Title 
ÖZG 1/2002
Other title information 
Gedächtnis . Erinnerung . Identitäten

Published on
Frequency 
vier Bände pro Jahr
Price
ATS 520,- (privat), ATS 700,- (Institutionen)

 

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Organization name
Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften/Austrian Journal of Historical Studies (OeZG)
Country
Austria
c/o
Redaktionsanschrift: Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Universität Wien Universitätsring 1 A-1010 Wien oezg.journal@univie.ac.at
By
Eder, Franz X.

Table of contents

Editorial

Gedächtnis . Erinnerung . Identitäten

Ernst Langthaler

Österreich vor Ort. Ein Weg in die kollektive Identität der Zweiten Republik, ÖZG 13/2002/1, 7-43. [Abstract]

Hannes Stekl

Identitätsbilder in österreichischen Landesausstellungen, ÖZG 13/2002/1, 44-87. [Abstract]

Gottfried Fliedl

Im Museum. Essayistische Anmerkung zu Geschichte und Funktion der Landesmuseen in Österreich, ÖZG 13/2002/1, 88-121. [Abstract]

Forum

Christina Kleiser

Deutsche Erinnerungsorte. Ein Review-Essay, ÖZG 13/2002/1, 124-129.

Siegfried Mattl

Was bisher geschah, ÖZG 13/2002/1, 130-131.

Siegfried Mattl / Albert Müller

Remix in History. Weitere Minima Moralia zur Debatte um Häuser der Toleranz und Zeitgeschichte, ÖZG 13/2002/1, 132-137.

Ulrike Felt

Statt Aufklärung ... Zur Problematik spezifischer Formen der Wissenschaftspopularisierung, ÖZG 13/2002/1, 138-142.

Editorial, ÖZG 13/2002/1

Gedächtnis . Erinnerung . Identitäten

Pierre Noras imponierendes siebenbändiges Werk Les lieux de mémoire (1984-1992) trug wesentlich dazu bei, dass Gedächtnis, Erinnerung und Identitäten nicht nur zu Paradigmen in der Historiografie, sondern auch in anderen kulturwissenschaftlich orientierten Disziplinen geworden sind. Dies gilt auch für Österreich, wo an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein groß angelegtes transdisziplinäres Forschungsprogramm entwickelt wurde, das sich über mehrere Themenbereiche erstreckt. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht die Konstruktion von Identitäten in ethnisch-kulturell heterogenen Regionen Zentraleuropas, die vielschichtige Textualität von Kultur in diesem Raum, die »Speicher des Gedächtnisses« (wie Archive, Bibliotheken und Museen), deren Inhalte der Erinnerung als Stütze dienen, und schließlich die Verankerung des individuellen und kollektiven Gedächtnisses im Raum.

Andere Schwerpunkte entstanden am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. Das ministerielle Forschungsprogramm »Grenzenloses Österreich«, das anlässlich der Gedenkjahre 1995/1996 - »Zweite Republik« und »Millennium« - gestartet wurde, beschäftigte sich unter anderem mit dem Bedeutungswandel von Identität und Nation sowie mit dem Umgang mit »Anderem« und »Fremdem«. Die Ergebnisse von Forschungen zur Geschichte öffentlicher Gedenktage in den Ländern der ehemaligen Habsburgermonarchie sowie die Beteiligung an der Ausstellung »Mythen der Nationen« am Deutschen Historischen Museum (1998) legten es nahe, auf der Grundlage eingehender Studien über Nationsbildung und Nationalbewusstsein in Österreich die Möglichkeiten und Grenzen einer Adaption des Noraschen Konzepts auf Österreich auszuloten. Dieses vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur geförderte Projekt, dessen Ergebnisse demnächst vorliegen werden,1 verfolgt in erster Linie die Dekonstruktion sinnstiftender Identitätsentwürfe und Leitbilder. Im Vordergrund steht die Analyse der Identifikationssymbole, der Zeitpunkte ihres Entstehens und ihrer politisch und soziokulturell geprägten Veränderungen, der Interessen ihrer Trägergruppen, ihrer Funktionen sowie der vielfältigen Formen von Inszenierung und Ritualisierung. Eine begleitende Studie ist um einen Vergleich von lieux de mémoire der Slowakei und Österreichs bemüht.2

In methodischer Hinsicht unterscheidet sich das österreichische Projekt von vergleichbaren Untersuchungen in anderen Ländern - Christina Kleiser setzt sich in ihrem Review Essay kritisch mit dem deutschen Gedächtnisorte-Projekt auseinander - in mehrfacher Hinsicht. Um eine wissenschaftlich kanonisierte Mythenproduktion auszuschalten, erfolgte erstens die Auswahl der »Gedächtnisorte« nicht durch die Projektleiter, sondern aufgrund einer österreichweiten, offenen Meinungsumfrage von 1998 (wenngleich auch die sehr allgemein formulierten Fragen nach dem als typisch für Österreich Geltenden bis zu einem gewissen Grad das Interesse von Historikern spiegelten und bestimmte Vorannahmen enthielten). Zum zweiten suchte das Projekt der ungebrochenen Bedeutung des mit den jeweiligen Bundesländern verknüpften 'Landesbewusstseins' nachzugehen, dessen hoher Stellenwert ein Spezifikum der österreichischen Nationsbildung ist. Zum dritten wurde der Versuch unternommen, die meist unbeachteten Wechselwirkungen von nationalen und regionalen bzw. lokalen Identitätsentwürfen und die damit verbundenen Transformationsprozesse zu reflektieren.

Die Beiträge zu diesem Band greifen vor allem die beiden letztgenannten Ansätze auf. Hannes Stekl geht am Beispiel der österreichischen Landesausstellungen jenen Topoi und Formen des »Erinnerns von Geschichte« nach, welche den einzelnen Bundesländern unverwechselbare Besonderheiten und herausragende Qualitäten attestieren. Gottfried Fliedl nützt einen Besuch im Kärntner Landesmuseum zu Reflexionen über Geschichte und Funktion der Landesmuseen in Österreich. Dass diese »Speicher des Gedächtnisses« auch noch gegenwärtig Mittel einer staatlichen Identitätspolitik bilden, zeigen die Beiträge im Forum des Bandes: Ulrike Felt, Siegfried Mattl und Albert Müller beziehen Position in den neuerlichen Debatten um die Errichtung eines »Hauses der Geschichte der 2. Republik« bzw. eines »Hauses der Geschichte«.

Die Grenzen derartiger Instrumentalisierungsversuche »von oben« diskutiert der Beitrag von Ernst Langthaler. Am Beispiel der Festkultur einer niederösterreichischen Marktgemeinde nach 1945 weist er nach, dass lokale, regionale und nationale Identitäten keineswegs kurzerhand über das »Lernen von Geschichte«, sondern erst durch komplexe, andauernde, raum- und zeitgebundene Kommunikationsprozesse hervorgebracht werden. Identitätsentwürfe werden zwar »oben« - durch politische Bewegungen, Bildungseinrichtungen, Massenmedien etc. - konstruiert, finden aber »unten« - im Alltagsleben der Menschen - erst in oft kontroversiellen Diskursen und Übersetzungen eine selektive, partielle und modifizierte Anerkennung. Dieses an Stuart Hall und anderen orientierte Modell könnte künftig die geschichtswissenschaftliche Erforschung und Darstellung kollektiver Identitäten orientieren und differenzieren.

Hannes Stekl / Wien

Anmerkungen

1 Emil Brix, Ernst Bruckmüller u. Hannes Stekl, Die Mythen der Österreicher (Arbeitstitel), 3 Bände, St. Pölten 2002-2003 (in Vorbereitung).

2 Hannes Stekl u. Elena Mannová, Hg., Heroen, Mythen, Identitäten. Die Slowakei und Österreich im Vergleich, Wien 2002.

Abstracts, ÖZG 13/2002/1, 122-123.

Ernst Langthaler: Österreich vor Ort. A way to collective identity of the Second Republic, pp. 7-43.

This article deals with the formation of collective identities in the early period of the Austrian Second Republic. Questioning the process of community building mostly tends to separate identities at the national level from those at the regional or local levels. However, the case of identity politics in a rural community shows that national identities are socially and culturally constructed in close relation with regional or local identities. Between 1945 and 1960 different imaginations of national communities are represented by the organizers and participants of local festive events: 'Austria' as a pedagogical norm, as a political-ideological key term, as a local metaphor. These social and cultural constructions are embedded both in conditions at the macro-level, namely the economic and political rebuilding of Austria after the Second World War, and conditions at the micro-level, namely identity politics by village élites. The author argues that the formation of Austrian imagined communities after 1945 is based not only on temporal but also on spatial processes of identification and differentiation.

Hannes Stekl: Provincial consciousness and provincial exhibitions in Austria, pp. 44-87.

Provincial consciousness (Landesbewusstsein) plays an important role in Austria due to the federalist nature of its constitutional development. The regional sphere constitutes a distinctive part of the nation-building process in Austria, and represents a consciously cultivated form of identity. Since the 1960s, provincial exhibitions (Landesausstellungen) have tried to create or strengthen collective identities of this kind. The article analyses the most significant forms of self-representation to be found in these exhibitions, as evidenced in the choice of exhibition themes and the introductions by politicians, regional officials and academics to the exhibition catalogues. Specific attention is paid to: the appropriation of rulers, saints, artists and the like as symbolic figures; the ideological instrumentalisation of the historical role played by individual provinces; the stress on economic success and 'standing the test of time'; the depiction of the particular region as an area with a great cultural heritage, based on Christian traditions. 'Remembering history' connects past, present and future and thus creates new myths and forms of collective identification.

Gottfried Fliedl, A visit of a museum. An essay about history and function of Austria´s provincial museums, pp. 88-121.

It is tempting to ascribe to the institution of the museum a prominent role in the function of memory. As a place where things, values, and meanings from the past are preserved, it appears to be technical memory, more alive than the archives thanks to its accessibility to the public and more vivid than the historical and text-oriented sciences thanks to concern with objects.

Using the example of the Austrian provincial museums, this paper explores the plausibility of the notion of the museum as a place of memory. The first provincial museums opened their doors in the early years of the establishment of European museums and have as their primary task both to tell and to show. The spatial disposition of the museums - here in particular Carinthian Provincial Museum - offers a narrative in which the cultural and political 'self' should be recognized or reflected. The examples of the history of nine different (provincial) museums allows us to present, at least in outlines, various wishful constructions of affiliation to the past and projections of identity.

At the bottom of the concept of museums lies the close relationship between, on the one hand, knowledge of history and identity, and, one the other hand, memory. The one appeared beyond all question, the other seemed to admonish. In view of the most recent history and the current condition of the provincial museums, this appears to have become untenable. Instead of the institution using the specific chance offered by the various historically affiliated and competing projections of identity, it seems that the provincial museums - and they are perhaps not alone - have become obsolete for purposes of historical memory, torn between the extremes of being merely archives of dead things or places of public entertainment working under the pressure of turning a quick profit.

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