Osteuropa 56 (2006), 5

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Osteuropa 56 (2006), 5
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Erschienen
Erscheint 
monatlich
Anzahl Seiten
200 S.
Preis
9, 50

 

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Institution
Osteuropa
Land
Deutschland
c/o
Redaktion „Osteuropa“ Dr. Manfred Sapper, Dr. Volker Weichsel, Dr. Andrea Huterer, Olga Radetzkaja, Margrit Breuer Schaperstraße 30 10719 Berlin Tel. 030/30 10 45 - 81 / 82 Fax 030/21 47 84 14 E-mail: osteuropa@dgo-online.org
Von
Weichsel, Volker

Inhaltsverzeichnis

Ulrich Schmid 5
Nashi – Die Putin-Jugend
Sowjettradition und politische Konzeptkunst

Hermann Clement 19
Wirtschaftsboom statt Krise
Rußlands Aufschwung unter der Lupe

Stefan Wellgraf 39
Die Millionengaben
Oligarchen und Fußball in der Ukraine

Winfried Schneider-Deters 59
Freie Wahl, große Qual
Orangener Pyrrhussieg in der Ukraine?

Ervin Csizmadia 75
Ungarn sucht den Superstar
Die ungarischen Parlamentswahlen 2006

Jan Kusber 87
Zwei Lösungen eines Problems
Die Sowjetunion und das Jahr 1956 in Polen und Ungarn

Malte Rolf 99
Imperium und Regionalität
Sportparaden und regionale Feste im Stalinismus

Karlheinz Kasper 123
Das Venushaar
Michail Shishkins „intellektualer Roman“

Ulrich Schmid 145
Kritik der unreinen Vernunft
Zum Tod des sowjetischen Dissidenten Aleksandr Zinov’ev

Ulrich Schmid
Nashi – Die Putin-Jugend
Sowjettradition und politische Konzeptkunst

Seit Jahren ist die Putin-Administration bemüht, ihrer politischen Jugendarbeit ein modernes Image zu verpassen. Langfristiges Ziel ist die Schaffung einer patriotischen, regierungstreuen Jugendorganisation, die in der Gesellschaft für ein loyales politisches Klima sorgen soll. Nach den Mißerfolgen einer traditionellen Jugendpartei und der skandalträchtigen Bewegung Gemeinsamer Weg (Idushchie vmeste) wurde 2005 mit beträchtlichen finanziellen Mitteln die streng hierarchische Jugendorganisation der Unsrigen (Nashi) ins Leben gerufen. Diese vereinigt Strukturen des sowjetischen Komsomol mit Aktivitäten, die deutlich von der dissidenten konzeptualistischen Kunst der 1970er und 1980er Jahre inspiriert sind.

Hermann Clement
Wirtschaftsboom statt Krise
Rußlands Aufschwung unter der Lupe

Wie Phönix aus der Asche hat sich Rußlands Wirtschaft aus der tiefen Transformationskrise erhoben. Schon sprießen wirtschaftliche Großmachtphantasien. Doch der Aufschwung gründet primär auf den hohen internationalen Energiepreisen. Das birgt die Gefahr, daß sich Rußland an der „holländischen Krankheit“ infizieren könnte. Rußlands Wirtschaft ist hochgradig energie- und rohstofflastig. Die staatlich dominierte Monopolisierung nimmt zu. Das begünstigt Korruption und vermindert die Wachstumschancen. Die Investitionsquote ist zu niedrig, der Mittelstand entwickelt sich nicht schnell genug. Zukunftsrisiken wie unzureichende Bildungs- und Forschungskapazitäten bei zunehmender Überalterung der Bevölkerung werden nicht ernst genug genommen. Reformansätze, um diese Mängel zu beheben, sind allerdings erkennbar.

Stefan Wellgraf
Die Millionengaben
Oligarchen und Fußball in der Ukraine

Der Erfolg zahlreicher Fußballvereine ist von der Förderung durch Angehörige der wirtschaftlichen Eliten abhängig. Diese Zuwendungen sind keine altruistischen Gaben, sondern zielen darauf, andere Ressourcen auf außersportlichem Gebiet zu mobilisieren. Dies zeigen Manchester United, Juventus Turin, AC Mailand und Roter Stern Belgrad. Unterdessen engagieren sich auch Oligarchen aus Osteuropa im Fußball. In der Ukraine fördert Rinat Achmetov Schatjor Donezk. Dies ist Teil der funktionalen Logik klientelistischer Herrschaft in der Region Donezk. Die Unterstützung von Dynamo Kiew oder Chelsea London sowie von Clubs in Rußland speist sich aus anderen Motiven. Oligarchen versuchen so, soziales Kapital zu erwerben, um ihre prekäre rechtliche Stellung zu stabilisieren.

Winfried Schneider-Deters
Freie Wahl, große Qual
Orangener Pyrrhussieg in der Ukraine?

Bei den Wahlen in der Ukraine erzielte die Partei der Regionen das beste Ergebnis. Doch drei aus der Orangenen Revolution hervorgegangene Parteien verfügen gemeinsam über die absolute Mehrheit. Die Bildung einer „orangenen Koalition“ gestaltet sich dennoch schwierig. Grund ist Julija Tymoshenkos Anspruch, Ministerpräsidentin zu werden. Kräfte des präsidentennahen Blocks Naša Ukraїna blockieren dies. Präsident Juščenko zeigt Führungsschwäche. Eine Regierungsbeteiligung der Partei der Regionen stellt ein Risiko für die Unabhängigkeit der Ukraine dar: Wegen der Abhängigkeit ihrer Montanmagnaten von Gas aus Rußland würde die Partei der Regionen in einer „großen Koalition“ mit Naša Ukraїna die Integration der Ukraine in den „Einheitlichen Wirtschaftsraum“ betreiben und die EU-Perspektive gefährden.

Ervin Csizmadia
Ungarn sucht den Superstar
Die ungarischen Parlamentswahlen 2006

Erstmals seit den ersten freien Wahlen 1990 ist eine Regierung in Ungarn bestätigt worden. Grund sind die erfolgreiche Politikkommunikation der regierenden MSZP und der auf die Person des Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány zugeschnittene Wahlkampf. Dagegen ist die vom oppositionellen FIDESZ verfolgte Strategie gescheitert, eine rechte Sammelbewegung um seinen Vorsitzenden Viktor Orbán zu schaffen. Die Regierung wird in den kommenden Jahren um einschneidende Wirtschaftsreformen nicht herumkommen. Der Opposition steht ein personeller und programmatischer Umbruch bevor.

Jan Kusber
Zwei Lösungen eines Problems
Die Sowjetunion und das Jahr 1956 in Polen und Ungarn

Fünfzig Jahre nach dem XX. Parteitag der KPdSU und den Entscheidungen in Moskau, den Volksdemokratien Ungarn und Polen im Krisenjahr 1956 sehr unterschiedliche Spielräume für ihre gesellschaftliche Entwicklung einzuräumen, verdienen die Handlungsoptionen der sowjetischen Führung eine erneute Betrachtung. Die innerhalb weniger Tage getroffenen Entscheidungen – in Polen und Ungarn der Herausforderung des Systems einmal mit politischem Druck, einmal mit militärischer Gewalt zu begegnen – waren bis zum Schluß offen und zeigten die tiefe Verunsicherung in der Entstalinisierungskrise.

Malte Rolf
Imperium und Regionalität
Sportparaden und regionale Feste im Stalinismus

Im Stalinismus existierten imperiale Inszenierungen und regionale Repräsentationen nebeneinander. Diese Koexistenz war konfliktbeladen. Das äußerte sich auch in Festpraktiken. Gemäß der Funktionslogik eines Imperiums versuchten die Bol’ševiki, vom Zentrum diktierte Normen in den Regionen durchzusetzen. Ein wichtiges Instrument, um das Imperium zu inszenieren, waren Sportparaden. Lokale Parteieliten bemühten sich dagegen, mit regionalen Festen regionales Bewußtsein zu propagieren. Letztlich erleichterte dieses regionale Idiom es allerdings, sowjetische Vorstellungen in den Regionen zu kommunizieren.

Karlheinz Kasper
Das Venushaar
Michail Shishkins „intellektualer Roman“

In den vergangenen Jahren sind einige russische Romane erschienen, die jenen Buchtyp repräsentieren, den Thomas Mann als „intellektualen Roman“ bezeichnete. Nach Vladimir Makanin (Underground oder Ein Held unserer Zeit), Oleg Jur’ev (Halbinsel Judatin) und Viktor Pelevin (Die Dialektik der Übergangsperiode von Nirgendwoher nach Nirgendwohin) hat nun Michail Shishkin mit Das Venushaar einen der künstlerisch anspruchsvollsten Versuche auf diesem Gebiet vorgelegt. Der noch unübersetzte Roman des seit 1995 in Zürich lebenden Shishkin ist in Rußland heiß umstritten und wurde doch mit einem hohen Literaturpreis gewürdigt.

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