Der Band präsentiert die Ergebnisse einer interdisziplinären Tagung, die im Oktober 2008 an der Goethe-Universität Frankfurt stattfand und sich exemplarisch dem Literaturbetrieb der Reichsstadt in der Zeit des Umbruchs zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit widmete. Im Mittelpunkt stehen die Institutionen des lokalen Kultur- und Literaturbetriebs sowie die Strategien literarischer Kommunikation des 15. und 16. Jahrhunderts. Vor dem Hintergrund ereignis- und epochengeschichtlicher Wandlungen, religiöser Auseinandersetzungen, bildungspolitischer Reformen und nicht zuletzt buch- und mediengeschichtlicher Entwicklungen wird die Rolle der Literatur im Kraftfeld städtischer Repräsentationsaufgaben und partikularer Gruppeninteressen untersucht.
Bibliotheks- und überlieferungsgeschichtliche Studien ermöglichen es, das literarische Profil Frankfurts zu bestimmen. Besondere Aufmerksamkeit findet die einflussreiche Spieltradition, indem die Rezeptionsstrategien und der ambivalente Status des Frankfurter Passionsspiels zwischen Liturgie und Theater analysiert werden. Einen weiteren thematischen Schwerpunkt des Bandes bildet die Bedeutung Frankfurts als Verlags- und Messestadt, wobei auch die jüdische Literatur angemessene Beachtung erfährt. In den Blick genommen wird zudem die literarische Darstellung der Reichsstadt und ihrer Bürger, wie sie in Chronik, Städtelob und Schmähgedicht mit Hilfe rhetorischer, narrativer und im weitesten Sinne fiktionaler Elemente inszeniert wird.
LITERATURREZEPTION: LESER UND BESITZER
Christoph Fasbender: Zum literarischen Profil Frankfurts am Ausgang des Mittelalters
Klaus Wolf. Frankfurts literarisches Leben im ausgehenden Mittelalter. Zwischen Frömmigkeitstheologie und patrizischer Repräsentation
Frank Fürbeth. Literatur in Frankfurter Bürgerbibliotheken des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit
Bernhard Wirth: „Dies Püechl verehre Ich …“ Wer las, wer besaß Frankfurter Drucke des 16. Jahrhunderts?
ÜAUFFÜHRUNGSTRADITION: SPIEL UND DRAMAÜ
Winfried Frey: Die Stadt Frankfurt und das „Frankfurter Passionsspiel“
Elke Ukena-Best: Strategie der Lenkung und Belehrung der Zuschauer im „Frankfurter Passionsspiel“
Regina Töpfer: Frühneuzeitliche Wender auf der Frankfurter Bühne? Das „Frankfurter Passionsspiel“ und Paul Rebhuns „Susanna“ zwischen Theater und Kult
Andreas Lehnardt: Ein verbotenes Frankfurter Purim-Spiel. Zur jüdischen Theaterkultur im Frankfurt der frühen Neuzeit
LITERATURPRODUKTION: MESSE UND BUCHDRUCK
Tina Terrahe: Frankfurts Aufstieg zur Druckmetropole des 16. Jahrhunderts. Christian Egenolff, Sigmund Feyerabend und die Frankfurter Buchmesse
Johannes Klaus Kipf: Auf dem Weg zum Schwankbuch. Die Bedeutung Frankfurter Drucker und Verleger für die Ausbildung eines Buchtyps im 16. Jahrhundert
Andreas Kraß: Am Scheideweg. Poetik des Wissens in der „Historia von D. Johann Fausten“
Anna Schreurs: Den Leser „aus dem Käfig befreien“. Frankfurts kosmopolitischer Blickwinkel. Zu den Publikationen des Verlagshauses Matthäus Merians
Johannes Wachten: Jüdische Literatur in Frankfurt
LITERARISCHE REPRÄSENTATION: SELBST- UND FREMDBILDER
Ernst Erich Metzner: Frühmittelalterliches kollektives Erinnerungswissen und frühneuzeitliche individualistische Wissenschaftseinrede. Thietmar von Merseburg und Johannes Trithemus zu den sagenhaft-exorbitanten Anfängen des alten fränkischen und deutschen Zentralorts ‚Frank(en)furt‘/ ‚Helenopolis‘
Jörg Schwarz: die Horizonte städtischer Historiografie in Frankfurt am Main im späten Mittelalter. Das Beispiel des Johann Heyse
Roman Fischer: Peter Fischer (ca. 1450-1467). Ein Frühhumanist im Frankfurter Franziskanerkloster
Robert Seidel: Innerstädtische Konflikte im Spiegel der Ständesatire. Eine exemplarische Studie zur Frankfurter Gelegenheitsdichtung und ihrer philologischen Erschließung
Ursula Paintner: Zwischen regionaler Verortung und Reichsperspektive. Frankfurt im Städtelob der Frühen Neuzeit