Zwischenkriegszeit. Möglichkeiten der modernen Existenz
Mittelweg 36, 6/2012
In Heft 6/2012 des Mittelweg 36 geht um eine Bestimmung der ebenso katastrophalen wie folgenreichen Frühphase des 20. Jahrhunderts. Sie steht unter der leitenden Vermutung, dass die Experimente und Krisenerfahrungen der 1920er und 1930er Jahre zur Grundlegung unserer politischen und kulturellen Gegenwart beigetragen haben. ‚Imperiale Gewalt‘ und ‚mobilisierte Nation‘ – mit diesen beiden Stichworten benennt Lutz Raphael zwei wesentliche Phänomene, denen eine Deutung der Geschichte Europas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Rechnung tragen muss. Für Anselm Doering-Manteuffel kann ‚Weimar als Modell‘ für eine historische Ortsbestimmung der Zwischenkriegszeit dienen. Sowohl die erfolgreichen Versuche, moderne Gesellschaften zu gestalten, als auch das Scheitern Weimars hat einen transnationalen Lernprozess in Gang gebracht hat, von der die europäische Wohlfahrtstaatlichkeit nach 1945 profitiert hat. Auf die Mobilisierung einer Nation, die zu imperialer Gewalt in ungekanntem Ausmaß führen sollte, kommt auch Ulrike Jureit zu sprechen: Indem sie Entwürfe zum ‚Lebensraum‘ in der Zwischenkriegszeit durchmustert, liefert sie eine bestechende Analyse des vermeintlichen Phantomschmerzes, den die nationalsozialistische Expansionspolitik meinte kurieren zu müssen.
Nikola Tietze und Ulrich Bielefeld haben die Gesprächsreihe zum Prozess der Europäisierung fortgesetzt: Diesmal berichtet Georg Leutert, Sekretär des europäischen Betriebsrats von Ford, darüber, welch gewichtige Rolle das Voneinander-Lernen für die grenzüberschreitende Arbeit der Gewerkschaften spielt.
Jan Philipp Reemtsma begründet, welchen gesellschaftlichen Sinn das Stiften hat, womit begreifbar wird, warum die Willkür der Stifter legitim ist.
Schließlich stellt Wolfgang Kraushaar in seiner Protest-Chronik eine erfolgreiche Wehrdienstverweigerin in ihrer Korrespondenz mit David Ben Gurion vor.
Abstracts und Leseprobe: www.mittelweg36.de