Mehr Kapitalismus, so scheint es, war nie. Die im Zuge der Finanzkrise entfachten Debatten um die Zukunftsfähigkeit des Kapitalismus haben auch das Interesse an seiner Vergangenheit neuerlich belebt. Dabei ist die Frage, was die kapitalistische Welt im Innersten zusammenhält, heute umstrittener denn je. Angesichts der Vielzahl seiner historischen Ausprägungen fragt es sich, ob es »den« Kapitalismus überhaupt gibt.
Sören Brandes und Malte Zierenberg plädieren daher einleitend für eine konsequente Historisierung des Kapitalismus, die ihren Gegenstand als Teil einer komplexen und veränderlichen sozialen Wirklichkeit rekonstruiert. In Doing Capitalism werben sie dafür, den Kapitalismus praxeologisch als alltäglich erzeugte ökonomisch-soziale Ordnung zu verstehen.
Paul Franke nimmt den Kampfbegriff Kasinokapitalismus wörtlich. Am Beispiel Monte Carlos zeichnet er die Kommerzialisierung des Glücksspiels nach und stellt damit die Gegenüberstellung von riskantem Spiel und solidem wirtschaftlichen Handeln infrage. Veronika Settele meldet mit ihrer Beschreibung des dramatischen Wandels, der sich im Dreieck von Mensch, Kuh, Maschine seit den 1950er-Jahren in deutschen Kuhställen vollzog, Zweifel am geläufigen Narrativ der kapitalistischen Durchdringung an. Stefan Laube hat Derivatehändler in ihrem Habitat, dem Trading Room, beobachtet und sonderbare Laute vernommen. Sein Fazit in „Dax! Der Dax! Hooooi!“: Wer den Finanzhandel verstehen will, hat sein Augenmerk nicht zuletzt auf die Affekte und Körper der Trader zu richten. Thomas Welskopp schließlich fragt, wie wir Zukunft bewirtschaften, und verbindet dabei mit dem genauen Blick auf die Akteure nicht weniger als die Hoffnung auf eine Erneuerung der Kapitalismuskritik aus zeitgemäßer sozialtheoretischer Perspektive.
In der Protest-Chronik berichtet Wolfgang Kraushaar von einem hoffnungsvollen jungen Musiker namens Bob Dylan, der im Mai 1963 lieber auf einen begehrten Fernsehauftritt in der Ed Sullivan Show verzichtete, als sich der Zensur durch den Sender CBS zu beugen.