Vorwort
Diese Ausgabe der „Burgen und Schlösser“ hat einen Schwerpunkt auf Burgen im nördlichen Niedersachsen. Drei der Beiträge gehen auf das Kolloquium „Burgen im nördlichen Niedersachsen“ zurück, das die Landesgruppe Niedersachsen der Deutschen Burgenvereinigung e. V. zusammen mit dem Museum Burg Bederkesa in Bederkesa im September letzten Jahres veranstaltet hat. Zahlreich waren die Wünsche aus dem Publikum, die dort gehaltenen Vorträge verschriftlicht zu sehen. Dem kommt die Redaktion von „Burgen und Schlösser“ gerne nach. Die Vorträge von Kirsten Hüser, Andreas Hüser und Heiko Laß wurden um zwei weitere Beiträge von Antje Sander sowie von Stefan Krabath und Thorsten Becker (Begriffe erkunden) ergänzt. So ist es möglich, wichtige Besonderheiten der Region an dieser Stelle gebündelt vorzustellen. Es geht um Burgen am Übergang von Marsch und Geest, soziale Aufsteiger, Häuptlinge, Burgen als Städtebauer und ein regierendes „Fräulein“. Das nördliche Niedersachsen ist eine Küstenregion und war immer ein reichsfernes Gebiet. Dementsprechend unterscheiden sich sowohl die topografischen als auch die historischen Gegebenheiten von ‚klassischen Burgenregionen‘ wie jenen der Mittelgebirge. So waren Steine im hier betrachteten Raum selten. Bis zum Ende des Mittelalters konnten die Friesen weitgehend ihre Unabhängigkeit wahren und feudale Strukturen verhindern. Und aufgrund der Gezeiten mit unterschiedlichen Wasserständen bei Ebbe und Flut gibt es keine klare Küstenlinie, und es ist daher nur selten möglich, ein Gebäude direkt an die Küste zu bauen. Auch die anschließende Marsch ist ein unsicherer Bauplatz, da Sturmfluten dieses Schwemmland regelmäßig überfluten. Erst die anschließende höher gelegene Geest bietet einen sicheren Ort. Infolgedessen wurden vor allem im Frühmittelalter zahlreiche Burgen am strategisch günstigen Übergang von der Geest zur Marsch errichtet. Kirsten Hüser stellt zwei frühmittelalterliche Burgwälle dieser „Geestrandburgen“ aus dem Land Wursten zwischen Bremerhaven und Cuxhaven vor, die an wichtigen Handelswegen lagen und durch Wasserläufe zugleich direkt mit dem Meer verbunden waren. Andreas Hüser betrachtet die Burg Stotel im Süden von Bremerhaven. Sie stammt aus dem Hochmittelalter und ist für die Region einzigartig. Ihre Befestigung erfolgte mithilfe einer massiven Steinmauer und einem Torturm. Sie weicht damit von den zahlreichen anderen Niederungsburgen im Elbe-Weser-Dreieck ab. Hüser stellt die Anlage in den Kontext des sozialen Aufstiegs des ersten Grafen von Stotel zu Beginn des 13. Jahrhunderts als Monument ihres sozialen Aufstiegs. Sie trug den sprechenden Namen „de Stoltenbroke“, also „die Stolze [Burg] im Bruch“. Als steinarme Region kam Steinbauten ein besonderer Zeichenwert zu. Lange Zeit waren nur Kirchen aus (Back-)Stein erbaut worden. Als sich im 15. Jahrhundert in Friesland die sozial herausgehobene Gruppe der Häuptlinge etablierte, ließen sich diese sog. „Steinhäuser“ erbauen. Diesen Terminus erklären Stefan Krabath und Thorsten Becker in der Rubrik „Begriffe erkunden“. Dabei unterscheiden die Quellen nicht, ob es sich um einen turmartigen Häuptlingssitz, ein Pfarrhaus oder ein ländliches Gebäude handelt. Steinhäuser waren Orte der herrschaftlichen Selbstdarstellung. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts kamen auch längsrechteckige Gebäude auf, die einen repräsentativen Saal aufwiesen. Im nördlichen Niedersachsen traten Städte im 14. und 15. Jahrhundert als bedeutende Burgenbesitzer und Burgenerbauer auf. Heiko Laß stellt die Burgen der Hansestädte Bremen, Hamburg und Lüneburg vor. Hauptbeweggrund für den städtischen Burgenbesitz war die Friedenssicherung, die für einen ertragreichen Fernhandel unabdingbar war. Die Lage der Burgen orientierte sich an Handelsrouten und nicht an räumlichen Zusammenhängen. Die Anlagen waren lediglich feste Stützpunkte, die meist nur aus einem befestigten Turm bestanden. Ziele städtischer Burgenpolitik waren nicht die Einnahmen aus den zugehörigen Gebieten, sondern die Kontrollen der für den eigenen Handel wichtigen Straßen und Flüsse. Aus einem Häuptlingsgeschlecht ging Maria von Jever (1500–1575) hervor. Sie war eine Herrscherin aus eigenem Recht. Wie ihre männlichen Standesgenossen inszenierte sie ihre Landesherrschaft auch mittels Architektur. Der Regierungssitz Jever wurde zu einer angemessenen Residenz ausgebaut und befestigt. Hinzu kam eine dynastische Grablege in der Stadtkirche. Mit Marienhausen wurde zudem ein Sommersitz errichtet, der ihrem landesherrlichen Satus Nachdruck verlieh. Die Bautätigkeit Marias von Jever umfasst trotz des kleinen Territoriums in ihrem Anspruch alle Elemente, die für eine Landesherrin des 16. Jahrhunderts angemessen waren. Ihre Bautätigkeit unterscheidet sich nicht von der ihrer männlichen Standesgenossen. Ergänzt wird diese Ausgabe durch zwei Beiträge von Ralph Röber zur Frage: „Wie baut man ein Renaissance-Schloss? Die Versorgung mit Baustoffen im Spiegel der Schriftquellen zu Schloss Horst, Gelsenkirchen“ und von David Burkhardt zur „Burg Helfenberg. Eine kleine Niederadelsburg im Dresdner Umland“.
Heiko Laß, im Namen der Redaktion