Sozial.Geschichte N.F. 20 (2005), 2

Titel der Ausgabe 
Sozial.Geschichte N.F. 20 (2005), 2
Weiterer Titel 

Erschienen
Bern 2005: Peter Lang/Bern
Erscheint 
3 Ausgaben pro Jahr
ISBN
ISSN 1660-2870
Anzahl Seiten
123 Seiten
Preis
Einzelheft 12,30 EUER / 17,00 sFr; Abonnement 34,00 EUER / 48,00 sFr

 

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Institution
Sozial.Geschichte. Zeitschrift für historische Analyse des 20. und 21. Jahrhunderts
Land
Deutschland
c/o
Sozial.Geschichte Zeitschrift für historische Analyse des 20. und 21. Jahrhunderts Fritz-Gansberg-Str. 14, D-28213 Bremen Tel.: (0421) 218-91 25 Fax: (0421) 218-94 96
Von
Redaktion

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

das neue Heft (2/2005) von Sozial.Geschichte. Zeitschrift für historische Analyse des 20. und 21. Jahrhunderts ist soeben erschienen.
Sozial.Geschichte ist die neue Folge der Zeitschrift 1999.
Sie können die Zeitschrift im Buchhandel, direkt über den Verlag (http://www.peterlang.net) oder über die Stiftung Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts (http://www.stiftung-sozialgeschichte.de) bestellen.
Weitere Information zur Zeitschrift und den Themenredaktion von Sozial.Geschichte finden Sie ebenfalls auf unserer Website http://www.stiftung-sozialgeschichte.de

Inhaltsverzeichnis

ZEITSCHRIFT SOZIAL.GESCHICHTE HEFT 2/2005
INHALT

FORSCHUNG

Hans Martin Krämer: Faschismus in Japan. Anmerkungen zu einem für den internationalen Vergleich tauglichen Faschismusbegriff

MISZELLE

Janis Schmelzer / Martin Seckendorf: I.G. Farbenindustrie und deutsche Okkupationspolitik in Griechenland

Konrad Boehmer: Krisis der Musik

DISKUSSION
FORUM SOZIALGESCHICHTE HEUTE (I)

Vinay Bahl: Subaltern Studies – Was ist schief gelaufen?

ZEITGESCHEHEN

John H. Kautsky: Politische Polarisierung in den USA. Die Republikaner und die Evangelikalen

BUCHBESPRECHUNGEN

Ingo Böhle: Private Krankenversicherung (PKV) im Nationalsozialismus. Unternehmens- und sozialgeschichtliche Studie unter besonderer Berücksichtigung der Deutschen Krankenversicherung AG (DKV), besprochen von Rüdiger Hachtmann

Otto Dov Kulka / Eberhard Jäckel (Hg.): Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten 1933 – 1945, besprochen von Heinrich Senfft

Projektgruppe Belarus (Hg.): Existiert das Ghetto noch? besprochen von Anika Walke

Stephan Malinowski: Vom König zum Führer, Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat, besprochen von Rüdiger Hachtmann

Robert J.C. Young: Postcolonialism. A very short introduction, besprochen von Kien Nghi Ha

Philipp Scheidemann: Das historische Versagen der SPD. Schriften aus dem Exil. Hg. von Frank R. Reitzle, besprochen von Jörg Wollenberg

ANNOTATIONEN

Björn Kooger Rüstung unter Tage (M.B.); Bernhard Strebel Das KZ Ravensbrück (M.B.); Ralph Gabriel / Elissa Mailänder Koslov / Monika Neuhofer / Else Rieger (Hg.) Lagersystem und Repräsentation (M.B.); Nico Jassies Marinus van der Lubbe et l’incendie du Reichstag (M.v.d.L.); Frits Hoekstra In dienst van de BVD (M.v.d.L.); Anna Zarnowska Workers, Women, and Social Change in Poland, 1870-1939 (M.v.d.L.); Michael Seidman The Imaginary Revolution. Parisian Students and Workers in 1968 (M.v.d.L.); Joachim Becker / Andrea Komslosy (Hg.) Grenzen weltweit (M.v.d.L.); Mario Kessler Ein Funken Hoffnung (K.H.R.)

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BUCHEINGÄNGE

SUMMARIES

Hans Martin Krämer: Faschismus in Japan. Anmerkungen zu einem für den internationalen Vergleich tauglichen Faschismusbegriff

In der international vergleichenden Forschung zum Faschismus ist der Fall Japan sehr häufig stiefmütterlich behandelt worden. Dies gilt bis zu den Publikationen der letzten Jahre. Das Japan der 1930er Jahre wird von diesen AutorInnen aufgrund des Fehlens bestimmter äußerer Merkmale (Massenbewegung von unten, Einheitspartei, Führerpersönlichkeit, Gewalt) nicht unter den für die europäische Zwischenkriegszeit entwickelten Begriff von Faschismus gefasst. Japanische HistorikerInnen halten hingegen bis heute an dem Begriff ›Faschismus‹ fest. Dabei ist die einstige Orientierung an der traditionell marxistischen Sicht mittlerweile Auffassungen gewichen, die die Schaffung eines weite Teile der Bevölkerung umfassenden Konsens in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen und sowohl einen ›Faschismus von unten‹ anerkennen als auch von Kontinuitäten über das Jahr 1945 hinaus konstatieren. Ausgehend von diesen Überlegungen plädiert der Verfasser für einen erweiterten Begriff von Faschismus, der diesen Unterschieden Rechnung trägt und insbesondere die Merkmale einer ›Volksgemeinschaft‹ wie des ›strukturellen Antisemitismus‹ berücksichtigt.

In internationally comparative literature on fascism, the Japanese case has not received the treatment it deserves. This is evident even in recent publications. Due to a lack of certain superficial characteristics (mass movement from below, strong single party, national leader, violence), their authors have not analysed 1930s Japan, using the same concept of fascism applied to the years between the two World Wars in Europe. Japanese historians, on the other hand, have held on to this concept of fascism. In the meantime, initial orientations along traditionalist Marxist lines have given way to those viewpoints, emphasising the creation of a national consensus, be it by acknowledging a “fascism from below” or by positioning a continuity beyond the year 1945. Drawing on these considerations, this author advocates broadening the concept of fascism to make it suitable for internationally comparative work, while giving credit to these differences and considering the notions “Volksgemeinschaft” and “structural anti-Semitism” in particular.

Janis Schmelzer / Martin Seckendorf: I.G. Farbenindustrie und deutsche Okkupationspolitik in Griechenland

Am 21. April 1941 schickte die IG Farbenindustrie AG ein Schreiben an das Reichswirtschaftsministerium, das ihre Interessen an der Farbstoffindustrie im okkupierten Griechenland klar benannte. Bereits als das erste der fünf griechischen Farbstoffwerke von der Wehrmacht besetzt war, forderte sie, einen IG-Manager als Kommissar für die Farbstoffindustrie einzusetzen: die in den Werken lagernden Rohstoffe und Halbfabrikate sollten beschlagnahmt und die anderen griechischen Farbstofffabriken als Konkurrenten der IG-Farben liquidiert werden. Dieses Schreiben mit exakten Angaben über die Zahl, den genauen Standort und die Produktionskapazitäten der Werke sowie dem konkreten Forderungskatalog der IG Farben ist von historischer Bedeutung, da es bislang das einzige bekannte Dokument mit konzeptionellen Vorgaben für die erste Phase der Wirtschaftspolitik der Besatzer und des unverhohlenen Raubes ist. Darüber hinaus zeigt es, welche grundsätzliche Position der Konzern gegenüber der griechischen Farbstoffindustrie inne hatte und wie seine Strategie gegenüber Südosteuropa im Februar 1942 aussah.

On April 21, 1941, the IG Farbenindustrie AG sent a letter to the Reichswirtschaftsministerium (Ministry of Economics), clearly stating its interests in the dyestuffs industry in Greece. As early as the time of occupation of the first of the five Greek dyestuffs factories by the Wehrmacht, it demanded that an IG Manager be assigned as superintendent of the dyestuffs industry: all raw materials and semi-finished products stored in the factories were to be confiscated and the remaining Greek dyestuffs factories, due to their status as IG Farben competitors, be liquidated. This document, specifying the number of factories, their exact locations and production capacities, as well as IG Farben’s list of demands, is historically significant. It is so far the only known document providing conceptual guidelines for the first phase of the occupying force’s economic policy and their blatant robbery. Moreover, it reveals the conglomerate’s fundamental position towards the Greek dystuffs industry and its strategy towards Southeastern Europe in February 1942.

Konrad Boehmer: Krisis der Musik

Die "Krisen" der europäischen Künste vollziehen sich im Schatten der großen gesellschaftlichen Umbrüche. Auch die Krisen der Musik haben ihren gesellschaftlichen Grund: Technologische Erneuerungen oder gesellschaftlich bedingter musikalischer Funktionswandel greifen tief in die Struktur der Werke ein. Schon die Geburt einer spezifisch europäischen Kunstmusik wurde als "Krise" erfahren. Seit Jahrtausenden mündlich überlieferte und kollektiv gestaltete Musik wurde nun einer abstrakten Symbolschrift und der Verfügungsgewalt eines Individuums (des Komponisten) überantwortet. Der Großrhythmus dieser musikalischen Umwälzungen wird in zunehmendem Masse durch die seit dem 19. Jahrhundert heraufziehende Musikindustrie gestört. Mit den raffiniertesten technischen Mitteln und ökonomischen Konstruktionen ist es ihr bis heute gelungen , alle Bereiche der Musik - erst den der Distribution, dann den der Reproduktion und letztlich auch den der Produktion - an sich zu reißen. Die Folge ist ein sich dynamisch entwickelnder, immer differenzierterer industrieller Apparat, dem eine zunehmende Stagnation musikalischer Inhalte und Formen gegenübersteht. Während die Musikindustrie es geschafft hat, Formen der europäischen Kunstmusik bis zur Unkenntlichkeit zu nivellieren, reagieren die avanciertesten Formen von Kunstmusik mit ästhetischer Selbstaushöhlung auf diese Entwicklung. Die aktuelle Krise droht so endgültig zu werden. Übrig bleiben dann nur noch klingende Tapeten.

The “crises” of the European arts occur in the shadows of the great societal changes. The crises within music are also rooted in society: technological innovations or a socially-based change of function of music encroach upon the structure of the compositions. The birth of a specific European Kunstmusik was already considered a “crisis”. Music, which had been orally passed down for millennia and collectively created, was now being submitted to an abstract script and the power of the individual (the composer). The general rhythm of these musical revolutions is increasingly being spoiled by the music industry, which has been growing since the 19th century. Applying the most sophisticated technical means and economic constructs it has been able to usurp all areas of music—distribution, then reproduction and finally production. The result is an inherently dynamic, continuously differentiating industrial apparatus, which is juxtaposed to an increasing stagnation of musical content and form. While the music industry has succeeded in levelling the forms of European Kunstmusik beyond recognition, the more advanced forms of Kunstmusik react to this development with aesthetic self-erosion. Thus the current crisis threatens to become final. Only twanging wallpapers will remain.

Vinay Bahl: Subaltern Studies – Was ist schief gelaufen?

Im Jahr 1982 wurde von indischen Historikern die Gruppe der Subaltern Studies gegründet. Ihr Ziel war, die eurozentristische Geschichtsschreibung zu überwinden und den Unterklassen Indiens und der Drei Kontinente eine authentische Stimme zu verleihen. Mit diesem Ansatz haben die Subaltern Studies die internationale Diskussion über die Rolle der „Differenz“ bei der Analyse kulturgeschichtliche Phänomene wesentlich beeinflusst. Dabei gingen jedoch die Aspekte der materiellen Kultur immer mehr verloren. Die Arbeiten der Subaltern Studies wurden zunehmend affirmativ und können inzwischen zur neokonservativen Legitimation des globalisierten Kapitalismus benutzt werden. Im vorliegenden Beitrag für das Diskussionsforum „Sozialgeschichte heute“ zeichnet die indische Historikerin Vinay Bahl den Niedergang eine Projekts nach, das sich auf innovative Weise um eine Erneuerung der Sozialgeschichtsschreibung bemüht hatte.

In 1982, Indian historians founded the Subaltern Studies School. Their goal was to overcome a historiography written from a eurocentrist viewpoint and to instead provide the poor of India and the three continents with an authentic voice. With this approach, Subaltern Studies has significantly influenced the international discussion about the role of “differences” in the analysis of cultural phenomena. In doing so, however, aspects of material culture were increasingly lost. Subaltern Studies research became more and more affirmative and in the meantime can be used for a neoconservative justification of global capitalism. In her article, published in the discussion forum “Sozialgeschichte heute”, the Indian historian Vinay Bahl outlines the decline of a project, which had attempted in an innovative way to rewrite socio-historiography.

John H. Kautsky: Politische Polarisierung in den USA. Die Republikaner und die Evangelikalen

In den letzten Jahren hat sich Amerika immer mehr polarisiert. Hauptgrund dafür ist das Erstarken der sogenannten Evangelikalen, welche inzwischen beinahe ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen. Die traditionellen Republikaner haben sich mit ihnen verbündet, ohne deshalb eigene politische Positionen aufgeben zu müssen. Nach wie vor setzen sie sich für eine konservative Wirtschaftspolitik, die Interessen der großen Unternehmen und reicheren Bevölkerungsschichten ein. Die Evangelikalen befinden sich politisch nicht in der Mitte zwischen Demokraten und Republikanern. Sie interessieren sich nicht für deren politische Themen. Handlungsleitend sind für sie ausschließlich religiöse, moralische und ethische Themen. Sie orientieren sich wortwörtlich an den Aussagen der Bibel, erwarten unmittelbar das Kommen Christi und das letzte Gericht. Ihr Engagement ist u.a. gegen Abtreibung, Sex vor der Ehe oder die Darwin’sche Abstammungslehre gerichtet. Präsident Bush repräsentiert diese neue Allianz bestens in eigener Person. Aufgrund seiner familiären und politischen Verbindung steht er politisch für die ‚alten Republikaner’. Und als „born-again“ Christ glaubt er wie die Evangelikalen, dass es Gottes Wille war, dass er ins Weiße Haus gewählt wurde. Für ihn ist die Politik, die er zu verantworten hat, ebenfalls nichts anderes als ein Ausdruck des Willens Gottes. Neben der Außenpolitik haben diese fundamentalistischen Positionen weiter zur Entfremdung zwischen den USA und anderen Teilen der Welt, insbesondere Europa, geführt. Die USA lassen sich heute, ohne die Bedeutung dieser neuen Allianz zu sehen, nicht begreifen. Wobei offen ist, wie lange diese Allianz währen und welche Folgen sie noch haben wird.

In recent years, the United States has become more polarized. The main reason is the emergence as a political force of socalled evangelical Christians, who constitute nearly a third of the population. The religious Republicans have formed an alliance with them without having to compromise their own political positions. They continue to pursue conservative economic policies, the interests of big corporations and the wealthy. Politically, the Evangelicals are best understood as independent of mainstream Democrats and Republicans. Their political issues do not interest them. Rather, their concerns are exclusively of a religious, moral and ethical nature. The Evangelicals, finding truth in the words of the Bible taken literally, expect the early Second Coming of Jesus and the Last Judgement. Their concern is therefore primarily with measures against abortion, sex before marriage, or Darwin’s theory of evolution. President Bush has been the ideal person to incarnate the Republican-Evangelical alliance. His familial and political ties are all solidly ‘religious Republican’. And as a born-again Christian he believes, like the Evangelicals, that he was placed in the White House by God’s will. To him his political responsibility is nothing but God’s expressed will. In addition to its foreign policy, these fundamentalist positions have lead to alienation between the United States and other parts of the world, particularly Europe. Today, the United States cannot be understood without recognition of this new alliance. Here it remains to be seen how long this alliance can last and which consequences it will continue to have.

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