Hiphop in der Romania
Dieser Band fasst die Ergebnisse eines Internationalen Symposiums zum Thema: "HipHop in der Romania" zusammen, das am 10. Juni 2006 in Frankfurt am Main im Studierendenhaus auf dem Campus Bockenheim stattfand. Diese Zusammenkunft, die HipHop ins Zentrum stellte und als Workshop für Studierende ausgerichtet war, ordnet sich in eine Reihe von Veranstaltungen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis ein, die in der jüngeren Vergangenheit im deutschsprachigen Raum stattfanden und deren Ergebnisse teilweise publiziert vorliegen. Im Unterschied zum wegweisenden Band von Androutsopoulos, der sich als "die erste umfassende Fachtextsammlung über HipHop im deutschsprachigen Raum" (J. Androutsopoulos (Hg.) , HipHop Globale Kultur - lokale Praktiken, Bielefeld 2003, S. 14) versteht und ein faszinierendes interdisziplinäres Panorama der Möglichkeiten theoretischer und praktischer Beschäftigung mit HipHop aufzeigt, wählt der vorliegende Band einen anderen, romanistischen Zuschnitt. Obwohl in Umfang und Anspruch bescheidener, bieten diese "Grenzgänge" dennoch Neues. Indem sie versuchen, HipHop nicht ausschließlich aus dem Blickwinkel wissenschaftlicher Forschung zu betrachten, sondern als Teil gesellschaftlicher Praxis zu verstehen, an der Akteure der Szene-Kultur ebenso wie Akteure des Wissenschaftsbetriebes, Lehrende und Studierende, partizipieren, greift er eine Sichtweise auf, die zwar in der akademischen Diskussion nicht gänzlich neu ist, zu der bislang jedoch kaum Dokumente vorliegen. Um den Aspekt gesellschaftlicher Praxis greifbar zu machen, versuchen wir deshalb, neben der wissenschaftlichen Auseinandersetzung auch den Werkstattcharakter der Veranstaltung einzufangen und das Ereignis selbst als einen Schauplatz sozialer Interaktion und der Aushandlung sozialer Bedeutungen zu verstehen. Ausgehend von diesem Schauplatz und in Anlehnung an das HipHop-Leitbild des "Connectens" suchen wir im Weiteren auch nach jenen Linien der Vernetzung, die von den Gestaltern des Symposiums zu anderen Akteuren und Ereignissen führen, und somit jenseits der räumlich-zeitlichen Koordinaten der Campus Veranstaltung liegen. In drei Unterpunkte strukturiert, ließe sich das Anliegen des Bandes folgendermaßen zusammenfassen. Erstens soll der Kreis schreibender Akteure erweitert und damit das Spannungsfeld unterschiedlicher Sichtweisen auf HipHop als gesellschaftliche Praxis breiter ausgelotet werden. Neben wissenschaftlichen Perspektiven, die durch professionelle akademische Autoren beigetragen werden, kommen ebenso Studierende wie Professionelle der deutschen HipHop-Szene zu Wort, wodurch sich unterschiedliche Standpunkte und Formen der Reflexion und Selbstreflexion gegenüber stehen. Zweitens wird das Symposium nicht nur als punktuelles Ereignis und als in dessen zeitlicher und räumlicher Abmessung gefasster Gegenstand einer wissenschaftlichen Publikation verstanden. Vielmehr geht es in der Metaphorik zeitgenössischer Netzwerktheorien darum, das Ereignis als Kreuzungspunkt zu verstehen, an dem verschiedene Verbindungslinien zusammenlaufen und von dem weitere Entwicklungen ausgehen. So verbinden sich im Symposium die TeilnehmerInnen und die Arbeit von zwei Seminaren, die die Herausgeber im Sommersemester 2006 veranstalteten. Darüber hinaus fließen in die Publikation Aspekte von Folgeveranstaltungen ein, wie das Graffiti-Festival Meeting of Styles in Mainz oder studentische Arbeiten, die im angrenzenden Umfeld "nachbereitenden" Aktivitäten des Symposiums bzw. Workshops entstanden. Damit verfolgen wir zumindest ausschnittweise die komplexe Gestaltung von sozialen Netzwerken, in die unterschiedliche Akteure, Lehrende, Studierende und HipHop-Vertreter eingebunden sind. Ein besseres Verständnis dieser Prozesse kann, so unser Argument, letztlich auch sinnvoll als Ressource zur Gestaltung akademischer Lehre genutzt werden. Drittens gehört diese Publikation zu den ersten im deutschsprachigen wissenschaftlichen Umfeld, die dem Umstand Rechnung zu tragen, dass HipHop-Kultur multimedial ist und nur mehr fragmentarisch und reduziert im Code der Print-Publikation angemessen wiedergegeben werden kann. Die gängige Dimension von Text und Bild-Dokumenten erweitern wir mit einer multimedialen Dokumentation, die neben Fotos auch Musikbeispiele und einen Videofilm (Achtung: 190 MB) enthält. Gabriele Budach & Martin Petrus
Susanne Stemmler 'Nuyorican' und 'Latino' Rap - eine musikalische Geschichte aus Afro-Latino New York
Rap auf Spanisch, Spanglish und Reggaetón (ein Mix aus Rap und Reggae), sowie Mischungen aus karibischen und nord-afro-amerikanischen Musikstilen erleben gegenwärtig in New York und anderen Städten der USA einen Aufschwung. Das Label ‚Latino' dient einerseits als Marketing-Strategie, ist aber zugleich auch konzeptuelle Selbstdefinition eines in den USA kontinuierlich anwachsenden spanischsprachigen Bevölkerungsanteils aus Süd- und Mittelamerika sowie der Karibik. An der Herausbildung der HipHop-Kultur in New York seit Mitte der Siebziger Jahre hatte diese Gruppe einen maßgeblichen Anteil. Das gilt insbesondere für die Einwanderer von der Karibikinsel Puerto Rico, die mit der Stadt New York eine lange Geschichte teilt. Mein Beitrag zeichnet diesen Teil der New Yorker HipHop-Geschichte bis in die Gegenwart nach und stellt seine sprachlich-musikalischen Facetten sowie einige ihrer Protagonisten vor. Dabei stehen die komplexen Verschränkungen afro-nordamerikanischer und afro-karibischer Ausdrucksformen im Zentrum, die zur Klanglandschaft von Afro-Latino-New York verschmelzen. Sie zeigen, dass sich die gesellschaftlichen Konstruktionen von race und ethnicity komplex und vielfältig überlagern.
Mela Sarkar " La vraie langue française [n]'existe plus ! "Français parlé et pratiques multilingues comme stratégies identitaires dans le rap montréalais
Dans ce bref portrait sociolinguistique de la culture hip-hop de Montréal, au Québec (province canadienne dite unilingue française), Mela Sarkar et son équipe de recherche de l'Université McGill confrontent les défenseurs de la " Québéquicité ", c'est-à-dire être blanc et parler français avec l'accent approprié, aux pratiques multilingues du hip-hop montréalais. En effet, les jeunes de la génération hip-hop au Québec inventent un nouveau langage hybride et mixte, né de l'amalgame des langues d'origines diverses que l'immigration et les politiques linguistiques ont introduites dans les écoles québécoises de langue française. Les pratiques multilingues qu'ont créées les jeunes rappeurs québécois scolarisés en milieu multiethnique montréalais agissent comme des stratégies d'affirmation identitaire pour toute une génération. Les aspects suivants sont abordés: 1.Aperçu du développement historique du français parlé au Québec; 2. La culture hip-hop, ses détours, et son arrivée au Québec; 3. Les politiques linguistiques au Québec et leurs effets; 4. Langue, couleur et identité au Québec: la " Québéquicité "; 5. Le hip-hop montréalais et les pratiques multilingues; et finalement, 6. Contre la Québéquicité: l'appartenance dans la communauté hip-hop à Montréal.
Arno Scholz Periodisierung und Glokalisierung im italienischen Rap 1983-2005
Italienischer Rap ist in Deutschland, auch wegen der Sprachbarriere, kaum bekannt, obwohl in Italien eine recht vielfältige HipHop-Kultur besteht. Nur selten wird in Deutschland in Szene-Magazinen über Italien berichtet, doch insgesamt herrscht Informationsbedarf, v.a. was die Entwicklung des Rap in Italien betrifft. Der vorliegende Beitrag soll Folgendes leisten: einen kurzen historischen Überblick geben, aufzeigen, wie und seit wann sich Rap in Italien entwickelt hat, eine Periodisierung vorschlagen, d.h. eine in Geisteswissenschaften übliche Einteilung in historische Phasen, die sich durch besondere Merkmale deutlich voneinander abheben. Im Anschluß werden einige Strategien der Glokalisierung vorgestellt, die in den unterschiedlichen Phasen des italienischen Rap auch verschieden gewichtet sind. Eine Synthese mündet in die Präsentation der aktuellen Situation des italienischen Rap.
Francisco Reyes Graffiti, Breakdance y Rap. HipHop en España
Im folgenden Text stellt uns ein Insider des spanischen HipHop seine gelebte Geschichte dieser Jugendkultur vor, die ausgehend von Madrid eine ganze Generation spanischer Jugendlicher geprägt hat. Beginnend mit einigen Begriffserklärungen zu den Elementen und Ursprüngen der HipHop Kultur liefert der Autor im Weiteren einen historischen Abriss der Bewegung in Spanien und skizziert den Übergang von der ‚alten Schule' der Gründerjahre hin zur "neuen" Schule der Gegenwart, angefangen von der ersten Breakdance Welle 1983, über die ersten spanischen Rapkompilationen 1989, bis zum legendären ‚Club der gewalttätigen Poeten' 1992. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit berichtet er von seinen Erfahrungen und den Entwicklungen sowohl außerhalb als auch innerhalb der HipHop-Szene. Im dritten Teil seiner Ausführungen beleuchtet er aus der Sicht des Sprayers die Besonderheiten des Graffitti in Spanien und geht auf unterschiedliche Formen, wie Graffiti als ‚politischer Parole' und Graffitti als ‚Auftragsarbeit' ein. Abschließend fasst Francisco Reyes seine Darstellung in zwölf Punkten zusammen.
Gabriele Budach et al. Romanistische Lehre und ihre Ressourcen: HipHop als Feld und Fundgrube
Dieser Text ist eine Gemeinschaftsarbeit von Lehrenden und Studierenden. Er dokumentiert Inhalte, Arbeitsweisen und -ergebnisse des Workshops vordergründig aus studentischer Perspektive und stellt darüber hinaus Überlegungen generalisierender Art zu Ressourcen romanistischer Lehre an. Aus dem Text wird deutlich, wie unterschiedliche Formen kultureller Praxis aus dem Umfeld dieses Workshops einbezogen und entwickelt wurden und wie die dabei gewonnenen Erfahrungen die Planung und Entwicklung zukünftiger Projekte inspirieren können.
Gabriele Budach "Akademiker" und "Praktiker" auf dem Podium: HipHop Inszenierungen in einer Diskussionsrunde
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit einer Podiumsdiskussion, die anlässlich unseres Workshops mit allen beteiligten ReferentInnen stattfand. Als Resümee ungewöhnlicher Art beschränkt er sich nicht auf eine Inhaltszusammenfassung und die Wiedergabe von Gesprächsauszügen, sondern versucht aus diskursanalytischer Perspektive, unterschiedliche Diskurstypen, Experten- und Laiendiskurse und ihre gegenseitige Verschränkung zu betrachten. Damit soll die diskursive Dynamik der Begegnung zwischen "Akademikern" und "Praktikern", eingefangen werden, die mehrere Ebenen und Register einschloss und in der sich Innen- und Außenperspektiven mischten. Diese kamen in den individuellen Positionierungen der Akteure und unterschiedlichen diskursiven Genres zum Tragen. Zu unterscheiden sind dabei solche, die einem deskriptiven (objektivierenden) Duktus folgten und überwiegend Außenperspektiven kennzeichneten und solche, die stärker subjektiv bewerteten und vor allem Innenperspektiven markierten. Die Diskussion als diskursives Ereignis verschaffte nicht nur einen Einblick in HipHop als vielschichtiges Phänomen und umstrittenes Terrain. Sie wurde auch zur Bühne, auf der Wissenschaftler und Szenevertreter unterschiedliche Formen der Selbstinszenierung einbrachten, Rollenwechsel darin eingeschlossen.
GRENZGÄNGE 13. Jahrgang 2006 Heft 25 Hiphop in der Romania Beiträge Gabriele Budach/ Martin Petrus: Editorial
Susanne Stemmler: 'Nuyorican' und 'Latino' Rap - eine musikalische Geschichte aus Afro-Latino New York
Mela Sarkar: " La vraie langue française [n]'existe plus ! "Français parlé et pratiques multilingues comme stratégies identitaires dans le rap montréalais
Arno Scholz : Periodisierung und Glokalisierung im italienischen Rap 1983-2005
Francisco Reyes: Graffiti, Breakdance y Rap. HipHop en España
Maik Ritter: Die stärkste Sprache der Welt
Peter Reimer: Sprache und Identität bei MCs in der Rhein-Main-Rapszene
Gabriele Budach et al.: Romanistische Lehre und ihre Ressourcen: HipHop als Feld und Fundgrube
Gabriele Budach: "Akademiker" und "Praktiker" auf dem Podium: HipHop Inszenierungen in einer Diskussionsrunde
Romanistik und Gesellschaft Georg Kremnitz/Jürgen Erfurt: Über Strukturwandel und Umwegrentabilität der Romanistik. Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Deutschen Romanistenverbands
Grenzgänge erscheint zweimal im Jahr in einem Umfang von ca. 140 Seiten. Das Einzelheft kostet € 8,- (zzgl. Versandkosten), das Jahresabonnement € 15,- (inkl. Versandkosten). Studierende und Ermäßigungsberechtigte zahlen ein ermäßigtes Jahresabonnement von € 10,-.