Titel der Ausgabe 
Gerbergasse 18, 29 (2024) 4
Weiterer Titel 
Gewinn und Verlust

Erschienen
Erscheint 
vierteljährlich
Anzahl Seiten
76 S.
Preis
Jahresabonnement: € 14,00, Einzelheft: € 3,50

 

Kontakt

Institution
Gerbergasse 18. Thüringer Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte und Politik
Land
Deutschland
c/o
Geschichtswerkstatt Jena e.V. Heinrich-Heine-Straße 1 07749 Jena Telefon: +49 (0) 36 41 - 82 12 35
Von
Daniel Börner, Redaktion "Gerbergasse 18", Geschichtswerkstatt Jena

Bis heute ringen in der öffentlichen Auseinandersetzung unterschiedliche Erzählungen und konkurrierende Deutungen miteinander, was nach der Zäsur 1989/90 und dem Ende der DDR „gewonnen“ oder „verloren“ wurde. Für manche eine persönliche Bilanz, für andere eine gesamtgesellschaftliche Gewinn-Verlust-Rechnung. Auffällig ist, noch immer werden Begriffe wie „Wendeverlierer“ und „Einheitsverlierer“ verwendet, wobei „Demokratiegewinner“ oder „Freiheitsgewinner“ kaum gebräuchliche Zuschreibungen sind. Dazu passt, dass zum 35. Jubiläum von Friedlicher Revolution und Mauersturz in der öffentlichen Debatte eher die bestehenden Unterschiede als die gewachsenen Gemeinsamkeiten zwischen Ost und West betont wurden. Der defizitäre Blick auf den Zustand von Einheit und Demokratie kann zwar zu neuen Anstrengungen und Bemühungen leiten, aber auch zu Lethargie und Fatalismus führen. Viel zu kurz kommen in vereinfachten Einnahmeüberschussrechnungen die tatsächlichen Gewinne für den Einzelnen und die Gemeinschaft, die ausgehend vom Herbst 1989 auf friedlichem Wege erreicht wurden: eine offene und plurale Gesellschaft, eine nicht perfekte, aber von allen gestaltbare Demokratie, freie Wahlen und soziale Teilhabe, Menschenrechte und Rechtsstaat, Meinungs-, Presse- und Reisefreiheit, das Ende von Unterdrückung und Bespitzelung sowie die Möglichkeit, das eigene Leben selbst in die Hand nehmen zu können.

Die Beiträge im aktuellen Heft der „Gerbergasse 18“ vermessen das Verhältnis von Gewinn und Verlust auf ganz unterschiedliche Art und Weise. So konnte der Verlust von Angst enorme Kräfte freisetzen und damit den (Wieder-)Gewinn von Mitbestimmung und Selbstwirksamkeit einleiten. Mit dem zeitlichen Abstand lassen sich weitere Folgen aus der Überwindung von Teilung und Leid feststellen. Das „Grüne Band“ in Deutschland, entstanden aus der trennenden innerdeutschen Grenze, soll perspektivisch eine gemischte Kultur- und Naturerbestätte bilden, die ihre einzigartige Bedeutung aus Anteilen von Natur, Kultur und Erinnerung erhält.

Durch Beiträge in der Rubrik Zeitgeschichte werden der hartnäckige Mythos vom „Friedensstaat DDR“ entzaubert, eine spektakuläre Verfolgungsjagd am Himmel über Thüringen 1983 geschildert und das ereignisreiche Jahr 1989 in Rudolstadt beleuchtet. Im Bereich Zeitgeschehen werden eine Ausstellung zu Leben und Werk des Ehepaars Elisabeth und Reiner Kunze vorgestellt, das Konzept der Erinnerungsökologie erläutert und die Garagen als kulturgeschichtliches Forschungsobjekt diskutiert. Rezensiert werden Bücher zur deutschen Demokratiegeschichte, zu Selbstzeugnissen aus dem Frauengefängnis Hoheneck und über die erste Museumsdirektorin der Weimarer Republik.

Inhaltsverzeichnis

TITELTHEMA GEWINN UND VERLUST

03 Volker Döring – Even The Bad Times Are Good
Was ich der Stasi verdanke

09 Dorothea Fischer – Die Friedensgemeinschaft Jena
Eine (selbst-)kritische Auseinandersetzung

14 Philipp Schultheiß – Gewinner und Verlierer der Freiheit
NVA-Angehörige und die Friedliche Revolution 1989

19 Anke Geier – Mit vereinten Kräften gegen die Mülldeponie
Der Marisfelder Umweltgottesdienst am 8. Juli 1989

25 Anne Hahn – Gegenüber von China
Romanauszüge und Zeichnungen

29 Baldur Haase – Kunst ist Waffe – Volkskunst ist Geheimwaffe
Das künstlerische Laienschaffen in der DDR

ZEITGESCHICHTE

35 Johannes Mühle – Wider den Mythos vom Friedensstaat
Militarisierung und Mobilmachung in der DDR

40 Jan Schönfelder – Luftkampf über Thüringen
Ein Grenzzwischenfall 1983

45 Frank Michael Wagner – Kulturelle Ermutigung zum nahenden Umbruch
Ein Provinz-Theater, Klubs und Jugendinitiativen mucken auf – Teil 2: 1989

ZEITGESCHEHEN / DISKUSSION

51 Sonja K. Pieck – Erinnerungsökologie
Naturschutz in verwundeten Landschaften

58 Linda Keyserlingk-Rehbein – „Ich habe die tschechische Sprache geheiratet.“
Eine Ausstellung der Reiner und Elisabeth Kunze-Stiftung

62 Ira Spieker/Katharina Schuchardt – Garagen / Geschichten
Kulturwissenschaftliche Erkundungen eines Alltagsortes

REZENSIONEN

66 Daniel Börner – „Museen sind oder sollten sein lebendige Organismen“
Wiederentdeckung einer Pionierin

68 Elke Kühns – Schreiben gegen das Schweigen
Weibliche Stimmen zu Verfolgung, Haft und den Folgen bis heute

70 Sebastian Hollstein – Eine Demokratiegeschichte „von unten“
Studie zu bisher kaum beachteten Quellen als Beitrag zur Ost-West-Debatte

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