Cover
Titel
The Bible comes from Hollywood. 125 Jahre Bibelfilme. Vom Stummfilm zum Blockbuster


Autor(en)
Tiemann, Manfred
Erschienen
Göttingen 2022: Vandenhoeck & Ruprecht
Anzahl Seiten
352 S., 18 SW- und 71 Farb-Abb.
Preis
€ 29,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ronald Funke, Stasi-Unterlagen-Archiv, Bundesarchiv Berlin

Wenige Monate vor seinem Tod mit 74 Jahren im Oktober 2022 veröffentlichte Manfred Tiemann mit dem im Juli erschienenen Buch „The Bible comes from Hollywood“ ein Nachschlagewerk, das einen Großteil seiner über mehrere Jahrzehnte zusammengetragenen Recherchen und Überlegungen zum internationalen Bibelfilm, seiner Genres und Motive sowie seiner Geschichte zusammenfasst. Diesem Thema hatte sich der bis zu seiner Pensionierung als Gymnasiallehrer tätige Tiemann schon lange parallel zu seiner schulischen Arbeit gewidmet. Dabei konnte er sich durch seine frühe Offenheit gegenüber der Bedeutung der Medien sowie ihrem Einsatz in Schule und Gemeinde durchaus einige Anerkennung erwerben.

Leider weist das vorliegende Werk eine ganze Reihe von Unzulänglichkeiten auf, wobei offenbleiben muss, ob es aufgrund des Alters beziehungsweise des Gesundheitszustands Tiemanns zu einer allzu rasch vorangetriebenen Fertigstellung des Manuskripts kam. Schon die zu Beginn aufgelisteten Kriterien für die mögliche Beurteilung von Bibelfilmen bleiben allgemein und stark subjektiv. Als Ausgangspunkt einer Bewertung wären grundsätzlich – je nach Präferenz des Autors beziehungsweise der angestrebten Zielgruppe – durchaus recht unterschiedliche Perspektiven denkbar. Die Interpretation von Bibelfilmen könnte etwa mit der Frage nach der filmischen Repräsentanz von Glaubensüberlieferungen (aus theologischer Sicht), mit der Frage nach den Möglichkeiten der Vermittlung von religiösen Inhalten (aus religionspädagogischer Sicht), mit der Frage nach zeitgenössischem Entstehungskontext und Rezeption (aus filmhistorischer Sicht) oder auch mit der Frage nach der filmischen Qualität (aus cineastischer Sicht) erfolgen. Je nach gewähltem und reflektiertem Standort wären dabei unterschiedliche und auch widersprüchliche Einschätzungen möglich und legitim. Tiemann belässt es allerdings bei einer bloßen Auflistung weitgehend willkürlicher Geschmackskriterien. Unter dem kategorischen Schlagwort „Bibelfilme können und dürfen nicht sein“ (S. 27) folgen etwa unter anderem „Abenteuergeschichten mit Massenszenen und Materialschlachten zur Unterhaltung und Belustigung“ oder „Kolossalgemälde und Historienspektakel“ (ebd.). Demgegenüber ist einzuwenden, dass Filme dies natürlich sein dürfen. Es wäre dann eben nur darauf hinzuweisen, dass sie eher für einen unterhaltsamen Filmabend statt für eine religionspädagogische Auseinandersetzung geeignet sind.

Obwohl Tiemann an verschiedenen Stellen des Buches kürzere eigene Ausführungen zu bestimmten übergeordneten Fragen vornimmt, etwa dem Umgang der Kirchen mit dem Medium Film oder der Diskussion um die grundsätzliche Sinnhaftigkeit von Bibelfilmen, handelt es sich doch ganz überwiegend um eine nach verschiedenen Kriterien geordnete Auflistung und Kurzbeschreibung von Filmen mit weiteren Zusatzinformationen. Dafür hat der Autor offenbar seine über viele Jahre zusammengetragenen Materialsammlungen zu den unterschiedlichsten internationalen Verfilmungen biblischer Stoffe, Pressefunde und Interviews, eigene Notizen und stichwortartige chronologische Aufzählungen, Zitate aus wissenschaftlichen Fachbeiträgen sowie Ausschnitte aus eigenen älteren Veröffentlichungen für das Buch inhaltlich grob geordnet und miteinander verwoben. Durch diesen kompilativen Charakter vermittelt das Werk den Eindruck einer Wunderkammer, die einerseits uneinheitlich und unaufgeräumt erscheint, in der es andererseits aber auch einiges zu entdecken gibt. Davon ausgehend lohnt es sich, das Buch trotz seiner Mängel näher in den Blick zu nehmen.

Statt einer bloßen alphabetischen Ordnung der Filme im Stil eines Lexikons folgt die Auflistung nach verschiedenen Zuordnungskriterien. Im ersten der zwei Hauptkapitel bestehen diese aus inhaltlichen Themenfeldern – etwa Filmen, die für die Mission gedreht wurden, von Antijudaismus geprägten sowie bewusst antisemitisch inszenierten Filmen, gewalttätigen Filmen oder solchen, in denen mit dem traditionellen Jesus-Bild gebrochen wurde. Teilweise sind einzelne Unterkapitel eingefügt, die sich in knapper Form mit Einzelfragen – wie der Figur des Erlösers – beschäftigen oder in denen Filme kommentarlos aufgelistet werden, deren Titel Bibelverse zitieren, etwa „Auge um Auge“ (US 2013) oder „Einer trage des anderen Last“ (DDR 1988). Mitunter erweisen sich manche Kapitel als so kurz, dass zu fragen wäre, ob die Aufnahme wirklich notwendig war. So beschränkt sich etwa der ohnehin thematisch nur sehr lose mit dem Thema Bibelfilme verbundene Blick auf religiöse Darstellungen in Zeichentrickserien auf insgesamt fünfzehn Zeilen, in denen eine bloße Nennung einiger Folgen der Serien „Simpsons“, „South Park“ und „Family Guy“ ohne weitere Einordnung oder Bewertung erfolgt.

Das zweite Hauptkapitel folgt demgegenüber einer chronologischen Ordnung. Hier werden die Entwicklung des Bibelfilms vom Stummfilm, über den Durchbruch des Tonfilms und die Monumentalfilme der 1950er- und 1960er-Jahre, die thematische und stilistische Pluralisierung der Bibelfilme in den 1970er- und 1980er-Jahren sowie die aktuelleren Entwicklungen der 1990er- und 2000er- bis Ende der 2010er-Jahre in den Blick genommen. Sehr kurz, aber ungewöhnlich und positiv hervorzuheben sind hier auch mehrere Unterkapitel, die sich mit der Verfilmung von Stoffen der gemeinsamen abrahamitischen Überlieferung aus jüdischer und islamischer Sicht sowie durch das indische Bollywood-Kino beschäftigen.

Die Beschreibung der in den Hauptkapiteln aufgelisteten Filme ist grundsätzlich nach ähnlichem Muster aufgebaut, variiert aber stark im Umfang und den Zusatzinformationen. Einheitlich sind zumeist die Auflistung der Grunddaten und eine kleine Inhaltszusammenfassung. Dem folgen gelegentlich und in heterogener Zusammensetzung weitere Ausführungen wie Interpretationen, Dialogszenen, Pressezitate oder Interviewausschnitte sowie kleine zusammenfassende Bewertungen. Letztere fallen mitunter recht subjektiv aus – etwa mit dem Hinweis, ein Film beinhalte „viele kitschige Szenen“ (S. 257) – oder zitieren kommentarlos Pressebewertungen. Neben offensichtlichen Bibel-Verfilmungen berücksichtigt Tiemann auch Produktionen, die nur indirekt religiöse Motive aufgreifen – etwa Hollywood-Filme wie „Matrix“ (US 1999) und „The Green Mile“ (US 1999) oder Arthouse-Produktionen wie „Breaking the Waves“ (DK 1996) oder „Chocolat“ (US/UK 2000).

Ähnlich wie bei anderen Filmnachschlagewerken muss konstatiert werden, dass man sich zu bereits bekannten Filmtiteln inzwischen im Internet sicherlich besser und zielgerichteter informieren kann. Hier erweist sich Tiemanns Einordnung der Filme in die diversen thematischen und chronologischen Unterkategorien als Stärke. Über die reine Inhaltsbeschreibung hinaus entsteht so eine Kontextualisierung, die bei Interesse an bestimmten Themen zur Entdeckung unbekannterer Filme führt. So stößt man etwa im Unterkapitel zu Blasphemievorwürfen neben recht bekannten Skandalfilmen wie Herbert Achternbuschs „Das Gespenst“ (BRD 1982) auch auf Produktionen wie „Zombie Jesus!“ (CA 2007) oder „Hitler meets Christ“ (CA 2007). Hier zeigen sich jedoch zugleich auch Recherchefehler. So wurde etwa der laut Tiemann 2008 veröffentlichte „Jesus hates Zombies“ tatsächlich nie fertiggestellt. Zwar ist zu vermuten, dass Filme dieses Genres wohl kaum im Fokus der Zielgruppe des Buches stehen dürften, aber gerade bei unbekannteren Produktionen sollten die Grunddaten verlässlich sein. Hinzu kommen auffällig oft kleinere Nachlässigkeiten in Satzbau und Wortwahl. So schreibt Tiemann etwa zu einer in einem Film vorkommenden strenggläubigen christlichen Gemeinschaft, ihre Angehörigen würden „Homophobie [sic] als gottwidrig streng ablehnen“ (S. 140).

Positiv hervorzuheben sind die verschiedenen Nachschlageformen, welche der Band zu den Filmen bietet. Während wie beschrieben über das Inhaltsverzeichnis nach inhaltlichen oder chronologischen Kriterien gesucht werden kann, finden sich im Anhang ein alphabetisches Register, das allerdings nicht vollständig ist und ohne Begründung nur eine Auswahl von ungefähr 300 der im Werk aufgeführten Filme enthält, sowie eine Auflistung nach biblischen Szenen und Personen. Letztere ermöglicht Interessierten eine genrespezifisch durchaus praktische Suche nach Filmen, in denen bestimmte Figuren des Alten und Neuen Testaments oder auch einzelne Stationen aus dem Leben Jesu besonders thematisiert werden.

Das Buch dürfte damit vor allem für eine Leserschaft relevant sein, die aus privatem Interesse oder für die Arbeit im Religionsunterricht beziehungsweise der Gemeinde ein lexikalisches Nachschlagewerk über Bibelfilme wünscht. Dabei erweist sich als positiv, dass Tiemann über bekannte Beispiele hinaus die Heterogenität der Verfilmung religiöser Motive verdeutlicht und nicht nur zahlreiche internationale Produktionen, sondern auch Filme aus einem ausdrücklich nicht christlichen Kontext berücksichtigt. Wichtige Aspekte – wie feministische Perspektiven oder der über Jahrzehnte hinweg immer wieder auftauchende Antisemitismus zahlreicher Bibelfilme – werden aufgegriffen. Dabei bleibt Tiemann freilich sehr oberflächlich und sprunghaft. Es wird nicht klar, warum bestimmte Filme, die nur lose religiöse Motive aufweisen, aufgenommen sind und zugleich naheliegendere Beispiele fehlen – etwa die verschiedenen Filmadaptionen des Romans „Meister und Margarita“. Allzu allgemein und ohne stringente Argumentation bleiben die Thesen und die gelegentlichen längeren Ausführungen. Die einzelnen Kapitel wirken mit ihrer Zusammenstellung von Filmbeschreibungen, Listen, Interviews und anderen Informationen ungeordnet. Zudem erfolgen die unregelmäßigen Verweise auf die wissenschaftliche Literatur beliebig, vielfach als bloße Textzitate und ohne inhaltliche Auseinandersetzung. Die Filmbeurteilungen erscheinen oft subjektiv sowie teilweise moralisierend. Wissenschaftlichen Ansprüchen genügt das Buch daher insgesamt nicht.

So ist wohl abschließend die große Fleißarbeit Tiemanns beim Zusammentragen der Filmtitel und der Zusatzinformationen zu loben und zugleich hervorzuheben, dass der so kurz vor seinem Tod fertiggestellte Band zahlreiche eklatante Schwächen aufweist. Wer über diese hinwegsehen kann und sich eigene Recherchen im Internet oder der Fachliteratur ersparen will, findet in dem Buch ein niederschwelliges und kompaktes Nachschlagewerk.

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