Quest. Issues in Contemporary Jewish History 11 (2017)

Titel der Ausgabe 
Quest. Issues in Contemporary Jewish History 11 (2017)
Weiterer Titel 
Italy's Fascist Jews

Erscheint 
2 Nummern pro Jahr
ISBN
2037-741X
Anzahl Seiten
170
Preis
frei zugänglich

 

Kontakt

Institution
Quest. Issues in Contemporary Jewish History
Land
Italy
c/o
Fondazione Centro di Documentazione Ebraica Contemporanea via Eupili 8 20145 Milano Italy E-Mail: <mail@quest-cdecjournal.it> Tel.: +39 02.31.63.38; 02.31.60.92
Von
Ulrich Wyrwa

Der von Michele Sarfatti herausgegebene Themenschwerpunkt dieses Heftes setzt sich mit italienischen Juden auseinander, die sich der faschistischen Partei Italiens angeschlossen hatten. Bekanntlich ist aus der im März 1919 entstandenen faschistischen Bewegung, movimento dei Fasci di combattimento, im November 1921 die faschistische Partei, Partito nazionale fascista (Pnf), hervorgegangen. Ihr Führer, Benito Mussolini, bildete im Oktober 1922 seine erste Regierung, und er blieb bis Ende Juli 1943 an der Macht, an die er im Norden Italiens noch einmal vom September 1943 bis April 1945 kam. Bis 1937 enthielten weder das politische Programm der faschistischen Bewegung noch das Statut der faschistischen Partei antisemitische Grundsätze oder Ziele. Im Jahr 1938 aber proklamierte der italienische Faschismus den Antisemitismus, folglich wurden Juden daraufhin aus der Partei ausgeschlossen. Zuvor hingen zahlreiche italienische Juden der faschistischen Ideologie an, waren Mitglieder der Partei und nahmen sowohl am öffentlichen Leben der faschistischen Bewegung als auch an den internen Versammlungen der Partei regen Anteil. Damit stellte der italienische Faschismus einen höchst ungewöhnlichen Fall im Europa dieser Jahrzehnte dar.
Die historische Forschung und das Nachdenken über jene Juden, die sich im Italien der Jahre von 1919 bis 1938 dem Faschismus angeschlossen hatten, sind folglich notwendig, um die ganze Geschichte der italienischen Juden ebenso wie die Geschichte des italienischen Faschismus und seiner Besonderheiten im Rahmen der europäischen Faschismen zu begreifen.
Der Thementeil dieses Heftes von Quest wird eröffnet mit einer Einleitung des Herausgebers Michele Sarfatti, der den allgemeinen Charakter der Teilnahme italienischer Juden am Faschismus rekapituliert, und die Wege, auf denen sie sich der Bewegung angeschlossen beziehungsweise sich auch wieder von ihr abgewendet haben, präsentiert. Dabei bietet Sarfatti zugleich statistische Angaben über die absoluten Zahlen der in der Partei eingeschriebenen Juden und deren zeitliche Verschiebungen.
Vier weitere Beiträge gehen den Biografien italienischer Juden nach. Sie beleuchten politische und soziale Aspekte im Leben faschistischer Juden und fragen nach deren spezifischen Erfahrungen im faschistischen Italien.
In diesem Sinne analysiert Enrica Asquer eine partielle Ausnahmeregel, aufgrund derer italienische Juden, die sich im militärischen, politischen oder ökonomischen Bereich besondere Verdienste erworben hatten, von der Verfolgung ausgenommen werden konnten, eine Regelung, die unter dem in anderen Sprachen verwirrenden Begriff ‚discriminazione‘ eingeführt worden ist. Asquer untersucht in ihrem innovativen und neue Perspektiven eröffnenden Beitrag die persönlichen Dossiers, die Jüdinnen und Juden aus Mailand an die Generaldirektion für Demografie und Rasse, dem zentralen Amt der italienischen Rassenpolitik, geschickt hatten, um die entsprechende Entlastung oder Unterscheidung, discriminazione, zu bekommen.
René Moehrle widmet sich in seinem Beitrag dem besonderen Fall von Triest, jener multikulturellen Stadt, die erst nach dem Ersten Weltkrieg an das Vereinigte Italien angeschlossen worden ist. Er geht den Biografien von fünf Juden oder aus jüdischen Familien stammenden Bürgern nach, die eine besondere Rolle in der Stadt und in der jüdischen Gemeinde von Triest gespielt haben.
Roberta Raspagliesi hat die Lebenswege von fünf Juden rekonstruiert, die entscheidende Positionen in der staatlichen oder privaten Wirtschaft des Landes innehatten, wobei sie nicht nur deren unterschiedliche Bindungen an das Judentum – tatsächlich konvertierten einige zum Katholizismus – sondern auch die jeweils besonderen Formen ihrer Teilhabe am Faschismus in den Blick nimmt.
Dem Motiv des ‚Muskeljuden‘ im frühen 20. Jahrhundert sowie im faschistischen Italien schließlich hat sich Simon Levis Sullam gewidmet. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf den besonderen Artikulationen italienischer Zionisten dieser Zeit sowie auf einer Analyse der Zeitschrift der faschistischen Juden “La nostra bandiera”, in der das Thema der muskulösen Juden immer wieder bedient wurde.
Insgesamt zeigen die Beiträge nicht unerhebliche Unterschiede zwischen den Positionen faschistischer Juden sowohl hinsichtlich der Frage der Anpassung der religiösen Kulte oder der Einschätzung des Zionismus, als auch in Bezug auf deren Teilhabe an den gewalttätigen faschistischen Bünden respektive ihrer jeweiligen nationalistischen Orientierungen.

Inhaltsverzeichnis

Content

Michele Sarfatti, Italy's Fascist Jews: Insights on an Unusual Scenario

Enrica Asquer, Being a Fascist Jew in Autumn 1938: Self-portrayals from the "Discrimination" Requests Addressed to the Regime

by Simon Levis Sullam, Uncovering the Italian Muscle Jew: from Zionist Gymnastics to Fas-cist Boxing

René Moehrle, Fascist Jews in Trieste: social, cultural and political dynamics 1919-1938

Roberta Raspagliesi, Fascist Jews Between Politics and the Economy: Five Biographical Pro-files

Discussion

Chaim Gans, A Political Theory for the Jewish People

Contributions by:
Ian S. Lustick
And
Samuel Hayim Brody

Reviews

Menahem Klein, Lives in Common: Arabs and Jews in Jerusalem, Jaffa and Hebron, by Mari-on Lecoquierre

Debarati Sanyal, Memory and Complicity. Migrations of Holocaust Remembrance, by Martina Mengoni

Matthias B. Lehmann, Emissaries from the Holy Land. The Sephardic Diaspora and the Prac-tice of Pan-Judaism in the Eighteenth Century, by Roni Weinstein

Yonatan Mendel and Ronald Ranta, From the Arab Other to the Israeli Self: Palestinian Cul-ture in the Making of Israeli National Identity, by Guy Ben-Porat

Bruno Pischedda, L'idioma molesto. Emilio Cecchi e la letteratura novecentesca a sfondo raz-ziale, by Raffaella Perin

Darius Staliunas, Enemies for a Day: Antisemitism and Anti-Jewish Violence in Lithuania under the Tsars, by Marina Mogilner

Jonathan Goldstein, Jewish Identities in East and Southeast Asia, by Marcella Simoni

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