Religion und Gesellschaft in Ost und West (RGOW) 51 (2023), 3

Titel der Ausgabe 
Religion und Gesellschaft in Ost und West (RGOW) 51 (2023), 3
Weiterer Titel 
Erschüttert. Kirchliche Friedensethik und Ökumene

Erschienen
Zürich 2023: Selbstverlag
Preis
Jahresabonnement CHF 95,00 / EUR 81,00; Abo für Studierende CHF 50,00 / EUR 42,00; Einzelheft CHF 15,00 / EUR 13,00

 

Kontakt

Institution
Religion und Gesellschaft in Ost und West (RGOW)
Land
Switzerland
c/o
Institut G2W Bederstr. 76 CH-8002 Zürich
Von
Regula Zwahlen, RGOW, Religion & Gesellschaft in Ost und West (RGOW)

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die europäische Friedens- und Sicherheitsordnung in ihren Grundfesten erschüttert und auch die friedensethischen Positionierungen der Kirchen ins Wanken gebracht. Gestritten wird innerkirchlich über das Verständnis des Leitbegriffs „Gerechter Friede“, über die ethisch gebotene Art der Unterstützung der Ukraine sowie um die potenziellen Folgen dieses Handelns.

Als Friedensprojekt par excellence versteht sich die ökumenische Bewegung. Deren institutionelle Verkörperung, der Ökumenische Rat der Kirchen, wurde 1948 auch als Antwort auf die Schrecken des Zweiten Weltkriegs gegründet. Die theologische Rechtfertigung des russischen Angriffskrieges durch das Moskauer Patriarchat hat daher auch die Ökumene in die Krise gestürzt. Wie konnte es dazu kommen? Eigene Fehleinschätzungen zu benennen und neue Wege des ökumenischen Dialogs zu suchen, schulden die Kirchen nicht zuletzt dem tagtäglichen Zeugnis der Ukrainerinnen und Ukrainer.

Inhaltsverzeichnis

Peter Scherle: Zeitenwende? Die friedensethische Debatte in der Evangelischen Kirche in Deutschland
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat in der Evangelischen Kirche in Deutschland hitzige Debatten über die friedensethische Orientierung ausgelöst. Im Zentrum stehen dabei das Verständnis des Begriffs „Gerechter Friede“, und welche Handlungsoptionen sich daraus ableiten lassen. Die Friedensethik muss das Spannungsverhältnis zwischen christlichem Friedenszeugnis und (militärischem) Schutz vor Gewalt und Not neu ausleuchten.

Thomas Hoppe: Aporien und Verantwortung. Zur neu entfachten friedensethischen Diskussion
Der russische Überfall auf die Ukraine hat auch neue Debatten über die friedensethischen Positionierungen der Kirchen entfacht. Zum einen wird über die Art und der Weise der Solidarität mit der Ukraine diskutiert, und in welcher Form Unterstützung geleistet werden soll. Zum anderen gilt es darüber nachzudenken, wie sich eine neue europäische Sicherheitsarchitektur gestalten lässt.

Ioan Moga: Das Friedenspotenzial der Orthodoxen Kirche(n) – Hoffnung trotz allem?
Der vom Moskauer Patriarchen legitimierte Krieg gegen die Ukraine wirft ein grelles Licht auf die Friedensethik der gesamten Orthodoxie. Orthodoxe Theolog:innen und Hierarchen haben den Krieg scharf verurteilt. Auf der lokalen Ebene in der Ukraine gibt es Ansätze der Zusammenarbeit zwischen den orthodoxen Kirchen. Auch im ökumenischen Dialog muss der friedensethische Diskurs weiterentwickelt werden.

Tetiana Kalenychenko: Tradition, Adaption, Revolution? Friedensethik während des Krieges
In der Ukraine setzt die NGO Dialogue in Action seit 2016 friedensbildende Projekte in und mit religiösen Gemeinschaften um. Sie basieren auf neuen kreativen Ansätzen der Friedensethik, die stark auf Prozesse und persönliche Netzwerke fokussieren. Die religiösen Organisationen sollen sich so als eigenständige und kooperative Mitglieder der ukrainischen Zivilgesellschaft begreifen.

Gisa Bauer: Wie weiter? Ökumenischer Dialog und Friedensethik aus evangelischer Sicht
Nicht die Grundannahmen des Konzepts „Gerechter Frieden“ haben mit Blick auf den russischen Überfall auf die Ukraine Schiffbruch erlitten, sondern im Dialog mit der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) wurde nicht auf dessen Maxime rekurriert. Auch das aktuelle Handeln des Ökumenischen Rats der Kirchen ist von einer janusköpfigen Friedensethik geprägt. Es gilt vor allem den Dialog mit den dissidentischen Stimmen in der ROK zu suchen.

Regina Elsner: Frieden im ökumenischen Dialog mit der Russischen Orthodoxen Kirche
Zu Beginn der Teilnahme der Russischen Orthodoxen Kirche an ökumenischen Dialogen spielte die Friedensthematik unter dem Vorzeichen des Kalten Kriegs eine wichtige Rolle. Dennoch entwickelte die ROK keine eigenständige theologische Position zum Thema Frieden, das nach dem Ende der Sowjetunion denn auch aus den ökumenischen Gesprächen verschwand. Spätestens seit den 2010er Jahren und angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine erst recht zeigt sich die friedensethische Leerstelle im ökumenischen Dialog mit der ROK deutlich.

Reinhard Flogaus: Ökumene im Zeitalter der Apokalypse
Der russische Patriarch Kirill rechtfertigt Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine seit dessen Beginn und positioniert sich damit klar an der Seite der Regierung. Bei anderen Kirchen sorgt diese Haltung für Irritation und Kritik, viele haben ihre bilateralen Kontakte mit der Russischen Orthodoxen Kirche auf Eis gelegt. Das Moskauer Patriarchat versucht demgegenüber Normalität in den Beziehungen zu vielen anderen orthodoxen Kirchen vorzuspielen und betont die Nähe zum Islam in Russland.

Roman Fihas: Ökumene im Krieg. Neue Wege für den Dialog gefragt
Das ökumenische Leben in der Ukraine ist seit der Majdan-Revolution von neuer Annäherung und neuen Konflikten, insbesondere im Zusammenhang mit der Gründung der Orthodoxen Kirche der Ukraine gekennzeichnet. Der russische Angriffskrieg hat die innerukrainischen Debatten um die Ukrainische Orthodoxe Kirche nochmals verschärft. Auch auf globaler Ebene sind durch den Krieg Probleme der Ökumene sichtbar geworden, die nach neuen Antworten verlangen.

Heta Hurskainen: Eine finnische Perspektive: Abbruch der ökumenischen Beziehungen
Sowohl die lutherische als auch die orthodoxe Kirche in Finnland pflegten bis zum russischen Angriffskrieg ökumenische Beziehungen zur Russischen Orthodoxen Kirche. Seit dem Kriegsbeginn verurteilen sie diesen klar und haben alle kirchlichen Kontakte abgebrochen. Kritisch zeigten sie sich auch gegenüber der Positionierung des Ökumenischen Rats der Kirchen in der Ukraine-Frage.

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