Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern 14 (2010), 1

Titel der Ausgabe 
Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern 14 (2010), 1
Weiterer Titel 
offenes Heft

Erschienen
Rostock 2010: Ingo Koch Verlag
Erscheint 
zwei Ausgaben pro Jahr, jeweils im Juli und Dezember
ISBN
1434-1794
Anzahl Seiten
126 S.
Preis
18,00 EUR

 

Kontakt

Institution
Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern
Land
Deutschland
c/o
Geschichtswerkstatt Rostock e.V. Kröpeliner Tor 18055 Rostock Tel.: 0381-1216415 Fax: 0381-3607240
Von
Bispinck, Henrik

Editorial

Das Jahr 2009 war das Jahr der „Jahrestage“ des Uwe Johnson. Landauf, landab wurde an seine Person, ihre Geschichte und seine Werke anlässlich seines 75. Geburtstages, den er, der 25 Jahre zuvor aus dem Leben geschieden war, nicht mehr erlebte, lesend und analysierend erinnert. Die persönlichen „Jahrestage“ des großen Analytikers der Zeitgeschichte des Landes, „wo [er] in Wahrheit hingehör[t]e“, waren für die Redaktion Anstoß, die häufig an eben jenen „Jahrestagen“ erkennbar werdende Rezeptionsgeschichte von Persönlichkeiten und ihren Werken in den Blick zu nehmen. In Bezug auf Uwe Johnson wird in dieser Ausgabe von „Zeitgeschichte regional“ Gundula Engelhard den Umgang der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft mit dieser Person der Zeitgeschichte seit 1990 behandeln. Dieser Gesichtspunkt historiografischer Reflektion wird uns durch dieses Heft und soll uns in zukünftigen Ausgaben begleiten. Hier berichtet Eckhard Oberdörfer als „teilnehmender Beobachter“ über die weit über Greifswald hinausgreifende Debatte um den Namenspatron Ernst Moritz Arndt und „seine“ Universität. Oberdörfers Resümee lässt offen, ob mit der politischen Entscheidung die inhaltliche Befassung mit dem Patron eine neue Qualität erreicht. Die Greifswalder Universität hat ihr 550jähriges Jubiläum hinter, die akademische „Leuchte des Nordens“ in Rostock die Feier ihres 600jährigen Bestehens im Jahre 2019 vor sich. Für universitätsgeschichtliche Darstellungen gibt es rühmliche und weniger rühmliche Vorbilder. Grund genug, sich mit der Frage „Wie schreibt man Universitätsgeschichte?“ auseinanderzusetzen. Gisela Boeck, Christian Dahlke und Hans-Uwe Lammel berichten über einen Workshop in Rostock, der am 30. Januar 2010 fast in der „weißen Pracht“ versank.

Die Geschichte hat im Nordosten der Bundesrepublik Deutschland die Bodenreform zu einem herausgehobenen Erinnerungsort werden lassen. Die Auseinandersetzungen um das Für und Wider und die konkrete Umsetzung reichen weit vor unseren Betrachtungszeitraum zurück und beschäftigen uns bis in die Gegenwart. Matthias Manke versucht eine Analyse der in einer Bodenreform-Debatte des Landtages Mecklenburg-Vorpommern am 19. November 2009 vertretenen Positionen. Eine weitere historische Konstante der Geschichte dieses Landstrichs scheint ein negativer Bevölkerungssaldo durch Abwanderung zu sein. Den relativ kurzen Abschnitten massiven Zuzugs in der Folge politisch gesetzter Rahmenbedingungen wie im Hochmittelalter, der nationalsozialistischen Aufrüstungspolitik oder der durch Flucht und Vertreibung von jenseits der Oder erzwungenen Bevölkerungsverdichtung folgten länger anhaltende Abwanderungsbestrebungen, denen die jeweiligen Herrschaftsregime administrative, gewaltsame Grenzen zu setzen versuchten. Die sogenannte „zweite Leibeigenschaft“ oder der „Todesstreifen“ sind weitere wichtige Erinnerungsorte in diesem Land. Im Verlautbarungsdeutsch der DDR wurde die sich der Administration widersetzende Abwanderungsbewegung zur „Republikflucht“, die umso schwerer wog, wenn mühsam ausgebildete oder schwer zu ersetzende Fachleute das Land zu verlassen suchten. Lehrer gehören – übrigens bis heute – dazu. Henrik Bispinck hat in einem Aufsatz die Oberschullehrer aus Mecklenburg im ersten Jahrzehnt der DDR in den Blick genommen. An anderer Stelle ist in „Zeitgeschichte regional“ die Geschichte des Naturschutzes in Mecklenburg erörtert worden. In dieser Ausgabe beleuchtet Hermann Behrens nun die Entwicklung in Pommern und das Wirken der Naturschutz-Protagonisten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese Zeit brachte auch auf anderen Gebieten eine beschleunigte Entfaltung wissenschaftlicher Erkenntnis und ihrer Institutionalisierung. Die moderne Orthopädie ist so ein Kind des vorigen Jahrhunderts, für das in Mecklenburg wohl Rostock als Geburtsort gelten kann. Paul Heller erörtert, welchen Einflüssen das Fach Orthopädie während der nationalsozialistischen Herrschaft in Mecklenburg ausgesetzt war. Nationalsozialismus wurde besonders im letzten Jahrzehnt im Zusammenhang mit Zwangsarbeit in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges erörtert. Die Berichte von Bernd Kasten und Sebastian Ludwig über Artikel zu Zwangsarbeitern im „Niederdeutschen Beobachter“ zwischen 1939 und 1945 sowie vom Leiter des Neubrandenburger Regionalmuseums, Rolf Voß, über ein Schülerprojekt zu Albert Bockstael, einem belgischen Künstler in deutscher Kriegsgefangenschaft, liefern weitere Details. Erfreut vermelden wir die Bewegung um den Erinnerungsort Prora. Die Beiträge von Andreas Wagner über einen Workshop zum Aufbau einer Bildungsstätte in der zukünftigen Jugendherberge Prora und von Rüdiger Wenzke, dessen dort gehaltenes Referat über die Bedeutung des Militärstandortes Prora für die Auseinandersetzung mit der DDR-Militärgeschichte hier abgedruckt werden kann, knüpfen an die bisherige Berichterstattung von „Zeitgeschichte regional“ zu diesem Thema an.

In der Fülle der Berichte über wichtige Projekte darf der Text des Leiters der Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Golm des Volksbundes für Kriegsgräberfürsorge Nils Köhler über das Drama von Alt Teterin im Frühjahr 1945 nicht nur nicht untergehen, sondern verdient die Empfehlung besonderer Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser. Aus Vorpommern ist auch der Lebensbericht von Renate Freiberg, die auf Rügen aufgewachsen Ernst Moritz Arndt an die Greifswalder Universität folgte und dort „Abbruch und Aufbruch“ erlebte.

Aus anderen Bundesländern ist diesmal Christine Brecht aus Berlin zu Gast, die den Verein Grenzläufte e.V. vorstellt, der „Mauergeschichte“ an lokalen Beispielen, konkret Grenzspuren am Flutgraben zwischen Treptow und Kreuzberg, erlebbar macht. Selbstverständlich erwarten Sie auch in dieser Ausgabe Rezensionen und Hinweise zu Neuerscheinungen.

Ihre Redaktion

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Aufsätze

Hermann Behrens: Zur Entwicklung des Naturschutzes in Pommern 1908-1945 (S. 5-18)

Paul Heller: Orthopädie in Mecklenburg unter dem Einfluss des Nationalsozialismus 1933-1945 (S. 19-24)

Bernd Kasten/Sebastian Ludwig: Berichte über ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene im Niederdeutschen Beobachter (1939-1945) (S. 25-31)

Henrik Bispinck: „Sie werden meinen Schritt mit Leidenschaft vor Kollegium und Klasse verurteilen.“ Zur Republikflucht von Oberschullehrern in Mecklenburg (S. 32-38)

Eckhard Oberdörfer: Die Universität Greifswald wird weiter den Namen Ernst Moritz Arndt tragen (S. 39-55)

Diskussion

Matthias Manke: „Die Geschichte lehrt, aber sie hat keine Schüler“. Die Bodenreformdebatte am 19. November 2009 im Landtag Mecklenburg-Vorpommern (S. 56-73)

Rüdiger Wenzke: Die Bedeutung des Militärstandortes Prora für die Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte (S. 73-78)

Andreas Wagner: Workshop zum Aufbau einer Bildungsstätte/Ort der Information bei der zukünftigen Jugendherberge Prora (S. 78-81)

Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern gibt Votum für Trägerschaft einer Bildungs- und Begegnungsstätte in Prora ab (S. 81)

Lebenserinnerungen

Renate Freiberg: Leben ist Veränderung – Abbruch und Aufbruch (S. 82-85)

Regionale Geschichtsarbeit

Gisela Boeck/Christian Dahlke/Hans-Uwe Lammel: Wie schreibt man Rostocker Universitätsgeschichte? Workshop am 30. Januar 2010 (S. 86-88)

Rolf Voß: Der Belgier Albert Bockstael in deutscher Kriegsgefangenschaft. Ein Projekt mit vielen Facetten und Partnern in Neubrandenburg, Waasmunster, Ueckermünde und Berlin (S. 88-92)

Nils Köhler: Das Drama von Alt Teterin 1945 – ein Projektbericht (S. 92-99)

Gundula Engelhard: „Gegen die Eile unserer Wahrnehmung“. Seit 1990 schafft die Mecklenburgische Literaturgesellschaft Zugänge zum Werk von Uwe Johnson (S. 100-103)

Aus anderen Ländern

Christine Brecht: Grenzläufte e.V. macht Mauergeschichte am lokalen Beispiel sichtbar (S. 104f.)

Rezensionen / Annotationen (S. 106-118)

Müller-Waldeck, Gunnar (Hg.): Die Ostsee meiner Erinnerungen. Kindheiten in Mecklenburg und Pommern (Kai Agthe)

Bluhm, Dörte: Die Kaiserbäder in alten Ansichten (Kai Agthe)

Winter, Friedrich: Ein pommersches Pfarrerleben in vier Zeiten. Bischof Karl von Scheven (1882-1954) (Jens Langer)

Garbe, Irmfried (Hg.): Kirche im Profanen. Studien zum Verhältnis von Profanität und
Kirche im 20. Jahrhundert (Gert Haendler)

Kreplin, Klaus-Dieter (Bearb.): Über Schulen, ihre Lehrer und Schüler im ehemaligen Kreis Bütow in Pommern (Dirk Mellies)

Nelle, Susann: Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Pasewalk (Frank Flemming)

Gustavs, Owe: Reichsgottesdienst auf Hiddensee 1933-1945. Arnold Gustavs – Inselpastor im Dritten Reich (Irmfried Garbe)

Buchheim, Anita: Blondinen wurden aussortiert. Rügenwalder Briefe (Johanna Hertzsch)

von Zitzewitz, Lisaweta (Hg.): Rodzinne Pomorze – dawniej i dzi´s/ Heimat Pommern – einst und jetzt (Bernd Aischmann)

Baumann, Christiane (Hg.): Rückblende. Junge Autoren in Neubrandenburg (DDR) (Kai Agthe)

Stippekohl, Siv: Grenzenlos im Norden. Menschen und der Mauerfall (Andreas Wagner)

Schnauer, Arvid: Zur Arbeit des Rostocker Gerechtigkeitsausschuss. Tl. 1: 189/90 (Christian Schwießelmann)

Aufruf

Hans-Hermann Dirksen: Strafvollzug in Ueckermünde – ein Forschungsprojekt (S. 119)

Neuerscheinungen (S. 120-124)

Kurzvorstellung der Autoren (S. 125)

Adressen der Autoren (S. 126)

Impressum (S. 127)

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