Nicht nur bedingt durch den Ersten Weltkrieg, sondern auch aus anderen biografischen Gründen findet sich im Expressionismus häufig der Fall eines frühen Tods der Künstlerinnen. Doch auch in der Kunst und Literatur des Expressionismus ist der Tod ein wiederkehrendes Thema – sei es, dass Expressionistinnen ihren eigenen Tod als Möglichkeit behandeln, gescheiterte Suizidversuche künstlerisch fruchtbar machen oder sich angesichts von Krieg und Straßenkämpfen mit dem Tod beschäftigen. Daneben gibt es ebenso Aktualisierungen von Motivtraditionen, wie z.B. des Salome-Stoffs.
Freilich ist die häufig bemerkte ‚Todessehnsucht‘ der Expressionistinnen etwas, das sie mit den Künstlerinnen der Jahrhundertwendezeit gemeinsam haben – was umso mehr die Frage nach Unterschieden in der Thematisierung und ästhetischen Strategien provoziert. Hinzu kommt, dass die Todesthematik im Expressionismus nicht selten an Gewalt geknüpft ist: Gewaltverbrechen – gerade zwischen den Geschlechtern – sind ebenso ein häufiges Motiv wie die (idealisierte) Auseinandersetzung mit Kriegsgräueln. Allerdings setzen sich die Werke durchaus auch mit traditionellen und religiösen Todesvorstellungen wie dem Totentanz auseinander.
Das zwölfte Heft von Expressionismus zeichnet die expressionistische Beschäftigung mit dem Tod anhand von Fallbeispielen vor allem aus der bildenden Kunst und der Literatur nach. Damit werden einerseits bekannte Werke neu perspektiviert, andererseits neue Schlaglichter auf eher vergessene Künstler*innen geworfen.
Inhalt
Editorial
Lust, Vitalismus und Tod
Simone ZupferLebensgier und Todessehnsucht. Sinngebungskonzepte im Roman Der Flüchtling von Max Herrmann-Neiße
Matthias C. HänselmannDie Umkehrung des Lebens. Katharina Vemens /MüllersAbrechnung mit dem expressionistischen Vitalismusgedanken in Die fremden Zungen
Fabian LutzDer „stumme Liebestod der Blume“. Weibliche Lust und der Tod in El Hors Die Närrin
Krieg und Mord in der Bildenden Kunst
Nike DreyerDarstellungen des Todes und Sterbens in Mystische Bilder vom Krieg von Natalija Gontscharowa
Steffen EiglBohumil Kubišta und die klassische Bildtradition. Zwischen Totentanz, nature morte und Selbstreflexion
Ästhetik des Todes
Martin BartelmusEin blumiger Tod. Alfred Döblins vegetative Poetik des Todes in Die Ermordung einer Butterblume
Elisa GarrettZur optischen Wirkung des Todes. Visualität und Ikonografie in Oskar Kokoschkas Mörder, Hoffnung der Frauen
Lars AmannZur poetischen Vitalisierung des Todes in der Prosa Georg Heyms
Rezensionen Abbildungsverzeichnis Vorankündigung: Ausgabe 14/2021