Titel der Ausgabe 
Gerbergasse 18, 29 (2024), 3
Weiterer Titel 
Diktaturfolgen

Erschienen
Erscheint 
vierteljährlich
Anzahl Seiten
76 S.
Preis
Jahresabonnement: € 14,00, Einzelheft: € 3,50

 

Kontakt

Institution
Gerbergasse 18. Thüringer Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte und Politik
Land
Deutschland
c/o
Geschichtswerkstatt Jena e.V. Heinrich-Heine-Straße 1 07749 Jena Telefon: +49 (0) 36 41 - 82 12 35
Von
Daniel Börner, Redaktion "Gerbergasse 18", Geschichtswerkstatt Jena

Der Prozess der Aufarbeitung der Dikatur(en) hat sich schmerzhaft gezeigt, dass sich Nachwirkungen, Konsequenzen und Spätfolgen nicht mit einer Datumsgrenze oder dem Erreichen von Jahrestagen erledigt haben. Aktuell wird ein „Sechstes Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR“ in den Deutschen Bundestag eingebracht. Mit gesetzlichen Veränderungen soll die Situation der – noch lebenden – SED-Opfer verbessert werden, dazu gehört die Einrichtung eines Härtefallfonds, die Dynamisierung der Zuwendung für Haftopfer, die Anpassung der Definition der Opfergruppen an die Forschungslage sowie die Erleichterung der Beantragung und Bewilligung von Hilfen und Leistungen. Durch das vorzeitige Ende der Ampel-Regierung im November 2024 wird eine Verabschiedung wiederum hinausgezögert.

Obwohl Rehabilitierungen, Entschädigungen und Restitutionen fortlaufend stattfinden, lassen sich mit der Zahlung symbolischer Beträge erlittenes Leid nicht lindern oder versperrte Lebens- und Karrierewege nachträglich ausgleichen. Wenn auch nicht täglich sichtbar, bleiben die Diktaturfolgen präsent und nicht auf die unmittelbar Betroffenen beschränkt, denn wir alle tragen und zahlen diese Kosten mit Zins und Zinseszins. Dazu zählen unter anderem die finanziellen Aufwendungen, etwa für die enormen Entsorgungs- und Sanierungskosten.

Zu fragen wäre also nicht allein, was „uns“ die Einheit gekostet hat, sondern welche Kosten die Teilung (bis heute) verursacht. Folgenreich war vor allem der Verlust an Menschen, die das Land vor und nach der Einmauerung verließen. Von diesem Aderlass, allein drei Millionen bis 1961, hat sich der Osten nie erholt. Nach 1990 verloren die „neuen“ Bundesländer nochmals über eine Million Menschen durch Fortzug. Diese und andere Diktaturfolgen werden im neuen Heft verhandelt und dargestellt. Darunter die Markierung des Haftortes Hohenleuben als DENKOrt, die Langzeitfolgen für das ehemalige Wismut-Bergbaugebiet, die fehlende Rehabilitierung von Zersetzungsopfern der SED-Diktatur, die Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR sowie Traumatisierungen, unter denen viele von politischem Unrecht Betroffene und ihre Angehörigen bis heute leiden.

In den Rubriken Zeitgeschichte und Zeitgeschehen warten weitere spannende Beiträge, etwa zu Erfurter Fußballfans im Visier der Staatssicherheit und der Erinnerung an sowjetische Verhaftungen und Speziallager seit 1989/90. Rezensionen zu Neuerscheinungen über ostdeutsche Erotikshops, der „Riesaer Petiton“ von 1976 und der polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarność ergänzen das Heft.

Inhaltsverzeichnis

TITELTHEMA DIKTATURFOLGEN

03 Alexa Hennings – Zersetzung 2.0
Opfer von DDR-Unrecht werden zweimal bestraft

08 Mathias Deinert – „... eine noch nicht abgeschlossene Aufgabe“
Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR

14 Sabine Loewe-Hannatzsch – Die SDAG Wismut im Transformationsprozess
Langzeitfolgen für eine Region

20 Stefanie Falkenberg – Hohenleuben
Ein Haftort wird zum DENKOrt

27 „Verfolgungserfahrungen sind nicht bewältigbar, sie verschwinden nicht, sie verändern sich aber.“
Ein Gespräch mit der Traumaberaterin Petra Morawe

ZEITGESCHICHTE

32 Matthias Steinbach – Hindenburg auf dem Kyffhäuser
Sozialistische Professoren, Chinaveteranen und ein halber Denkmalsturz

40 Peter Joachim Lapp – Ein „klassenfremdes Element“
Vincenz Müller als erster Stabschef und militärische Nummer eins von KVP und NVA

44 Frank Michael Wagner – Kulturelle Ermutigung zum nahenden Umbruch
Ein Provinz-Theater, Klubs und Jugendinitiativen mucken auf – Teil 1: 1988

50 Oliver Parchwitz – „Nur der RWE!“
Erfurter Fußballfans im Visier der Stasi

ZEITGESCHEHEN / DISKUSSION

56 Franz Waurig – Steingewordenes Gedenken ohne Wissen?
Die Erinnerung an sowjetische Verhaftungen und Speziallager seit 1989/90

60 Lutz Wohlrab – Wohn-HAFT und Gedächtnis-Verlust
Über die Mail Art von Gerd Börner

64 Jörg Bernhard Bilke – Kein Buch für Westleser
Jenny Erpenbecks mildes DDR-Bild hat Erfolg

REZENSIONEN

66 Bettina Köhler – Intime Transformationsgeschichte(n)
Ein Buch über die Lust und das Überleben in Ostdeutschland

68 Krzysztof Okoński – Solidarność
Ein Wort aus dem europäischen Glossar

70 Daniel Börner – Ein kollektiver Ausreiseantrag
Die Geschichte der „Riesaer Petition“ von 1976

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