Heute erscheint die September-Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik. Sie widmet sich der Reformagenda mit Hartz IV, dem europäischen Stabilitätspakt und dem Versagen der „ökonomischen“ Politikberatung. Weitere Themen sind u.a.: Irakkrieg und die Neuen Kriegerinnen, 60 Jahre Weltbank und die Hintergründe der „Affäre“ Theodor Oberländer.
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Albrecht MÜLLER Die Reformlüge
Mit der Agenda 2010 und Hartz IV ist die rot-grüne Koalition zum Rammbock der neoliberalen Reformen geworden. Albrecht MÜLLER, ehemaliger SPD-Bundestags-abgeordneter und Wahlkampfmanager unter Willy Brandt, beleuchtet die fatale Geschichte des „Reform“-Begriffs sowie den Niedergang der SPD als schlagkräftiger Programmpartei.
Michael OPIELKA Grundeinkommen statt Hartz IV
Spätestens seit Hartz IV lautet nun auch in Deutschland die Parole: „Workfare“ statt „welfare“. Doch vom gepriesenen Fordern und Fördern bleibt mangels Jobs nur Ersteres. Michael OPIELKA, Soziologieprofessor in Jena, analysiert die Mängel der Reform und entwirft die Idee des Grundeinkommens als die einzige realistische Alternative zur herrschenden Logik von „Arbeitszwang trotz Arbeitslosigkeit“.
Heiner FLASSBECK Glasperlenspiel oder Ökonomie Der Niedergang der Wirtschaftswissenschaften
Der Rauswurf Gustav Horns aus dem ehemals kritischen Deutschen Institut für Wirt- schaftsforschung (DIW) erzeugte zu Recht Aufsehen – ist er doch symptomatisch für die völlige Stromlinienförmigkeit der herrschenden ökonomischen Politikberatung. Heiner FLASSBECK, Senior Economist bei der UNCTAD und ehemaliger Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, zeigt auf, wie die Ökonomie zu einer reinen Kunstlehre entartet ist, die ideologische Zugangsschranken für Nicht-Gläubige schafft.
Angelica SCHWALL-DÜREN Ende des Stabilitätspaktes?
Aufgrund der schwachen Konjunktur wächst nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern der Europäischen Union das Haushaltsdefizit. Angelica SCHWALL-DÜREN, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Deutschen Bundestag, kritisiert die Investitionen hemmende Wirkung des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes und fordert dessen Reform.
Aram ZIAI 60 Jahre Weltbank: Armutsbekämpfung durch Neoliberalismus?
Vor 60 Jahren wurde die Weltbank gegründet; mit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten James Wolfensohn vor zehn Jahren schrieb sie sich die Armutsbekämpfung explizit auf ihre Fahnen. Aram ZIAI, Politikwissenschafter an der RWTH Aachen, zeichnet dagegen nach, wie die Weltbank seit ihren Anfängen in Bretton Woods unbeirrbar den neoliberalen Vorgaben folgt – mit katastrophalen Folgen für die Armen.
Cilja HARDERS Neue Kriegerinnen Lynndie England und Jessica Lynch
Lynndie England und Jessica Lynch gaben dem Irakkrieg ein weibliches Gesicht – als Täterin und als Opfer. Cilja HARDERS, Juniorprofessorin für Politikwissenschaft und Geschlechterforschung an der Universität Bochum, illustriert am Beispiel der beiden Soldatinnen das komplexe und widersprüchliche Verhältnis von Geschlecht und Gewalt im 21. Jahrhundert: Beide Fälle dienen der Legitimation von militarisierter Männlichkeit.
Alexander WARKOTSCH Zwischen Konfrontation und Kooperation Die russische Zentralasienpolitik
Mit dem „Krieg gegen Terror“ offenbarte sich schlagartig auch die geopolitische Bedeutung Zentralasiens. Alexander WARKOTSCH, Politikwissenschaftler an der Universität Würzburg, analysiert den strategischen Revisionismus der russischen Außenpolitik, ihr Schwanken zwischen Relativierung und Restauration der eigenen Großmachtambitionen.
Kiran Klaus PATEL Der Nationalsozialismus in transnationaler Perspektive
Scheinbar unberührt vom Prozess der fortschreitenden transnationalen Verflechtungen sind die Geschichtswissenschaft wie die politische Öffentlichkeit immer noch weitgehend in der nationalstaatlichen Perspektive gefangen. Klaus Kiran PATEL, Juniorprofessor für Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin, dekonstruiert diese anachronistische Einhegung des Forschungsgegenstandes am Beispiel des Nationalsozialismus.
Kurt Nelhiebel So war das mit Herrn Oberländer Hintergründe einer denkwürdigen Affäre
1960 brachte der damalige „Bundesminister für Flüchtlinge, Vertriebene und Kriegssachgeschädigte“, Professor Theodor Oberländer, den Stein gegen sich selbst ins Rollen: Nachdem er die Auslieferung einer Ausgabe der Wochenzeitung „Die Tat“ verhindert hatte, in der ihm die Beteiligung an Massenmorden in Lemberg nachgewiesen wurde, fragten Zeitungen landauf und landab nach den Gründen der Beschlagnahme. Kurt NELHIEBEL, Journalist und Autor des inkriminierten Textes, zeichnet die „Affäre Oberländer“ wie die fatale Schwamm-drüber-Mentalität in der Bundesrepublik der frühen 60er Jahre nach.
Inhaltsverzeichnis
Chronik des Monats Juli 2004 S. 1028
Kommentare und Berichte
Albert Scharenberg Alles außer Bush S. 1031
Albrecht von Lucke Guantánamo ante portas S. 1035
Andreas Keller Auslaufmodell Juniorprofessur S. 1038
Annegret Laakmann Zölibatärer Tunnelblick S. 1041
Angelica Schwall-Düren Ende des Stabilitätspaktes? S. 1044
Heinrich Senfft Stehaufmännchen Tony Blair S. 1048
Gerhard Drekonja-Kornat Lateinamerika wandert aus S. 1051
William Pfaffs Kolumne Amerika oder Empire S. 1056
Analysen und Alternativen
Albrecht Müller Die Reformlüge S. 1059
Heiner Flassbeck Glasperlenspiel oder Ökonomie - Der Niedergang der Wirtschaftswissenschaften S. 1071
Michael Opielka Grundeinkommen statt Hartz IV - Zur politischen Soziologie der Sozialreformen S. 1081
Aram Ziai 60 Jahre Weltbank: Armutsbekämpfung durch Neoliberalismus? S. 1091
Cilja Harders Neue Kriegerinnen - Lynndie England und Jessica Lynch S. 1101
Alexander Warkotsch Zwischen Konfrontation und Kooperation - Die russische Zentralasienpolitik S. 1112
Kiran Klaus Patel Der Nationalsozialismus in transnationaler Perspektive S. 1123
Kurt Nelhiebel So war das mit Herrn Oberländer - Hintergründe einer denkwürdigen Affäre S. 1135
Wirtschaftsinformation
Margit Schratzenstaller Europäisches Dilemma: Das Defizit der drei Prozent S. 1142
Dokumente zum Zeitgeschehen
Zum Gedenken an die Opfer des Kolonialkrieges im damaligen Deutsch-Südwestafrika. Beschluss des Deutschen Bundestages vom 16. Juni 2004 (Wortlaut) S. 1145
„Wir können in Deutschland vieles möglich machen“ Antrittsrede von Bundespräsident Horst Köhler am 1. Juli 2004 vor dem Deutschen Bundestag (Auszüge) S. 1147
Rechtschreibreformdebatte
Spiegel-Verlag und Axel Springer AG kehren zur klassischen Rechtschreibung zurück. Pressemitteilung vom 6. August 2004 (Wortlaut) S. 1150
Pressemitteilung der Kultusministerkonferenz zur Neuregelung der Rechtschreibung vom 6. August 2004 (Wortlaut) S. 1151