„Die Sprache der Fotografie ist die Sprache der Ereignisse“, so der Schriftsteller und Kunstkritiker John Berger in seinem Aufsatz „Eine Fotografie verstehen“ (1968). Dabei sei die Entscheidung des Fotografen, das sich Ereignende fotografisch festzuhalten, bereits eine der Kernbotschaften der Fotografie. Schaut man sich die Sammlung Denecke aus dem Stadtarchiv Wolfsburg einmal genauer an, in der auf weit über hundert Aufnahmen die Vorbereitungen zur Grundsteinlegung des Volkswagenwerks wie auch das Ereignis vom 26. Mai 1938 selbst durch die Linse unterschiedlicher Fotografen und lokaler Bildchronisten dokumentiert sind, so wird schnell klar: Die Aufnahmen transportieren eine Vielzahl an Botschaften, da auf ihnen Ereignisse auf unterschiedlichen Ebenen festgehalten sind. Um welche Ebenen es sich dabei konkret handelt und wie die Fotografien aus der Sammlung gelesen und verstanden werden können, erschließt uns die Berliner Historikerin Linda Marie Conze in unserem Titelinterview.
Unser freier Mitarbeiter Maik Ullmann wiederum begibt sich mit seiner Untersuchung des Geschichtsbildes der 1918 entstandenen Organisation „Der Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten“ auf geschichtswissenschaftliches Neuland, ist doch eine solche Untersuchung aus lokalgeschichtlicher Perspektive bislang noch nicht erfolgt. Ullmann fokussiert dabei auf Veranstaltungen der hiesigen Ortsgruppen aus Vorsfelde, Fallersleben und Schloss Wolfsburg und vermag aufzuzeigen, wie die rechts-konservative Organisation ihr ebenso militaristisches wie reaktionär-revanchistisches Geschichtsbild auf lokaler Ebene zu popularisieren vermochte.
Der Wirtschaftshistoriker Christopher Kopper schließlich gibt uns einen Einblick in seine jüngst erschienene und im Auftrag der Volkswagen AG erarbeitete Publikation „VW do Brasil in der brasilianischen Militärdiktatur“, mit der der Konzern auf einen 2014 veröffentlichten Bericht der „Brasilianischen Wahrheitskommission“ über Menschrechtsverletzungen und politische Morde während der Militärdiktatur reagierte. In diesem sah sich die Volkswagen AG Vorwürfen der Kollaboration ausgesetzt. Im begleitenden Interview mit dem Lateinamerikahistoriker Stephan Ruderer blickt er dabei auch auf andere deutsche Wirtschaftsunternehmen und deren Zusammenarbeit mit lateinamerikanischen Militärdiktaturen und ordnet die Geschehnisse in die in jenen Jahren ungebrochen guten bundesrepublikanischen Wirtschaftsbeziehungen ein.
Der Fotograf Robert Lebeck lässt uns auch in dieser Ausgabe nicht los, sind wir doch über einen Zufall an Fotografien gelangt, die den Fotojournalisten bei der Arbeit im Prager Frühling zeigen.
INHALTSVERZEICHNIS
Abseits der großen Bühne. Die Grundsteinlegung des Volkswagenwerks durch die Linse lokaler Bildchronisten. Linda Marie Conze im Interview S. 1–3
Maik UllmannDer Stahlhelm um Schloss Wolfsburg und dessen Geschichtsbild in der Weimarer Republik S. 4–7
Der Fotograf bei der Arbeit. Aufnahmen zeigen Robert Lebeck in Prag. Kristina Nolte-Thumm im Interview S. 8–9
Christopher KopperDie industriellen Beziehungen bei VW do Brasil während der Militärdiktatur S. 10–12
VW do Brasil als Profiteur der brasilianischen Militärdiktatur. Christopher Kopper im Interview mit Stephan Ruderer S. 13
Werner StraußDas größte Kaufhaus der Stadt. Hertie öffnet seine Pforten (AdM 2/2018) S. 14
Alexander KrausFotografien schreiben Geschichte. Robert Lebeck und Wolfsburg 1962 (AdM 3/2018) S. 15
Werner StraußEin Mocca-Service für den ehemaligen britischen Kontrolloffizier Major Ivan Hirst (AdM 4/2018) S. 16