Cover
Titel
Frieden und Frauenrechte im Kalten Krieg. »Women Strike for Peace« und die amerikanische Frauenrechtsbewegung im Spiegel transnationaler Kooperationen, 1961–1990


Autor(en)
Track, Lara
Anzahl Seiten
350 S.
Preis
€ 50,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Shuyang Song, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Mit der Veröffentlichung ihrer Dissertation liefert Lara Track eine umfassende Monografie über die rund 30-jährige Geschichte des US-amerikanischen Frauenfriedensnetzwerks Women Strike for Peace (WSP). Sie bietet wertvolle Ergänzungen zur bisherigen Forschung und leistet Pionierarbeit in mehreren Bereichen, vor allem über die Entwicklung der WSP ab den 1970er-Jahren und ihre transnationalen Verbindungen im Kalten Krieg.1

Wie alle anderen Frauenfriedensorganisationen spielte die WSP eine doppelte Rolle als friedens- und frauenpolitische Akteurin. Das Verhältnis zwischen Frauenfriedens- und Frauenrechtsbewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt als das zentrale Erkenntnisinteresse des Buches. Track unterscheidet die Begriffe der Frauenrechtsbewegung und Frauenbewegung im folgenden Sinne: Vertreterinnen der Frauenrechtsbewegung machten sich „die Gleichstellung von Frauen in verschiedenen Lebensbereichen“ zum Ziel und seien deshalb feministisch, während eine von Frauen getragene Bewegung (Frauenbewegung) „sich nicht notwendigerweise feministisch verorten muss“ (S. 30). Als Beispiel nennt Track die konservative Frauenbewegung um Phyllis Schlafly gegen das 1972 verabschiedete Equal Rights Amendment (ERA) und damit die Frauenrechtsbewegung.

In der chronologischen Erzählung über friedenspolitische Tätigkeiten der WSP spielt ihre Wahrnehmung von Weiblichkeit immer eine wichtige Rolle. Diese Wahrnehmung analysiert Track auf drei miteinander verbundenen Ebenen: innerhalb der WSP, in Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Frauenrechtsgruppen und im Austausch mit internationalen Frauen(friedens)organisationen. So verbindet die Arbeit drei Forschungsfelder: die historische Friedensforschung, Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie transnationale Geschichte.

Die Arbeit basiert auf umfangreichen Quellen. Zu den schriftlichen Quellen gehören Veröffentlichungen und Unterlagen der WSP auf lokaler und nationaler Ebene sowie Dokumente anderer Organisationen und Personen in Zusammenarbeit mit der WSP. Viele davon werden von Track erstmals für die Forschung über die WSP fruchtbar gemacht. Egodokumente von und Interviews mit ehemaligen Mitgliedern gewähren Einblicke in persönliche Perspektiven. Es gelingt Track, die Fülle der Materialien systematisch zu verarbeiten und die Ergebnisse in sieben klar strukturierten Kapiteln darzustellen. Die fünf Hauptkapitel sind chronologisch angeordnet. Die Unterkapitel beleuchten schlaglichtartig einzelne Themen, Kampagnen und Beispiele der transnationalen Zusammenarbeit im jeweiligen Zeitraum des Kapitels.

Kapitel zwei stellt den Wertekanon und die Öffentlichkeitsstrategie der WSP in ihren Gründungsjahren (1961–1964) dar. Die WSP verstand sich als Zusammenschluss von Frauen aller politischen Überzeugungen, Religionszugehörigkeiten und ethnischen Herkünfte, die sich für die Abrüstung einsetzten. Auf internationalen Kongressen knüpften ihre Mitglieder Kontakte auf beiden Seiten des „Eisernen Vorhangs“ und in blockfreien Staaten. Durch das Auftreten als respektable Damen, besorgte Mütter und (potenzielle) Opfer des Krieges zielten die WSP-Mitglieder darauf, ein breites Publikum im amerikanischen Mainstream anzusprechen und Frauen mit wenig politischer Erfahrung zu mobilisieren. Im Vergleich zur politischen und religiösen Vielfalt erwies sich die Verwirklichung von ethnischer Vielfalt innerhalb der WSP jedoch als schwieriger. In einer aufschlussreichen intersektionalen Analyse führt Track die Dominanz weißer Frauen in der WSP auf ihre Ideale von Frieden und Weiblichkeit zurück.2 Erstens wurde die von der WSP erwünschte achtbare, nicht radikale Weiblichkeit vor allem von Frauen aus mittleren und oberen Schichten vertreten, die zum großen Teil weiß waren. Zweitens erschwerte das anfangs eindimensionale Verständnis der WSP von Frieden als außen- und sicherheitspolitische Frage die Zusammenarbeit mit schwarzen Bürgerrechtlerinnen, die Abrüstung und Bekämpfung von Rassismus für gleichrangige und miteinander verbundene Forderungen hielten.

Der Schwerpunkt von Kapitel drei liegt auf der Kooperation der WSP mit vietnamesischen und amerikanischen Frauenorganisationen in einer vom Vietnamkrieg und der Zweiten Frauenrechtsbewegung geprägten Dekade (1965–1973). Der Austausch habe, so Track, die WSP dazu angeregt, sich für neue, radikalere Protestformen und neue Perspektiven auf Weiblichkeit zu öffnen, die über die traditionelle, friedfertige Weib- und Mütterlichkeit hinausging. Obwohl außenpolitische Anliegen weiterhin die höchste Priorität hatten, kamen soziale Missstände und Gleichberechtigung in den USA zunehmend auf die Agenda der WSP.

Drei Frauenkongresse rund um das Internationale Jahr der Frau 1975 gelten als zentrale Ereignisse in Kapitel vier: die beiden Weltfrauenkongresse 1975 in Mexiko-Stadt und Ost-Berlin, sowie die National Women’s Conference in Houston 1977. Die Teilnahme führender WSP-Mitglieder an allen drei Kongressen zeigt einerseits ihr Interesse an Frauenrechten, andererseits ihren Einsatz dafür, Frieden und nukleare Abrüstung auf die Agenda der Frauenkonferenzen zu bringen. Die WSP-Mitglieder kamen jedoch immer wieder zur enttäuschenden Erkenntnis, dass auch unter Frauen kein selbstverständlicher Konsens über Frieden bestand. Insbesondere in Bezug auf den Nahostkonflikt polarisierten Sichtweisen auf internationalen Kongressen. Interessanterweise fühlten sich viele WSP-Mitglieder dem sozialistisch geprägten Feminismus näher als dem liberalen Feminismus in den USA, weil der Bezug auf Frieden und internationale Politik deutlicher in der Rhetorik sozialistischer Frauenorganisationen hervortrat. Möglicherweise führte diese Nähe zum Sozialismus zum größeren Interesse der WSP am Ost-Berliner Frauenkongress als an dem in Mexiko-Stadt mit Unterstützung der USA. Hier wäre es wünschenswert, mehr über die Konkurrenz der beiden Kongresse als Teil des Kalten Krieges und dessen Wirkung auf die WSP auszuführen.

In der wachsenden antinuklearen Bewegung der 1980er-Jahre sah die WSP einerseits die Chance, jüngere Frauen zu gewinnen, andererseits die Konkurrenz durch andere (Frauen-)Friedensorganisationen. Mithilfe von Interviews mit diesen jungen Mitgliedern, die in der bisherigen Literatur kaum auffindbar sind, erschließt Track in den beiden folgenden Kapiteln die letzten Jahre der WSP. Zu dieser Zeit arbeitete die WSP zunehmend in Bündnissen, sowohl mit pragmatischen antinuklearen Netzwerken als auch mit Gruppen, die sich als radikal feministisch verstanden und eine breitere Definition von Frieden vertraten. Anders als in den 1960er-Jahren wirkten nun europäische Friedensfrauen als Inspiration für die WSP. Am Beispiel der Gruppen in Chicago und Main Line, Pennsylvania stellt Track dar, wie die jüngeren Frauen feministische Impulse in die WSP einbrachten und neue Koalitionen bildeten. Trotzdem gelang es der WSP nicht, hinreichend neue Mitglieder zu gewinnen und die nationale Organisation finanziell abzusichern. Die Erosion des Netzwerks lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen: organisatorische Intransparenz, zunehmende Erwerbstätigkeit der Frauen, sowie die Annäherung der Supermächte, durch welche die Forderungen der WSP weniger dringend erschienen. Nach der Auflösung der WSP 1990 wirkten die von ihren Mitgliedern aufgebauten (Frauen-)Netzwerke in der internationalen Friedensbewegung weiter.

Während die WSP in den frühen 1960er-Jahren auf eine respektable, friedliche und mütterliche Weiblichkeit rekurrierte, wich diese Rhetorik langsam der Forderung nach Gleichberechtigung in der Friedensgestaltung. Das Friedensideal der WSP entwickelte sich von einem negativen Frieden, der sich vor allem gegen Krieg und nukleare Abrüstung richtete, zu einem positiven Frieden, der Protest gegen andere soziale Ungerechtigkeiten einschloss. Soziale Bewegungen in den USA und transnationaler Austausch prägten maßgeblich diese Entwicklung, während der globale Kalte Krieg immer den Rahmen des Austausches bildete und ihren Inhalt beeinflusste.

Lara Tracks Monografie beeindruckt Lesende mit ihrer akribischen Quellenkritik und umsichtigen Rekonstruktion von Ereignissen. Sie erhöht unseren Wissenstand über die WSP erheblich und bietet eine beispielhafte Geschichte des transnationalen Frauenfriedensaktivismus im Kalten Krieg, der über nationale und Parteigrenzen hinausging. In diesem Sinne wäre es wünschenswert gewesen, die WSP verstärkt in Traditionen der internationalen Frauenfriedensbewegung einzuordnen, insbesondere in Bezug auf den maternalistischen Pazifismus und die informellen, brückenbauenden Frauennetzwerke. Auch bleibt im Schlusskapitel offen, inwieweit organisatorische Merkmale der WSP mit ihren inhaltlichen Positionen zusammenhingen. Die lose Struktur der WSP könnte zum Beispiel auf den Wunsch zurückgeführt werden, sie niedrigschwellig für politisch unerfahrene Hausfrauen zu gestalten. Nichtdestotrotz leistet das Buch einen wichtigen Beitrag zum „Gendering“ der Cold War Studies und der historischen Friedensforschung.3

Anmerkungen:
1 Als Standardwerke gelten: Harriet Hyman Alonso, Peace as a Women’s Issue. A History of the U.S. Movement for World Peace and Women’s Rights, Syracuse 1993; Amy Swerdlow, Women Strike for Peace. Traditional Motherhood and Radical Politics in the 1960s, Chicago 1993. Neuere Forschungen unter anderem: Jon Coburn, Making a Difference. The History and Memory of ‘Women Strike for Peace’, 1961–1990, Diss., Northumbria University 2015, https://nrl.northumbria.ac.uk/id/eprint/30339/1/Coburn.jonathan.pdf (27.08.2024).
2 In Einklang mit der Schreibweise im Buch werden in der Rezension „schwarz“ und „weiß“ kleingeschrieben.
3 Vgl. Karen Hagemann / Sonya O. Rose, War and Gender. From the Global Cold War to the Conflicts of the Post-Cold War Era – an Overview, in: Karen Hagemann / Stefan Dudink / Sonya O. Rose (Hrsg.), The Oxford Handbook of Gender, War and the Western World since 1600, Oxford 2020, S. 633–676.

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