SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 2 (2009), 2

Titel der Ausgabe 
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 2 (2009), 2
Weiterer Titel 
Geschichte des Fußballs in Deutschland und Österreich

Erschienen
Göttingen 2009: Verlag Die Werkstatt
Erscheint 
dreimal jährlich
ISBN
1617-7606
Anzahl Seiten
101 Seiten
Preis
9,70 €

 

Kontakt

Institution
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft
Land
Deutschland
c/o
Prof. Dr. Lorenz Peiffer Institut für Sportwissenschaft Leibniz Universität Hannover Am Moritzwinkel 6 30167 Hannover
Von
Peiffer, Lorenz

Schwerpunktthema des zweiten Heftes des neunten Jahrganges von ‚SportZeiten‘ ist die Geschichte des Fußballs in Österreich und Deutschland. Die einzelnen Beiträge spannen einer Bogen von den ersten Pionieren des österreichischen Fußballs, über die Gastspiele des in den 30er Jahren in Österreich erfolgreichen jüdischen Clubs Hakoah Wien in die USA bis in die Zeit der deutschen Fußballoberligen der 50er Jahre – zu dem Ruhrgebietsverein Rot-Weiß Essen.

„Ich bin der Begründer des Wiener Fußballsports“, so hat sich Max Johann Leuthe einmal selbst rückblickend bezeichnet und so titeln Matthias Marschik und Christian Schreiber (Wien) ihren Beitrag über den Ur-Wiener Fußballer und Sportjournalisten. Als Kind eines Speditionsbeamten wuchs Max Johann Leuthe in Wien in einer privilegierten Umgebung auf. Angeregt durch in Wien arbeitende und fußballspielende Briten gründeten Leuthe und seine Freunde eine eigene Gassen-Fußballmannschaft, die sie nach dem berühmten ‚Prager Deutschen Fußballclub‘ benannten. Im Oktober feierte Mac John Leuthe – er hatte seine deutschen Vornamen in englischsprachige umgewandelt –, als erster Wiener sein Debüt in der Mannschaft des ‚Vienna Cricket & Football Club‘. Seine illustre Karriere, die Leuthe durch verschiedene Wiener Vereine führte, beendete er im Jahre 1907. Parallel zu seiner aktiven Zeit als Fußballer hatte Leuthe sich bereits journalistisch bestätigt. Er nannte sich später selbst ‚Sportschriftsteller‘ und nicht Sportjournalist und war wohl in den 20er Jahren einer der „schreibenden Stars der bürgerlichen Wiener Fußballkultur“. In der Zeit des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland arrangierte sich Leuthe mit den braunen Machthabern und konnte seine schriftstellerische Karriere fortsetzen. Marschik und Schreiben setzen die Karriere Leuthes als Fußballer und später als ‚Sportschriftsteller‘ in Bezug zu der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung Österreichs von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.

Einer der Fußballpioniere im Ruhrgebiet war der Essener Georg Melches – und das im doppelten Sinn: als 13jähriger Gymnasiast Gründer des Sportvereins Vogelheim, Vorläufer seines späteren Vereins Rot-Weiß Essen, und als Mäzen und Begründer des ‚Systems Melches‘, das den Verein in den 50er Jahren an die nationale Spitze des Fußballs in Deutschland führen sollte. In ihrem Beitrag „Rot-Weiß Essen und das „System Melches“ – Aufstieg, Niedergang und Perspektiven des Traditionsvereins aus dem Essener Norden“ zeigen Andreas Luh und Fabian Büchs (Bochum) die Hintergründe dieses Förder- und Mäzenatensystems im deutschen Fußball auf. Als Spieler und seit den 1920er Jahren auch als Geschäftsführer wurde Georg Melches zu der treibenden Kraft bei der Weiterentwicklung seines Vereins. Als Vorstandsmitglied bei den Didier-Werken verfügte er über weitreichende Verbindungen, die er sehr vorteilhaft für seinen Verein einsetzte. Die sportliche Entwicklung von RWE bis zum Aufstieg in die Gauliga, der höchsten Spielklasse während der NS-Zeit, steht in einem engen Zusammenhang mit dem beruflichen Aufstieg von Georg Melches. Diese enge Verflechtung von „mäzenatenhaften persönlichen Beziehungen und daraus resultierenden Vergünstigungen“ für seinen Verein zeigen Luh und Büchs auf der Grundlage von Vereinsakten und Interviews mit Zeitzeugen auf. Der Höhepunkt des „Systems Melches“ war der Gewinn der deutschen Fußballmeisterschaft von Rot-Weiß Essen im Jahre 1955. Das „System Melches“ ermöglichte in dem ersten Jahrzehnt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den Bau und Unterhalt vereinseigener Sportstätten sowie den Aufbau einer Spitzenmannschaft. Nach der Einführung des Vertragsspielertums ‚lockte‘ Melches zahlreiche Spitzenspieler aus der näheren Umgebung mit dem Angebot zusätzlicher, lukrativer Arbeitsplätze zu RWE. Der Beginn der Bergbaukrise im Ruhrgebiet und die zunehmende Professionalisierung des Fußballs in Deutschland bedeutete letztlich das Ende des „System Melches“.

Der jüdische Verein Hakoah Wien war in den 20er Jahren einer der erfolgreichsten Vereine in Österreich. Dreimal gewann die Wasserballmannschaft die österreichische Meisterschaft. Die der Hakoah-Schwimmerinnen Judith Deutsch, Ruth Langer und Lucie Goldner boykottierten die Olympischen Spiele 1936 in Berlin aus Protest gegen die nationalsozialistische Judenpolitik und wurden dafür von ihrem Verband ausgeschlossen. Die populärste Abteilung des Vereins aber war die Fußballabteilung. Nach dem Gewinn der österreichischen Meisterschaft im Jahre 1924 erreichten den Verein zahlreiche Einladungen zu Freundschaftsspielen in aller Welt. Dem legendären Sieg in England gegen Westham United folgte eine Einladung zu einer Tournee in die USA. „Wie die Fußballbegeisterung nach Amerika kam“, unter diesem Titel widmet sich Jim G. Tobias (Nürnberg) den Gastspielen des jüdischen Fußballvereins Hakoah Wien in den USA.

Berichte über Ausstellungen und Tagungen informieren über aktuelle sporthistorische Themen und Entwicklungen.

In dem Besprechungsteil werden sehr unterschiedliche Neuerscheinungen vorstellt: Carlin „Wie aus Feinden Freunde wurden: Der Sieg des Nelson Mandelas“, in dem die politische Kraft des Sports thematisiert wird, der erste Band von J. Court „Deutsche Sportwissenschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. Die Vorgeschichte 1900-1918“, die von Bartmus, Kunze und Ulfkotte herausgegebenen Briefe und Dokumente Friedrich Ludwig Jahns aus den Jahren 1806-1812 „‘Turnvater‘ Jahn und sein patriotisches Umfeld“, Eggers biografische Studie über den populären Handballspieler der DDR „Böhme. Eine deutsch-deutsche Handballgeschichte“, das „Jahrbuch 2007 der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Sportwissenschaft“ mit dem Schwerpunkt „Sport-Körper-Religion“, sowie die Festschrift der Internationalen Biathlon Union „50 years of Biathlon 1958 to 2008 – a success story“.

‚Mitteilungen’ über eine sporthistorische Tagung der Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein e.V. mit dem Titel „Nicht nur Sieg und Niederlage. Sport im deutschen Südwesten im 19. und 20. Jahrhundert“, die Vorstellung sporthistorischer Veröffentlichungen in anderen Periodica und Sammelbänden unter ‚Für Sie gelesen’ sowie die Zusammenstellung von ‚Neuerscheinungen’ beschließen diese Ausgabe von ‚SportZeiten’.

Lorenz Peiffer

Inhaltsverzeichnis

Beiträge

Marschik, M./Schreiber, C.:
„Ich bin der Begründer des Wiener Fußball-sports“. Die Geschichte(n) des Max Johann Leuthe
7

Luh, A./ Büchs, F.:
Rot-Weiß Essen und das „System Melches“ – Aufstieg, Niedergang und Perspektiven des Tradi¬tions¬vereins aus dem Essener Norden
27

Tobias, J. G.:
Wie die Fußballbegeisterung nach Amerika kam. Die Gastspiele des jüdischen Fußball-vereins Hakoah Wien in den USA
57

Berichte

Kuhlmann, D.:
Ausstellung über Jesse Owens zur Leichtathletik-WM im August. Die Sportlegende von 1936 kehrt zurück … in das Sportmuseum Berlin
67

Wiederkehr, S.:
Migration – Integration – Desintegration. 1. Workshop des DFG-geförderten Netzwerks „Integration und Desintegration: Sozial und Kulturgeschichte des osteuropäischen Sports im internatioalen Vergleich“ (Köln, 25.-27.6.2009)
68

Falkner, G.:
Der internationale Ski History Congress “The Spirit of Skiing “
71

Peiffer, L.:
Im Lichte der Menora. Sie waren Deutsche, Ost-friesen und Juden. Ausstellung im Ostfriesischen Landesmuseum Emden
73

Besprechungen

Scharenberg, S.:
CARLIN, J.: Wie aus Feinden Freunde wurden: Der Sieg des Nelson Mandela. Herder Verlag. Freiburg 2008, 320 S., 19,95€.
75

Müllner, R.:
COURT, J.: Deutsche Sportwissenschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus; Band 1: Die Vorgeschichte 1900-1918. (=Studien zur Geschichte des Sports, Band 6). Lit-Verlag, Berlin 2008. 319 S.
77

Braun, H.:
BARTMUß, H J./KUNZE, ./ULFKOTTE, J. (Hrsg.): “Turnvater” Jahn und sein patriotisches Umfeld. Briefe und Dokumente 1806-1812. Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2008, 276 S., s/w-Abb. auf 15 Taf., geb., 37,90 €.
80

Kuhlmann, D.:
EGGERS, E.: Böhme. Eine deutsch-deutsche Handballgeschichte. Göttingen 2008: Verlag Die Werkstatt. 255 S.; 19,80 €.
82

Ader, A.:
COURT, J./MÜLLER, A./WACKER, C. (Hrsg.): Jahrbuch 2007 der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Sportwissenschaft e.V.. Sport - Körper – Religion. Berlin 2008, 158 S.
83

Falkner, G.:
INTERNATIONALE BIATHLON UNION (IBU) [Hrsg.]: 50 years of Biathlon 1958 to 2008 – a success story. Ohne Ort (Layout und Herstellung Eggs¬tädt/ Druck Ainring) 2008, 401 S., 25 €.
87

Mitteilungen
91

Für Sie gelesen
92

Neuerscheinungen
98

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
101

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