Religion und Gesellschaft in Ost und West (RGOW) 50 (2022), 8–9

Titel der Ausgabe 
Religion und Gesellschaft in Ost und West (RGOW) 50 (2022), 8–9
Weiterer Titel 
Zeitdiagnosen. 50 Jahre Osteuropa im Blick

Erschienen
Zürich 2022: Selbstverlag
Preis
Jahresabonnement CHF 95,00 / EUR 81,00; Abo für Studierende CHF 50,00 / EUR 42,00; Einzelheft CHF 17,00 / EUR 15,00 (Doppelnummer)

 

Kontakt

Institution
Religion und Gesellschaft in Ost und West (RGOW)
Land
Switzerland
c/o
Institut G2W Bederstr. 76 CH-8002 Zürich
Von
Regula Zwahlen, RGOW, Religion & Gesellschaft in Ost und West (RGOW)

Unsere Zeitschrift RGOW und das herausgebende Institut G2W – Ökumenisches Forum für Glauben, Religion und Gesellschaft in Ost und West feiern in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag! Im Juli 1972 wurde das Institut gegründet, und Anfang 1973 erschien die erste Ausgabe von „Glaube in der 2. Welt. Materialdienst“, so der erste Titel der Zeitschrift. Ihre Zielsetzung war es, über das kirchliche und religiöse Leben in den sozialistischen Ländern zu informieren und auf Verletzungen der Religionsfreiheit aufmerksam zu machen.

Bis heute hat die Zeitschrift viele Entwicklungen durchlaufen. Geblieben ist, dass RGOW weiterhin monatlich Zeitdiagnosen zu aktuellen Ereignissen im östlichen Europa liefert. Die Zeitschrift entstand zu Zeiten des Kalten Kriegs, heute führt Russland einen heißen Krieg gegen die Ukraine, der den Frieden und die Sicherheit in Europa grundlegend in Frage stellt. Vor diesem Hintergrund nehmen wir in dieser Jubiläumsausgabe vor allem Russland, die Ukraine sowie die beiden Nachbarländer Belarus und Polen in den Blick.

Inhaltsverzeichnis

GESCHICHTE G2W

Stefan Kube: Im Wandel der Zeit. Schlaglichter auf 50 Jahre G2W
Der Verein und das Institut G2W wurden vor 50 Jahren gegründet, um auf die prekäre Lage der Kirchen und Religionsgemeinschaften hinter dem Eisernen Vorhang aufmerksam zu machen. Nach dem Systemumbruch kam zu der Informationsarbeit die Entwicklungszusammenarbeit, vor allem in Russland, dazu. Heute behandelt die Zeitschrift nicht nur die religiöse, sondern auch die politische und gesellschaftliche Situation im östlichen Europa.

Vom Materialdienst zur Fachzeitschrift und Entwicklungszusammenarbeit: Chronik 1972–2022

RUSSLAND

Nicolas Hayoz: Putin, Russland und der Krieg gegen die Ukraine
Viel zu lange haben die westlichen Partner Russlands die Augen vor Vladimir Putins autoritären und diktatorischen Tendenzen verschlossen. Weder die zunehmende Repression und Propaganda im Inneren noch der imperiale Anspruch gegen außen wurden als Warnzeichen ernst genommen. Dabei liegt im imperialen Erbe und Anspruch Russlands der Kern vieler Probleme, beispielsweise das Streben nach Kontrolle über das „nahe Ausland“, das sich am dramatischsten im Krieg gegen die Ukraine zeigt.

Jens Siegert: Putins Krieg oder Russlands Krieg? Und was daraus folgt
Seit dem Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine stellt sich die Frage, inwiefern und ob überhaupt noch eine Zusammenarbeit mit Russland angebracht oder sinnvoll ist. Verstärkt werden die Zweifel von der offenbar großen Unterstützung der Bevölkerung für die Regierung und ihr Vorgehen. Von den Menschen in Russland, die für einen politischen Wandel im Land sind, sollte man sich jedoch nicht abwenden. Denn langfristig kann das Land nur mit deren Hilfe verändert werden.

Thomas Bremer: Wandelbar: Die Russische Orthodoxe Kirche in den letzten 50 Jahren
Seit 1972 hat die Russische Orthodoxe Kirche tiefgreifende Veränderungen durchlaufen. Während sie in den 1970er-Jahren streng kontrolliert wurde, brach mit dem Ende der Sowjetunion eine völlig neue Zeit der Unabhängigkeit an. In der Folge entstand ein großer Pluralismus innerhalb der Kirche. Mit dem Beginn des Patriarchats von Kirill kam es zu einer innerkirchlichen Zentralisierung und einer Distanzierung vom „Westen“.

Natalija Zenger und Regula Zwahlen im Gespräch mit Alexander Stepanov: Nachlassendes Interesse. Kirchliche Sozialarbeit in Russland
Die beiden orthodoxen Priester Alexander Stepanov und Lev Bolschakov waren Pioniere beim Aufbau kirchlicher Sozialarbeit nach dem Ende der Sowjetunion. Sie gründeten die Bruderschaft der hl. Anastasija, aus der verschiedene Projekte und Organisationen entstanden, mit denen G2W auch heute noch zusammenarbeitet, darunter das Basilius-Zentrum und der Fonds Diakonia. Im Interview blickt Vater Alexander auf die Anfänge der kirchlichen Sozialarbeit in Russland zurück und beschreibt die heutigen Bedingungen für soziales Engagement.

Ivan Petrov: Wo stehen wir heute? Der Krieg und wir Gläubige
Die Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine seitens der Kirchenleitung der Russischen Orthodoxen Kirche hat bei einem Teil der Gläubigen Ratlosigkeit und Bestürzung ausgelöst. Viele fanden in den 1990er-Jahren zur Kirche und wenden sich nun wieder ab. Die Spaltungen innerhalb der ROK werden in Zukunft vermutlich zunehmen.

Nadezhda Beljakova, Vera Kljueva: Beziehungsabbruch. Evangelische Gläubige in Russland und der Ukraine
Seit dem Euromajdan 2014 haben sich die Angehörigen ukrainischer und russischer Freikirchen zunehmend voneinander entfremdet. Mit dem russischen Angriffskrieg sind die Beziehungen vielfach gänzlich abgebrochen. Während die ukrainischen Gläubigen das Schweigen ihrer russischen Glaubensgeschwister kritisieren, fürchten letztere Repressionen des Putin-Regimes. Unter den russischen Freikirchen lässt sich eine Rückkehr spätsowjetischer Verhaltensmuster beobachten.

UKRAINE

Franziska Davies: Langsames Erinnern. Holocaust und Holocaust-Gedenken in der Ukraine
Über eine Million Jüdinnen und Juden wurden während des Zweiten Weltkriegs in der Ukraine von den deutschen Besatzern ermordet. In der breiteren Öffentlichkeit ist dieser „holocaust by bullets“ immer noch kaum bekannt. In der sowjetischen Zeit wurde die Erinnerung an die jüdischen Opfer tabuisiert. Erst nach der Unabhängigkeit der Ukraine erfolgte die staatliche Anerkennung des besonderen jüdischen Leids. Bis heute gibt es jedoch Erinnerungskonflikte um nationalukrainische Narrative, die den eigenen Antisemitismus ausblenden.

Natalia Shlikhta: Antireligiöse Verfolgung, Vereinigung und Ukrainisierung: Kirchen in der sowjetischen Ukraine
Die heutige religiöse Vielfalt in der Ukraine geht in vielem auf die Sowjetzeit und die vorangegangenen Epochen zurück. Verschiedene östliche Kirchen auf dem Gebiet der heutigen Ukraine wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelöst und im Ukrainischen Exarchat der Russischen Orthodoxen Kirche zwangsvereinigt. Doch wurde das Exarchat auch zur Keimzelle einer Ukrainisierung des kirchlichen Lebens.

Andriy Mykhaleyko: In Bewegung. Die Kirchenlandschaft und der Krieg in der Ukraine
Alle ukrainischen Kirchen haben den russischen Angriffskrieg klar verurteilt und sich hinter den ukrainischen Staat gestellt. Alle großen Kirchen der östlichen Tradition stehen jedoch auch vor enormen Herausforderungen: Die Ukrainische Orthodoxe Kirche steht aufgrund ihrer bisherigen Verbundenheit mit dem Moskauer Patriarchat in der Kritik. Dagegen versucht sich die Orthodoxe Kirche der Ukraine als national-patriotische Kirche zu profilieren. Die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche wiederum muss die Äußerungen des Papstes erklären.

Fabian Burkhardt: In den Fängen des Krieges: Belarusisches Regime und Opposition
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat auch die Koordinaten des innenpolitischen Machtkampfs in Belarus verändert. Bereits durch die Niederschlagung der Massenproteste im Herbst 2020 mit russischer Hilfe hat sich das Lukaschenka-Regime in verstärkte Abhängigkeit vom Kreml begeben. Eine Rückkehr zu einer Schaukelpolitik zwischen Russland und der EU ist nicht mehr möglich, erst recht nicht, seit Belarus als Aufmarschgebiet für den russischen Angriff auf die Ukraine fungiert. Die belarusische Opposition im Exil hat ihre Strategie angepasst und sich als Anti-Kriegsbewegung neu definiert. Gleichzeitig werden Risse unter den Oppositionskräften erkennbar.

POLEN

Justyna Zając: Unnachgiebig und solidarisch. Polen und der russische Angriffskrieg
Die polnische Gesellschaft und die politische Elite sind sich einig in der scharfen Verurteilung des Angriffskriegs gegen die Ukraine und in der Unterstützung des angegriffenen Landes. Die polnische Zivilgesellschaft leistet beispiellose Hilfe für die ukrainischen Flüchtlinge. Die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage und die Energieknappheit könnten die polnische Solidarität jedoch auf die Probe stellen.

Elżbieta Adamiak: Verspieltes Vertrauen. Die römisch-katholische Kirche in Polen
Bei der friedlichen Transition 1989 spielte die römisch-katholische Kirche in Polen eine maßgebliche Rolle. Durch die Nähe zu bestimmten politischen Parteien und ein klerikales Kirchenverständnis hat sie jedoch beträchtliches gesellschaftliches Vertrauen verspielt. Das Bekanntwerden zahlreicher Missbrauchsfälle, deren schleppende Aufarbeitung sowie kontroverse öffentliche Debatten um Themen wie Abtreibung, Gender und LGBTQI+ führen zu einer zunehmenden Entfremdung der Gläubigen.

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