Zeitschrift für Genozidforschung 7 (2006), 1

Titel der Ausgabe 
Zeitschrift für Genozidforschung 7 (2006), 1
Weiterer Titel 
Motive der NS Anhänger

Erschienen
Paderborn 2006: Wilhelm Fink Verlag
Erscheint 
halbjährlich
Anzahl Seiten
176 Seiten
Preis
€ 21,00

 

Kontakt

Institution
Zeitschrift für Genozidforschung. Zeitschrift des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung der Ruhr-Universität Bochum
Land
Deutschland
c/o
Dr. Medardus Brehl (verantwortlich), Institut für Diaspora- Genozidforschung an der Ruhr-Universität Bochum, D-44801 Bochum Tel.: +49 (0)234/32 29702, Fax: +49 (0)234/32 14770
Von
Brehl, Medardus

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

das neue Heft der Zeitschrift für Genozidforschung ist soeben erschienen. Sie können die Zeitschrift über den Buchhandel oder direkt über den Verlag (www.fink.de) beziehen. Die Zeitschrift für Genozidforschung erscheint halbjährlich. Der Jahresbezugspreis beträgt 34,90 Euro, für Studierende 27,90 Euro. Das Einzelheft kostet 21,00 Euro, incl. MWst., zzgl. Versandkosten. Die Redaktion lädt zur Einsendung von Manuskripten ein, über die Veröffentlichung entscheidet ein peer-review Verfahren. Weitere Informationen zur Zeitschrift finden Sie auf unserer Homepage http://www.ruhr-uni-bochum.de/idg/zeitschrift/index.shtml

Editorial

Die vorliegende Ausgabe gibt gleich vier aktuellen Forschungsperspektiven Raum – und ihren Hinterfragungen.

Dabei bestimmt einen ersten Schwerpunkt die detaillierte Analyse von Alexander Neumann, Petra Peckl und Kim Priemel zu den Karrieren einer Gruppe junger SS-Offiziere. Die Aufarbeitung der Handlungsspielräume dieser Offiziere und die Schlüsse sowohl für die Möglichkeiten des eigenverantwortlichen Handelns als auch die tatsächliche eigenverantwortliche Ausgestaltung sind dabei vor dem Hintergrund der jüngsten NS-Täterforschungen zu sehen. So rückte in den letzten Jahren verstärkt die Heterogenität der biographischen und auch lebensweltlichen Einbindungen der Täter ins Blickfeld der historischen Forschung. Dies warf aber wiederum die Frage auf, was das Verbindende unter den jungen Männern war, die in den Einsatzgruppen in enger Kameradschaft und Solidarität gemeinsame Ziele entwickelten. Dem Bemühen, das Handeln dieser Offiziere nachzuzeichnen und dabei nicht zuletzt auch den Einfluß der Gruppe einzubeziehen, folgt die dichte Arbeit der Autoren.

Ebenfalls in einer hochaktuellen Diskussion, in der sich zudem wissenschaftliches und öffentliches Interesse schneiden, befindet sich die Analyse von Karin Scherschel zur Frage nach den Ursachen des Rechtsextremismus. Dabei gelingt es ihr, auf überraschende Forschungsdefizite aufmerksam zu machen. Indem sie anknüpft an die »klassische« Rassismusforschung, und diese mit einer detaillierten empirischen Analyse verbindet, wird nachdrücklich deutlich, daß die systematische Abwendung von der ideologischen Dimension der Rasseidee zu Unrecht erfolgte. Die Konzentration auf sozialstrukturelle Phänomene, die die Forschung der letzten zehn Jahre bestimmte, hat verdeckt, daß die Ausgrenzung Anderer vor allem auf dem Wissen um deren Nicht-Integrierbarkeit basierte. Wo es der Autorin gelingt, die Nachzeichnung der wissenshistorischen Entwicklung der Rasseidee und eine wissenskritische Analyse von Interviewaussagen zu verbinden, wird ein beispielhafter interdisziplinärer Analyserahmen entwickelt, der die Komplexität von sozialen, psychologischen und weltanschaulichen Aspekten nicht zugunsten einfacher Antworten ableugnet.

Erinnerung hat Konjunktur. Aber auch wissenschaftliche Relevanz? Es ist sicherlich nicht überraschend, daß sich neben der öffentlichen und politischen Faszination für eine Verzeihung (und Vergessen!) versprechende Erinnerung nur wenige analytische Auseinandersetzungen finden. Christina Kleiser erarbeitet systematisch die Positionen in Avishai Margalits Ethik der Erinnerung, um diese kritisch anhand von Fragen zu diskutieren, die für die gesamte Gedächtnisforschung von höchster Relevanz sein müßten: Was hat eigentlich Erinnerung mit der Aufarbeitung von Vergangenem zu tun, was mit einer Konzeptionalisierung für eine Zukunft? Wird in unserem heutigen Reden von Erinnerung nicht zu stark jenes Differenzierungspotential harmonisiert, das ein Reden von Erinnerung erlaubt? Wie ist die Idee einer »geteilten Erinnerung« überhaupt zu verstehen?

Es verlangt Aufmerksamkeit, daß parallel zu den Bemühungen in der historischen Forschung, das »Normale« der NS-Täter zu betonen, das Festhalten an »pathologisierenden« Erklärungsmustern mehr als nur Bestand zu haben scheint. Im Gegenteil haben die öffentlichen Diskussionen um den Film Der Untergang gezeigt, daß sich die These des verführten deutschen Volkes auch heute noch problemlos aktualisieren läßt. Stephan Marks stellt im Fokus Ergebnisse eines Forschungsprojekts zur Diskussion, das nach der Motivlage der breiten Anhängerschaft des Nationalsozialismus fragt. Die Forschungsprozesse des empirischen Projekts selbst, so zum Beispiel auch Übertragungsreaktionen, mit durchsichtig machend, wird nach dem »Rauschbedürfnis« der Menschen gefragt, daß die Bewegung zu erfüllen versprach.

Die Beiträge des vorliegenden Heftes der Zeitschrift für Genozidforschung sind nahezu ausschließlich an Forschungsfragen um den Nationalsozialismus konzentriert: als Herausgeber möchten wir dies als ein positives Zeichen werten, denn die junge Generation der Forscherinnen und Forscher läßt sich nicht davon irritieren, daß in der Forschungsförderungs-politik der Bereich des Nationalsozialismus zunehmend als uninteressant gilt und man hört, »daß jeder Stein« in diesem Forschungsbereich, »bereits dreimal umgedreht worden sei«.

Wir freuen uns besonders, daß die aktuellen Analysen zu Einzelfragen der nationalsozialistischen Gesellschaft und Politik sich freigemacht haben von der Verbannung der Jahre 1933-45 in eine Zeit außerhalb der Geschichte und ganz selbstverständlich, so auch die Beiträge des vorliegenden Bandes, Kontinuitäten ins Vorher und Nachher verfolgen.

Inhaltsverzeichnis

Artikel

Alexander Neumann, Petra Peckl, Kim Priemel:
Praxissemester »Osteinsatz«. Der Führernachwuchs der Sipo
und der Auftakt zur Vernichtung der litauischen Juden
S. 8-48

Karin Scherschel:
Aufgeklärtes Denken und Abwertung ethnisch Anderer -
historische und aktuelle Aspekte
S. 49-71

Christina Kleiser:
»The ethics of memory« von Avishai Margalit
S. 72-101

Stephan Marks:
Motive der NS-Anhänger
S. 103-120

Rezensionen:

Paula Diehl: Macht – Mythos – Utopie. Die Körperbilder der SS-Männer, Berlin: Akademie-Verlag 2005 (Käte Meyer-Drawe, Bochum)

Robert Kriechbaumer (hg.): Österreich! und Front Heil! Aus den Akten des Generalsekretariats der Vaterländischen Front. Innenansichten eines Regimes, Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2005 (Florian Wenninger, Wien)

Sybille Steinbacher: Auschwitz. A History, London: Penguin / New York NY: Ecco 2005 (Klaus-Peter Friedrich, Marburg)

Sybille Steinbacher: Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte, München: C. H. Beck 2004 (Klaus-Peter Friedrich, Marburg)

Jonathan Huener: Auschwitz. Poland and the Politics of Commemoration, 1945-1979, Athens OH 2003 (Klaus-Peter Friedrich, Marburg)

Peter Imbusch: Moderne und Gewalt. Zivilisationstheoretische Perspektiven auf das 20. Jahrhundert, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften (Matthias Schöning, Konstanz)

André Glucksmann: Hass. Die Rückkehr einer elementaren Gewalt, München/Wien: Nagel und Kimche 2005 (Egbert Witte, Bochum)

J. C. [Johannes Cornelius] Otto: Die Konsentrasiekampe, Pretoria: Protea Boekhuis 2005 (Ulrich van der Heyden, Berlin)

Ulrike Jureit / Michael Wildt (hg.): Generationen. Zur Relevanz eines wissenschaftlichen Grundbegriffs, Hamburg: Hamburger Edition 2005 (Ruth Großmaß, Berlin)

Herfried Münkler: Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten, Berlin: Rowohlt Berlin 2005 (Ismail Küpeli, Duisburg)

Forschungsbibliographie
Schwerpunkt: Auswahlbibliographie von Neuerscheinungen, Mai 2005 und September 2006

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