Thema: Intermedialität
Editorial
Wenn heute ein Klassiker der galloromanischen Literatur wie beispielsweise Choderlos de Laclos' Briefroman Les Liaisons dangereuses von 1782 rezipiert wird - dann als Film. Angesprochen auf die Verführer im Roman antworten die meisten je nach Alter: Glenn Close und John Malcovich, oder "da gibt es doch diesen coolen Film mit der Sarah Michel Gellar und Ryan Philippe". Diese Reaktion trägt einer allgemein zu konstatierenden Entwicklung seit den achtziger Jahren Rechnung, dass Literatur nicht mehr nur in Buchform rezipiert wird, sondern zunehmend als Film im Kino oder auf Video und DVD angeschaut oder aus dem Internet heruntergeladen wird. Filme machen eine neue Karriere als Theaterstücke, wie etwa Woody Allens Bullets over Broadway; Autoren wie Antonio Tabucchi bedienen sich in ihren Romanen filmanaloger Erzählverfahren und Filme wie François Ozons Huit Femmes spielen mit theatralischen Strukturen. Auffällig ist die immer engere Verflechtung der Medien. Dass sich mediale Ausdrucksformen und Gattungen miteinander verbinden, ist nicht neu, tritt jedoch immer offenkundiger zu Tage. Vor diesem Hintergrund scheint eine gegenseitige Abgrenzung der einzelnen Medien ebenso problematisch, wie die einzelner wissenschaftlicher Disziplinen. Forderungen nach einer Interdisziplinarität der Wissenschaften scheinen angesichts von Hybridisierungen und Phänomenen wie Crossover geboten. Umso erstaunlicher ist es, dass sich erst seit Mitte der 1990er Jahre eine Öffnung der literaturwissenschaftlichen Disziplinen hin auf die Forschungsperspektive der Intermedialität beobachten lässt. "Intermedialität ist in" - konstatierte denn auch Joachim Paech bereits vor nunmehr zehn Jahren.
Paechs seither viel zitierte doppeldeutige Aussage dokumentiert den großen Erfolg, den der Begriff der Intermedialität im Laufe der 1990er Jahre erringen konnte. Der Begriff hat längst Eingang in literatur- und medienwissenschaftliche Nachschlagewerke gefunden. Inzwischen ist das noch junge Forschungsgebiet der Intermedialität auch in der universitären Lehre fest etabliert. An vielen deutschen Universitäten werden in den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen Module mit dem Titel "Intermedialität" angeboten. Im Mai 2007 wurde im Fach Anglistik an der Karl-Franzens-Universität Graz die erste "Professur für Intermedialität" im deutschen Sprachraum ausgeschrieben.
Der "intermedial turn" hat bereits zu zahlreichen sehr wichtigen Publikationen geführt, ohne die bestimmte Phänomene, wie die sich häufende Anzahl von Literaturverfilmungen, die filmische Schreibweise, die Musikalisierung der Literatur, um nur einige zu nennen, nicht hätten untersucht werden können. Trotz der zunehmenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Intermedialität herrschen jedoch nach wie vor zahlreiche Unsicherheiten die begrifflichen, theoretischen und methodologischen Fragen betreffend vor. Nach zahlreichen Versuchen der Begriffsklärung und einer theoretischen und methodologischen Fixierung des Forschungsfeldes scheint mehr denn je geboten, was Volker Roloff bereits 1999 konstatierte:
"Es bleibt ein gewisses Unbehagen, in dieser allgemeinen Form über Begriff und Konzept der Intermedialität als einem neuen Forschungsparadigma zu sprechen. Mir erscheint es […] sinnvoll, intermediale Komplexe an konkreten Fällen, in ihren historischen und aktuellen Kontexten zu untersuchen."
Dieser Überlegung trägt auch die aktuelle Ausgabe der Grenzgänge Rechnung, geht es dabei doch vor allem darum, an verschiedenen konkreten Beispielen intermediale Komplexe zu analysieren. Die Beiträge in diesem Band vertreten unterschiedliche Richtungen und Ansätze der aktuellen Intermedialitätsforschung, die sich gegenseitig ergänzen, aber auch in einen Dialog miteinander treten. Darüber hinaus fokussieren sie unterschiedliche intermediale Bezüge (Fotografie - Theater - Film - Fernsehen).
Franz-Josef Albersmeier präsentiert in seinem Beitrag den Entwurf einer integrierten Mediengeschichte am Beispiel Italiens und führt damit sein Projekt einer Literaturgeschichte als integrierte Mediengeschichte, wie er sie bereits überzeugend am Beispiel Frankreichs und Spaniens als Monographie veröffentlicht hat, fort. Volker Roloff zeigt neue Perspektiven der Intermedialitätsforschung auf und setzt damit seine Überlegungen zum Thema "Intermedialität und Medienanthropologie" fort, argumentiert er doch, dass zum Konzept der Intertextualität nicht nur die Analyse intermedialer Bezüge gehöre, sondern auch eine "mediale Anthropologie der Imagination" (H. U. Reck). Dabei geht es um Probleme der Korrespondenz der Sinne, um Spielformen des Imaginären, um Träume, Traumspiele und Synästhesien, die nicht mehr psychoanalytisch und substantialistisch, sondern medienästhetisch gedeutet werden - und damit um Versuche, das Zusammenwirken und die Spannungen zwischen Medium, Bild, Körper und Sinnlichkeit neu zu bestimmen.
Mechthild Albert widmet sich den intermedialen Beziehungen zwischen Literatur und Radio und stellt erste Ansätze zu einer Radioliteratur vor. Sie verdeutlicht, dass José Díaz Fernández als Vertreter einer spanischen Avantgarde den Rundfunk nicht nur als Medium gesellschaftlichen Fortschritts begrüßt, sondern auch in einen intermedialen Kontext gestellt hat, indem er eine genuine Radio-Literatur propagierte. Die experimentellen Radiobeiträge eines Ramón Gómez de la Serna liefern, wie Albert ausführt, erste Ansätze einer solchen Radio-Literatur, die jedoch bald von der Medienrevolution des Kinos überholt wird.
Claudia Cabezón Doty widmet sich in Anlehnung an Betrachtungen von Albersmeier der Wechselwirkung, Komplementarität und Konkurrenz der Medien Literatur, Film und Fernsehen in Lateinamerika. Wie sie ausführt, kommt der Rolle des Literaten und Drehbuchautors Gabriel García Márquez für eine integrierte Mediengeschichte eine zentrale Bedeutung zu. Seine intermedialen Aktivitäten reichen von seiner Pioniertätigkeit als Filmkritiker über sein Filmstudium am Centro Sperimentale di Cinematografia bei Cesare Zavatinni in Rom bis hin zu seiner Funktion als Drehbuchautor und Mäzen der Fundación del Nuevo Cine Latinoamericano und der Escuela Internacional de Cine y Televisión. Anhand der Entstehung des Films Cartas del parque, der im Rahmen der sechsteiligen Fernsehserie Amores Difíciles (1988) realisiert wurde, stellt Cabezón Doty die Interdependenz zwischen Literatur, Film und Fernsehen exemplarisch dar.
Marina Ortrud M. Hertrampf untersucht in ihrem Beitrag ausgehend von einer kurzen Reflexion über zentrale Aspekte des intermedialen Zusammenspiels von Photographie und Literatur, das Konzept der photographischen Schreibweise als eine gegenwärtig höchst produktive Form intermedialen Schreibens in Familien(auto)biographien von Philippe Delerm und Annie Ernaux.
Isabel Maurer Queipo macht Ansätze von Rajewsky und Roloff für ihre Betrachtungen zu intermedialen und postmodernen Verfahrensweisen am Beispiel des filmischen Werkes von Pedro Almodóvar fruchtbar. Sie zeigt, dass der berühmte spanische Filmemacher ein Werk geschaffen hat, in dem sein extravaganter und origineller Stil mit Hilfe intermedialer Konzeptionen und postmoderner Verfahrensweisen konventionelle Diskurse verkehrt, parodiert und subvertiert und die konservativen, repressorischen Werte des ehemaligen Spanien unter Franco ironisierend demontiert werden. Dabei erfährt die Umsetzung der oftmals eigentümlich spanischen Themen durch die intermediale Spielfreude Almodóvars eine zusätzliche Bereicherung.
Kirsten von Hagen nimmt aktuelle Überlegungen von Volker Roloff zum Anlass ihrer neuen Lektüre des lange Zeit unterschätzten Romans Michel Strogoff (1876) von Jules Verne. Sie zeigt in ihrer Analyse, wie Verne in seinem Roman mit theatralischen Strukturen operiert und mit textlichen Mitteln Bilder des fremden Anderen entwirft und immer wieder neu inszeniert. Es sind dies Bilder, die entgleiten, die bewusst hybrid sind, wie der Text selbst. Ernest B. Lüttich greift avanciertere Intermedialitätskonzepte auf, denen zufolge die mediale Transformation als hybride Fusion aufgefasst wird. Intermedialität impliziert die Überschreitung von Mediengrenzen, wobei sich in den Formen des konzeptionellen Miteinanders die medialen Verschiedenheiten der gekoppelten Zeichensysteme und damit auch bestimmte "Stile des Intermedialen" zeigen, die in jüngster Zeit häufig am Beispiel von Hypertext-Konzepten digitaler Poesie erörtert wurden. Lüttich macht diese aktuelle Diskussion für die erneute Lektüre schein-bar längst gesicherter Interpretamente in der narratologischen Debatte über das Problem der literarischen Zeit-Darstellung in Rilkes Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge und Prousts Recherche fruchtbar.
Kirsten von Hagen
Grenzgänge, 14. Jahrgang 2007, Heft 27
- Kirsten von Hagen, Editorial
- Franz-Joseph Albersmeier, Intermediale Prozesse in der italienischen Kultur des 20. Jahrhunderts. Forschungsrückblick und Programmskizze
- Volker Roloff, Intermedialität, Traumspiele und Mediensynästhesie. Anmerkungen zu aktuellen Fragen
- Mechthild Albert, „Radioliteratura“
- Claudia Cabezón Doty, Gabriel García Márquez und das Kino: Eine Liebe mit Hindernissen unter besonderer Berücksichtigung des Fernsehfilms Cartas del parque von Tomás Gutiérrez Alea
- Marina Ortrud M. Hertrampf, ,Photographische’ Familien-(auto-) biographien von Philippe Delerm und Annie Ernaux
- Isabel Maurer Queipo, Anmerkungen zu intermedialen und postmodernen Verfahrensweisen am Beispiel des filmischen Werkes von Pedro Almodóvar
- Kirsten von Hagen, Exotismus, Transgression, Schaulust: Jules Vernes Roman Michel Strogoff (1876) als „Theater im Kopf“
- Ernest W. B. Hess-Lüttich, Simultaneität und Sukzession. Zur (Hypertext-?) Struktur der Zeit-Zeichen in Rilkes Malte und Prousts Recherche
FORSCHUNGSBERICHT - Kirsten von Hagen, Intermedialität als neues Forschungsparadigma der Romanistik
ROMANISTIK UND GESELLSCHAFT - Britta Benert/ Christine Hélot, Tomi Ungerer: Homo viator. Trois langues et quatre récits pour penser la notion d’identité
Abstracts
Franz-Josef Albersmeier Intermediale Prozesse in der italienischen Kultur des 20. Jahrhunderts. Forschungsrückblick und Programmskizze
Aus medienkomparatistischer Perspektive betrachtet, liefern die sich in der italienischen Kultur des 20. Jahrhunderts vollziehenden Prozesse einer von Epoche zu Epoche zunehmend komplexeren ‚Medienkonvergenz’ ein ebenso variantenreiches wie faszinierendes Panorama wechselseitiger Einflusskonstellationen, in dessen Zentrum die traditionellen Medien Theater und (Buch-) Literatur auf der einen, Film (und Fernsehen) auf der anderen Seite stehen. In typologisch-systematischer Hinsicht erschien die Fokussierung auf den Teilbereich der ‚Literaturgeschichte des Films’ respektive des ‚filmischen Schreibens’ umso mehr geboten, als damit eine wichtige Dimension jener übergeordneten ‚Intermediale’ in den Blick rückt, die – allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz – in Italien nicht weniger ausgeprägt erscheint als in Frankreich. Unser Beitrag verbindet einen gerafften Forschungsrückblick mit einer programmatischen Skizze typologisch-medialer Interferenzen.
Volker Roloff Intermedialität, Traumspiele und Mediensynästhesie. Anmerkungen zu aktuellen Fragen
Zum Konzept der Intertextualität gehört nicht nur die Analyse intermedialer Bezüge, sondern auch eine „mediale Anthropologie der Imagination“ (H. U. Reck), die in zunehmendem Maße die aktuelle Diskussion beeinflusst. Dabei geht es um Probleme der Korrespondenz der Sinne, um Spielformen des Imaginären, um Träume, Traumspiele und Synästhesien, die nicht mehr psychoanalytisch und substantialistisch, sondern medienästhetisch gedeutet werden – und damit um Versuche das Zusammenwirken und die Spannungen zwischen Medium, Bild, Körper und Sinnlichkeit neu zu bestimmen.
Mechthild Albert „Radioliteratura“
Mit seinen essayistischen Beiträgen zur Radiozeitschrift Ondas (1925–1936) hat José Díaz Fernández als Vertreter einer engagierten spanischen Avantgarde den Rundfunk nicht nur als Medium gesellschaftlichen Fortschritts begrüßt, sondern auch in einen intermedialen Kontext gestellt. Zeitgemäßer als die Tagespresse, trägt das Radio zur Förderung des Buchmarkts bei und vermittelt der Literatur neue Impulse. Der Feuilletonist propagiert eine genuine Radio-Literatur, eine Literatur der Mündlichkeit, die den technischen Möglichkeiten des neuen Mediums und der Wahrnehmungsweise der Moderne gerecht wird. Die experimentellen Radiobeiträge eines Ramón Gómez de la Serna liefern erste Ansätze einer solchen Radio-Literatur, die jedoch bald von der Medienrevolution des Kinos überholt wird.
Claudia Cabezón Doty Gabriel García Márquez und das Kino: Eine Liebe mit Hindernissen unter besonderer Berücksichtigung des Fernsehfilms Cartas del parque von Tomás Gutiérrez Alea
Im Hinblick auf die zunehmende Wechselwirkung, Komplementarität und Konkurrenz der Medien (Intermedialität) Literatur, Film und Fernsehen in Lateinamerika und eine integrierte Mediengeschichte erscheint die vielfältige Rolle des Literaten und Drehbuchautors Gabriel García Márquez von immenser Bedeutung und besonderem Interesse. Seine intermedialen Aktivitäten reichen von seiner Pioniertätigkeit als Filmkritiker über sein Filmstudium am Centro Sperimentale di Cinematografia bei Cesare Zavatinni in Rom bis hin zu seiner Funktion als Drehbuchautor und Mäzen der Fundación del Nuevo Cine Latinoamericano und der Escuela Internacional de Cine y Televisión. Anhand der Entstehung des Films Cartas del parque, der im Rahmen der qualitativ herausragenden sechsteiligen Fernsehserie Amores Difíciles (1988) realisiert wurde, für die García Márquez sämtliche Geschichten und Drehbücher verfasste, wird die Interdependenz zwischen Literatur, Film und Fernsehen exemplarisch dargestellt.
Marina Ortrud M. Hertrampf ,Photographische’ Familien-(auto-)biographien von Philippe Delerm und Annie Ernaux
Ausgehend von einer kurzen Reflexion über zentrale Aspekte des intermedialen Zusammenspiels von Photographie und Literatur, umreißt der folgende Beitrag das Konzept der photographischen Schreibweise als eine gegenwärtig höchst produktive Form intermedialen Schreibens. Angewendet wird dieses dann auf die monomedialen Erzähltexte Les amoureux de l’Hôtel de Ville von Philippe Delerm sowie Une Femme und La Place von Annie Ernaux. Es wird aufgezeigt, welche Elemente der Photographie die autodiegetischen Erzähler in ihren Familien-(auto-)biographien aufgreifen, thematisieren und gezielt für ihr Wechselspiel von photographischer und mentaler sowie kollektiver und individueller Erinnerung funktionalisieren. Dabei wird deutlich, dass Delerm kollektive Photos auf geradezu nostalgisch-sentimentale Weise familiarisiert, während Ernaux individuelle Familienbilder desentimentalisiert, um so ein möglichst repräsentatives Bild einer ganzen Generation zu zeichnen. Dementsprechend verwendet letztere auch etwas mehr tiefenstrukturelle Systeminterferenzen als Delerm.
Isabel Maurer Queipo Anmerkungen zu intermedialen und postmodernen Verfahrensweisen am Beispiel des filmischen Werkes von Pedro Almodóvar
Pedro Almodóvar hat ein filmisches Werk geschaffen, in dem sein extravaganter und origineller Stil mit Hilfe intermedialer Konzeptionen und postmoderner Verfahrensweisen konventionelle Diskurse verkehrt, parodiert und subvertiert und die konservativen, repressorischen Werte des ehemaligen Spaniens unter Franco ironisierend demontiert werden. Dabei erfährt die Umsetzung der oftmals eigentümlich spanischen Themen durch die intermediale Spielfreude Almodóvars eine zusätzliche Bereicherung. Er pendelt zwischen einer national geprägten Linie, die sich vom Siglo de Oro (engaño/desengaño, honor/honra), über goyesk/groteske und esperpentische Anleihen bei Francisco de Goya, Ramón María del Valle-Inclán und Federico García Lorca, bis hin zu seinen filmischen Vorbildern wie Carlos Saura und Luis Buñuel nachzeichnen lässt, und einer interna-tionalen Linie, zu der u. a. Jean Cocteau, Tennessee Williams, George Cukor und Ingmar Bergmann zählen.
Kirsten von Hagen Exotismus, Transgression, Schaulust: Jules Vernes Roman Michel Strogoff (1876) als „Theater im Kopf“
Lange Zeit galt Jules Verne vornehmlich als Kinder- und Jugendbuchautor. Bezieht sich das Wissen bei Verne sonst zumeist auf technologische Neuerungen, so sind es in diesem Abenteuerroman der unbekannte Raum und seine Einwohner, die exploriert werden: Reise als inszeniertes Wissen. Die Überschreitung der Grenzen gehört zum Programm nicht nur dieses Abenteuerromans. Dabei zeigt gerade die Analyse seines wohl untypischsten Romans Michel Strogoff, dass Verne hier mit theatralischen Strukturen operiert und mit textlichen Mitteln Bilder des fremden Anderen entwirft und immer wieder neu inszeniert. Es sind dies Bilder, die entgleiten, die bewusst hybrid sind, wie der Text selbst.
Ernest W. B. Hess-Lüttich Simultaneität und Sukzession. Zur (Hypertext-?)Struktur der Zeit-Zeichen in Rilkes Malte und Prousts Recherche
Avanciertere Intermedialitätskonzepte fassen die mediale Transformation als hybride Fusion, wobei in der Fusion die „grundlegende Differenzstruktur“ der verschmolzenen Medien beobachtbar bleiben soll. Intermedialität impliziert die Überschreitung von Mediengrenzen, wobei sich in den Formen des konzeptionellen Miteinanders die medialen Verschiedenheiten der gekoppelten Zeichensysteme und damit auch bestimmte „Stile des Intermedialen“ zeigen, die in jüngster Zeit häufig am Beispiel von Hypertext-Konzepten digitaler Poesie erörtert wurden. Diese aktuelle Diskussion soll nun im Folgenden in umgekehrter Perspektive (d. h. retrospektiv statt prospektiv) für die erneute Lektüre scheinbar längst gesicherter Interpretamente in der narratologischen Debatte über das Problem der literarischen Zeit-Darstellung in Rilkes Malte und Prousts Recherche fruchtbar gemacht werden.
Kirsten von Hagen Intermedialität als neues Forschungsparadigma der Romanistik
Als Schlagwort hat der Begriff „Intermedialität“ in den vergangenen Jahren auch im Bereich der Romanistik zunehmend an Bedeutung und Prestige gewonnen. Der Gegenstandsbereich der Intermedialität ist im Allgemeinen zu bestimmen als Phänomene, die mindestens zwei als unterschiedlich wahrgenommene Medien involvieren. Er bezeichnet somit die Tatsache, dass mindestens zwei distinkte Medien nicht für sich allein stehen, sondern sich in komplexen medialen Konfigurationen befinden und dadurch stets auf andere Medien bezogen sind. Der vorliegende Forschungsbericht will einen kurzen Überblick über die Entwicklung des Begriffs und seine poetologischen Vorformen geben. Darüber hinaus sollen die zentralen Arbeiten zur Intermedialitätsforschung kurz vorgestellt werden. Abschließen wird den Bericht ein „state of the art“ sowie ein kurzer Ausblick.