Das vorliegende Heft befasst sich mit unkonventioneller politischer Partizipation und ihrer Bedeutung für den Geschichts- und Politikunterricht. Anlass für das Aufgreifen dieser Thematik boten die Studierendenproteste, die seit Oktober 2009 in der österreichischen Bildungspolitik einigen Staub aufgewirbelt haben. Zu den Hintergründen und der Organisation dieser Proteste bieten Thomas Schmidinger und Kay-Michael Dankl in dieser Ausgabe interessante Erläuterungen. Besteht ein Zusammenhang zwischen Bildung und politischer Partizipation, kann hoch Gebilde-ten ein spezifisches Protestpotential zugewiesen werden? Diesen Fragen gehen Andreas Hadjar und Dennis Köthemann in ihrer empirisch-theoretischen Untersuchung nach. Ewald Hiebl knüpft an diese Überlegungen an und beschreibt im historischen Rückblick die Studentenbewegung von 1968 in Österreich.
Dass Provokationen als Mittel einer unkonventionellen politischen Partizipation verstanden und wahrgenommen werden können, zeigt Christoph Kühberger anhand eines historischen Fallbeispiels aus dem Jahre 1970 und reflektiert in einem weiteren Beitrag die Rolle der unkonventionellen politischen Partizipation als Teilgebiet der Politischen Bildung. Heinrich Ammerer widmet sich unterrichtsmethodisch der Simulation von politischen Demonstrationen und stellt mögliche Umsetzungsformen vor. Andreas Egger thematisiert den Unterrichtseinsatz von Graffiti – ein an Kontroversen und rechtlichen Problemstellungen reiches Themenfeld.
Das Einüben und Reflektieren von unkonventionellen politischen Partizipationsformen entspricht den Anforderungen eines kompetenzorientierten Politikunterrichts, der das Korsett einer bloßen Prozess- und Institutionenkunde hinter sich lassen will und auf die Erlangung von politischer Mündigkeit abzielt. Im Rahmen der politischen Handlungskompetenz sollen Schülerinnen und Schüler zur Artikulation und zur Durchsetzung ihrer Interessen befähigt und ermutigt werden – auch und gerade dann, wenn sie mit ihren Anliegen nicht mehrheitsfähig sind, denn die Demokratie lebt auch vom Blick auf ihre lautstarken Minderheiten.
Inhalt
Heinrich Ammerer/Andreas Egger Wir kommen um uns zu beschweren
Andreas Hadjar/Dennis Köthemann Warum hoch Gebildete häufiger Formen politischen Protests anwenden
Ewald Hiebl Sit-In, Teach-In, Go-In Studentischer Protest um "1968" in Österreich
Ein Gespräch mit Thomas Schmidinger Die Studierendenproteste 2009 aus der Sicht von LektorInnen und NachwuchswissenschaftlerInnen
Kay-Michael Dankl Die Salzburger Studierendenproteste 2009-2010 aus studentischer Sicht
Fachdidaktik
Christoph Kühberger Unkonventionelle politische Partizipation als Teilgebiet der politischen Bildung
Heinrich Ammerer Aufbegehren will gelernt sein Politische Demonstrationen im Unterricht
Christoph Kühberger "Das Schwein von Salzburg" – Provokation als Mittel der unkonventionellen politischen Partizipation. Oder: Wenn SchülerInnen über ein Schwein schreiben – Rekontruktion im Geschichtsunterricht
Andreas Egger Graffiti als politische Artikulation Analyse und Interpretation im Unterricht