Vermutlich wurde und wird viel Zeit und Energie von Frühneuzeithistoriker:innen aufgebracht, um das Währungssystem des Heiligen Römischen Reichs zu verstehen. Schwieriger wird es, wenn zudem konkrete Geldwerte wie Zahlungen, Preise oder Löhne argumentativ in die eigene Arbeit eingebunden werden sollen. Besonders die Beschäftigung mit den zahlreichen Reichsmünzordnungen wirft zumeist mehr Fragen auf als sie beantwortet. Mit „The Silver Empire“ legt Oliver Volckart eine quellennahe Studie vor, die die Prozesse und Ereignisse rund um die Schaffung einer gemeinsamen Reichswährung im Jahr 1559 näher beleuchtet. Damit schließt er eine Lücke in der Forschung zur deutschen Geldgeschichte, die bislang vorwiegend die Entwicklungen des 19. Jahrhunderts in den Blick nimmt.
Volckart bettet seine Untersuchung in den historischen Kontext des 16. Jahrhunderts ein und beginnt seine Erzählung in der wirtschaftlich und kulturell bedeutenden Stadt Augsburg. Diese war nicht nur ein Zentrum des nordeuropäischen Renaissancehandels, sondern auch Schauplatz eines Skandals um einen Münzmeister aus Kaufbeuren im Jahr 1543. Dieser Vorfall, an dem die allgegenwärtige Manipulation von Münzen sichtbar wurde, dient Volckart als eindrucksvolles Beispiel für die Herausforderungen, vor die sich ein dezentrales Währungssystem im Reich gestellt sah, und leitet zugleich das zentrale Thema des Buches ein: Die politische und wirtschaftliche Notwendigkeit der Schaffung einer einheitlichen Währung.
Seine Untersuchung teilt Volckart in zwei große Abschnitte, die jeweils drei Kapitel umfassen. Im ersten Abschnitt analysiert er den politischen und ökonomischen Hintergrund, der zur Augsburger Reichsmünzordnung von 1559 führte. Diese war insofern von immenser Bedeutung, als sie die erste Reichsmünzordnung war, die nachhaltig etabliert werden konnte. Damit steht sie im Gegensatz zum Beispiel zur ersten Reichsmünzordnung von Esslingen aus dem Jahre 1524, die bis auf die Einführung eines Münzgrundgewichts (der Kölner Mark mit einem Gewicht von 233,855 Gramm) keine nennenswerte Wirkung entfaltete. Die Notwendigkeit des Abschieds von 1559 führt Volckart auf die ausufernde Währungsvielfalt und parallele Entwertung der lokalen Währungen durch sinkende Edelmetallgehalte zurück (S. 45–47, siehe auch Tab. 2.2 auf S. 72). Dafür geht er detailliert auf die Währungen im Heiligen Römischen Reich (HRR) und auf die Fragen ein, wie hiermit durch den Geldhandel Gewinne generiert wurden (bes. S. 9–21) und welche kleineren Währungsunionen bereits am Vorabend des Abschieds von 1559 bestanden (S. 34–43).
Im zweiten Kapitel stellt Volckart den alltäglichen Umgang mit Geld und den (teils bargeldlosen) Handel in den Mittelpunkt (S. 48–79). Besonders aufschlussreich ist seine Ausführung, wie sich die Idee einer Währungsunion in der Mitte des 16. Jahrhunderts für die Territorialherrscher zunehmend als attraktiv erwies, eine Durchsetzung jedoch letztlich an den Burgundischen Niederlanden sowie Kurfürstentum und Herzogtum Sachsen scheiterte, solange diese mit ihren überbewerteten Münzen weiterhin Überschüsse zu erzielen vermochten (S. 72–79). Bereits im ersten Kapitel gibt Volckart eine Übersicht über die Funktionsweise des HRR (S. 21–34), die er im dritten Kapitel nun besonders im Hinblick auf Kosten, Ablauf und die involvierten Personen der Reichstage im 16. Jahrhundert detailliert aufbereitet (S. 80–119).
Der zweite der beiden großen Abschnitte beleuchtet den genauen Verlauf der Verhandlungen bis 1559. Zwei Kapitel widmet er den zentralen Fragen der Edelmetallversorgung – Silber (S. 120–152) und Gold (S. 153–188). Besondere Beachtung verdienen dabei seine Ausführungen zum Bimetallismus im HRR sowie der Entstehung der Augsburger Reichsmünzordnung von 1551: Gewissermaßen war damit bereits eine gemeinsame Währung entwickelt worden. Das Scheitern der Ordnung von 1551 – aufgrund fehlender Koordinierung und Akzeptanz in einigen Territorien – und die letztlich erfolgreiche Ausarbeitung des Abschieds von 1559 sind Gegenstand des letzten Kapitels (S. 189–226): Zwischen der wiederum unwirksamen Ordnung von 1551 und den Verhandlungen im Jahr 1559 lagen bedeutsame Jahre, die nicht nur den Augsburger Religionsfrieden (1555), sondern auch neue lokale Münzordnungen (wie Kursachsen 1558) sahen. Die Währungsproblematik blieb damit auf den beiden folgenden Reichstagen der 1550er-Jahre ein großes Thema und ungelöstes Problem. Die Verhandlungen auf dem Reichstag 1558/59 in Augsburg waren schließlich erfolgreich und führten zur Einführung einer gemeinsamen Silberwährung, dem Reichsgulden im Wert von 60 Kreuzern (S. 204–210). Die Währung hielt und führte bis 1571 zu einer Ausweitung des Gebiets mit einheitlicher Währung auf den gesamten inneren Teil des Reiches.
Im Epilog (S. 227–234) reflektiert Volckart die Etablierung des Reichstalers und vergleicht dessen Stabilität mit anderen Währungen wie dem französischen Livre und dem englischen Pfund. Er zeigt, wie die Münzordnung von 1559 zum Erfolg wurde und den monetären Rahmen des Reiches bis zum Dreißigjährigen Krieg prägte. Auch wenn das System späteren Krisen erlag, blieb es als Konzept wegweisend bis zur Entwicklung moderner Währungssysteme im 18. und 19. Jahrhundert.
Dass sich die wichtigsten Aspekte der Geldgeschichte um 1559 hier in wenigen Absätzen wiedergeben lassen, ist der große Gewinn durch Volckarts Werk. Seine Methode, die komplexen und vielschichtigen Prozesse auf dem Weg zur Schaffung einer gemeinsamen Währung vorrangig anhand einer großen Menge von Primärquellen (das Quellenverzeichnis umfasst 109 gedruckte wie ungedruckte Quellen) zu erzählen, geht vollständig auf. Das Buch besticht durch seine quellennahe Darstellung und die gelungene Balance zwischen detaillierter Analyse und narrativer Zugänglichkeit. Komplexe Themen wie Münzprägung und technische Standards werden sorgfältig erläutert, dürften für ein nicht spezialisiertes Publikum jedoch stellenweise herausfordernd bleiben. Der Autor überzeugt jedoch durch eine prägnante Zusammenführung paralleler Prozesse und gelungenes Einflechten lebendiger Details, etwa zur Reisegeschwindigkeit der sächsischen Delegierten (29 Kilometer pro Tag inklusive Pausen, S. 91).
Mit „The Silver Empire“ ist Oliver Volckart eine beeindruckende Studie gelungen, die die Geschichte der ersten gemeinsamen Währung in Zentraleuropa nicht nur für Wirtschaftshistoriker:innen, sondern auch für ein breiteres historisches Publikum aufbereitet. Trotz der vermeintlichen Trockenheit des Themas bietet das Werk einen mitreißenden Einblick in die Dynamiken des 16. Jahrhunderts und füllt eine wichtige Forschungslücke in der deutschen Geldgeschichte.