Geschichte im Westen 39 (2024)

Titel der Ausgabe 
Geschichte im Westen 39 (2024)
Weiterer Titel 
Geschichte des Sports in Nordrhein-Westfalen

Erschienen
Essen 2024: Klartext Verlag
Erscheint 
jährlich
ISBN
978-3-8375-2697-4
Anzahl Seiten
240 S.
Preis
Jahresabo € 25,00 zzgl. Versandkosten

 

Kontakt

Institution
Geschichte im Westen – Zeitschrift für Landes- und Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Kontaktadresse der Redaktion: Prof. Dr. Sabine Mecking, Philipps-Universität Marburg, FB Geschichte und Kulturwissenschaften, Wilhelm-Röpke-Str. 6 C, 35032 Marburg
Von
Markus Köster

„Geschichte im Westen (GiW), 1986 als Publikationsorgan des Brauweiler Kreises für Landes- und Zeitgeschichte e.V. gegründet, verfolgt das Ziel, wissenschaftliches Niveau mit Allgemeinverständlichkeit zu verbinden. Mit vielfältigen Facetten der Sportgeschichte Nordrhein-Westfalens beschäftigt sich der Themenschwerpunkt des Jahresheftes 2024.

Als „Sportland Nummer 1“ bezeichnet sich Nordrhein-Westfalen gern in offiziellen Verlautbarungen. Mit einigem Recht: Schließlich stellt das westliche Bundesland (trotz des Abstiegs mehrerer Traditionsvereine) aktuell im Männerfußball vier der 18 Bundesligisten, darunter den amtierenden Deutschen Meister Bayer Leverkusen. Aber nicht nur im Fußball und anderen Spitzensportarten ist Nordrhein-Westfalen führend: Im Landessportbund NRW sind in 17.450 Vereinen etwa 5,3 Mio. Mitglieder organisiert, weit mehr als in jedem anderen deutschen Bundesland.

Die heutige sportliche Vielfalt des Landes fußt auf einer reichen Sporttradition. Bereits ab den 1920er Jahren entwickelte sich der Sport zumindest in den industrialisierten Teilen Westfalens und des Rheinlandes zu einem massenkulturellen Phänomen ersten Ranges. Gleichzeitig begann der Zuschauersport zu boomen und avancierte in den 1930er Jahren regelrecht zum Synonym für die Etablierung einer neuen Freizeitkultur. Damit einher gingen Professionalisierungs- und Kommerzialisierungstendenzen des Spitzensports. Schon in den 1920er Jahren gewann der Sport auch eine politische Dimension: Die Förderung von Spielstätten, Vereinen und Großveranstaltungen und die Instrumentalisierung des Sports für allgemeine politische Interessen gingen und gehen seitdem oft Hand in Hand. Gleichzeitig ist der Sport bis heute stark zivilgesellschaftlich verankert und vom Ehrenamt getragen.

Trotz seiner großen gesellschaftlichen Bedeutung und ungeachtet der vielfältigen politik-, sozial-, wirtschafts- und kulturhistorischen Anknüpfungspunkte weist die landeshistorische Publizistik zum Themenfeld Sport zahlreiche Leerstellen auf. Vor allem jenseits des Fußballs eröffnen sich mit Blick auf den Breiten- wie den Spitzensport noch unzählige ergiebige Forschungsperspektiven. Dieses Jahresheft von „Geschichte im Westen“ liefert eine erste Bestandsaufnahme und beleuchtet verschiedene Facetten der Sportgeschichte Nordrhein-Westfalens.

Den Anfang macht Ansgar Molzberger, der die Geschichte des Kölner Sportparks Müngersdorf und seine erinnerungskulturelle Funktion beleuchtet. Die 1923 als großes Infrastrukturprojekt entstandene Anlage war und ist nicht nur Austragungsort für sportliche Großereignisse, sondern fungiert auch als Gedenkort fungiert, der in verschiedener Weise an die Geschichte des Stadiongeländes und des Sportgeschehens in Köln während der NS-Zeit erinnert. Die nicht selten schillernden Lebensläufe vieler Akteure rund um den Sportpark legen zudem vertiefte biografische Forschungen nahe.

„Stadion oder Kampfbahn?“ Mit dieser publizistischen Debatte, die zwischen den Weltkriegen um die ‚richtige‘ Bezeichnung von Sportanlagen im Westen geführt wurde, beschäftigt sich Axel Heimsoth. Er kann anhand des Namensstreits zeigen, wie stark schon in den 1920er Jahren ideologische und politische Vorstellungen auf den Sport einwirkten. Vor allem die Besetzung des Rheinlands und des Ruhrgebiets durch alliierte Truppen beförderte, so die These des Autors, im rechten politischen Spektrum die Idee, Sport als „Kampf“ zu definieren, der letztlich in den Dienst der militärischen Ertüchtigung gestellt werden sollte.

Wenig im Bewusstsein ist heute, wie sehr das sportliche Vereinsleben gerade im Westen Deutschlands lange entlang der weltanschaulich-gesellschaftlichen Milieugrenzen organisiert war. Florian G. Mildenberger analysiert Versuche im katholischen Lager, die alten Strukturen auch nach dem Zweiten Weltkrieg aufrechtzuerhalten bzw. zu restaurieren. Unter dem Titel „Zurück in die gute alte Zeit?“ zeichnet er detailliert die Sonderentwicklung des Sportverbands DJK Rhein-Weser nach, der in den (Erz-)Bistümern Paderborn und Münster bis in die 1960er Jahre hinein rein katholische Sportligen betrieb.

Andreas Höfer widmet seinen Beitrag dem Autorennfahrer Wolfgang Graf Berghe von Trips. Der aus dem rheinischen Horrem bei Kerpen stammende Formel-1-Pilot kam 1961 mit nur 33 Jahren bei einem Unfall auf der Rennstrecke in Monza ums Leben. Trips sportliche Erfolge, sein glamouröses Auftreten und natürlich sein tragischer Tod verleiteten manche Zeitgenossen dazu, in ihm eine „Lichtgestalt“ des deutschen Sports zu erkennen, eine „Heldenerzählung“, die – so der Autor in Anlehnung an Wolfgang M. Schmitt – „immer ein Flirten mit der Lüge“ sei.

Hans-Christoph Seidel liefert einen umfassenden Überblick über die Entwicklung des Spitzen- und Zuschauersports in Nordrhein-Westfalen zwischen 1946 und der Jahrtausendwende. Dabei behandelt er – ausdrücklich „jenseits des Fußballs“ – sowohl national wie international erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler als auch Sportarten und Sportereignisse, die das Publikum im Westen begeisterten – oder eben irgendwann nicht mehr in ihren Bann zogen. Manche Sportarten ganz von der Bildfläche verschwanden; andere wiesen ausgeprägte Popularitätskurven auf, selbst der Fußball, der erst ab den 1990er Jahren seine heute geradezu erdrückende Dominanz in der medialen Berichterstattung erreichte.

Die Potenziale von Zeitzeugen-Interviews als Quellen der nordrhein-westfälischen Sportgeschichte erörtern Niklas Hack und Mathias Schmidt. In einem Werkstattbericht stellen sie das an der Sporthochschule Köln und der Stiftung Deutsches Sport & Olympia Museum angesiedelte Oral History-Projekt „Menschen im Sport in NRW“ vor. Ziel des im Jahre 2021 begonnenen Vorhabens ist es, bis Ende 2025 rund 130 lebensgeschichtliche Videointerviews mit (ehemaligen) Aktiven und Verantwortlichen im Sport zu führen, digital zu archivieren und online zugänglich zu machen. Die beiden Autoren beschreiben nicht nur die methodischen Ansätze, Zielstellungen und Erkenntnispotenziale des Vorhabens, sondern reflektieren auch die Herausforderungen, die ein so ambitioniertes Interviewprojekt mit sich bringt: von der Bildung diversifizierter Auswahlkriterien über technische Anforderungen der Interviewführung bis zur gesundheitlichen Verfassung der zum Teil schon betagten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen.

Außerhalb des Themenschwerpunkts ergänzen drei weitere Beiträge zur Landeszeitgeschichte den Band: Martin Schlemmer beschäftigt sich mit dem (irreführend) sogenannten „Aristo-Separatismus“, einer Strömung innerhalb der Rheinstaatbestrebungen nach dem Ersten Weltkrieg. Er weist nach, dass es dieser Gruppe nicht um Separation vom Reich ging, sondern um eine rheinische Autonomie im Rahmen eines föderalen Reichsverbandes. Timo Nahler legt eine (Zwischen-)Bilanz eines Forschungsprojekts zu marginalisierten Verfolgten des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit in Münster vor. Wegen des innovativen methodischen Ansatzes und der zahlreichen Hinweise auf Quellenbestände abseits der Stadtarchive liefert das Projekt über seine lokalgeschichtliche Relevanz hinaus wichtige Impulse zur Erforschung des Themas. Markus Köster schließlich beleuchtet an einer Reihe von Beispielen aus Westfalen Wert und Grenzen von Amateurfilmen als regionalhistorischen Quellen der NS-Zeit. Gerade wegen ihrer Anschaulichkeit sei eine kritische Kontextualisierung solcher Filmquellen unverzichtbar.

Inhaltsverzeichnis

Markus Köster
Editorial (S. 7-10)

Ansgar Molzberger
Mehr als nur eine Großsportanlage. Geschichte und Entwicklung des Kölner Sportparks Müngersdorf (S. 11-33)

Axel Heimsoth
Stadion oder Kampfbahn? Eine publizistische Debatte im Westen Deutschlands (S. 35-67)

Florian G. Mildenberger
Zurück in die gute alte Zeit? Der Sportverband DJK Rhein-Weser nach 1945 (S. 69-93)

Andreas Höfer
Wolfgang Graf Berghe von Trips. Eine Lichtgestalt des deutschen Sports? Eine biografische Skizze (S. 95-117)

Hans-Christoph Seidel
Jenseits des FußballsDie Entwicklung des „anderen“ Spitzen- und Zuschauersports in Nordrhein-Westfalen seit 1946 (S. 119-146)

Niklas Hack/Mathias Schmidt
Digitaler Gedächtnisspeicher? Zeitzeugen-Interviews als Zugang zum nordrhein-westfälischen Sport: Das Oral History-Projekt „Menschen im Sport in NRW“ (S. 147-167)

Freie Beiträge außerhalb des Schwerpunktes

Martin Schlemmer
Der „Adel“ unter den Separatisten? Der rheinische „Aristo-Separatismus“ und die Rheinstaatbestrebungen in den Jahren 1918 bis 1923 (S. 169-196)

Timo Nahler
„Vergessene Verfolgte“. (Zwischen-)Bilanz eines Forschungsprojekts zu marginalisierten Verfolgten des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit in Münster (S. 197-222)

Markus Köster
Privates Glück und Propaganda. Amateurfilme als Spiegel der NS-Geschichte in Westfalen (S. 223-234)

Oliver Schmidt
Tagungsbericht: „Geschichte des Sports in Nordrhein-Westfalen“. Wissenschaftliche Jahrestagung des Brauweiler Kreises für Landes- und Zeitgeschichte e. V., Köln 7.–8. März 2024 (S. 235-238)

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