Der Topos vom Krieg in der Gelehrtenrepublik ist im 17. und 18. Jahrhundert im akademischen Diskurs allgegenwärtig. Das vorliegende Themenheft versteht diesen Topos nicht allein als rhetorisches Ornament, sondern rekonstruiert Polemik als einen spezifischen gelehrten Kommunikationsmodus und als ein wesentliches intellektuelles Reflexionsmedium, die für die res publica literaria dieser Epoche prägend waren. Die Anlage des Themenhefts ist dabei, dem Gegenstand entsprechend, interdisziplinär. Zugleich schlägt es die Brücke zur internationalen historischen Kontroversenforschung, indem es neben zahlreichen Publikationen einschlägiger deutscher Polemikforscher zwei vieldiskutierte, hier erstmals ins Deutsche übersetzte Studien von Marcelo Dascal und Joseph Levine präsentiert.
INHALTSVERZEICHNIS
Carlos Spoerhase und Kai Bremer: Rhetorische Rücksichtslosigkeit. Problemfelder der Erforschung gelehrter Polemik um 1700
Teil I: Grundlagen
Joseph M. Levine: Streit in der Gelehrtenrepublik
Marcelo Dascal: Kontroversen und Polemiken in der frühneuzeitlichen Wissenschaft
Marian Füssel: Die Gelehrtenrepublik im Kriegszustand. Zur bellizitären Metaphorik von gelehrten Streitkulturen der Frühen Neuzeit
Caspar Hirschi: Piraten der Gelehrtenrepublik. Die Norm des sachlichen Streits und ihre polemische Funktion
Teil II: Fallstudien
Klara Vanek: Viri politissimi linguam hebraeam muscarum bombos aestimant. Antihumanistische Polemik in Lobschriften auf das Hebräische
Lutz Danneberg: Judex controversiarum theologicarum. Modelle der Schlichtung von Interpretationskonflikten: interpretatio vera, veritas hermeneutica, auctoritas/ potestas
Andrea Albrecht: »Allezeit unparteiliche Gemüther«? Zur mathematischen Streitkultur in der Frühen Neuzeit
Christopher Voigt-Goy: Valentin Ernst Loeschers Unschuldige Nachrichten als Institution im Konflikt zwischen Frühaufklärung und Pietismus
Ingo Berensmeyer: Simulierter Gelehrtenstreit. Margaret Cavendish und die Selbstinszenierung weiblicher Autorität im 17. Jahrhundert
Iris Bons: Kritik in der Medizin des 18. Jahrhunderts. Zur pragmatischen Form von Hallers Vertheidigung (1761) in der Kontroverse um die Irritabilität und Sensibilität von Körperteilen
Karsten Mackensen und Dirk Rose: Johann Matthesons Gelehrtenpolemik und die Neukonzeption der musikalischen Wissenschaft in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
Alexander Nebrig: Der deutsche Dichterkrieg und die agonale Selbstreflexion der Literaturkritik im Jahr 1741
Sibylle Baumbach: Totgesagte streiten länger. Das Elysium als Austragungsort gelehrter Polemik in George Lytteltons
Dialogues of the Dead (1760 – 1765)