Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ist in erster Linie auf die Schlachten in Nordfrankreich sowie auf die Pariser Friedenskonferenz und ihre Auswirkungen in Mitteleuropa fokussiert. Wie sich die Situation im östlichen Europa darstellte, ist hingegen weit weniger bekannt.
Das Jahrbuch 2017 thematisiert die unmittelbare Nachkriegszeit, die das östliche Europa zwischen 1918 und 1923 grundlegend veränderte. Bereits 1917 war das Russländische Reich durch Februar- und Oktoberrevolution in seinen Grundfesten erschüttert worden. Im Herbst 1918 brachen das Deutsche Reich und die Habsburgermonarchie zusammen. In ihren ehemaligen Machtbereichen entstanden neue Staaten wie die baltischen Republiken oder die Tschechoslowakei. Während Polen zu seiner Staatlichkeit zurückfand, mussten sich etwa Ungarn und das Osmanische Reich mit starken Gebietsverlusten abfinden. Die Friedensverträge von Versailles, Saint-Germain-en-Laye, Neuilly-sur-Seine, Trianon und Sèvres (1919/1920) schufen die völkerrechtlichen Voraussetzungen für die neue Ordnung.
Diese Veränderungen betrafen auch die in diesem Raum lebenden Deutschen unmittelbar – nicht nur in politischer, sondern auch in sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht.
INHALTSVERZEICHNIS
Matthias Weber: Vorwort
Sabine Bamberger-Stemmann: Grenzsicherung oder Integration? Das „Bollwerk Ostpreußen“ und die Planungen für ein Reichsminderheitengesetz in den 1920er Jahren
Włodzimierz Borodziej / Maciej Górny: Konfliktfelder im Osten: Politisierung sozialer Konflikte in Ostmitteleuropa 1917–1923
Frank Grelka: Gegen altes Unrecht im neuen Staat: Nationaljüdische Akteure in Polen und Litauen nach dem Großen Krieg
Dirk Hainbuch: Die gescheiterte Entschädigung der Auslandsdeutschen für erlittene Schäden an Eigentum und Gesundheit nach dem Ersten Weltkrieg
Emilia Kiecko: Die Jahre 1918 bis 1923 in der polnischen Städteplanung und Architektur – Ein aufgeschobener Durchbruch
Olga Kurilo: Zwischen Krieg und Reform: Die „Nachkriegszeit“ aus Sicht des deutschbaltischen Adels
Beata Mache: Jüdische Positionen in der wieder polnisch gewordenen Provinz Posen 1918‒1923
Dmytro Myeshkov: Der ukrainische Staat und seine nationalen Minderheiten 1917‒1920
Hans-Christian Petersen / Tobias Weger: Neue Begriffe, alte Eindeutigkeiten. Zur Konstruktion von ‚deutschen Volksgruppen‘ im östlichen Europa
Peter Polak-Springer: Census or Plebiscite? The Grassroots Politics of Census Talking in German and Polish Upper Silesia, 1918‒1939
Lena Radauer: Seite an Seite mit dem Feind – Deutsche Kriegsgefangene in Russland vor und nach 1917/1918
Martin Schieck: Eine Stadt orientiert sich um. Frankfurt an der Oder nach dem Ersten Weltkrieg
Maik Schmerbauch: „Omnia acta et domumenta“ – Der Transfer von Akten des Bistums Breslau in die neue kirchliche Veraltung Kattowitz nach 1922. Ein Beitrag zur kirchlichen Registratur- und Verwaltungsgeschichte Ostmitteleuropas nach dem Ersten Weltkrieg
Stephan Scholz: Präzedenzfall Lausanne? Die deutsche Haltung zum griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch von 1923
Florian J. Schreiner: Von Langemarck zum Annaberg: Das Verhältnis akademischer und militärischer Akteure in der Nachkriegszeit 1918–1921
Philipp Strobl: Die Erschaffung einer neuen Identität – Die deutschsprachigen Gebiete Westungarns im Spannungsfeld zwischen Österreich und Ungarn 1918‒1923
Boldizsár Vörös: „Es kommt ein Zeitalter, das allen Wohlstand und volle Freiheit sichern wird“. Utopistische Zukunftsvorstellungen in der Ungarländischen Räterepublik 1919
Autorinnen und Autoren