Deutschland Archiv 42 (2009), 4

Titel der Ausgabe 
Deutschland Archiv 42 (2009), 4
Weiterer Titel 

Erschienen
Bielefeld 2009: W. Bertelsmann Verlag
Erscheint 
6x im Jahr
ISBN
0012–1428
Anzahl Seiten
192 S.
Preis
8,00 EUR

 

Kontakt

Institution
Deutschland Archiv: Zeitschrift für das vereinigte Deutschland
Land
Deutschland
c/o
]init[ Redaktion Köpenicker Straße 9 10997 Berlin
Von
Dr. Marc-Dietrich Ohse

EDITORIAL

»Die DDR hatte mehr gute als schlechte Seiten« bzw. »ganz überwiegend gute Seiten.« Diese Meinung vertritt mehr als die Hälfte jener Ostdeutschen, die das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid im Auftrag des Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, im Juni dieses Jahres befragt hat. (Bundesweit hatte dieser Meinung ein Viertel der Befragten zugestimmt, im Westen waren es 18 Prozent.)

Diese Zahlen scheinen zu korrespondieren mit Daten, die zum Wissen über die DDR unter Schülerinnen und Schülern in Ost- und Westdeutschland erhoben worden sind. Auch in den Studien hierzu wird vor einer Verharmlosung der DDR-Geschichte gewarnt, werden gravierende Defizite beklagt. Gegen diese Untersuchungen sind jedoch massive Einwände erhoben worden. So hat Jürgen Kocka jüngst gemahnt, das Schülerwissen zur DDR mit dem zu anderen historischen Themen zu vergleichen, denn: »Ohne entsprechende Kontrollfragen sind die Mitteilungen über fehlendes DDR-Wissen wenig wert.«

Das Deutschland Archiv widmet sich dieser Debatte in der vorliegenden Ausgabe ebenso wie anderen Aspekten der Diskussion über die Geschichtspolitik. Es greift dabei unter anderem einen der Steine auf, der zuletzt neben dem gescheiterten Wettbewerb für das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin Anstoß für diese Auseinandersetzung gegeben hat: das Konzept für das Mauergedenken in der Bernauer Straße.

Ein Aspekt der Diskussion darüber verweist darauf, dass Geschichtspolitik immer auch Erinnerungspolitik ist. Bei der Erinnerung an die Opfer geht es allerdings nicht nur darum, ihrer – und mit ihnen – zu gedenken, sondern ebenso um ihre Würdigung. Dafür war auch eine »Ehrenpension« gedacht, die nach sehr langem Anlauf im vergangenen Jahr endlich die legislativen Hürden genommen hat. Doch ist möglicherweise jene Hürde zu hoch, welche die Opfer von einst überwinden müssen, um die Pension heute in Anspruch nehmen zu können?

Wie das Gedenken an die deutsche Teilung entlang der Berliner Mauer verweist auch das geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal auf den supranationalen Rahmen, in dem sich die deutsche Geschichte bewegt. Freiheit und Einheit waren für Deutschland nicht ohne entsprechende Weichenstellungen der internationalen Gemeinschaft, allen voran der Sieger- bzw. Supermächte, zu gewinnen. Die Teilung Europas endete 50 Jahre, nachdem Deutschland begonnen hatte, den ganzen Kontinent in Unfreiheit und Vernichtung zu stürzen und damit den Ursprung der Teilung gelegt hatte. Geschichtspolitik hat deshalb stets den europäischen und globalen Kontext zu berücksichtigen.

Allerdings bedurfte es nicht nur internationalen Wohlwollens, damit ganz Deutschland frei und vereinigt werden konnte. Dazu bedurfte es neben weiteren Faktoren auch der ›kritischen Masse‹ aus der Bevölkerung der DDR, die im Herbst ’89 die SED-Diktatur implodieren ließ. Dass die Proteste den Ausschlag für den Sturz der SED gegeben hätten, meinten (an dritter Stelle nach der wirtschaftlichen Krise der DDR sowie der Perestrojka und dem Wandel in Polen und Ungarn) in der eingangs erwähnten Emnid-Umfrage zwar nur knapp 18 Prozent der Befragten. Doch erklärten über 80 Prozent, die Ostdeutschen könnten »stolz sein auf die friedliche Überwindung der SED-Herrschaft«. Ebenfalls um die 80 Prozent, und mit ebenso marginalen Unterschieden zwischen Ost und West, betrachten die Proteste und Demonstrationen von 1989 als »ein wichtiges Ereignis für die gesamtdeutsche Geschichte«.

Herrscht hier also weitgehend Einigkeit, so bedarf es zur Bewertung der Vorgeschichte, insbesondere der des SED-Staates, offenbar noch einiger Aufklärung.

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

ZEITGESCHEHEN

Jens Planer-Friedrich: Eine »besondere Würdigung und Anerkennung des Widerstands«? Zur sozialen und gesellschaftlichen Lage der Verfolgten des SED-Regimes 20 Jahre nach der Friedlichen Revolution
S. 581-588

Sven Felix Kellerhoff: »Alles Burra, oder was?« Das falsche Gedenken der Stiftung Berliner Mauer. Eine Polemik S. 589-593
Eckhard Jesse: »Die Linke« im Parteiensystem Deutschlands
S. 593-600

Silke Flegel, Frank Hoffmann: »Nichts darf, soll ungesagt bleiben«. Kein neuer Literaturstreit – das Tagebuch von Günter Grass eint die deutschen Kritiker
S. 601-607

Wolfgang Thierse: Glaubwürdiger Zeuge für den Wert der Freiheit. Karl Wilhelm Fricke zum 80. Geburtstag
S. 607-609

Reiner Kunze: Stets kritisch-zuverlässig. Zum 70. Geburtstag Jürgen P. Wallmanns
S. 610-611

ZEITGESCHICHTE
Silke Satjukow: Die Westgruppe im Herbst 1989: »Elementarste Voraussetzung, daß hier nichts passiert«! S. 612-621
Peter Erler: Das Gefängnis der sowjetischen Spionageabwehr in Potsdam
S. 622-632

Martin Greschat: Staat und Kirche in der DDR. Ein Überblick in Dezennien
S. 633-644

Knud Andresen: Judentum als utopische Ressource. Zum 100. Geburtstag von Heinz Brandt
S. 644-652

FORUM

Hans-Jürgen Papier: Recht und Freiheit. 60 Jahre Grundgesetz – 20 Jahre friedliche Revolution
S. 653-659

»Die fehlende kollektive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wird Folgen haben«. Ein Gespräch mit Ralph Giordano
S. 660-665

Bodo von Borries: Zwischen ›Katastrophenmeldungen‹ und ›Alltagsernüchterungen‹? Empirische Studien und pragmatische Überlegungen zur Verarbeitung der DDR-(BRD-)Geschichte
S. 665-677

Angela Siebold: Zwischen Annäherung und Entfremdung. Zur geschichtspolitischen Neukonzeption des deutsch-polnischen Verhältnisses nach 1989
S. 677-683

Karin Thomas: Die Rezeption der Kunst aus der DDR in der Bundesrepublik bis 1989
S. 684-695

Theo Meier-Ewert: Nachkrieg und Unfrieden. Bericht über Akademie oder Literarische Szenen aus Nachkriegsdeutschland
S. 695-700

TAGUNGEN, VERANSTALTUNGEN

Uwe Ullrich: Friedliche Revolution. Transition im ostmitteleuropäischen Vergleich. Tagung in Dresden
S. 701-703

Georg Herbstritt: 1989 als Zäsur der europäischen Geschichte. Tagung in Berlin
S. 704-706

Michael Braun: »Europa im Wandel«. Literatur, Werte und Europäische Identität. Konferenz in Hermannstadt
S. 706-708

Marc-Dietrich Ohse: Beziehungsgeschichte in Biografien. Deutsch-russische Historikerkonferenz in Tutzing
S. 709-711

Sarah Bornhorst/Gerhard Sälter: Die Mauer als Zeugnis bewahren und interpretieren. Eine Tagung zur Denkmalpflege in Berlin
S. 711-713

REZENSIONEN
Hans Otto Bräutigam: Ständige Vertretung (Peter Jochen Winters)
S. 714-716

Rolf Hosfeld: Was war die DDR? (Dirk Klose)
S. 716-717

Michele Barricelli, Julia Hornig (Hg.): Aufklärung, Bildung, »Histotainment«? (Heidi Behrens)
S. 717-719

Bernd Faulenbach, Franz-Josef Jelich (Hg.): »Transformationen« der Erinnerungskulturen in Europa nach 1989; Ulf Brunnbauer, Stefan Troebst (Hg.): Zwischen Amnesie und Nostalgie (Rainer Eckert)
S. 719-721

Gunnar Folke Schuppert: Politische Kultur (Werner Rossade)
S. 721-722

Marion Detjen u. a.: Die Deutschen und das Grundgesetz; Christof Gramm, Stefan Ulrich Pieper: Grundgesetz; Christoph Möllers: Das Grundgesetz (Henry Bernhard)
S. 722-724

Andreas Klärner: Zwischen Militanz und Bürgerlichkeit (Wolfgang Buschfort)
S. 725-726

Elke Leonhard, Wolfgang Leonhard: Die linke Versuchung (Heiko Tammena)
S. 726-727

Barbara Könczöl: Märtyrer des Sozialismus (Winfrid Halder)
S. 728-729

Wladislaw Hedeler, Alexander Vatlin (Hg.): Die Weltpartei aus Moskau; Alexander Vatlin: Die Komintern (Hermann Weber)
S. 729-732

Christina Jung: Flucht in den Terror (Georg Wurzer)
S. 732-733

Horst Möller, Alexandr O. Tschubarjan (Hg.): SMAD-Handbuch (Ilko-Sascha Kowalczuk)
S. 733-734

Dietmar Arnold, Sven Felix Kellerhoff: Die Fluchttunnel von Berlin (Karl Wilhelm Fricke)
S. 735

Karl Wilhelm Fricke, Silke Klewin: Bautzen II; Susanne Hattig u. a. (Hg.): Stasi-Gefängnis Bautzen II (Wiebke Janssen)
S. 736-737

Ines Geipel: Zensiert, verschwiegen, vergessen (Hans-Joachim Föller)
S. 737-738

Sarah Kirsch: Sommerhütchen (Jürgen P. Wallmann)
S. 739-740

Sylvia Kabus: Weißer als Schnee; Dies.: Neunzehnhundertneunundachtzig (Martin Jankowski)
S. 740-741

Konrad H. Jarausch (Hg.): Das Ende der Zuversicht? (Jeannette Madarász)
S. 741-742

Andrea Wagner: Die Entwicklung des Lebensstandards in Deutschland zwischen 1920 und 1960 (Manuel Schramm)
S. 743-744

Eli Rubin: Synthetic Socialism (Andreas Ludwig)
S. 744-745

Molly Wilkinson Johnson: Training Socialist Citizens (Hans-Dieter Krebs)
S. 745-746

Sonja Häder, Ulrich Wiegmann (Hg.): Die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik (Gert Geißler)
S. 747

Peter Helmberger: Blauhemd und Kugelkreuz (Henning Pietzsch) S. 748-749

Martina Gille (Hg.): Jugend in Ost und West seit der Wiedervereinigung (Barbara Hille)
S. 749-750

ANNOTATIONEN
Heike Derwanz: Jugend zur Wendezeit (Anna Saunders)
S. 751

Jürgen Schreiber: Die Stasi lebt (Dirk Klose)
S. 751-752

Klaus Michael Bogdal u. a. (Hg.): Literarischer Antisemitismus nach Auschwitz (Horst Schmidt)
S. 752

Peter Kramper: Neue Heimat (Werner Landmann)
S. 752-753

Horst Pehnert: Kino, Künstler und Konflikte (Andreas Kötzing)
S. 753

AKTUELLES AUS DER DDR-FORSCHUNG

Newsletter 2/2009
S. 754-766

DIE AUTORINNEN UND AUTOREN DIESES HEFTES
S. 767-768

IMPRESSUM
S. 768

Weitere Hefte ⇓