Gegenwärtig erlebt die Europäische Union die Erosion ihrer Fundamente: die gemeinsame Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg, der geopolitische Pakt in Abgrenzung zur Sowjetunion sind nicht mehr von entscheidender Bedeutung. Mit der Verringerung des allgemeinen Wohlstands verliert die Europäische Union scheinbar ein weiteres Kernstück ihrer politischen Legitimität. Doch „schlicht anzunehmen, dass die Union gar nicht zerfallen könne, weil das die Beteiligten teuer zu stehen käme“ ist für Ivan Krastev kein Argument einer tragfähigen Diskussion. Die Artikel des zweiten Teils widmen sich der Rolle des Balkans, im Kontext der Entwicklung Gesamteuropas im 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Die eigentümliche, manchmal paradoxe Kombination normativ unvereinbarer Positionen und ideologischer Hybride – so Diana Mishkova – verleiht dem Balkan eine Originalität und Kreativität im Prozess des Transfers der Moderne, die im Guten wie im Schlechten, etwas über das Wesen der Moderne selbst sichtbar werden lässt.
INHALT
Editorial
Ivan Krastev Die Logik des Zerfalls Demokratie und Krise der Europäischen Union
Jacques Rupnik Mitteleuropäische Lehren aus der Euro-Krise
Janos M. Kovacs Tradition, Nachahmung, Erfindung Neue Kapitalismen in Osteuropa
Boris Mezhuev Perestroika 2.0 Dilemmas der politischen Transformation in Russland Der Balkan als Laboratorium der Moderne
Diana Mishkova Transfer der Moderne Liberalismus und Tradition auf dem Balkan des 19. Jahrhunderts
Dessislava Lilova Die Konstruktion des Balkans als Heimat
Constantin Iordachi Unerwünschte Bürger Die „Judenfrage“ in Rumänien und Serbien zwischen 1831 und 1919
Martin Krenn City Views (2003 – 2008). Photographien
Julia Hartwig Gedichte
David Martin Religion und Gewalt Eine Kritik des „Neuen Atheismus“
Webb Keane Secularism as a Moral Narrative of Modernity
Slawomir Sierakowski Verlieren für die Menschen Czesław Miłoszs Science Fiction-Roman Die Berge des Parnass