Filmblatt 2022 (27), 79/80

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Filmblatt 2022 (27), 79/80
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Weiterer Titel 
Filmisches Erinnern - Kinogeschichte

Erschienen
Anzahl Seiten
156 S.
Preis
€ 16,00

 

Kontakt

Institution
Filmblatt
Land
Deutschland
Ort
Berlin
c/o
CineGraph Babelsberg e.V., c/o Postfach 12 09 20, D-10599 Berlin
Von
Brigitte Braun, CineGraph Babelsberg e. V.

Der Komiker Jerry Lewis versuchte es im Stil einer grotesken Komödie. Er scheiterte ebenso wie der Regisseur Cornfield, die Hauptfigur in Thomas Braschs Der Passagier – Welcome to Germany (1988), der eine Geschichte von Judenverfolgung und staatlich organisiertem Massenmord in der NS-Zeit auf die Leinwand bringen will, die seine eigene Lebensgeschichte ist. Brasch, der als Kind jüdischer Kommunisten im Exil aufwuchs, komponiert ein Vexierspiel, einen Film im Film im Film, den Christian Rogowski in seinem Beitrag detailliert untersucht. Amber Moyles stellt den umfangreichen Bestand der Deutschen Kinemathek zu Jerry Lewis’ nie veröffentlichtem Film über den Holocaust vor: The Day the Clown Cried (1971–1973).

Für den Anfang des Jahres verstorbenen Dramatiker und Filmemacher Herbert Achternbusch war die ihm eigene Hassliebe zu seiner Heimat Bayern immer auch mit der Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit verbunden. Auf bissige Weise setzte er sich damit auch im Film Das letzte Loch (1981) auseinander, den Tilman Schumacher genauer untersucht. Keine Verdrängung, sondern eine staatlich gewollte „gelenkte Erinnerung“ an die NS-Zeit in der DDR beschreibt Ralf Forster am Beispiel dokumentarischer Filme, die für die Gedenkstätten in den früheren Konzentrationslagern Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen hergestellt wurden.

Um persönliche und nicht um nationale Schuld geht es in Karl Schönherrs Kriminaldrama Der Weibsteufel (1918), das im Laufe der Filmgeschichte mehrfach für die Leinwand adaptiert wurde. Christoph Fuchs vergleicht die drei österreichischen Verfilmungen von Florian Flicker (2012), Georg Tressler (1966) und Wolfgang Liebeneiner (1951) miteinander.

Liebeneiner hatte bereits 1938 das Fliegerpionierdrama Ziel in den Wolken gedreht, das in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg spielt. Wolfgang Jacobsen geht in seinem Beitrag den Vorboten des Zweiten Weltkriegs nach, die sich in dieser NS-Produktion finden lassen.

Mit der Kinogeschichte und der Kinokultur befassen sich zwei weitere Texte: Marcus Plaul präsentiert ein bürgerwissenschaftliches Forschungsprojekt zur Kinogeschichte der DDR an der Universität Erfurt, und Philipp Stiasny führt anhand neuer Publikationen vor, wie lebendig die kinogeschichtliche Forschung ist, ob nun im Saarland oder im Schaumburger Land, in Bielefeld, Pforzheim, Watzenborn-Steinberg oder Wien.

Dabei geht es zwangsläufig auch um die Enteignung jüdischer Eigentümer und das Nachleben der NS-Zeit – der deutschen Geschichte kann man nicht entkommen.

Inhaltsverzeichnis

Editorial
S. 1

Artikel

Christian Rogowski: „So nicht!“ Filmemachen im Schatten der Shoah in Thomas Braschs Der Passagier – Welcome to Germany (1988)
S. 3

Tilman Schumacher: Geschichtsverdrängungen als Gegenwartszumutungen. Herbert Achternbuschs Das letzte Loch (1981)
S. 19

Amber Moyles: The Day the Clown Cried. Materialien zu Jerry Lewis’ „verlorenem“ Film im Archiv der Deutschen Kinemathek
S. 33

Ralf Forster: Gelenkte Erinnerung. KZ-Gedenkstättenfilme aus der DDR
S. 39

Christoph Fuchs: Drei sind zwei zu viel. Moral und Mathematik in den Verfilmungen des Kriminaldramas Der Weibsteufel
S. 55

Wolfgang Jacobsen: Kaschierte Vernichtungsgier. Notate zu Wolfgang Liebeneiners Film Ziel in den Wolken (1938)
S. 71

Aus Forschung und Vermittlung

Marcus Plaul: Erfurter Lichtspielhäuser in der Erinnerungskultur der DDR. Zwischenbilanz eines bürgerwissenschaftlichen Forschungsprojektes zur Kinogeschichte
S. 87

Review

Philipp Stiasny: Bruce Lees letzter Kampf. Splitter einer Kinogeschichte zwischen Krise und Konjunktur
S. 91

Filmeditionen

Opium (D 1919, R: Robert Reinert), DVD. München: Edition filmmuseum 2021 (Michael Wedel)
S. 103

Anders als die Andern / Gesetze der Liebe / Geschlecht in Fesseln (D 1919–1928, R: Richard Oswald, Magnus Hirschfeld, Wilhelm Dieterle), DVD, München: Edition filmmuseum 2022 (Sara Friedman)
S. 105

Ekstase (ČSR 1933, R: Gustav Machatý), DVD + Blu-ray, Wien: Filmarchiv Austria 2021 (Daniel Wiegand)
S. 107

Deadlock (BRD 1970, R: Roland Klick), Blu-ray + Ultra 4K Blu-ray. Schwerte: Subkultur Entertainment 2021 (Anna Katharina Heizmann)
S. 110

Die Reise nach Lyon (BRD 1981, R: Claudia von Alemann), DVD. München: Edition filmmuseum 2021 (Fiona Berg)
S. 113

Rezensionen

Anja Laukötter: Sex – richtig! Körperpolitik und Gefühlserziehung im Kino des 20. Jahrhunderts. Göttingen: Wallstein 2021 (Joachim Schätz)
S. 117

Joanne Miyang Cho (Hg.): East Asian-German Cinema. The Transnational Screen, 1919 to the Present. New York, London: Routledge 2021 (Wolfgang Fuhrmann)
S. 119

Swenja Schiemann, Erika Wottrich (Red.): Grenzüberschreitende Licht-Spiele. Deutsch-Niederländische Filmbeziehungen. München: edition text + kritik 2021 / Rommy Albers, Ivo Blom, Olaf Brill, Jörg Schöning (Red.): Kino, Krieg und Tulpen. Deutsch-Niederländische Filmbeziehungen. Hamburg: Cinefest 2020 (Philipp Stiasny)
S. 121

Philipp Stiasny, Jürgen Kasten, Frederik Lang (Hg.): Ufa international. Ein deutscher Filmkonzern mit globalen Ambitionen. München: edition text + kritik 2021 (Tim Bergfelder)
S. 124

Katharina Loew: Special Effects and German Silent Film. Techno-Romantic Cinema. Amsterdam University Press 2021 (Eleanor Halsall)
S. 127

Axel Block: Die Kameraaugen des Fritz Lang. Der Einfluss der Kameramänner auf den Film der Weimarer Republik. München: edition text + kritik 2020 / Gavin Schmitt: Karl Freund. The Life and Films. Jefferson: McFarland (Michael Wedel)
S. 129

Wolfgang Jacobsen: Der Film im Nationalsozialismus. München: edition text + kritik 2021 / Joseph Garncarz: Begeisterte Zuschauer. Die Macht des Kinopublikums in der NS-Diktatur. Köln: Herbert von Halem Verlag 2021 (Kathleen Lotze)
S. 133

Michael Annegarn-Gläß: Neue Bildungsmedien revisited. Zur Einführung des Lehrfilms in der Zwischenkriegszeit. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt 2020 (Rolf Aurich)
S. 136

Bill Niven: Jud Süß. Das lange Leben eines Propagandafilms. Halle an der Saale: Mitteldeutscher Verlag 2022. (Philipp Stiasny)
S. 137

Elizabeth Ward: East German Film and the Holocaust. New York: Berghahn 2021 (Evan Torner)
S. 139

Sarah Kordecki: Und ewig ruft die Heimat … Zeitgenössische Diskurse und Selbstreflexivität in den Heimatfilmwellen der Nachkriegs- und Nachwendezeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2020 (Johannes von Moltke)
S. 141

Claudia Sandberg: Peter Lilienthal. A Cinema of Exile and Resistance. New York: Berghahn 2021 (Johannes Dominik Hardt)
S. 144

Betty Schiel, Maxa Zoller (Hg.): Was wir filmten. Filme von ostdeutschen Regisseurinnen nach 1990. Berlin: Bertz + Fischer 2021 (Top Girl Kollektiv)
S. 146

Wolfgang Flügel, Merve Lühr, Winfried Müller (Hg.): Urbane Kinokultur. Das Lichtspieltheater in der Großstadt 1895–1949. Dresden: Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde 2020 / Victor Klemperer: Licht und Schatten. Kinotagebuch 1929–1945. Berlin: Aufbau Verlag 2020 (Philipp Stiasny)
S. 148

Gegendarstellung (Johanne Hoppe)
S. 150

Mitarbeiter:innen dieser Ausgabe
S. 151

Impressum
S. 154

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