Alexej Slapovskys Roman Der Marsch zum Kreml (2010) beginnt mit dem Tod eines jungen Schriftstellers, der versehentlich Opfer der Polizei wurde. Ihren toten Sohn in den Armen, macht sich die verzweifelte Mutter auf den Weg, den Schuldigen zu finden. Die Freunde des Schriftstellers schließen sich an, dann ein alter Trinker, überzeugt davon, dass sein in der Nacht zuvor verstorbener Bruder ein Grab an der Kreml-Mauer verdient. Zur Gruppe gesellt sich eine vorbeiziehende Begräbnisprozession, im Glauben, die Kreml-Mauer stehe nun für Privatbegräbnisse zur Verfügung. Passanten schließen sich an. Der kleine Trauermarsch erregt schnell die Aufmerksamkeit der Opposition, die ihre Chance gekommen sieht. Es sollte nicht lange dauern, bis Slapovskys Szenario Wirklichkeit wurde, freilich mit noch offenem Ende. Man spricht von Demokratie und Wandel, doch wer hört hin? Kaum ein gemeinsamer Traum, kein Programm, kein Anführer. Was die Bewegung zusammenhält ist eine Überzeugung: Genug ist genug. Was sie vereint, ist der Unmut über das Bestehende, was ihnen fehlt, ist eine Vision für die Zukunft.
INHALT
Editorial
Ivan Krastev Totgesagte leben länger Autokratie im Zeitalter der Globalisierung
Stephen Holmes Weder autoritär noch demokratisch Verborgene Kontinuitäten im postkommunistischen Russland
Gleb Pawlowski Die Politik der Alternativlosigkeit oder: Wie Macht in Russland funktioniert Ein Gespräch
Vladislav Inozemtsev Ist Russland modernisierbar?
Ekaterina Kuznetsova Russland in die Europäische Union? Vielleicht, vielleicht auch nicht
Samuel A. Greene Gesellschaft ohne Bürger?
Anna Jermolaewa Russland 2011/2012 Photographien
Rossen Djagalov Volksverächter Der Antipopulismus der postsowjetischen Intelligentsia
Ilya Budraitskis Unmögliche Umwälzungen Staatsgewalt und „Extremismus“ in Russland
Zakhar Prilepin Rebellen. Prosa