SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 7 (2007), 3

Titel der Ausgabe 
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 7 (2007), 3
Weiterer Titel 
Straßenfußball - Sportjournalismus - Deutsch-deutsche Sportsoziologie im Vergleich

Erschienen
Göttingen 2007: Verlag Die Werkstatt
Erscheint 
dreimal jährlich
ISBN
1617-7606
Anzahl Seiten
124 Seiten
Preis
9,70 €

 

Kontakt

Institution
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft
Land
Deutschland
c/o
Prof. Dr. Lorenz Peiffer Institut für Sportwissenschaft Leibniz Universität Hannover Am Moritzwinkel 6 30167 Hannover
Von
Peiffer, Lorenz

Als Knut Dietrich und Gerd Landau in den 1960er Jahren die Vorbereitungen für ihre Dokumentation „Fußballspielen im freien Bewegungsleben der Kinder und Jugendlichen“ in Frankfurt trafen, gehörte das kindliche und jugendliche Fußballspiel noch zum öffentlichen Straßenbild. Garagentore, in den Boden gesteckte Stangen oder Zweige, zur Not auch abgelegte Kleidungsstücke markierten die Tore, Spielfelder waren Straßen, Garageneinfahrten oder andere freie Flächen. 15 Jahre später – so Knut Dietrich – , bei der Vorbereitung für eine Wiederholung der Dokumentation in Hamburg, war es schon sehr schwierig, spielende Kinder in öffentlichen Räumen der Stadt zu finden. Heute sind spielende Kinder und Jugendlichen weitestgehend aus dem Stadtbild verschwunden. Straßenfußballer sind in Dörfern und Städten westlicher Industrienationen verschwunden.

In seinem Beitrag „Tennisbälle, Dolen und zerbrochene Scheiben“ geht Fabian Brändle/Zürich der Geschichte des Schweizer Straßenfußballs im Zeitalter vor dem Automobil (1920 bis 1945) nach. Diese faszinierende Welt des Straßenfußballs fand bislang in der kultur- und sporthistorischen Forschung kaum Beachtung, da kaum ein Archiv über diesen Aspekt der Fußball- und Alltagskultur Auskunft gibt. Brändle stützt sich in seiner Untersuchung auf eine umfangreiche Sammlung zeitgenössischer autobiografischer Berichte und lässt die Welt des Schweizer Straßenfußballs der 30er und 40er Jahre in allen ihren Facetten wieder aufleben. Die Straßenfußballszene war ein wesentliches Moment jugendlicher Sozialisation in dieser Zeit, die sich allerdings ausschließlich auf die männliche Jugend beschränkte – Mädchen waren ausgeschlossen. Mit der Verbreitung des Automobils wurde der Niedergang der Lebenswelt Straße eingeleitet. Für die Verbreitung und Popularisierung des Sports Ende des 19. Jahrhunderts/Anfang des 20. Jahrhunderts leistete die Sportspresse einen wichtigen Beitrag. Das erste weltweit rezipierte sportliche Großereignis waren die Olympischen Spiele 1896 in Athen, zu denen auch Journalisten aus den großen Sportnationen der damaligen Zeit angereist waren. Minau Dimitriou/Salzburg untersucht am Beispiel der Berichterstattung über den Marathon-Olympiasiger Spiridon Louis die internationalen Presseberichte unter dem Aspekt „Mediale Implikationen zwischen Narration und Identifikation“. Aufgrund der zeitgenössischen Monopolstellung kam der Presse die Funktion des Geschichtenerzählens zu, die sich aber keineswegs auf die Beschreibung von Handlungen beschränkte, sondern auch – im Sinne von mimetischer Narration – die „Augenzeugenschaft des Publikums“ versuchte zu vermitteln.

Im Jahre 2002 blickte der Verband Deutscher Sportjournalisten auf sein 75jähriges Jubiläum zurück. Die Geschichte der Sportpresseberichterstattung und des Sportjournalismus harrt jedoch noch ihrer Bearbeitung – vor allem in Blick auf ihre Funktion in den Zeiten des Nationalsozialismus und der DDR. „Zurückhaltung oder Furcht vor der eigenen Geschichte?“ – unter dieser Fragestellung widmet sich Hans-Dieter Krebs/Bergheim Aspekten der frühen Geschichte des Sportjournalismus in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts und macht deutlich, dass die ersten Sportberichte in eigenen Sportteilen der Tagespresse keineswegs nur Anhängsel in Form von Ergebniswiedergaben waren. Die sich entwickelnde Sportpresse nahm Einfluss auf die Entwicklung der Tagespresse insgesamt und trug maßgeblich zur Popularisierung des Sports in breiten Schichten der Gesellschaft bei.

Die Geschichte und Funktion der Sportwissenschaft in den beiden deutschen Nachkriegsstaaten ist bislang weitgehend ein weißer Fleck in der aktuellen Forschungslandschaft – vergleichende Untersuchungen von Wissenschaftlern aus beiden deutschen Teilstaaten sind absolutes Neuland, zumal die Einbeziehung von DDR-Wissenschaftlern in den Aufarbeitungsprozess des Sports in der DDR in der Fachwissenschaft mit großer Skepsis und zuweilen Argwohn betrachtet wird. Unter dem Titel „Sportsoziologie und Sportpraxis in der DDR und BRD“ legen Fred Gras/Leipzig, Bero Rigauer/Oldenburg und Klaus Rohrberg/Crinitzberg eine erste vergleichende Studie vor. In ihr übernimmt Rigauer die von Gras/Rohrberg entwickelte inhaltliche Binnenstruktur der einzelnen Untersuchungsschritte und bezieht sich in seinen Ausführungen aus BRD-Sicht auf den ausgewählten Zeitraum (1960-1989). Dahinter steht der Versuch, nicht – wie bislang üblich – Kollegen der ehemaligen DDR eine BRD-Perspektive vorzugeben, sondern sich auf deren Ansatz einzulassen. Den Autoren geht es in ihrem Vergleich nicht darum zu ergründen, welche der beiden Sportsoziologien die „bessere“ gewesen sei, sondern darum, einen soziologischen Dialog auf der Ebene einer empathischen und aufklärenden Kommunikation zu führen.

In den letzten Monaten hat es wieder eine Reihe interessanter nationaler und internationaler Ausstellungen und Tagungen gegeben, über die wir unsere Leserinnen und Leser informieren möchten.

Sehr umfangreich fällt diesmal der Teil mit Buchbesprechungen aus. Das Kaleidoskop der Besprechungen umfasst nationale und internationale Fachliteratur und deckt ein breites Spektrum sporthistorischer Themenstellungen ab. „Für Sie gelesen“ und „Neuerscheinungen“ beschließen diese Ausgabe von ‚SportZeiten’.

Lorenz Peiffer

Inhaltsverzeichnis

Beiträge

Brändle, F.:
Tennisbälle, Dolen und zerbrochene Scheiben. Zur Geschichte des Schweizer Straßenfußballs vor dem Zeitalter des Automobils (1920-1945)
7

Dimitriou, M.:
Mediale Implikationen zwischen Narration und Identifikation. Der Fall des Marathonläufers Spiridon Louis (1896)
21

Krebs, H.-D.:
Zurückhaltung oder Furcht vor der eigenen Geschichte? Anmerkungen zur frühen Vergangenheit des Sportjournalismus
41

Gras, F./Rigauer, B./ Rohrberg, K.:
Sportsoziologie und Sportpraxis in der DDR und BRD. Eine vergleichende Studie
53

Berichte

Peiffer, L.:
Lehmanns Zettel
93

Schindler, J.:
Sind Sportausstellungen „in“?
93

Blecking, D.:
Körpererziehung und Sport in Rumänien
95

Biernat, C.:
Symposium der DAGS
95

Blecking, D.:
Universitatea de Stat de Educaţie Fizică şi Sport in Moldova
96

Peiffer, L.:
„Stolpersteinverlegung“ für Ernst Cantor
97

Besprechungen

Wiederkehr, S.:
JUNG, B. (Hrsg): Die Nati: Die Geschichte der Schweizer Fußball-Nationalmannschaft. Mit Bei-trägen von Christian Koller, Thomas Knellwolf, Jürg Ackermann, Marianne Meier, Fabian Brändle sowie der Statistik von Werner Bosshard. Göttingen: Die Werkstatt 2006.
99

Brändle, F.:
METCALFE, A.: Leisure and Recreation in a Victorian Minig Community. The Social Economy of Leisure in North-East England, 1820-1914. Lon-don und New York 2006.
99

Grimminger, E.:
BLECKING, D. & GIEß-STÜBER, P: Sport bewegt Europa. Beiträge zur interkulturellen Verständigung. Schneider Hohengehren: Baltmannsweiler 2006.
100

Peiffer, L.:
KLIEM, Konstantin: Sport in der Zeit des Nationalsozialismus. Entwicklung und Zielsetzung im Höheren Schulwesen und in der Hitlerjugend. VDM Verlag Dr. Müller: Saarbrücken 2007.
107

Menzel, M.:
WAGNER, R.: Der vergessene Sportverband der DDR. Die Gesellschaft für Sport und Technik in sporthistorischer Perspektive (Sportforum, 16), Meyer und Meyer Verlag: Aachen 2006.
108

Mitteilungen
112

Für Sie gelesen
113

Neuerscheinungen
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Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
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