Liebe Leserinnen und Leser,
Die Juni-Ausgabe der „Blätter für deutsche und internationale Politik“ erscheint am 30. Mai 2024.
In der Juni-Ausgabe würdigt Albrecht von Lucke anlässlich von Jürgen Habermas‘ 95. Geburtstag dessen universalistisches Projekt der Moderne und fordert, an dessen Vision einer dauerhaften Entfeindung festzuhalten. Seyla Benhabib plädiert für einen Kosmopolitismus, der die postkoloniale Kritik ernstnimmt. Markus Linden analysiert den Aufstieg der Mosaik-Rechten. Paul Schäfer fordert eine neue Friedenspolitik, jenseits von Nationalpazifismus und Militärfixierung. Ulrich Brand und Markus Wissen sehen den an sein Limit geratenden Kapitalismus als Ursache für neue, öko-imperiale Spannungen. Und Marc Thörner wertet Saudi-Arabiens Megaprojekt Neom als Ausdruck eines archaischen Futurismus.
Weitere Themen im Juni: Europawahl: Mit rechts gegen den Klimaschutz, Bezahlkarte: Der autoritäre Sozialstaat, Pazifistische Rhetorik von rechts, Schöffen: Russisch Roulette mit Verfassungsfeinden, Abtreibung, Leihmutterschaft und die Untiefen der Liberalität, Der Nahostkonflikt an deutschen Unis, Spanien: Vor dem Ende der Polarisierung? Senegal: Panafrikanisch und souverän, Eine Utopie für Mexiko u.v.m.
Mit herzlichen Grüßen Ihre „Blätter“-Redaktion
https://www.blaetter.de/ausgabe/2024/juni
KURZGEFASST
Albrecht von Lucke: »Go west«, trotz alledem. Das unvollendete Projekt des Jürgen Habermas, S. 51-58
Am 18. Juni begeht „Blätter“-Mitherausgeber Jürgen Habermas seinen 95. Geburtstag, doch sein universalistisches, auf Kommunikation und Verständigung ausgerichtetes Projekt ist gefährdeter denn je. „Blätter“-Redakteur Albrecht von Lucke verortet das Habermassche Projekt der Moderne im Kontext der Nachkriegsgeschichte und fordert, an dessen Vision einer dauerhaften Entfeindung festzuhalten, auch wenn der russische Eroberungskrieg in der Ukraine derzeit nur militärisch gestoppt werden kann.
Seyla Benhabib: Für einen interaktiven Universalismus. Kosmopolitismus und die postkoloniale Kritik, S. 59-68
Das Ideal einer normenbasierten internationalen Ordnung und die universellen Menschenrechte stehen unter Beschuss. Die Philosophin und „Blätter“-Mitherausgeberin Seyla Benhabib setzt dagegen auf einen erneuerten Kosmopolitismus. Dieser müsse an die schon erreichten Fortschritte des Völkerrechts anknüpfen und die postkoloniale bzw. dekoloniale Kritik aufnehmen. Gleichzeitig warnt sie vor einer Hermeneutik des Misstrauens, die nicht deutlich macht, welche Zukunftsideale zu verteidigen sind.
Markus Linden: Der Aufstieg der Mosaik-Rechten. Negative Öffentlichkeit und die prekäre Zukunft der Demokratie, S. 69-80
Die Neue Rechte setzt auf eine Mischung aus Provokation und Selbstverharmlosung. Dabei argumentiert sie gleichzeitig mit liberal-demokratischen Werten und brandmarkt liberale Eliten. Ihre Strategie, kulturelle Hegemonie mit Hilfe negativer Gegenöffentlichkeiten zu erlangen, droht aufzugehen, analysiert der Politikwissenschaftler Markus Linden. Nur ein Konzept der positiven Öffentlichkeit könne dem entgegenwirken.
Claudius Voigt: Rechtspopulismus als Mainstream. Die Bezahlkarte für Geflüchtete und der autoritäre Sozialstaat, S. 81-86
Die Bezahlkarte für Geflüchtete kommt. Der Referent für Flüchtlingsberatung Claudius Voigt sieht in ihrer Einführung ein weiteres Beispiel für den fortschreitenden national-autoritären Umbau des Sozialstaats, getragen von einer breiten Koalition. Dabei gehe es letztlich darum, die Menschenwürde unter Nationalvorbehalt zu stellen. Demgegenüber gelte es, den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung entschieden zu verteidigen.
Paul Schäfer: Jenseits von Nationalpazifismus und Militarismus. Plädoyer für eine wirksame Friedenspolitik nach der Zeitenwende, S. 87-97
Der russische Angriff auf die Ukraine stellt die Friedensbewegung vor große Herausforderungen. Wer in dieser Lage friedenspolitisch etwas bewirken will, betont der Soziologe und Linken-Politiker Paul Schäfer, muss die Anliegen der Opfer des Angriffskriegs ernstnehmen. Es bedürfe der Einsicht, dass Frieden nur mit einer aktiven europäischen Verteidigungspolitik zu erreichen ist, ohne gleichzeitig einer Militärfixierung zu verfallen.
Dokumentiert: Dmitri Medwedew: Russlands historische Mission, S. 99-106
Anlässlich des 80. Jahrestags des Sieges über Nazi-Deutschland veröffentlichte der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew einen Text, der nicht nur die Geschichtsauffassung seiner Partei „Einiges Russland“ deutlich macht, sondern auch die russischen Kriegsziele. So wie London und Washington einst den Nationalsozialismus gefördert hätten, stützten sie nun die angeblichen Neonazis in der Ukraine. Der Sturz der Regierung in Kiew sei daher nur der erste Schritt für die Neuordnung der Welt.
Ulrich Brand und Markus Wissen: Klima, Krise, Krieg. Wie öko-imperiale Spannungen die internationale Politik prägen, S. 107-116
Den Mächtigen fehlt es nicht an Wissen über die Klimakrise. Vielmehr erklärt sich deren Untätigkeit aus dem unüberbrückbaren Widerspruch zwischen imperialer Lebensweise und planetaren Grenzen, so „Blätter“-Mitherausgeber Ulrich Brand und sein Kollege Markus Wissen. Je näher der Kapitalismus an sein Limit gerate, desto deutlicher äußere sich dies in neuen, öko-imperialen Spannungen. Diese manifestierten sich immer wieder in offenen politischen Konflikten bis hin zum Krieg.
Marc Thörner: Megacity Neom: Saudi-Arabiens archaischer Futurismus, S. 117-124
Mit dem Megaprojekt „Neom“ will sich das Königreich Saudi-Arabien als klimafreundliches und futuristisches Vorzeigeland präsentieren. Doch hinter der fortschrittlichen Fassade verbirgt sich ein rücksichtsloses Regime, konstatiert der Islamwissenschaftler und Journalist Marc Thörner. Er zeigt auf, wie brutal Kronprinz Mohammed Bin Salman Gegner zum Schweigen bringt, während deutsche Unternehmen und die Bundesregierung unvermindert mit dem Land kooperieren.
Inhaltsverzeichnis
KOMMENTARE
Europawahl: Mit rechts gegen den Klimaschutz von Steffen Vogel, S. 9
Pazifistische Rhetorik von rechts von Volker Weiß, S. 13
Schöffen: Russisch Roulette mit Verfassungsfeinden von Matthias Fahrner, S. 17
Abtreibung, Leihmutterschaft und die Untiefen der Liberalität von Ulrike Baureithel, S. 21
Spanien: Vor dem Ende der Polarisierung? von Julia Macher, S. 25
Panafrikanisch und souverän: Ein neues Kapitel für den Senegal von Claudia Ehing, S. 29
Bewaffnete Milizen: Trumps Drohpotential von Arndt Peltner, S. 33
Eine Utopie für Mexiko von Emma Schrade, S. 37
ANALYSEN UND ALTERNATIVEN
»Go west«, trotz alledem. Das unvollendete Projekt des Jürgen Habermas von Albrecht von Lucke, S. 51
Für einen interaktiven Universalismus. Kosmopolitismus und die postkoloniale Kritik von Seyla Benhabib, S. 59
Der Aufstieg der Mosaik-Rechten. Negative Öffentlichkeit und die prekäre Zukunft der Demokratie von Markus Linden, S. 69
Rechtspopulismus als Mainstream. Die Bezahlkarte für Geflüchtete und der autoritäre Sozialstaat von Claudius Voigt, S. 81
Jenseits von Nationalpazifismus und Militarismus. Plädoyer für eine wirksame Friedenspolitik nach der Zeitenwende von Paul Schäfer, S. 87
Dokumentiert: Russlands historische Mission von Dmitri Medwedew, S. 99
Klima, Krise, Krieg. Wie öko-imperiale Spannungen die internationale Politik prägen von Ulrich Brand und Markus Wissen, S. 107
Megacity Neom: Saudi-Arabiens archaischer Futurismus von Marc Thörner, S. 117
DEBATTE
Nahostkonflikt an deutschen Unis: Für Dialog statt Polarisierung von Peter Ullrich, S. 41
Für einen Waffenstillstand um Stellvertreterkrieg an den US-Universitäten von Dov Waxman, S. 45
AUFGESPIESST
Vox Populi, Vox Kubicki! Von Jan Kursko, S. 8
BUCH DES MONATS
Der Koffer von Frances Stonor Saunders, S. 125
IN EIGENER SACHE
20 Jahre »Blätter« in Berlin: Die Feier, S. 5
EXTRAS
Kurzgefasst, S. 49
Dokumente, S. 98
Zurückgeblättert, Impressum, Autoren und Autorinnen, S. 128