen Politik seit 1945, in: Archiv für Sozialgeschichte 49 (2009), S. 437–484, hier S. 478.
13 Dubow, Apartheid 1948–1994.
14 Christoph Marx, Südafrika. Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 2012.
15 Iris Berger, South Africa in World History, Oxford 2009.
16 Charles H. Feinstein, An Economic History of South Africa. Conquest, Discrimination and Development, Cambridge 2005.
17 Adrian Guelke, Rethinking the Rise and Fall of Apartheid. South Africa and World Politics, Basingstoke / New York 2005.
18 Sue Onslow (Hrsg.), Cold War in Southern Africa. White Power, Black Liberation, London / New York 2009.
19 Håkan Thörn, Anti-Apartheid and the Emergence of a Global Civil Society, Basingstoke / New York 2006.
20 Ryan M. Irwin, Gordian Knot. Apartheid and the Unmaking of the Liberal World Order, Oxford 2012.
21 Die "globale" Anti-Apartheid-Bewegung skizziert Heft 119 (Frühjahr 2014) der Zeitschrift "Radical History Review".
22 David L. Hostetter, Movement Matters. American Antiapartheid Activism and the Rise of Multicultural Politics, New York 2006.
23 Vgl. auch die wunderbar vielfältige und farbige Darstellung vornehmlich aus einer Bewegungsperspektive: William Minter / Gail Hovey / Charles Cobb jr. (Hrsg.), No Easy Victories: African Liberation and American Activists over a Half Century, 1950–2000, Trenton, NJ 2008.
24 Konzeptionell weiterführend: Christian Lahusen, The Rhetoric of Moral Protest. Public Campaigns, Celebrity Endorsement, and Political Mobilization, Berlin 1996; Sigrid Baringhorst, Politik als Kampagne. Zur medialen Erzeugung von Solidarität, Wiesbaden 1998; Zum Thema des Sportboykotts vgl. exemplarisch die Arbeiten von John Nauright, etwa „Like fleas on a dog“. New Zealand and Emerging Protest against South African Sport, 1965–74, in: Sporting Traditions 10,1 (1993), S. 54–77.
25 Andreas Wille / Klaus-Peter Treydte / Volker Vinnai, Die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung in wichtigen Schwellenländern. Chile, Indien und Südafrika, Bonn 2009.
26 Niels Seibert, Vergessene Proteste. Internationalismus und Antirassismus 1964–1983, Münster 2008.
27 So z.B. Quinn Slobodian, Foreign Front. Third World Politics in Sixties West Germany, Durham, N.C. 2012; Dorothee Weitbrecht, Aufbruch in die Dritte Welt. Der Internationalismus der Studentenbewegung von 1968 in der Bundesrepublik Deutschland, Göttingen 2012.
28 Tore Linné Eriksen (Hrsg.), Norway and National Liberation in Southern Africa, Uppsala 2000; Iina Soiri / Pekka Peltola, Finland and National Liberation in Southern Africa, Stockholm 1999; Christopher Munthe Morgenstierne, Denmark and National Liberation in Southern Africa. A Flexible Response, Uppsala 2003.
29 Tor Sellström, Sweden and National Liberation in Southern Africa, Bd. 1: Formation of a Popular Opinion 1950–1970, Uppsala 1999; Bd. 2: Solidarity and Assistance 1970–1994, Uppsala 2002.
30 Roger Fieldhouse, Anti-Apartheid. A History of the Movement in Britain. A Study in Pressure Groups Politics, London 2005.
31 Roeland Muskens, Aan de goede kant: biografie van de Nederlandse anti-apartheidsbeweging 1960–1990, Soesterberg 2014.
32 Georg Kreis, Die Schweiz und Südafrika 1948–1994. Schlussbericht des im Auftrag des Bundesrats durchgeführten NFP 42+, Bern 2005.
33 Jürgen Bacia / Dorothée Leidig, „Kauft keine Früchte aus Südafrika!“ Geschichte der Anti-Apartheid-Bewegung, Frankfurt am Main 2008.
34 Inzwischen sind hier weitere Studien erschienen: Henrik Brendel, "Freiheit für Nelson Mandela". Wie der Kampf gegen die Apartheid nach Deutschland kam, Hamburg 2014; Mara Müller, "Freiheit für Nelson Mandela". Die Solidaritätskampagne in der Bundesrepublik Deutschland, München 2014; Sebastian Tripp, Fromm und politisch. Christliche Anti-Apartheid-Gruppen und die Transformation des westdeutschen Protestantismus 1970-1990 (=Geschichte der Religion in der Neuzeit 6), Göttingen 2015.
35 So etwa, wenn auch defizitär, in Jean H. Quataert, Advocating Dignity. Human Rights Mobilizations in Global Politics, Philadelphia 2009; Vgl. insgesamt die Sammelbände von Stefan-Ludwig Hoffmann (Hrsg.), Moralpolitik. Geschichte der Menschenrechte im 20. Jahrhundert, Göttingen 2010; Jan Eckel / Samuel Moyn (Hrsg.), Moral für die Welt? Menschenrechtspolitik in den 1970er Jahren, Göttingen 2012 und Akira Iriye / Petra Goedde, William I. Hitchcock (Hrsg.), The Human Rights Revolution. An International History, Oxford 2012.
36 Samuel Moyn, The Last Utopia. Human Rights in History, Cambridge 2010.
37 Jan Eckel, Die Ambivalenz des Guten. Menschenrechte in der internationalen Politik seit den 1940ern, Göttingen 2014.
38 Adekeye Adebajo (Hrsg.), From Global Apartheid to Global Village. Africa and the United Nations, Scottsville 2009, S. 42.
39 Roland Burke, Decolonization and the Evolution of International Human Rights, Philadelphia 2010.
40 Jetzt auch ausführlich: Ramon Leemann, Entwicklung als Selbstbestimmung. Die menschenrechtliche Formulierung von Selbstbestimmung und Entwicklung in der UNO, 1945–1986, Göttingen 2013.
41 Dagegen betont die Bedeutung der 1960er-Jahre: Steven L. B. Jensen, ”Universality should govern our small world of today”. The Cold War and UN Human Rights Diplomacy, 1960–1968, in: Rasmus Mariager / Karl Molin / Kersti Brathagen (Hrsg.), Human Rights in Europe During the Cold War, London 2014, S. 56–72.
42 Gay W. Seidman, Beyond the Boycott. Labor Rights, Human Rights, and Transnational Activism, New York 2007.
43 Jakob Skovgaard, Subpolitics and the Campaign against Barclays’ Involvement in South Africa, in: Moving the Social 54 (2015), S. 37–58.
44 C. William Walldorf jr., Just Politics. Human Rights and the Foreign Policy of Great Powers, Ithaca / London 2008.
45 Jens Ivo Engels, Naturpolitik in der Bundesrepublik. Ideenwelt und politische Verhaltensstile in Naturschutz und Umweltbewegung 1950–1980, Paderborn 2006; Sven Reichardt / Detlef Siegfried (Hrsg.), Das alternative Milieu. Antibürgerlicher Lebensstil und linke Politik in der Bundesrepublik Deutschland und Europa, Göttingen 2010; Silke Mende, ”Nicht rechts, nicht links, sondern vorn”. Eine Geschichte der Gründungsgrünen, München 2011; Cordia Baumann / Sebastian Gehrig / Nicolas Büchse (Hrsg.), Linksalternative Milieus und Neue Soziale Bewegungen in den 1970er Jahren, Heidelberg 2011; Sven Reichardt, Authentizität und Gemeinschaft. Linksalternatives Leben in den siebziger und frühen achtziger Jahren, Berlin 2014.
46 Axel Schildt, „Die Kräfte der Gegenreform sind auf breiter Front angetreten”. Zur konservativen Tendenzwende in den Siebzigerjahren, in: Archiv für Sozialgeschichte 44 (2004), S. 449–478; Massimiliano Livi / Daniel Schmidt / Michael Sturm (Hrsg.), Die 1970er Jahre als schwarzes Jahrzehnt. Politisierung und Mobilisierung zwischen christlicher Demokratie und extremer Rechter, Frankfurt am Main 2010.
47 Ulrich Beck / Wolfgang Bonß (Hrsg.), Die Modernisierung der Moderne, Frankfurt am Main 2001.
48 Dominik Geppert, Thatchers konservative Revolution. Der Richtungswandel der britischen Tories 1975–1979, München 2002.
49 Bastian Hein, Die Westdeutschen und die Dritte Welt. Entwicklungspolitik und Entwicklungsdienste zwischen Reform und Revolte 1959–1974, München 2006; Christian Friis Bach u.a. Idealer og realiteter. Dansk udviklingspolitisk historie 1945–2005, Kopenhagen 2008; Claus Kjersgaard Nielsen, Danske nødhjælpsoperationer i komplekse katastrofer. En analyse af Folkekirkens Nødhjælps og Dansk Røde Kors’ humanitære engagement i Biafra, Cambodja og Etiopien 1968–1988, Ph.D-dissertation, Aarhus 2010; Karen Steller Bjerregaard, Et undertrykt folk har altid ret. Solidaritet med den tredje verden i 1960ernes og 1970ernes Danmark, Ph.D-dissertation, Roskilde 2010; Inge Brinkman, Bricks, Mortar and Capacity Building. A Socio-cultural History of SNV Netherlands Development Organisation, Leiden / Boston 2010.
50 Jørgen Lissner, The Politics of Altruism. A Study of the Political Behaviour of Voluntary Development Agencies, Genf 1977. Bislang liegen kritische Untersuchungen zur Affirmation nicht-europäischer Ethnien in europäischen Gegenkulturen aus kulturgeschichtlicher Perspektive hauptsächlich in Bezug auf Afroamerikaner vor. Vgl. etwa Moritz Ege, Schwarz werden. „Afroamerikanophilie“ in den 1960er und 1970er Jahren, Bielefeld 2007; Shirley Anne Tate, Black Beauty. Aesthetics, Stylization, Politics, Farnham 2009. Vgl. aus einer anderen Perspektive auch Andreas Eckert, Afrikanische Intellektuelle und Aktivisten in Europa und die Dekolonisation Afrikas, in: Geschichte und Gesellschaft 37,2 (2011), S. 244–274.
51 Simon Stevens, Warum Südafrika? Die Politik des britischen Anti-Apartheid-Aktivismus in den langen 1970er Jahren, in: Eckel / Moyn (Hrsg.), Moral, S. 316–342.
52 Luc Boltanski, Distant Suffering. Morality, Media and Politics, Cambridge 1999; Colin Michael Hall and Hazel Tucker, Tourism and Postcolonialism. Contested Discourses, Identities, and Representations, London / New York 2004; Robert Harrison / Terry Newholm / Deidre Shaw, The Ethical Consumer, London u.a. 2005; Alex Nicholls / Charlotte Opal, Fair Trade. Market-Driven Ethical Consumption, London 2005; als quellengesättigte historiografische Studie vgl. jetzt Alexander Sedlmaier, Consumption and Violence. Radical Protest in Cold-War West Germany, Ann Arbor 2014.
53 Vgl. die Rezension von Benjamin Möckel, Jan Eckel, Die Ambivalenz des Guten. Menschenrechte in der internationalen Politik seit den 1940ern. Göttingen 2014, in: H-Soz-u-Kult, 16.01.2015, <http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-22946> (07.10.2015).
54 Anthony Giddens, Modernity and Self-Identity. Self and Society in the Last Modern Age, Cambridge 1991, S. 214.
55 Vgl. meinen ersten Überblick: Detlef Siegfried, Westeuropäische Reaktionen auf das Apartheid-Regime in Südafrika. Eine Skizze, in: Martin Sabrow (Hrsg.), ZeitRäume. Potsdamer Almanach des Zentrums für Zeithistorische Forschung 2010, Göttingen 2011, S. 187–201; vgl. demnächst das Themenheft „Apartheid und Anti-Apartheid – Südafrika und Westeuropa“, Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History 13 (2016), Heft 2, hrsg. von Knud Andresen und Detlef Siegfried.
56 Jens Erik Ambacher / Romin Khan (Hrsg.), Südafrika. Grenzen der Befreiung, Berlin 2010.