S. Bernard u. a. (Hrsg.): Making the Middle Republic

Cover
Titel
Making the Middle Republic. New Approaches to Rome and Italy, c.400–200 BCE


Herausgeber
Bernard, Seth; Mignone, Lisa Marie; Padilla Peralta, Dan-el
Erschienen
Anzahl Seiten
XVIII, 334 S.
Preis
€ 125,30
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernhard Linke, Historisches Institut, Ruhr-Universität Bochum

Die mittlere römische Republik, die lange Zeit im Schatten der Forschung stand, zieht in den zurückliegenden Jahren wieder mehr Aufmerksamkeit auf sich und so reiht sich der vorliegende Band in eine erfreuliche Zahl an Publikationen zu dieser zentralen Thematik der Alten Geschichte ein. Ein wichtiger Grund für das gestiegene Interesse liegt in der Tatsache begründet, dass die archäologische Forschung – wie schon länger für den griechischen Kulturraum – sich nun auch für das republikanische Italien stärker den Fragen der Siedlungs- und Wirtschaftsarchäologie widmet. Der vorliegende Band möchte eine erste Bilanz dieser Anstrengungen mit neuen Ansätzen der historischen Analyse verknüpfen. Entsprechend hat er einen zweiteiligen Aufbau: Auf eine Einleitung der Herausgeber, die die Fragestellung des Bandes erläutert und dann einen inhaltlichen Ausblick auf die vertretenen Abhandlungen bietet, folgt zunächst ein Block von vier an literarischen Quellen orientierten Aufsätzen. In einem zweiten Hauptteil finden sich dann sechs auf materielle Quellen fokussierte Analysen, von denen die letzten drei noch unter der gesonderten Kategorie „Architektur und Kunst“ zusammengefasst werden.

Der Aufsatz von Parrish Wright und Nicola Terrenato, der den Auftakt der literal basierten Analysen bildet, widmet sich der Frage, ob man aus den Namensbeständen, die uns die römischen Konsularfasten bieten, Rückschlüsse auf regionale und soziale Mobilitätsphänomene ziehen kann. Die beiden Verfassenden bejahen dies und denken, dass die regionale Zuordnung erweise, dass eine beachtliche Zahl römischer Obermagistrate familiäre Wurzeln außerhalb des römischen Kontextes besäßen. Damit sei eine relativ hohe Elitenmobilität belegt. In der zweiten Untersuchung stellt James Tan die These auf, dass die Einführung des tributum als direkter Steuer zur Entstehung einer weit umspannenden personellen Vernetzung unter den römischen Bürgern geführt haben muss. Die für die lokale Erhebung der Steuer verantwortlichen tribuni aerarii hätten in ihrem Umfeld die Steuer eingezogen und mussten für die Gesamtsumme gegenüber dem Staat persönlich haften. Aus dieser hybriden Konstellation hätte sich eine komplexe soziale Verflechtung ergeben, in der Hunderte von Aerartribune eine Scharnierfunktion zwischen Bürger und Gemeinwesen erfüllten, deren Auswirkungen angesichts der ökonomischen Bedeutung des tributum erheblich war. Direkt daran anschließend untersucht Nathan Rosenstein mögliche ökonomische Gründe für die Eingliederung von besiegten Feinden als Bürger ohne Stimmrecht. Aus seiner Sicht ging es weniger darum, die Zahl der Soldaten zu vergrößern, sondern die primäre Motivation habe darin bestanden, die Relation zwischen Zahlern und Empfängern des tributum bzw. stipendium zu verbessern. Die neuen Bürger wurden weniger in das Militär einbezogen, daher zahlte ein höherer Anteil von ihnen die Kriegssteuer. Auf diese Weise sicherten die neu Eingegliederten die ökonomische Basis für die weitere Expansion. Walter Scheidels Vergleich der mittelrepublikanischen Sklaverei mit analogen Phänomenen im Sudan des 18. und 19. Jahrhunderts schließt diese Sektion des Buches ab. Scheidel meint, dass die komparative Fixierung vor allem auf die Sklaverei in den frühen USA zu sehr auf die Problematik der Massensklaverei fokussiert ist, die erst später auftrat. Durch den Abgleich mit der eher häuslich orientierten Sklaverei im Sudan, die eine ganz andere Rahmung bildete, könnten die frühen Formen der Sklaverei in Rom besser verstanden werden.

Der zweite Teil des Buches, der drei Aufsätze zu den „material sources“ umfasst, beginnt mit der Untersuchung von Liv Mariah Yarrow zu den frühen Zahlungsmitteln aus schwerer Bronze. Auf der Basis einer umfassenden Dokumentation der vorhandenen Bronzeobjekte kommt die Autorin zu dem Schluss, dass das ungewöhnlich lange Festhalten an der Bronze in Rom weniger ökonomische, als vielmehr mentale und symbolische Ursachen hatte. Es ging um eine Demonstration des Wohlstandes. Daher wurden auch die alten – oft komplexen und heterogenen – Maß- und Gewichtseinheiten beibehalten, weil deren bekannte Größenordnung am effektivsten diese Botschaft vermittelten. Tymon de Haas widmet sich im Anschluss der ländlichen Transformation in der mittleren Republik. Um dieses weitreichende Anliegen umzusetzen, wertet er die wichtigsten Ergebnisse der großen Survey-Projekte aus und führt sie in Form von Synopsen zusammen. Insgesamt gibt er einen beeindruckenden Überblick über den aktuellen Stand der wirtschafts- und siedlungsarchäologischen Forschung. Die differenziert dargestellten Erkenntnisse weisen an vielen Orten auf eine Dynamisierung der Größen von landwirtschaftlichen Betrieben hin und lassen sich auf diese Weise in Einklang mit den antiken Darstellungen zur römischen Expansion in Mittelitalien in dieser Epoche bringen. Diese wirtschaftliche Perspektive vertieft auch der Folgebeitrag von Angela Trentacoste und Lisa Lodwick, die die langfristigen, agro-ökonomischen Tendenzen untersuchen. Für die in Frage stehende Periode sehen sie beim Getreideanbau eher Kontinuitäten, bei der Viehhaltung aber den eindeutigen Trend zur vermehrten Haltung von Schweinen, aber auch Hühnern. Beiden Aufsätzen gemein ist die Erkenntnis, dass der urbane Aufstieg Roms auch Spezialisierungstendenzen, z. B. im Wein- und Olivenanbau, förderte.

Der dritte Hauptteil zu Architektur und Kunst wird vom Beitrag von Dominico Palombi eingeleitet, der den eigenständigen Beitrag der Latinerstädte bei der Entwicklung der typischen Infrastruktur von Siedlungen im Rahmen der römischen Expansion hervorhebt. Daran schließen sich Überlegungen von Penelope Davies zur urbanen Architektur im 4. und 3. Jahrhundert an. Die Autorin hebt eindeutige innovative Tendenzen hervor, die sich vor allem in der Neugestaltung der gebauten Tempel niederschlug. Statt wie die alten Gebäude aus dem 6. und 5. Jahrhundert mit der betonten Frontalität der Gebäudezugänge den Aspekt des selektiven und hierarchisierten Zuganges zu den sakralen Mächten zu betonen, weisen die neuen Säulenumgänge eher auf eine breiter gestreute und offenere Zugangskonstellation zur religiösen Sphäre hin. Gerade in der inszenierten Gleichzeitigkeit architektonischer Diachronie, die sich auch in der Renovierung alter Gebäude niederschlug, konnten die führenden Kreise schon symbolisch ganz unterschiedliche Akzente durch die Bezüge zur Architektur setzen. Im letzten Beitrag zu der Oberthematik analysiert Seth Bernard kampanische Fresken. Er räumt selbst ein, dass die Wandmalereien aufgrund des Fehlens einer epigraphischen Begleitung anonym sind und wir die konkreten Absichten der Auftraggeber nicht kennen. Trotz dieses eingeschränkten Kontextwissens sieht er in den Darstellungen einen klaren Hinweis auf Veränderungen in der kampanischen Elite, die sich zunehmend der römischen Oberschicht und ihrer Orientierung auf staatliche Funktionswahrnehmung angepasst habe. Am Abschluss des Bandes stehen zusammenfassende Erwägungen von Christopher Smith, die eine Übersicht zu grundlegenden Entwicklungen im Rom des 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. in rechtlicher, religiöser und politischer Hinsicht geben.

Will man den Gesamteindruck des Bandes vorwegnehmen, so kann man nur sagen, dass er sehr gelungen ist. Er enthält eine beachtliche Anzahl von Beiträgen, die erfolgreich das Ziel verfolgen, den komplexen Forschungsstand sinnvoll zu synthetisieren, größere Fragestellungen aufzuwerfen und dabei überzeugende Perspektiven für eine konstruktive Zusammenschau archäologischer Fakten und historischer Abläufe zu bieten. Gerade der letztere Aspekt arbeitet erfreulich der in der zurückliegenden Zeit festzustellenden Tendenz entgegen, die narrativen Informationen zugunsten der materiellen Funde abzuwerten. Für die historische Analyse haben die Aufsätze von James Tan und Nathan Rosenstein eine besondere Bedeutung. Tans brillante Analyse der organisatorischen Notwendigkeiten bei der dezentralen Erhebung des tributum werfen ein Schlaglicht auf die Beteiligung breiter Bevölkerungsteile bei der Organisation der Expansion jenseits der so oft vorgenommenen Fokussierung auf eine kleine Führungsschicht. Die Konsequenzen dieser Überlegungen wirken viel weiter, als der Autor in seiner konzentrierten Analyse darstellen kann. Um so wichtiger ist es, dass Rosenstein diese fokussierten und innovativen Überlegungen in eine allgemeine Rekonstruktion der Bedeutung des tributum in der mittleren Republik einbettet und deren hohe gesellschaftliche Relevanz damit noch einmal deutlich unterstreicht. Von besonderer Qualität sind auch die Aufsätze, in denen die umfangreichen archäologischen Forschungsanstrengungen des letzten Jahrzehnts zu den Siedlungsstrukturen und der architektonischen Entwicklung aufgearbeitet werden. Hierbei profitiert der Leser nicht nur von der umsichtigen Komprimierung der Daten, sondern auch von den reflektierten methodischen Überlegungen, die vor einseitigen Rückschlüssen warnen und alternative Interpretationsoptionen offenlegen. Resümierend lässt sich festhalten, dass die Lektüre des Bandes dem Leser eine Vielzahl anregender Informationen und innovativer Denkanstöße gibt. In einer Zeit, in der die Forschungslandschaft durch die Steigerung singularisierender Komplexität eher zentrifugale Kräfte fördert, wünscht man sich mehr von dieser zusammenführenden Kraft, die der vorliegende Band ausstrahlt.

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