Heute erscheint die November-Ausgabe der „Blätter für deutsche und internationale Politik“. Sie widmet sich der Wahl in den USA und der Kriegssituation in Afghanistan/Irak sowie den Debatten um Föderalismus, EU-Referendum und Weltsicherheitsrat.
Die Beiträge stammen u.a. von Norman BIRNBAUM, Günter GIESENFELD, Wolfgang ENGLER, Frank NIESS und Thilo BODE.
Norman BIRNBAUM Vor der Wahl ist nach der Wahl
Der amerikanische Wahlkampf geht seinem Höhepunkt entgegen – und schon heute stellt sich die Frage, was in Sachen US-Demokratie daraus zu lernen ist. Norman BIRNBAUM, renommierter Publizist und Professor für Soziologie, diagnostiziert die Spaltung der amerikanischen Opposition in zwei Lager: eine zaghafte demokratische Partei, die sich trotz des (zu) späten Endspurts von Kerry in selbstmitleidiger Passivität verloren hat, der Millionen von Mitbürgerinnen und Mitbürgern gegenüberstehen, die zwar unzufrieden sind, aber nicht darüber nachdenken – geschweige denn Folgen aus der Tatsache ziehen, dass sie unter Bush nicht Herr im eigenen Hause Amerika sind.
Günter GIESENFELD Im Sumpf Das Scheitern der USA von Vietnam bis Irak
Drei Jahre nach Beginn des „Krieges gegen den Terror“, macht jenes Wort die Runde, das in Vietnam zum Inbegriff des Scheiterns wurde: „Quagmire“, auf deutsch: Sumpf oder Morast. Zunehmend stellt der Vietnamkrieg als Bezugspunkt für die historische Bewertung der gegenwärtigen Situation sogar die Terroranschläge vom 11. September in den Schatten. Günter GIESENFELD, Professor für Medien an der Universität Marburg, analysiert, wie Tag für Tag der Gegensatz zwischen hegemonialer Rhetorik und kriegerischem Scheitern, zwischen „geopolitischem Delirium“ und militärischem Sumpf, weiter aufreißt.
Wolfgang ENGLER Die soziale Frage des 21. Jahrhunderts
Die Arbeitsgesellschaft durchläuft eine neuerliche, dramatische Umbruchphase. Was wir zur Zeit erleben, ist die Krise der „bürgerlichen“ Lohnarbeit. Errungenschaften des einstigen Übergangs vom Proletariat zur Lohnarbeiterschaft stehen auf dem Spiel. Der Soziologe Wolfgang ENGLER analysiert die Lage des Kapitalismus am Ende der Lohnarbeitsgesellschaft und entwirft mögliche Perspektiven.
Thilo BODE Die Krise der Umweltbewegung
Die Umweltpolitik steckt in einer tiefen Krise. Heute existiert keine umweltpolitische Herausforderung, für die es keine technische Lösung gibt – doch überall scheitern diese an der politischen Realität. Für Thilo BODE, Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch und langjähriger Greenpeace-Chef, ist dies auch Ausdruck der Krise der Umweltbewegung. Sie sollte sich an der globalisierungskritischen Bewegung und ihren Erfolgen orientieren. Konkret bedeutet das: Sie muss die Machtfrage stellen.
Frank NIESS Kooperations- vs. Konkurrenz-Föderalismus Vom „antifaschistischen Allheilmittel“ zum „antidemokratischen Reformhemmnis“
Über Parteigrenzen hinweg ist man sich einig, dass der Föderalismus in Deutschland re-formbedürftig ist. Zur Debatte steht das Prinzip des scheinbar lähmenden „kooperativen Föderalismus“, der durch einen modernen „Wettbewerbsföderalismus“ ersetzt werden soll. Frank NIESS, Historiker und Publizist, richtet vor dem Hintergrund dieser Debatte den Blick auch auf die historischen Wurzeln des föderalen Systems.
Oliver EBERL Die Normalität des Referendums Europäische Verfassung und deutscher Sonderweg
Die Debatte um das Referendum über die EU-Verfassung ist zum bloßen Spielball der Politik geworden. Oliver EBERL, Doktorand am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Frankfurt a. M., erkennt in dieser bewusst „verpassten“ Gelegenheit, die engagierte innergesellschaftliche Debatte zu eröffnen und eine direkt-demokratische Abstimmung emphatisch zu etablieren, den deutschen Sonderweg in Folge unzureichender Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit.
Helmut VOLGER Machtpoker um den Weltsicherheitsrat
Während die Regierung Schröder-Fischer einen Platz als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat fordert, wird ihr von der Opposition „linker Nationalismus“ vorgeworfen. Dabei fallen in der Debatte die eigentlich zentralen Fragen völlig unter den Tisch: Wie müsste ein deutsches Gesamtkonzept zu den Vereinten Nationen aussehen? Und wie verhält es sich mit den Chancen für eine grundsätzliche Reform der UNO?
Bernhelm BOOSS-BAVNBECK Mathematik und Krieg
Die Mathematik ist schon lange ein integraler und sogar notwendiger Teil der modernen Kriegführung. Bernhelm Booß-Bavnbek, Mathematiker an der Universität Roskilde in Dänemark, zeigt die Facetten der „Mathematisierung des Krieges“ auf. Für ihn breitet sich ein ideologischer Schleier von mathematischer Rationalität und Sauberkeit wie klinischer Dosierbarkeit über den modernen Krieg aus. Über die militärischen Aspekte hinaus lässt sich dieses Argument zu einer Kritik der modernen technisch-rationalen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit verallgemeinern.
In den Dokumenten lesen Sie u.a. erstmalig in deutscher Übersetzung den Aufruf zum internationalen Einstein-Jahr 2005.
Inhaltsverzeichnis:
Chronik des Monats September 2004 S. 1284
Kommentare und Berichte
Hartz IV oder Der gläserne Mensch von Werner Rügemer S. 1287
Entpolitisierung des Rechtsextremismus von Gideon Botsch S. 1290
Die ganz alltägliche Gewalt von Stefanie Ehmsen S. 1294
Krisenriese KarstadtQuelle von Heinz-J.Bontrup S. 1297
Preußen gegen Polen von Adam Zurawel S. 1300
Rumänien 2007 von Olaf Leiße S. 1303
Der unbekannte Kommissar von Klaus Brummer S. 1306
Globalisierung als Chance von Sebastian Brandl und Bernhard Stelzl S. 1309
Analysen und Alternativen
Vor der Wahl ist nach der Wahl von Norman Birnbaum S. 1313
Im Sumpf Das Scheitern der USA von Vietnam bis Irak von Günter Giesenfeld S. 1323
Die soziale Frage des 21. Jahrhunderts Vom Kapitalismus am Ende der Lohnarbeitsgesellschaft von Wolfgang Engler S. 1335
Die Krise der Umweltbewegung von Thilo Bode S. 1346
Kooperations- vs. Konkurrenz-Föderalismus
Vom „antifaschistischen Allheilmittel“ zum „antidemokratischen Reformhemmnis“ von Frank Niess S. 1353
Die Normalität des Referendums
Europäische Verfassung und deutscher Sonderweg von Oliver Eberl S. 1364
Machtpoker um den Weltsicherheitsrat von Helmut Volger S. 1375
Mathematik und Krieg von Bernhelm Booß-Bavnbek S. 1382
Wirtschaftsinformation Industrieforschung und Staat von Ulrich Dolata S. 1392
Umweltinformation Umweltgutachten 2004 von Hans Diefenbacher S. 1395
Dokumente zum Zeitgeschehen
„Kunst ist kein Mahnmal“ Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Eröffnung der Friedrich Christian Flick Collection am 21. September 2004 in Berlin (Wortlaut) S. 1398
Zu den Rechtsfolgen fehlerhafter Rechnungslegung einer Partei Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur CDU-Spendenaffäre
Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. September 2004 (Auszug) S. 1400
Abweichende Meinung der Richter Di Fabio und Mellinghoff (Wortlaut) S. 1403
Aufruf zum Internationalen Einsteinjahr 2005 (Wortlaut) S. 1406
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Blätter-Redaktion