Inhaltsverzeichnis
FORUM KOMMUNIKATIONSGESCHICHTE
Das ›Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte‹ widmet sich seit nunmehr 20 Jahren der Vielfalt an möglichen Zugängen und interdisziplinären Perspektiven zu historischer Kommunikation. Die anhaltenden Fragen zu Konturen, Werkzeugen und Denkmustern kommunikationshistorischer Erkenntnisinteressen geben uns Anlass, ein Beitrags-Forum zu begründen, dessen Grundfrage »Was ist Kommunikationsgeschichte« in den nächsten Jahren aus unterschiedlichen Forschungsrichtungen und aus dem Blick auf verschiedene Epochen erörtert werden soll. Die bewusst kurz gehaltenen und mit wenigen Anmerkungen versehenen Beiträge dieses Forums sollen fragende, einordnende und anregende Impulse geben, um »Kommunikationsgeschichte« innerhalb historisch arbeitender Disziplinen konzeptionell zu schärfen. In diesem Sinne werden die einzelnen Beitragenden das eigene (fachliche) Verständnis von Kommunikationsgeschichte vorstellen, begründen sowie Potentiale und Grenzen der eigenen Ansätze erörtern.
Massimo Rospocher (Trient):
What Is the History of Communication? An Early Modernist Perspective.
Daniel Bellingradt (Erlangen-Nürnberg):
Annäherungen an eine Kommunikationsgeschichte der Frühen Neuzeit
Maria Löblich / Niklas Venema (Berlin):
Kommunikationsgeschichte in der Kommunikationswissenschaft
AUFSÄTZE
Simone Zweifel (St. Gallen):
Ein Blick hinter die Produktion von Kompilationen im 16. Jahrhundert am Beispiel Johann Jacob Weckers
Frühneuzeitliche Kompilationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie viele Textbestand- teile enthalten, die bestehenden Büchern entnommen wurden. Diese wurden neu ge- ordnet und kontextualisiert, wodurch neue Bücher entstehen konnten. In diese Prakti- ken der Buchproduktion waren nicht nur Menschen, sondern auch Dinge – insbeson- dere Bücher – involviert: Zusammen bildeten sie »Kompilationsnetzwerke«, die hinter der Produktion von Kompilationen standen. Das Ziel dieses Aufsatzes ist eine erste Einführung in das Konzept des »Kompilationsnetzwerks«.
Early modern compilations often contain text elements, which are copied out of other books. The actors who produced such compilations brought these elements into a new order and context and created new books out of them. This kind of book production was only possible because books and people were linked to each other. Therefore, I consider not only people, but also books as elements of the »compilation networks«, which were responsible for the production of early modern compilations. This paper aims to give a first introduction to the concept of the »compilation network«.
Alexandra Schäfer–Griebel (Mainz):
Die Arbeitspraxis im Nachrichtendruckgewerbe. Religionskriegsnachrichten im Heiligen Römischen Reich um 1590
Zu der Arbeitspraxis von Druckwerkstätten, die am Ende des 16. Jahrhunderts Nachrichtenpublikationen fertigten, ist kaum etwas bekannt. Der vorliegende Artikel arbeitet systematisch sowohl die Profile dieser Druckwerkstätten und ihre Organisation als auch die Informationsakquise, Selektion, Bearbeitung und Übersetzung der Nachrich- ten heraus. Hier wurde die Berichterstattung im Heiligen Römischen Reich zu einer Phase der Französischen Religionskriege (um 1590) als Ausgangspunkt gewählt, um am konkreten Fall die Arbeitspraxis im Nachrichtendruckgewerbe zu entwickeln.
We hardly know anything about the working practice of printing workshops which produced news publications at the end of the 16th century. The article at hand systema- tically carves out the profiles of these printing workshops and their organisation as well as the acquisition of information, the selection, processing and translation of news. Here, the reporting on one period of the French Wars of Religion in the Holy Roman Empire (1590) was chosen as a starting point to develop the working practice of the news-printing trade in a specific case.
Heiko Droste (Stockholm):
Das Geschäft mit Nachrichten. Ein barocker Markt für soziale Ressourcen
Der vorliegende Aufsatz ist eine Auseinandersetzung mit aktuellen Forschungen zur Kommunikationsgeschichte der so genannten Frühen Neuzeit. Ausgehend von einer Definition der Nachricht und ihrer sozialen Funktionen wird ein Verständnis des Nach- richtenmarkts skizziert, das mit Konzepten von Druck-Öffentlichkeit und Medien- systemen nicht sinnvoll gefasst werden kann. Nachrichten sind eine Investition in soziale Beziehungen, die dem Ziel der Partizipation an Funktionseliten dienen. Sie sind auch eine Form der Teilhabe an Gleichzeitigkeit, die Teil des Lebensstils dieser Funk- tionseliten ist. Das hier skizzierte Verständnis des Nachrichtenmarkts im 17. Jahrhundert gibt Anlass, die Periodisierung der Frühen Neuzeit wie damit zusammenhängen- der Vorstellungen von der so genannten Moderne in Frage zu stellen, die die Kommunikationsgeschichte noch immer prägen.
The following essay examines current research on the history of communications in the so-called early modern era, which still reiterate a Whig approach to media history. Based on a definition of news and its social functions, a different understanding of the contemporary news market is proposed. This market can not be unterstood properly on the basis of notions of a print-based public sphere or media systems. News was and is an investment in social relationships that resulted in forms of participation. They are also a means of participation in contemporaneity, which was part of the lifestyle of functional elites. The understanding of the news market in the seventeenth century outlined here not only questions the periodization of early modern times and related ideas about the so-called modernity, especially within the field of the history of com- munication. It also offers a different understanding of the social functions of news with repercussions for the contemporary news market.
MISZELLEN
Klaus-Dieter Herbst (Jena):
Der Schreibkalender der Frühen Neuzeit und seine Autoren. Ergebnisse der Forschung. Mit einer Personalbibliografie seit 2006
Seit 1540 gibt es die Schreibkalender, in die die Menschen Notizen machen konnten. Die Kalender in Quart boten auch lange Zeit für viele Menschen den einzigen Zugang zu weltlichem Lesestoff. In der Mitte des 17. Jahrhunderts setzte eine inhaltliche Dif- ferenzierung bei den Text- und Bildbeigaben in den Schreibkalendern ein, um Käufer mit unterschiedlichen Interessen anzusprechen und dabei auch die verschiedenen Bil- dungsgrade der Leser zu berücksichtigen. Neben Astronomen und Ärzten trugen vor allem auch lutherische Pfarrer und Lehrer dazu bei. Die Erforschung der Schreibkalen- der und ihrer Autoren durch den Verfasser wurde seit 2002 in vier Projekten durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert. In dieser Miszelle wird der aktuelle Forschungsstand zusammengefasst.
Since 1540 exist the writing-calendars in which the people could write notices. For long times the almanacs in quart gave many people the only chance to obtain profane reading matters. In the middle of the 17th century a differentiation began in the con- tents of the almanacs with several texts and illustrations, this should engage purchasers with different interests and should take into consideration the several degrees of edu- cation too. By the side of astronomers and physicians especially Lutheran pastors and teachers contributed to this. The exploration of the almanacs and their authors through the writer of this has been funded by the Deutsche Forschungsgemeinschaft in four projects since 2002. In this text topical research results will be given.
Albrecht Hoppe (Berlin):
Das »Schottische Moorhuhn« – oder: Vom Nutzen und vom Niedergang der »Zeitungsberichterstattung« preußischer Verwaltungsbehörden (1722–1918)
Der Beitrag behandelt die sogenannten Zeitungsberichte der preußischen Verwaltungsbehörden, die seit dem frühen 18. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkrieges in formalisierter Weise den allgemeinen Informationsaustausch zwischen der unteren Ver- waltungsebene des Staates, den Landratsämtern und Bezirksregierungen zu den zentralen Instanzen in Berlin regelten. Hingewiesen wird auf eine im Druck befindliche kommentierte Edition der Zeitungsberichte der Potsdamer Regierungspräsidenten 1867–1914.
The article describes the so-called Zeitungsberichte (administrative reports) of the Prussian administrative authorities, which from the early 18th century until the end of World War I formally regulated the general flow of information between the lower administrative authorities of the state, the district administration offices (Landräte) and district governments (Regierungsbezirke) to the central authorities in Berlin. Reference is made to an annotated edition of the »Zeitungsberichte« of the district presidents (Regierungspräsidenten) in Potsdam 1867–1914.
Holger Böning (Bremen):
Von »Lügen-Presse«, »Fake-News« und »Medien-Mainstream«. Gedanken zu einigen Neuerscheinungen zum Thema und zum Zustand der gegenwärtigen Presseberichterstattung
Rudolf Stöber (Bamberg):
Kommentar zur Miszelle von Holger Böning
Buchbesprechungen
Im Besprechungsteil werden 89 Neuerscheinungen zur Kommunikationsgeschichte rezensiert.
Bibliografie (Wilbert Ubbens, Bremen)
Die Bibliographie verzeichnet darüber hinaus mehr als 1900 kommunikationshistorische Aufsätze aus internationalen Zeitschriften.
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