MEDAON 3 (2009), 5

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MEDAON 3 (2009), 5
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Erschienen
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zweimal jährlich
Preis
open access, Online-Zeitschrift

 

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Institution
MEDAON - Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung
Land
Deutschland
c/o
Redaktion MEDAON, HATiKVA e. V., Pulsnitzer Str. 10, 01099 Dresden, Tel. 0351/8020489,
Von
Ulbricht, Gunda

Editorial

In einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe von Medaon geht Mathias Berek am Beispiel des deutsch-jüdischen Philosophen Moritz Lazarus (1824-1903) dem Zusammenhang von proto-soziologischer Theoriebildung und gesellschaftlichem Umfeld im 19. Jahrhundert nach. Unter Nutzung des Lebenswelt-Konzeptes untersucht er dabei dessen basale Konzeptualisierung zentraler Begriffe der entstehenden Kulturwissenschaften bzw. der Kultursoziologie und verweist in theoriegeschichtlicher Hinsicht auf die stellenweise vergessene beziehungsweise verdrängte Autorenschaft Lazarus'.

Susanne Blumesberger widmet ihren Artikel mit ausgewählten Beispielen der Fragestellung, wie in der Kinder- und Jugendliteratur während der Herrschaft des Nationalsozialismus stereotypisierte Bilder von Jüdinnen und Juden gezeichnet wurden und welchen Erziehungszielen sie dienten.

Auf Basis des Nürnberg-Fürther Israelitischen Gemeindeblattes als zentraler Quelle zieht Nadja Bennewitz Schlüsse auf das Alltagsleben von Jüdinnen in Nürnberg von 1933 bis 1938. Im Fokus der lokalgeschichtlichen Studie stehen die Wahrnehmung, die Handlungsoptionen und das Verhalten der Betroffenen angesichts nationalsozialistischer Verfolgung.

Meik Zülsdorf-Kersting setzt sich mit dem Blick von Jugendlichen der dritten und vierten Generation nach der Shoah auf den Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden und den Herausforderungen historisch-politischer Bildungsarbeit angesichts des vielzitierten Absterbens der Zeitzeugengeneration auseinander. Von zentralem Interesse sind dabei tradierte und aktualisierte Erklärungsmodelle zwischen Verurteilung und Exkulpation nationalsozialistischer Täterinnen und Täter.

In einem fünften Artikel gibt Georg Lilienthal Einblick in den heutigen Kenntnisstand der Forschung zum nationalsozialistischen Krankenmord an Jüdinnen und Juden. Er weist darin unter Verwendung regionaler Studien unter anderem eine längst nicht endgültige Zahl namentlich bekannter Opfer aus und erläutert darüber hinausweisenden Forschungsbedarf.

Anlässlich einer Tagung, organisiert vom Strassler Center for Holocaust and Genocide Studies (Clark University, Worcester, MA) im April diesen Jahres, bei der Yehuda Bauer das Einführungsreferat hielt, führte Michael Wildt mit dem israelischen Forscher ein Interview zum Stand und den Perspektiven der Forschungen zur Shoah.

Jana Mikota führt in der Reihe „Jüdische Schriftstellerinnen – wieder entdeckt“ in das Leben und Werk von August Hauschner (1850-1924) ein, während Henriette Kunz einen Bericht zur wissenschaftlichen Literatur zu völkischen und antisemitischen Strömungen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Dresden präsentiert; Kunz' Beitrag entstand im Rahmen eines Praktikums bei HATiKVA e.V., dem Medaon herausgebenden Verein.

Sebastian Pein stellt das vom Fritz Bauer Institut betreute Norbert Wollheim Memorial auf dem Gelände des ehemaligen Verwaltungssitzes der I.G. Farben AG in Frankfurt am Main vor. Zwei weitere Beiträge der Rubrik Bildung beschäftigen sich mit praxisnaher Perspektive mit den Möglichkeiten und spezifischen Herausforderungen der historisch-politischen Bildungsarbeit unter Nutzung der Potentiale des Visual History Archiv des Shoah Foundation Institute (VHA), welches videografierte Interviews von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der Shoah unter anderem der (schulischen) Bildungsarbeit zugänglich macht.

Kai Drewes stellt einen kurzen Briefwechsel zwischen dem Fontane-Freund Georg Friedlaender und dem Leiter des Preußischen Heroldsamtes, Hans von Borwitz, vor, der ein Schlaglicht auf die individuelle jüdische und administrative Namens(änderungs)politik in Preußen Anfang des 20. Jahrhunderts im Spannungsfeld zwischen erwünschter Verwischung und verordneter Markierung wirft.

Wie gewohnt geben auch in der aktuellen Ausgabe von Medaon eine Reihe von Rezensionen kritischen Einblick in aktuelle wissenschaftliche Publikationen: hingewiesen werden soll an dieser Stelle nur auf die ausführliche Besprechung von Literatur zum Themenkomplex „Raubkunst und Restitution“ durch Robert Hodonyi.

Die aktuelle Ausgabe von Medaon wäre ohne die Unterstützung von Karin Zenker, Cathleen Bürgelt, Daniela Wittig, Phillip Roth und Joachim Albrecht sowie allen Gutachterinnen und Gutachtern nicht zustande gekommen – die Redaktion dankt ihnen herzlich.

Die Redaktion von Medaon im Oktober 2009

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Artikel

Georg Lilienthal | Jüdische Patienten als Opfer der NS-„Euthanasie“-Verbrechen

Mathias Berek | Schnittpunkt sozialer Kreise statt völkischer Verwurzelung – Die Entstehung moderner Sozialtheorie aus der deutsch-jüdischen Lebenswelt des 19. Jahrhunderts am Beispiel Moritz Lazarus

Meik Zülsdorf-Kersting | „Weil das ebend die Befehle sind“. Jugendliche erklären das Täterhandeln im Holocaust. Empirische Befunde

Nadja Bennewitz | Zwischen Repression, Resistenz und Migration. Alltag jüdischer Frauen im Nationalsozialismus im Spiegel des Nürnberg-Fürther Gemeindeblattes

Susanne Blumesberger | Von Giftpilzen, Trödeljakobs und Kartoffelkäfern – Antisemitische Hetze in Kinderbüchern während des Nationalsozialismus

Miszellen

“Very much more still needs to be done.” Holocaust Studies: Aspects of research and actual tendencies. An Interview with Yehuda Bauer by Michael Wildt

Henriette Kunz | Die völkisch-antisemitische Subkultur Dresdens um 1900 – Literaturbericht 1993-2009

Jana Mikota | Jüdische Schriftstellerinnen – wieder entdeckt: Auguste Hauschner

Quellen

Kai Drewes | Leiden am jüdischen Namen. Ein Brief des Fontane-Freundes Georg Friedlaender an den Chef des Preußischen Heroldsamtes

Rezensionen

Brigitta Elisa Simbürger: Faktizität und Fiktionalität. Autobiografische Schriften zur Shoah
(Walter Schmitz)

Eva Lezzi/Dorothea M. Salzer (Hg.): Dialog der Disziplinen: Jüdische Studien und Literaturwissenschaft
(Anna-Dorothea Ludewig)

Francesca Falk: Grenzverwischer. „Jud Süss“ und „Das Dritte Geschlecht“. Verschränkte Diskurse von Ausgrenzung
(Irene Aue)

Golem stiller Bruder - Shylocks Tochter - Nathan und seine Kinder. Romane für Jugendliche von Miriam Pressler
(Jana Mikota)

Klaus-Dieter Alicke: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschsprachigen Sprachraum
(Gunda Ulbricht, Thomas Fache)

Martin Dean: Robbing the Jews. The Confiscation of Jewish Property in the Holocaust, 1933-1945
(Christian Faludi)

Mirjam Triendl-Zadoff: Nächstes Jahr in Marienbad. Gegenwelten jüdischer Kulturen der Moderne
(Kristiane Gerhardt)

Nicolas Berg: Luftmenschen. Zur Geschichte einer Metapher
(Daniel Ristau)

Victoria Hegner: Gelebte Selbstbilder. Gemeinden russisch-jüdischer Migranten in Chicago und Berlin
(Walter Rothschild)

Zur Diskussion um die Restitution von Kunst- und Kulturgütern in Deutschland. Eine Sammelrezension zu aktuellen Publikationen
(Robert Hodonyi)

Bildung

Martin Lücke | Überlebensgeschichten. Sprache und historisches Lernen zum Thema Holocaust mit Video-Interviews aus dem Visual History Archive

Michele Barricelli, Juliane Brauer und Dorothee Wein | Zeugen der Shoah: Historisches Lernen mit lebens-geschichtlichen Videointerviews. Das Visual History Archive des Shoah Foundation Institute in der schulischen Bildung

Sebastian Pein | Das Norbert Wollheim Memorial in Frankfurt am Main – Ein Ort des Gedenkens und des politisch-historischen Lernens

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