Nach einer langen Phase der Verdrängung ist Deutschland nun ‚Weltmeister der Vergangenheitsbewältigung‘ und hat das ‚dunkle Kapitel‘ seiner Geschichte erfolgreich in das Masternarrativ einer vereinigten bundesrepublikanischen Identität integriert. Mit der heutigen Erinnerungskultur ist zugleich ein Ort geschaffen, an dem über gegenwärtigen Antisemitismus und Rassismus diskutiert wird, als fänden sie in luftleeren Räumen statt. Wir leben in einer Gegenwart, in der das Gedenken an die Shoah zwar Staatsräson ist, selbstbestimmte Erinnerung aber erkämpft werden muss. In der Opfergruppen vergessen und diskriminiert werden. In der die Vergangenheit instrumentalisiert wird, um Migranten auszugrenzen. Vor diesem Hintergrund sind Jüdinnen und Juden mit der Erwartung einer deutschen Dominanzgesellschaft konfrontiert, den sonderbaren deutschen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit zu bestätigen. Jüdisch-deutsche sowie innerjüdische Widersprüche können nicht thematisiert werden, Kontinuitäten rechter und antisemitischer Gewalt bleiben unbenannt.
Wie aber wirkt die Vergangenheit in die Gegenwart hinein? Wer erinnert sich (nicht) und wer wird (nicht) erinnert? Inwiefern kann von einem kollektiven Gedächtnis gesprochen werden, wenn es um die Entlastung der deutschen Tätergesellschaft geht, die sich jüdischer und migrantischer Positionen lediglich bedient, um die eigene Gutwerdung zu inszenieren? Auf welche Weise liegt in dem Konzept postmigrantischer Gesellschaften die Chance für eine Intervention?
1 / א (NACH) JALTA
Salome und der Kopf des Propheten. Zum 90. Geburtstag von Susan Taubes Christina Pareigis
Yalta: A Talmudic Novel Ruhama Weiss
Begegnungen mit Jalta I–VII Ruby Kelev
Ein Plädoyer für die Sichtbarkeit! Oder die Verstecke von gestern sind die Bühnen von morgen Ina Rosenthal
2 / ב GEGENWARTSBEWÄLTIGUNG
Selbstbilder in der postnationalsozialistischen Gegenwart Astrid Messerschmidt
Die Geschichten einer Familie. Heimat in Zeiten von Wandel, Umbrüchen und Migration Kübra Gümüşay
Danke, Moderne! Frederek Musall
Doing Memory und rechte Gewalt. Erinnern und Vergessen als Praxis und Ausgangspunkt für postmigrantisches Zusammenleben Tanja Thomas /Fabian Virchow
Empathische Solidarität Gegenwartsbewältigung als Emanzipation Deniz Utlu
„Don’t you call me…!“ Interventionen im deutschen Theater Azadeh Sharifi
Einen Schlussstrich ziehen? Ein Chat über den Umgang mit unterschiedlichen Familienvergangenheiten Susanna Harms /Tanja Kinzel
Lalki z Majdanka. Puppen aus Majdanek Tal Schwartz
Vom Zionismus zur großen Gereiztheit Micha Brumlik
Historische Bildung zum Nationalsozialismus und der Shoah. Entwicklungslinien, Herausforderungen und Chancen Elke Gryglewski
Zwischen den Generationen Marina Chernivsky
(Un)Geliebte Erbschaften. Gedenken im Kontext transgenerationaler Verstrickung Tom David Uhlig
3 / ג JUDEN UND …
Juden und reisende Puppen. Quer durch die Bundesrepublik Shlomit Tulgan
Juden und Sex Barbara Steiner
Juden und Witze mit Bart Darja Klingenberg
4 / ד VERGESSEN, ÜBERSEHEN, VERDRÄNGT
Ja, ein Vorbild: Jeanette Wolff! Micha Brumlik
Fragments of Memory. A Multimedia Project in Response to Debora Vogel and Her Hometown of Lviv, a Microcosm of Europe’s Turbulent 20th Century Asya Gefter
Von einer fast vergessenen Rettung und zwei wiedergefundenen Stühlen. Zu Igal Avidans Mod Helmy Sharon Adler
5 / ה STREITBARES
„Bei uns doch nicht“. Abschottung und Abhängigkeitsstrukturen als begünstigende Faktoren für sexuelle Ausbeutung und sexuellen Missbrauch in jüdischen Gemeinschaften Jonas Fegert
„Wir müssen das Ganze in den Blick nehmen“. Interview mit Michal Schwartze zum Thema Antisemitismus und Schule Hannah Peaceman
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