Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 60 (2009), 03

Titel der Ausgabe 
Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 60 (2009), 03
Weiterer Titel 
"Einheit der Geschichte"?

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monatlich

 

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Institution
Geschichte in Wissenschaft und Unterricht
Land
Deutschland
c/o
Prof. Dr. Michael Sauer Universität Göttingen Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte Didaktik der Geschichte Waldweg 26 37073 Göttingen Tel. 0551/39-13388 Fax 0551/39-13385
Von
Sauer, Michael

Editorial von Winfried Schulze

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der universitäre Betrieb in hohem Maße partikularisiert ist. Die alten großen Einheitsfakultäten sind in den meisten Fällen kleineren, fachlich begrenzten Departments gewichen, die einstmals große Wissensgebiete umfassenden Fachzeitschriften haben sich immer weiter differenziert, und zuweilen erweckt die Ausschreibung von Professuren in den einschlägigen Medien Erstaunen über die weit fortgeschrittene Differenzierung der Forschungsgebiete. Was den universitären Betrieb als Ganzes charakterisiert, gewinnt auch zunehmend Bedeutung für die einzelnen Fächer. Insofern kann es nicht erstaunen, wenn die Frage der fachlichen Einheit auch an unser Fach, die Geschichtswissenschaft, herangetragen wird.
Neben diesen wissenschaftssystematischen Aspekten, die für alle Wissensgebiete gelten, gibt es aber im Bereich der Geschichtswissenschaft noch andere spezifische Gründe, nach der "Einheit der Geschichte" zu fragen. Eine Sektion des Dresdner Historikertages im Oktober 2008 unter der Leitung von Manfred Hettling (Halle) hat diese Frage aufgegriffen und unter verschiedenen Aspekten diskutiert. Dabei ging es nicht nur um die epochenübergreifende Kapazität der Geschichtswissenschaft, wie sie Manfred Hettling am Beispiel der Reaktionen dieses Historikertages überprüfte, sondern auch um die komplizierte Geschichte unseres Faches, das seinen Gegenstand - die "Geschichte" im Singular - erst im 18. Jahrhundert fand und damit die älteren "Geschichten" ablöste. Seitdem vollzog sich ein doppelter Prozess der Differenzierung: Zum einen gaben die Historiker ihre anfängliche Kompetenz für alle großen Epochen auf und spezialisierten sich auf Teilepochen (dies geschah vor allem im 19. Jahrhundert), zum anderen wurde immer wieder nach dem dominanten Verständnis von Geschichte gefragt, gleichgültig ob es sich dabei um die Nationalgeschichte als politische Geschichte, um Sozial- und Wirtschaftsgeschichte oder um Kulturgeschichte alter und neuer Prägung handelte. Damit wurden sowohl Erkenntnis leitende Konzeptionen von Geschichte entwickelt als auch die Marginalisierung von unerwünschten Fragestellungen ermöglicht.

Die Beiträge der Sektion, die in diesem Heft in überarbeiteter Form abgedruckt werden, geben verschiedene Antworten auf die zentrale Frage nach der "Einheit der Geschichte". Sie reichen von der Betonung der naturgegebenen Relevanz der Antike für die nachfolgenden Epochen über die Stellung der Mittelalterlichen Geschichte im Prozess der Modularisierung der Lehre, die notwendige Verbindung von Mikro- und Makrogeschichte, die chronologisch-räumlich-systematische Einheitsversion einer transkulturell vergleichenden Geschichtswissenschaft bis zu den spezifischen Problemen der Zeitgeschichte, die sich immer stärker in die Normalgeschichte integriert. Allen Beiträgen gemeinsam ist die Überzeugung, dass die unaufhaltsame Spezialisierung ihr Gegengewicht in einer Betonung übergreifender Strukturfragen haben muss und dass der Kanon der historisch-kritischen Methode ein unaufgebbares gemeinsames Potenzial aller historisch Forschenden bleiben muss.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt der Ausgabe

ABSTRACTS (S. 138)

EDITORIAL (S. 139)

BEITRÄGE
Manfred Hettling
Gibt es noch eine Einheit der Geschichtswissenschaft?
Epochale Vielfalt und disziplinäre Gemeinsamkeit (S. 140)

Wilfried Nippel
Einheit der Geschichte - was ist das Problem? (S. 148)

Hedwig Röckelein
Integriertes Proseminar und Modulthemen
Chancen für den epochenübergreifenden Dialog in der Geschichtswissenschaft (S. 152)

Winfried Schulze
Geschichte in der "permanenten Erweiterung" und die "Einheit des Fachs Geschichte" (S. 159)

Jürgen Osterhammel
Die Einheit der Geschichtswissenschaft:
vertikal, horizontal, diagonal (S. 166)

Paul Nolte
Zwischen Sonderstatus und Mainstream
Die Zeitgeschichte und die "Einheit der Geschichte" (S. 173)

INFORMATIONEN NEUE MEDIEN
Gregor Horstkemper/Alessandra Sorbello Staub
Interdisziplinär und epochenübergreifend
Webpräsenzen von Sonderforschungsbereichen mit historischer Thematik (S. 181)

LITERATURBERICHT
Heinz Schilling
Konfessionalisierung, Teil I (S. 183)

NACHRICHTEN (S. 193)

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Abstracts der Ausgabe

Manfred Hettling
Gibt es noch eine Einheit der Geschichtswissenschaft?
Epochale Vielfalt und disziplinäre Gemeinsamkeit
GWU 60, 2009, H. 3, S. 140-147
Der Beitrag fragt danach, in welchem Maße die Praxis geschichtswissenschaftlicher Forschung und Lehre noch durch epochenübergreifende Zusammenarbeit geprägt ist. Welche Spezialisierungen haben zu einer zeitlichen Parzellierung geführt, steht Interdisziplinarität zur disziplinären Einheit der Geschichtswissenschaft in Konkurrenz? Wie kann der disziplinäre Kern der Geschichtswissenschaft bestimmt werden?

Wilfried Nippel
Einheit der Geschichte - was ist das Problem?
GWU 60, 2009, H. 3, S. 148-151
Es gibt weiterhin ein Bedürfnis, sich über die Grenzen der eigenen Teildisziplinen hinaus zu orientieren. Ein sinnvoller Dialog über die Epochengrenzen setzt voraus, dass den Historikern älterer Epochen nicht einseitig eine "Bringschuld" von seiten der Neuzeithistorie zugeschrieben wird.

Hedwig Röckelein
Integriertes Proseminar und Modulthemen
Chancen für den epochenübergreifenden Dialog in der Geschichtswissenschaft
GWU 60, 2009, H. 3, S. 152-158
Die Isolation innerhalb der Geschichtswissenschaft hat die Mittelalterforschung in den letzten Jahren zum Schulterschluss mit anderen Disziplinen und zu stärkerer Internationalisierung bewogen. Andererseits hat die kulturalistische und anthropologische Wende in der Geschichtswissenschaft für die Mediävistik neue, epochenübergreifende Kooperationen innerhalb des Faches eröffnet. Ansatzpunkte dazu lieferten vor allem die historischen und kulturellen Universalien von Zeit, Raum, Körper, Geschlecht und Religion sowie die Fokussierung auf Mentalitäten, Wahrnehmungen und Imaginationen.

Winfried Schulze
Geschichte in der "permanenten Erweiterung" und die "Einheit des Fachs Geschichte"
GWU 60, 2009, H. 3, S. 159-165
Die "Nichteinheit der Geschichte" programmatisch anzuerkennen, ist de facto zu einer Grundregel der modernen sozial- und kulturhistorisch orientierten Geschichtsforschung geworden, deren "Pluralisierungsdynamik" die thematische Orientierung der Geschichtsforschung immens erweiterte. Der Beitrag plädiert für eine intensive Einbettung mikrohistorischer in strukturgeschichtliche Fragen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines steigenden Bedarfs der Forschung an übergreifenden konzeptionellen Ideen für kooperative Forschungsprojekte.

Jürgen Osterhammel
Die Einheit der Geschichtswissenschaft:
vertikal, horizontal, diagonal
GWU 60, 2009, H. 3, S. 166-172
Mit "Einheit der Geschichtswissenschaft" ist dreierlei gemeint: vertikal die Einheit in der chronologischen Tiefe, horizontal die Einheit in der räumlichen, über das Wir des Okzidents hinausgehenden Breite, diagonal die Einheit in der Nachbarschaftlichkeit systematischer Subdisziplinen und Gesichtspunkte. Neben die Aufgabe immer wieder erneuerter Periodisierungsdiskussionen tritt die Herausforderung, Geschichte jenseits des Okzidents nicht im Minderstatus einer nur angehängten "außereuropäischen Geschichte" verharren zu lassen.

Paul Nolte
Zwischen Sonderstatus und Mainstream
Die Zeitgeschichte und die "Einheit der Geschichte"
GWU 60, 2009, H. 3, S. 173-180
Einerseits ist die Zeitgeschichte ein "Sonderfall" geblieben, und manche spezifische Momente haben sich sogar noch verstärkt. Andererseits ist sie mehr als früher zu einem "Normalfall" geworden. Sie ist Teil einer sachlichen, methodischen und theoretischen Einheit des Faches geworden.

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