Nach nicht einmal einem Jahr Projektlaufzeit ging im Dezember 2021 Mannheims neues Webportal „MARCHIVUM Druckschriften digital“ an den Start. Als eines der ersten kommunalen Archive Deutschlands bietet das MARCHIVUM eine eigene zeitgemäße Präsentation seiner historischen Zeitungsbestände an. Die historische Recherche kann dank Kalenderfunktion und Volltexterkennung einfach von zu Hause aus erledigt werden.
In den Magazinen des MARCHIVUM sind in fast lückenloser Überlieferung sämtliche Tagesausgaben der Zeitungen „Hakenkreuzbanner“, „Neue Mannheimer Zeitung“ sowie deren Vorgänger „Badische Volks-Zeitung“, „General-Anzeiger der Stadt Mannheim“ und „Mannheimer General-Anzeiger“ erhalten geblieben. Sie decken damit zusammen einen Zeitraum von 60 Jahren, von 1885 bis 1945, ab. In dieser Vollständigkeit sind diese über 38 000 Tagesausgaben eine bedeutende historische Quelle, um die Entwicklung Mannheims und des Südwestens in der Kaiser-, Weimarer- und NS-Zeit nachvollziehen zu können.
Die Zeitungen selbst sind zum Teil in einem äußerst schlechten physischen Zustand. Insbesondere die Säurehaltigkeit des Papiers macht dieses äußerst brüchig, sodass die Vorlage im Lesesaal im Regelfall nicht mehr in Frage kommt. Auch die Scans vom Mikrofilm erwiesen sich häufig als unscharf und damit nur schwer lesbar. Eine Digitalisierung der Originale war daher dringend notwendig.
Vor diesem Hintergrund bot sich eine vielversprechende Möglichkeit, als die Bundesregierung im Herbst 2020 angesichts der Corona-Pandemie unter Federführung der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) das Rettungs- und Zukunftsprogramm „Neustart Kultur“ für den Kultur- und Medienbereich auflegte. Ziel war es dabei, den Kulturbetrieb und die kulturelle Infrastruktur nachhaltig zu fördern. Das Teilprogramm „WissensWandel“ sollte Archive und Bibliotheken unterstützen, den digitalen Wandel in ihren Institutionen weiter voranzutreiben. Diese Möglichkeit wurde seitens des MARCHIVUM aufgegriffen, indem es einen Förderantrag zum Thema „Mannheims historische Zeitungen online“ einreichte, der im Januar 2021 mit einer Summe in sechsstelliger Höhe positiv beschieden wurde.
Die Digitalisierung der rund 300 Zeitungsbände mit über 360.000 Einzelseiten und einem Gesamtgewicht von mehreren Tonnen erforderte einen enormen logistischen Aufwand. Gleichzeitig galt es behutsam vorzugehen, um den fragilen Bestand nicht noch mehr zu gefährden. Für einen Großteil des Materials wurde ein externer Dienstleister beauftragt, der die Digitalisierung von Frühjahr bis Herbst 2021 durchführte. Auch bei der Auswahl und Konfiguration der Präsentationsplattform wurde größter Wert auf einfache Handhabung und Benutzerfreundlichkeit gelegt. Wo Nutzer*innen bislang dicke Zeitungsbände wälzen mussten, um eine Tagesausgabe zu finden, genügt nun ein Klick auf einen digitalen Kalender auf der Webseite und man bekommt die gewünschte Tagesausgabe in einem komfortablen Viewer angezeigt. Dieser bietet umfangreiche Anzeige-, Zoom-, und Downloadmöglichkeiten, sowie Share-Buttons für Social Media.
Großer Wert wurde auch auf die Volltexterkennung des gesamten Bestandes gelegt. Beratend und unterstützend stand dem MARCHIVUM bei diesen Fragen dankenswerterweise das Kompetenzzentrum OCR-BW der Universitätsbibliotheken Mannheim und Tübingen zur Seite. Mithilfe dieser von ihnen weiterentwickelten Software haben die Digitalisierungsexpert*innen der Universitätsbibliothek Mannheim schließlich auch die Volltexterkennung für das Projekt des MARCHIVUM durchgeführt. Dank dieser Volltexterkennung kann der gesamte Zeitungsbestand systematisch nach Stichwörtern durchsucht werden. Besonders für Personen- und Ortsrecherche ist die Plattform damit zum unverzichtbaren Arbeitstool geworden und bildet somit einen weiteren wichtigen Baustein im digitalen Angebot des MARCHIVUM.
Mit dem Projekt möchte das MARCHIVUM bewirken, dass sich wissenschaftlich und historisch Interessierte quellennah mit den Schlüsselepochen des 19. und 20. Jahrhunderts auseinandersetzen können. Derzeit laufen bereits verschiedene Kooperationsprojekte mit dem Historischen Institut der Universität Mannheim (Thema NS-Täterforschung) sowie dem Leibniz-Institut für Europäische Geschichte Mainz (Thema Kolonialismus). Für beide Forschungsvorhaben bieten die Zeitungen hervorragendes Quellenmaterial. Insbesondere junge Menschen möchte das MARCHIVUM erreichen und sie dazu anregen, über die Gefährdung durch Extremismus und die Bedeutung demokratischer Werte zu reflektieren. Folgerichtig soll das Portal auch in gemeinsamen Schulprojekten und im NS-Dokumentationszentrum des MARCHIVUM, das Ende 2022 eröffnet wurde, zum Einsatz kommen.
In Zukunft sollen sukzessive weitere Zeitungen und andere Druckwerke zur Mannheimer Stadtgeschichte hinzugefügt werden. Zurzeit werden beispielsweise die Theaterzettel des Mannheimer Nationaltheaters aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert in dem Crowdsourcing-Projekt "Zettelschwärmer" erfasst.
Das Portal ist barriere- und kostenfrei zugänglich über die Homepage des MARCHIVUM, Rubrik Recherche/Datenbanken https://www.marchivum.de/de/recherche/datenbanken bzw. direkt unter https://druckschriften-digital.marchivum.de
MARCHIVUM Druckschriften digital ist ein Projekt im Rahmen von „WissensWandel. Digitalprogramm für Bibliotheken und Archive innerhalb von NEUSTART KULTUR“ des Deutschen Bibliotheksverbands e.V. (dbv). Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.