Am 1. März erscheint die neue Ausgabe der "Blätter":
Jan Zielonka Europa als Empire
Die Europäische Union wird zumeist in Analogie zum klassischen Nationalstaat gedacht. Dabei entspricht sie ihrer Natur nach, so die These des in Oxford lehrenden polnischen Politikprofessors Jan Zielonka, weit mehr einem mediävalen, also mittelalterlichen „Empire". Nicht gemeinsame Truppen oder ein gemeinsamer Außenminister, sondern weiche Grenzen und Normen sind Kennzeichen, Qualität und Ziel dieses Gebildes. Daraus erwachsen erhebliche Konsequenzen – für das Verhältnis von Arm und Reich, Peripherie und Zentrum, Krieg und Frieden.
Elmar Altvater Von Nairobi nach Heiligendamm Global Governance und der Kampf um Hegemonie
In nur drei Monaten kulminiert mit der G8-Tagung in Heiligendamm die Auseinandersetzung um die Neue Weltordnung. Davos oder Nairobi: Die herrschende Spaltung der Welt trägt heute Ortsnamen. Elmar Altvater, Prof. em für Politische Ökonomie an der Freien Universität Berlin, zeichnet den Kampf um die politische Hegemonie seit Beginn der 70er Jahre nach und plädiert für streitbaren Optimismus gegen die grassierende Depression: für die "G-Tausend" der globalen Vielfalt gegen die G8 der wirtschaftspolitischen Einfalt.
Jörg Huffschmid Die neoliberale Deformation Europas Zum 50. Jahrestag der Verträge von Rom
Am 25. März 1957 wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründet. Aus der Gemeinschaft der sechs ist inzwischen eine Union der 27 geworden. Wie hat sich die Staatengemeinschaft dadurch verändert? Jörg Huffschmid, Professor em. für Politische Ökonomie an der Universität Bremen, zeigt, wie aus der mit hochfliegenden Erwartungen gestarteten Kooperation ein von bloßem Marktfundamentalismus beherrschter Zusammenschluss geworden ist. Unter diesen Rahmenbedingungen ist auch die Agenda der deutschen Ratspräsidentschaft nur ein weiterer Baustein der neoliberalen Zurichtung der EU.
Christoph Busch Rechte Internationale Die neue ITS-Fraktion im Europaparlament
Im Januar gründeten 20 Parlamentarier aus sieben EU-Mitgliedsländern die rechtsradikale Fraktion "Identität, Tradition und Souveränität" (ITS). Christoph Busch, wiss. Mitarbeiter an der Universität der Bundeswehr Hamburg, zeichnet deren schwierigen Konstituierungsprozess nach und diskutiert die Widersprüche zwischen den beteiligten Rechtsparteien. Seine These: Die neue "Rechte Internationale" ist von so großen inhaltlichen Divergenzen durchzogen, dass der Kampf um die Vorherrschaft zwischen den nationalen Gruppierungen nicht lange auf sich warten lassen wird.
Susanna Böhme-Kuby Prodis neue Kleider
Knapp ein Jahr nach den italienischen Parlamentswahlen ist die neue Mitte-Links-Koalition unter Romano Prodi bereits am Ende. Mit einem Sparpaket in Höhe von 42 Mrd. Euro versuchte sie den rigiden Vorgaben aus Brüssel zu genügen. Susanna Böhme-Kuby, an den Universitäten Udine und Venedig lehrende Italienspezialistin, zeigt auf, wie wenig sich die Regierung Prodi aus den neoliberalen Hinterlassenschaften der Ära Berlusconi befreien konnte. Ihr Fazit: Der neue alte Kaiser ist nackt – und Italien harrt der nächsten Wachablösung.
Danyel Reiche Vom Schmuddelkind zum Öko-Pionier? Zur Neuausrichtung der US-Energiepolitik
Nein zu Kyoto und volle Kraft voraus in die Energieverschwendung – bisher galten die USA stets als globaler Klimakiller Nummer Eins. Doch George W. Bushs Eingeständnis "Wir sind süchtig nach Öl" läutete jüngst die rhetorische Wende ein. Danyel Reiche, Politologieprofessor an der Georgetown University in Washington, D.C., unterzieht die neue US-amerikanische Klimapolitik einer kritischen Würdigung und kommt zu dem Ergebnis: Mehr Schein als Sein. Aber: Hinter der heißen Luft verbergen sich einige auch für Europa hoch interessante Ansätze.
Martin Kutscha Grundrechte nach Marktwert Zur Relativierung der Menschenwürde
"Die Würde des Menschen ist unantastbar", heißt es in Artikel 1 des Grundgesetzes. Aber ist sie das wirklich? Martin Kutscha, Professor an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Berlin, analysiert den aktuellen "Wert" der Menschenrechte. Ob Ausnahmefolter, der sogenannte finale Rettungsabschuss bei Flugzeugen, die Ausweitung der staatlichen Überwachung oder die medizinische Betreuung nach Kassenlage – immer stärker dominieren sicherheitspolitische Einschränkungen und eine buchhalterische Grundrechts-Budgetierung.
Thorsten Oye Die Virtualisierung des Sozialen Internet und gesellschaftliches Engagement
Interaktive Webportale und Chats, Second Life und Online-Demonstrationen – im Zeitalter des Internet stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten sozialen Engagements völlig neu. Der Musikwissenschaftler Thorsten Oye setzt der Virtualität des Internet den real erfahrbaren lokalen Raum als Keimzelle sozialer Beziehungen entgegen und sieht in ihm eine unverzichtbare Grundlage für die demokratische Meinungsbildung. Läutet somit das Internet das Ende von realer Teilhabe an politischen Prozessen ein?
Außerdem:
William Pfaff warnt angesichts des amerikanischen Säbelrasselns in Richtung Iran vor dem "Zündeln der Neocons" Rudolf Hickel sieht in der aktuellen Tarifrunde das "Ende der Tarifpartnerschaft" Für Martin Staiger bedeutet die Rente mit 67 den "Abstieg der Alten" Malte Krückels kritisiert die anstehende zweite Runde der Föderalismusreform Michael Frein fragt nach der Patentschutzinitiative der G8: "Alles nur geklaut?" Cornelius Lehnguth stellt das Programm der großen Koalition in Österreich auf den Prüfstand Norbert Mappes-Niediek betrachtet den "Poker ums Kosovo" Timm Schützhofer diskutiert den Wahlsieg der FSLN in "Ortega reloaded" Janna Greve fragt anlässlich des aktuellen IStGH-Prozesses gegen den kongolesischen Warlord Thomas Lubanga nach dem Schicksal der Kindersoldaten Daniel Leisegang bewertet den grassierenden Hype um "Second Life" als "Ausweitung der Konsumzone" Margit Schratzenstaller analysiert den europäischen Steuersenkungswettlauf *
INHALT
KOMMENTARE UND BERICHTE
Das Ende der Tarifpartnerschaft von Rudolf Hickel S. 261
Der Abstieg der Alten von Martin Staiger S. 265
Eigennutz-Föderalismus von Malte Krückels S. 268
Globaler Patentschutz: Alles nur geklaut? Von Michael Frein S. 272
Österreich: Neuer Kaiser, alter Schmarrn von Cornelius Lehnguth S. 275
Poker ums Kosovo von Norbert Mappes-Niediek S. 278
Ortega reloaded von Timm Schützhofer S. 282
Kindersoldaten: Sklaven der Front von Janna Greve S. 285
Die Ausweitung der Konsumzone von Daniel Leisegang S. 288
KOLUMNE
Das Zündeln der Neocons von William Pfaff S. 292
ANALYSEN UND ALTERNATIVEN
Europa als Empire von Jan Zielonka S. 294
Die neoliberale Deformation Europas. Zum 50. Jahrestag der Verträge von Rom von Jörg Huffschmid S. 307
Rechte Internationale. Die neue ITS-Fraktion im Europaparlament von Christoph Busch S. 320
Von Nairobi nach Heiligendamm. Global Governance und der Kampf um Hegemonie von Elmar Altvater S. 329
Vom Schmuddelkind zum Öko-Pionier? Die Neuausrichtung der US-Energiepolitik von Danyel Reiche S. 341
Prodis neue Kleider von Susanna Böhme-Kuby S. 349
Grundrechte nach Marktwert. Zur Relativierung der Menschenwürde von Martin Kutscha S. 355
Die Virtualisierung des Sozialen. Internet und gesellschaftliches Engagement von Thorsten Oye S. 363
WIRTSCHAFTSINFORMATION
Europäischer Steuersenkungswettlauf von Margit Schratzenstaller S. 370
MEDIENKRITIK
Uschi O. von Günter Giesenfeld S. 348
DOKUMENTE ZUM ZEITGESCHEHEN
„Was ist aus den Garantien geworden?“ Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der Konferenz für Sicherheitspolitik in München am 10. Februar 2007 (Wortlaut) S. 373
CHRONIK Chronik des Monats Januar 2007 S. 381
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