Religion und Gesellschaft in Ost und West (2020), 11

Titel der Ausgabe 
Religion und Gesellschaft in Ost und West (2020), 11
Weiterer Titel 
Im Dialog mit der modernen Gesellschaft - eine neue orthodoxe Sozialethik

Erschienen
Zürich 2020: Selbstverlag
Erscheint 
monatlich
Anzahl Seiten
32 S.
Preis
€ 10,00 / CHF 12,00 zzgl. Versandkosten

 

Kontakt

Institution
Religion und Gesellschaft in Ost und West (RGOW)
Land
Switzerland
c/o
Institut G2W Bederstr. 76 CH-8002 Zürich
Von
Zwahlen, Regula

Angesichts der globalen sozialen Auswirkungen der Pandemie ist das im März publizierte sozialethische Dokument „Für das Leben der Welt. Auf dem Weg zu einem Sozialethos der Orthodoxen Kirche“ des Ökumenischen Patriarchats von frappierender Aktualität. Das zu Recht Aufsehen erregende Dokument geht auf aktuelle soziale Probleme ein und will Christinnen und Christen dazu ermutigen, sich aktiv am gesellschaftlichen Leben und an der Lösungssuche für die sozialen und ökologischen Herausforderungen der modernen Welt zu beteiligen. Dabei will "Für das Leben der Welt" keine Gesamtdarstellung der orthodoxen Soziallehre sein, sondern als Vorlage für einen ernsthaften Dialog mit allen anderen Kirchen, Religionen und der modernen Gesellschaft dienen. Angesprochen werden u. a. Fragen der Sexualethik, das Verhältnis der Orthodoxen Kirche zu den Menschenrechten, der ökumenische und interreligiöse Dialog sowie der kirchliche Umgang mit Wissenschaft und Technik.

Inhaltsverzeichnis

Stefanos Athanasiou: Asketische und liturgische Erfahrung als Grundlage des Sozialethos
Das neue Sozialethik-Dokument des Ökumenischen Patriarchats will keine umfassende Soziallehre sein, sondern den Weg zu einem Sozialethos aufzeigen. Bei seiner Entstehung und Konzeption sind insbesondere die Erfahrungen der Orthodoxie des Westens eingeflossen. Das Dokument behandelt viele sozialethisch relevante Fragestellungen, wobei es immer vom asketischen und liturgischen Leben der Kirche ausgeht.

Gregory Tucker: Sexualethik und Familienleben in der Orthodoxie
„Für das Leben der Welt“ bietet kein starres Regelwerk, sondern zeichnet sich im Bereich der Sexualethik durch einen ganzheitlichen Ansatz aus. Neu sind die Aufwertung der Ehe als Liebesgemeinschaft, ein bejahender Zugang zu Sexualität (einschließlich Verhütungs- und Fortpflanzungstechnologien) und ein nicht verurteilender, pastoraler Umgang mit Themen wie Scheidung oder Abtreibung. Was Fragen der Geschlechteridentität betrifft, bleibt der Text vage und mahnt zur Nicht-Diskriminierung.

Brandon Gallaher: Orthodoxie, Ökumene und Weltreligionen
Das neue Sozialethik-Dokument des Ökumenischen Patriarchats befasst sich auch mit der Ökumene und dem interreligiösen Dialog. Implizit wird die Kirchlichkeit der nicht-orthodoxen Kirchen angedeutet, jedoch nicht explizit anerkannt. Wesentlich offener zeigt sich das Dokument gegenüber Judentum und Islam; Zugänge zu anderen Weltreligionen sind jedoch erst im Ansatz vorhanden.

Gayle E. Woloschak: Wissenschaft, Technik und natürliche Welt im Sozialethik-Dokument
Das neue Sozialethos widmet einer orthodoxen Positionsbestimmung zur Wissenschaft ein ganzes Kapitel. Dabei werden keine starren Regeln für den Umgang mit einzelnen Technologien oder medizinischen Verfahren aufgestellt, sondern Gewissen und Urteilsvermögen als Leitplanken ethischen Handelns gestärkt. Besondere Aufmerksamkeit erfährt der „scheinbare“ Antagonismus zwischen Glauben und Wissenschaft. Insbesondere mit Blick auf die Umwelt wird eine Verhaltensänderung der Menschen gefordert.

Regina Elsner: Kontextuelle und essentielle Unterschiede orthodoxer Sozialethik
20 Jahre nach der Sozialkonzeption der Russischen Orthodoxen Kirche erscheinen die Vorschläge zu einem Sozialethos des Ökumenischen Patriarchats in einem veränderten globalen Kontext und sollen alle Orthodoxe ansprechen. Die Unterschiede sind jedoch nicht nur kontextueller Art: Ob die Kirche eher in der Nähe zum Staat oder zur Zivilgesellschaft verortet oder eher die Erlösungsbedürftigkeit oder Gottes Liebe zur Welt betont wird, beeinflusst die sozialethischen Haltungen grundlegend.

Ioan Moga: Sozialethische Avantgarde oder Reparaturwerkstatt?
„Für das Leben der Welt“ versteht sich als Einladung zu einer breiteren sozialethischen Diskussion in der Orthodoxen Kirche. Die Stellungnahmen zu kontroversen Fragen der Gegenwart setzen erfrischend neue Akzente aus der Sicht der amerikanischen griechisch-orthodoxen Theologie. Wenig berücksichtigt wird die Pluralität der historischen und sozialethischen Kontexte der Diaspora oder der osteuropäischen Lokalkirchen.

Vladimir Chulap: Eine praktische Ethik für die postmoderne Gesellschaft
Das neue sozialethische Dokument reiht sich in einen längeren sozialethischen Reflexionsprozess der Orthodoxen Kirche ein. Es skizziert eine Vision von Kirche, die sich aktiv am öffentlichen Leben beteiligt. Das Dokument könnte den innerorthodoxen Dialog beleben und fordert die Kirchen auf, aktiv und konstruktiv an der gesellschaftlichen Konsensbildung im säkularen Kontext teilzunehmen.

Dagmar Heller: Ökumenische Impulse von „Für das Leben der Welt“
„Für das Leben der Welt“ nimmt viele Themen des panorthodoxen Konzils von Kreta auf und vertieft sie. Damit einher geht eine positivere Würdigung der modernen Welt, was auch dem ökumenischen Dialog neuen Schwung verleihen kann. Allerdings bleibt der ekklesiologische Status der anderen Kirchen aus orthodoxer Perspektive weiterhin ungeklärt.

Ursula Nothelle-Wildfeuer: Gemeinsam unterwegs? Die neue orthodoxe Sozialethik und die katholische Soziallehre
Ein Vergleich von „Für das Leben der Welt“ mit der zweiten Sozialenzyklika von Papst Franziskus „Fratelli tutti“ zeigt verschiedene theologische Grundlinien, aber eine große Übereinstimmung bei den behandelten Einzelthemen. Die unterschiedliche theologische Grundierung bietet die Chance im ökumenischen Gespräch von den spezifischen Akzentuierungen der jeweils anderen Tradition zu lernen.

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